16.01.2014 Aufrufe

Sanktionsordnung der SIX und Schiedsgericht DISSERTATION der ...

Sanktionsordnung der SIX und Schiedsgericht DISSERTATION der ...

Sanktionsordnung der SIX und Schiedsgericht DISSERTATION der ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

<strong>Sanktionsordnung</strong> <strong>der</strong> <strong>SIX</strong> <strong>und</strong> <strong>Schiedsgericht</strong><br />

<strong>DISSERTATION</strong><br />

<strong>der</strong> Universität St. Gallen,<br />

Hochschule für Wirtschafts-,<br />

Rechts- <strong>und</strong> Sozialwissenschaften sowie<br />

Internationale Beziehungen (HSG)<br />

zur Erlangung <strong>der</strong> Würde einer<br />

Doktorin <strong>der</strong> Rechtswissenschaft<br />

vorgelegt von<br />

Claudia Siebeneck<br />

aus<br />

Deutschland<br />

Genehmigt auf Antrag <strong>der</strong> Herren<br />

Prof. Dr. Peter Nobel<br />

<strong>und</strong><br />

Prof. Dr. Dr. Markus Ruffner<br />

Dissertation Nr. 4182<br />

Stämpfli Publikationen AG Bern 2013


Die Universität St. Gallen, Hochschule für Wirtschafts-, Rechts- <strong>und</strong> Sozialwissenschaften<br />

sowie Internationale Beziehungen (HSG), gestattet hiermit die Drucklegung<br />

<strong>der</strong> vorliegenden Dissertation, ohne damit zu den darin ausgesprochenen Anschauungen<br />

Stellung zu nehmen.<br />

St. Gallen, den 21. Mai 2013<br />

Der Rektor:<br />

Prof. Dr. Thomas Bieger<br />

Das gleiche Werk ist im Stämpfli Verlag AG erschienen als Heft 793 <strong>der</strong> Reihe<br />

Abhandlungen zum schweizerischen Recht ASR<br />

herausgegeben von Prof. Dr. Heinz Hausheer (Bern).<br />

Alle Rechte vorbehalten, insbeson<strong>der</strong>e das Recht <strong>der</strong> Vervielfältigung, <strong>der</strong> Verbreitung <strong>und</strong> <strong>der</strong><br />

Übersetzung. Das Werk o<strong>der</strong> Teile davon dürfen ausser in den gesetzlich vorgesehenen Fällen ohne<br />

schriftliche Genehmigung des Verlags we<strong>der</strong> in irgendeiner Form reproduziert (z.B. fotokopiert)<br />

noch elektronisch gespeichert, verarbeitet vervielfältigt o<strong>der</strong> verbreitet werden.<br />

© Stämpfli Verlag AG Bern 2013<br />

Gesamtherstellung:<br />

Stämpfli Publikationen AG, Bern<br />

Printed in Switzerland<br />

I


Vorwort<br />

Zur Entstehung dieser Dissertation haben einige Menschen einen massgeblichen Beitrag geleistet.<br />

Mein Dank gebührt zunächst meinem Doktorvater <strong>und</strong> Vorgesetzten am Lehrstuhl Herrn Prof. Dr.<br />

Peter Nobel, <strong>der</strong> mich zunächst auf das Thema aufmerksam machte <strong>und</strong> mir später bei <strong>der</strong> Ausarbeitung<br />

den notwendigen Freiraum einräumte. Zudem durfte ich an seinem Lehrstuhl an <strong>der</strong> Universität<br />

St. Gallen mehrere schöne <strong>und</strong> lehrreiche Jahre als Assistentin verbringen. Danken möchte ich darüber<br />

hinaus Herrn Prof. Dr. Dr. Markus Ruffner für seine fre<strong>und</strong>liche Bereitschaft zur Übernahme des Koreferats.<br />

Einen wertvollen Beitrag zum Gelingen dieser Arbeit haben auch die Verantwortlichen von kotierten<br />

Gesellschaften, die Börsenvertreter sowie die weiteren Experten geliefert, die mir bereitwillig Einblick<br />

in die Funktionsweise <strong>und</strong> die Probleme des Börsensanktionsverfahrens gewährten. Für die geopferte<br />

Zeit <strong>und</strong> die wichtigen Erkenntnisse, die ich aus den Gesprächen ziehen konnte, bin ich ihnen sehr<br />

dankbar.<br />

Bedanken möchte ich mich im Weiteren bei Beat Brändli <strong>und</strong> Diego Haunreiter für die angenehme<br />

<strong>und</strong> kollegiale Zusammenarbeit während <strong>der</strong> Neubearbeitung <strong>der</strong> Publikationen von Herrn Prof. Dr. P.<br />

Nobel „Schweizerisches Finanzmarktrecht <strong>und</strong> internationale Standards“ <strong>und</strong> „Transnationales <strong>und</strong><br />

Europäisches Aktienrecht“. Ferner möchte ich mich bei allen früheren <strong>und</strong> heutigen Assistierenden<br />

<strong>und</strong> Mitarbeitenden im MLE-Haus für die gesellige <strong>und</strong> entspannte Atmosphäre bedanken, die mir die<br />

vielen St<strong>und</strong>en des Schreibens wesentlich erleichert hat.<br />

Ein grosser Dank gebührt auch dem Stämpfli Verlag für die fortwährende angenehme <strong>und</strong> kompetente<br />

Zusammenarbeit während <strong>der</strong> Überarbeitung <strong>der</strong> oben genannten Werke <strong>und</strong> bei <strong>der</strong> Publikation meiner<br />

Dissertation.<br />

Schlussendlich ist es an <strong>der</strong> Zeit meinen Eltern Annette <strong>und</strong> Franz-Ferdinand Siebeneck zu danken.<br />

Zum einen haben sie auch bei dieser Arbeit, wie schon so oft, das Lektorat übernommen <strong>und</strong> mit ihren<br />

akribischen Augen <strong>und</strong> ihrem sicheren Sprachgefühl massgeblich zur formalen Qualität dieser Arbeit<br />

beigetragen. Zum an<strong>der</strong>en haben sie mich Zeit meines Lebens in je<strong>der</strong> erdenklichen Weise unterstützt,<br />

<strong>und</strong> es ist ihrer ständigen <strong>und</strong> liebevollen Begleitung meiner verschiedenen Lebensphasen zu verdanken,<br />

dass ich dort angekommen bin, wo ich heute stehe.<br />

St. Gallen<br />

Juni 2013<br />

Claudia Siebeneck<br />

II


Inhaltsübersicht<br />

DIE UNIVERSITÄT ST. GALLEN, HOCHSCHULE FÜR WIRTSCHAFTS-, RECHTS-<br />

UND SOZIALWISSEN-SCHAFTEN SOWIE INTERNATIONALE BEZIEHUNGEN<br />

(HSG), GESTATTET HIERMIT DIE DRUCKLEGUNG<br />

VORWORT<br />

INHALTSÜBERSICHT<br />

INHALTSVERZEICHNIS<br />

ABBILDUNGSVERZEICHNIS<br />

I<br />

II<br />

III<br />

VI<br />

XII<br />

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS<br />

ZUSAMMENFASSUNG<br />

XIII<br />

XX<br />

KAPITEL I EINFÜHRUNG - 1 -<br />

A) Einleitung - 1 -<br />

1. Ausgangslage - 1 -<br />

2. Zielsetzung, Aufbau <strong>und</strong> Methodik - 3 -<br />

B) Gr<strong>und</strong>lagen - 5 -<br />

1. Organisation <strong>der</strong> Schweizer Börse - 5 -<br />

2. Verfahren - 10 -<br />

3. Eingrenzung des Aufgabenbereichs <strong>der</strong> <strong>SIX</strong> - 11 -<br />

KAPITEL II VERFAHRENSRECHTLICHE ASPEKTE - 17 -<br />

A) Rechtliche Ausgestaltung des Börsenwesens - 17 -<br />

1. Merkmale des privatrechtlichen Charakters - 17 -<br />

2. Gründe für privatrechtlichen Charakter - 18 -<br />

3. Schranken <strong>der</strong> privatrechtlichen Klassifizierung - 20 -<br />

4. Würdigung <strong>und</strong> Begründung <strong>der</strong> privatrechtlichen Ausgestaltung - 24 -<br />

5. Konsequenzen des Doppelnorm-Charakters: Gesteuerte Selbstregulierung - 26 -<br />

B) Rechtliche Charakterisierung <strong>der</strong> Börsensanktionen - 27 -<br />

1. Konventionalstrafe? - 27 -<br />

2. Vereinsstrafe? - 28 -<br />

3. Disziplinarische Massnahme? - 28 -<br />

4. Strafe i.S.v. Art. 6 EMRK - 29 -<br />

C) Spezielle Aspekte des schweizerischen Börsenverfahrens - 32 -<br />

1. Beson<strong>der</strong>heiten des börseninternen Verfahrens - 32 -<br />

2. <strong>Schiedsgericht</strong> als gerichtliche Instanz - 34 -<br />

D) Klagelegitimation Dritter - 40 -<br />

1. Ausgangslage - 40 -<br />

2. Betroffenheit <strong>der</strong> Aktionäre <strong>und</strong> Händler - 41 -<br />

3. Klagemöglichkeiten - 43 -<br />

E) Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens - 51 -<br />

1. Keine bewährte Verfahrensordnung? - 51 -<br />

2. Anwendbarkeit des Art. 6 EMRK? - 51 -<br />

III


3. Würdigung - 52 -<br />

F) Beurteilung durch eine unabhängige gerichtliche Instanz - 53 -<br />

1. Allgemein - 53 -<br />

2. Börsensanktionsverfahren - 54 -<br />

3. Börsenschiedsgericht - 56 -<br />

4. Gewaltenteilung bei <strong>der</strong> Börse - 61 -<br />

5. Würdigung - 62 -<br />

6. Endgültigkeit des Schiedsspruchs - 64 -<br />

G) Rechtliches Gehör - 67 -<br />

1. Allgemein - 67 -<br />

2. Untersuchungsverfahren - 67 -<br />

3. Beschwerdeverfahren - 68 -<br />

4. Probleme - 69 -<br />

5. Exkurs: Rechtliches Gehör für Drittbetroffene - 72 -<br />

6. Würdigung - 72 -<br />

H) Recht zu schweigen - 73 -<br />

1. Ausgangslage - 73 -<br />

2. Börsensanktionsverfahren - 73 -<br />

3. Würdigung - 75 -<br />

I) Öffentlichkeit von Verfahren <strong>und</strong> Urteilsverkündung - 76 -<br />

1. Allgemein - 76 -<br />

2. Börseninternes Verfahren - 77 -<br />

3. Schiedsverfahren - 84 -<br />

4. Würdigung - 85 -<br />

J) Angemessene Verfahrensdauer - 85 -<br />

1. Allgemein - 85 -<br />

2. Börseninternes Verfahren - 86 -<br />

3. Schiedsverfahren - 91 -<br />

4. Fazit - 92 -<br />

K) Kosten des Beschwerdeverfahrens - 92 -<br />

L) Zusammenfassende Würdigung - 94 -<br />

KAPITEL III BEURTEILUNG DER SANKTIONSPRAXIS - 97 -<br />

A) Einleitung - 97 -<br />

B) Kritikpunkte <strong>der</strong> Emittenten <strong>und</strong> Reaktion <strong>der</strong> Börse - 98 -<br />

1. Verhalten gegenüber den Emittenten - 99 -<br />

2. Mangelnde Hilfe bei Problemen - 99 -<br />

3. Rechtsquellen - 100 -<br />

4. Anwendung <strong>der</strong> Reglemente <strong>und</strong> Sanktionierung - 101 -<br />

5. Zu scharfe Behandlung kleinerer Emittenten - 102 -<br />

6. Sanktionen - 103 -<br />

7. Veröffentlichungspraxis - 104 -<br />

8. Praxisän<strong>der</strong>ung von Seiten <strong>der</strong> <strong>SIX</strong> - 104 -<br />

C) Pflichten <strong>der</strong> Emittenten - 105 -<br />

1. Zielsetzung - 105 -<br />

2. Regelmeldepflichten - 107 -<br />

3. Ad hoc-Publizität - 107 -<br />

4. Corporate Governance - 113 -<br />

5. Rechnungslegung - 120 -<br />

IV


6. Management Transaktionen - 124 -<br />

7. Information Overflow(?) - 126 -<br />

8. Würdigung - 127 -<br />

D) Verhaltensregulierung von Teilnehmern/Effektenhändlern - 128 -<br />

1. Angemessene Organisation <strong>und</strong> Registrierungspflicht für Händler - 129 -<br />

2. Marktmanipulation - 135 -<br />

3. Würdigung - 141 -<br />

E) Reglemente - 142 -<br />

1. Einleitung - 142 -<br />

2. Erlass <strong>der</strong> Reglemente - 143 -<br />

3. Abstufung <strong>der</strong> Reglemente - 147 -<br />

F) Rolle <strong>der</strong> selbstregulierten Behörde - 155 -<br />

1. Kooperationspflicht <strong>der</strong> Börse - 155 -<br />

2. Kooperationspflicht <strong>der</strong> Regulierten - 156 -<br />

3. Grenzen <strong>der</strong> Kooperationspflicht <strong>der</strong> Börse - 157 -<br />

4. erweiterte Untersuchungsinstrumente (?) - 158 -<br />

5. Einigung - 159 -<br />

6. Würdigung - 161 -<br />

G) Sanktionen - 163 -<br />

1. Zweck - 163 -<br />

2. Sanktionenkatalog für Emittenten - 164 -<br />

3. Sanktionenkatalog für Teilnehmer/Händler - 175 -<br />

H) Sanktionierungsgr<strong>und</strong>sätze - 179 -<br />

1. Täterbestimmung - 180 -<br />

2. Berücksichtigung von Grössenunterschieden(?) - 182 -<br />

3. Strafzumessung - 184 -<br />

4. Würdigung - 203 -<br />

I) Zusammenfassende Würdigung - 204 -<br />

KAPITEL IV ABSCHLIESSENDE BETRACHTUNGEN - 206 -<br />

VERZEICHNIS DER INTERVIEWS<br />

MITGLIEDER DES REGULATORY BOARDS<br />

MITGLIEDER DER SANKTIONSKOMMISSION<br />

MITGLIEDER DER BESCHWERDEINSTANZ<br />

LITERATURVERZEICHNIS<br />

XIX<br />

XXI<br />

XXIII<br />

XXIV<br />

XXV<br />

V


Inhaltsverzeichnis<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

DIE UNIVERSITÄT ST. GALLEN, HOCHSCHULE FÜR WIRTSCHAFTS-, RECHTS-<br />

UND SOZIALWISSEN-SCHAFTEN SOWIE INTERNATIONALE BEZIEHUNGEN<br />

(HSG), GESTATTET HIERMIT DIE DRUCKLEGUNG<br />

VORWORT<br />

INHALTSÜBERSICHT<br />

INHALTSVERZEICHNIS<br />

ABBILDUNGSVERZEICHNIS<br />

I<br />

II<br />

III<br />

VI<br />

XII<br />

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS<br />

ZUSAMMENFASSUNG<br />

XIII<br />

XX<br />

KAPITEL I EINFÜHRUNG - 1 -<br />

A) Einleitung - 1 -<br />

1. Ausgangslage - 1 -<br />

2. Zielsetzung, Aufbau <strong>und</strong> Methodik - 3 -<br />

B) Gr<strong>und</strong>lagen - 5 -<br />

1. Organisation <strong>der</strong> Schweizer Börse - 5 -<br />

a) Regulatory Board - 6 -<br />

b) <strong>SIX</strong> Exchange Regulation - 7 -<br />

c) Rechtsprechungsinstanzen - 8 -<br />

aa) Sanktionskommission - 8 -<br />

bb) Unabhängige Beschwerdeinstanz - 9 -<br />

cc) Börsenschiedsgericht - 9 -<br />

2. Verfahren - 10 -<br />

a) Untersuchungs- <strong>und</strong> Sanktionsverfahren - 10 -<br />

aa) Emittenten - 10 -<br />

bb) Teilnehmer <strong>und</strong> Händler - 10 -<br />

b) Rechtsmittelweg - 11 -<br />

3. Eingrenzung des Aufgabenbereichs <strong>der</strong> <strong>SIX</strong> - 11 -<br />

a) Aufgaben <strong>der</strong> Börse - 11 -<br />

b) Grenzen des Zuständigkeitsbereichs - 11 -<br />

aa) Gesetzesverletzungen - 12 -<br />

bb) Sonstige Missstände - 13 -<br />

cc) Teilnehmerregulierung - 14 -<br />

c) Fazit - 14 -<br />

KAPITEL II VERFAHRENSRECHTLICHE ASPEKTE - 17 -<br />

A) Rechtliche Ausgestaltung des Börsenwesens - 17 -<br />

1. Merkmale des privatrechtlichen Charakters - 17 -<br />

2. Gründe für privatrechtlichen Charakter - 18 -<br />

3. Schranken <strong>der</strong> privatrechtlichen Klassifizierung - 20 -<br />

a) Gleichberechtigte Partner (?) - 20 -<br />

b) Verwirklichung öffentlicher Interessen - 20 -<br />

aa) Allgemein - 20 -<br />

bb) Anlegerschutz - 21 -<br />

cc) Funktionsschutz - 22 -<br />

VI


Inhaltsverzeichnis<br />

dd) Ergebnis - 24 -<br />

4. Würdigung <strong>und</strong> Begründung <strong>der</strong> privatrechtlichen Ausgestaltung - 24 -<br />

5. Konsequenzen des Doppelnorm-Charakters: Gesteuerte Selbstregulierung - 26 -<br />

B) Rechtliche Charakterisierung <strong>der</strong> Börsensanktionen - 27 -<br />

1. Konventionalstrafe? - 27 -<br />

2. Vereinsstrafe? - 28 -<br />

3. Disziplinarische Massnahme? - 28 -<br />

4. Strafe i.S.v. Art. 6 EMRK - 29 -<br />

a) Engel-Kriterien - 29 -<br />

b) Erstes Engel-Kriterium - 30 -<br />

c) Zweites Engel-Kriterium - 30 -<br />

d) Drittes Engel-Kriterium - 31 -<br />

e) Fazit - 31 -<br />

C) Spezielle Aspekte des schweizerischen Börsenverfahrens - 32 -<br />

1. Beson<strong>der</strong>heiten des börseninternen Verfahrens - 32 -<br />

a) Teilung des Verfahrens in Untersuchung <strong>und</strong> Sanktionierung - 32 -<br />

b) Zweiteilung des börseninternen Beschwerdeverfahrens - 33 -<br />

2. <strong>Schiedsgericht</strong> als gerichtliche Instanz - 34 -<br />

a) <strong>Schiedsgericht</strong> als Ersatz für den Zivilrichter? - 34 -<br />

b) Schiedsfähigkeit - 35 -<br />

c) Gültigkeit <strong>der</strong> Schiedsvereinbarung - 36 -<br />

aa) Vertragliche Schiedsabrede - 37 -<br />

bb) Statutarische Schiedsklausel - 38 -<br />

cc) Ergebnis - 39 -<br />

d) Fazit - 39 -<br />

D) Klagelegitimation Dritter - 40 -<br />

1. Ausgangslage - 40 -<br />

2. Betroffenheit <strong>der</strong> Aktionäre <strong>und</strong> Händler - 41 -<br />

a) Aktionäre - 41 -<br />

b) Händler - 42 -<br />

3. Klagemöglichkeiten - 43 -<br />

a) Händler - 43 -<br />

b) Anleger - 43 -<br />

aa) Legitimation im Börsenverfahren - 43 -<br />

bb) Möglichkeit, das Börsenschiedsgericht anzurufen - 44 -<br />

cc) Zivilrechtliche Klagemöglichkeit - 46 -<br />

dd) Einschränkung <strong>der</strong> Betroffenheit in <strong>der</strong> Lehre - 47 -<br />

ee) Öffentlich-rechtliche Klagemöglichkeit - 48 -<br />

c) Fazit - 49 -<br />

E) Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens - 51 -<br />

1. Keine bewährte Verfahrensordnung? - 51 -<br />

2. Anwendbarkeit des Art. 6 EMRK? - 51 -<br />

3. Würdigung - 52 -<br />

F) Beurteilung durch eine unabhängige gerichtliche Instanz - 53 -<br />

1. Allgemein - 53 -<br />

2. Börsensanktionsverfahren - 54 -<br />

a) Gerichtliche Instanz - 54 -<br />

b) Unabhängigkeit <strong>und</strong> Unparteilichkeit - 54 -<br />

c) Fazit - 55 -<br />

3. Börsenschiedsgericht - 56 -<br />

a) Gerichtliche Instanz - 56 -<br />

b) Unabhängigkeit <strong>und</strong> Unparteilichkeit - 56 -<br />

aa) Merkmale eines <strong>Schiedsgericht</strong>s - 56 -<br />

bb) Merkmale des Börsenschiedsgerichts - 57 -<br />

VII


Inhaltsverzeichnis<br />

cc) Ergebnis - 58 -<br />

c) Überprüfbarkeit <strong>der</strong> Entscheide <strong>der</strong> Börsenorgane - 59 -<br />

d) Fazit - 60 -<br />

4. Gewaltenteilung bei <strong>der</strong> Börse - 61 -<br />

5. Würdigung - 62 -<br />

6. Endgültigkeit des Schiedsspruchs - 64 -<br />

a) Ausgangslage - 64 -<br />

b) Klagemöglichkeiten für Betroffene - 65 -<br />

c) Fazit - 66 -<br />

G) Rechtliches Gehör - 67 -<br />

1. Allgemein - 67 -<br />

2. Untersuchungsverfahren - 67 -<br />

3. Beschwerdeverfahren - 68 -<br />

4. Probleme - 69 -<br />

a) Möglichkeit zur mündlichen Äusserung? - 70 -<br />

b) Problem Sanktionsantrag? - 71 -<br />

5. Exkurs: Rechtliches Gehör für Drittbetroffene - 72 -<br />

6. Würdigung - 72 -<br />

H) Recht zu schweigen - 73 -<br />

1. Ausgangslage - 73 -<br />

2. Börsensanktionsverfahren - 73 -<br />

3. Würdigung - 75 -<br />

I) Öffentlichkeit von Verfahren <strong>und</strong> Urteilsverkündung - 76 -<br />

1. Allgemein - 76 -<br />

2. Börseninternes Verfahren - 77 -<br />

a) Emittenten - 77 -<br />

aa) Geheimhaltungsinteresse/Unschuldsvermutung - 77 -<br />

bb) Öffentliches Interesse bei Sanktionsentscheiden - 78 -<br />

cc) Grenzen des öffentlichen Interesses - 79 -<br />

dd) Ergebnis - 81 -<br />

b) Teilnehmer - 82 -<br />

3. Schiedsverfahren - 84 -<br />

4. Würdigung - 85 -<br />

J) Angemessene Verfahrensdauer - 85 -<br />

1. Allgemein - 85 -<br />

2. Börseninternes Verfahren - 86 -<br />

a) Generelle Beschleunigung durch Verfahrensordnung - 86 -<br />

b) Komplizierter interner Beschwerdeweg als Verfahrensverzögerung - 88 -<br />

aa) Vorteile <strong>der</strong> Ausschöpfung des börseninternen Instanzenzugs - 88 -<br />

bb) Zusammenlegung <strong>der</strong> börseninternen Rechtsmittelinstanzen - 89 -<br />

cc) Ergebnis - 91 -<br />

3. Schiedsverfahren - 91 -<br />

4. Fazit - 92 -<br />

K) Kosten des Beschwerdeverfahrens - 92 -<br />

L) Zusammenfassende Würdigung - 94 -<br />

KAPITEL III BEURTEILUNG DER SANKTIONSPRAXIS - 97 -<br />

A) Einleitung - 97 -<br />

B) Kritikpunkte <strong>der</strong> Emittenten <strong>und</strong> Reaktion <strong>der</strong> Börse - 98 -<br />

1. Verhalten gegenüber den Emittenten - 99 -<br />

2. Mangelnde Hilfe bei Problemen - 99 -<br />

VIII


Inhaltsverzeichnis<br />

3. Rechtsquellen - 100 -<br />

4. Anwendung <strong>der</strong> Reglemente <strong>und</strong> Sanktionierung - 101 -<br />

5. Zu scharfe Behandlung kleinerer Emittenten - 102 -<br />

6. Sanktionen - 103 -<br />

7. Veröffentlichungspraxis - 104 -<br />

8. Praxisän<strong>der</strong>ung von Seiten <strong>der</strong> <strong>SIX</strong> - 104 -<br />

C) Pflichten <strong>der</strong> Emittenten - 105 -<br />

1. Zielsetzung - 105 -<br />

a) Allgemein - 105 -<br />

b) im internationalen Vergleich - 106 -<br />

2. Regelmeldepflichten - 107 -<br />

3. Ad hoc-Publizität - 107 -<br />

a) Kursrelevante Tatsache - 108 -<br />

b) Zeitpunkt - 110 -<br />

c) Umgang mit Gerüchten - 112 -<br />

d) Fazit - 113 -<br />

4. Corporate Governance - 113 -<br />

a) Offenlegung von Entschädigungen - 114 -<br />

aa) Umfeld - 114 -<br />

bb) Betrachtung <strong>der</strong> Börsensanktionspraxis - 116 -<br />

cc) Ergebnis - 117 -<br />

b) Sonstige Offenlegungspflichten - 118 -<br />

c) Fazit - 119 -<br />

5. Rechnungslegung - 120 -<br />

a) Einleitung - 120 -<br />

b) zu strenge Rechnungslegungsstandards? - 120 -<br />

c) Graubereich bei IFRS - 122 -<br />

d) Fazit - 123 -<br />

6. Management Transaktionen - 124 -<br />

7. Information Overflow(?) - 126 -<br />

8. Würdigung - 127 -<br />

D) Verhaltensregulierung von Teilnehmern/Effektenhändlern - 128 -<br />

1. Angemessene Organisation <strong>und</strong> Registrierungspflicht für Händler - 129 -<br />

a) Registrierungspflicht - 129 -<br />

b) Sorgfaltspflicht - 131 -<br />

aa) Gewährleistung eines effizienten Handels <strong>und</strong> einer bestmöglichen Erfüllung (best execution) -<br />

132 -<br />

bb) Beaufsichtigung von K<strong>und</strong>en-Systemen - 134 -<br />

cc) Journalführungs- <strong>und</strong> Meldepflicht - 134 -<br />

c) Fazit - 135 -<br />

2. Marktmanipulation - 135 -<br />

a) Schutzziel - 136 -<br />

b) Tatbestandsmerkmale - 137 -<br />

aa) Strafgesetzliche Tatbestände - 137 -<br />

bb) Regulatorische Tatbestände - 138 -<br />

c) Fazit - 140 -<br />

3. Würdigung - 141 -<br />

E) Reglemente - 142 -<br />

1. Einleitung - 142 -<br />

2. Erlass <strong>der</strong> Reglemente - 143 -<br />

a) Rolle des Regulatory Boards - 143 -<br />

b) Demokratische Legitimation - 144 -<br />

c) An<strong>der</strong>e Rechtsetzungsorgane - 145 -<br />

d) Fazit - 147 -<br />

3. Abstufung <strong>der</strong> Reglemente - 147 -<br />

a) Rahmengesetz - 147 -<br />

IX


Inhaltsverzeichnis<br />

aa) Notwendigkeit einer gesetzlichen Gr<strong>und</strong>lage - 147 -<br />

bb) Inhaltliche Ausgestaltung - 148 -<br />

b) Reglemente - 148 -<br />

aa) Konkretisierung als Zweck - 148 -<br />

bb) Inhaltliche Ausgestaltung - 150 -<br />

c) Kommentare <strong>und</strong> Sanktionsentscheide - 151 -<br />

aa) Funktion: Weitere Konkretisierung - 151 -<br />

bb) Frage <strong>der</strong> Rechtsverbindlichkeit - 151 -<br />

c) Fazit - 153 -<br />

F) Rolle <strong>der</strong> selbstregulierten Behörde - 155 -<br />

1. Kooperationspflicht <strong>der</strong> Börse - 155 -<br />

2. Kooperationspflicht <strong>der</strong> Regulierten - 156 -<br />

3. Grenzen <strong>der</strong> Kooperationspflicht <strong>der</strong> Börse - 157 -<br />

a) Probleme <strong>der</strong> Auskunftserteilung allgemein - 157 -<br />

b) Gefahren des "zünftlerischen Verhaltens" im Beson<strong>der</strong>en - 158 -<br />

4. erweiterte Untersuchungsinstrumente (?) - 158 -<br />

5. Einigung - 159 -<br />

6. Würdigung - 161 -<br />

G) Sanktionen - 163 -<br />

1. Zweck - 163 -<br />

2. Sanktionenkatalog für Emittenten - 164 -<br />

a) Verwarnung - 164 -<br />

b) Verweis - 165 -<br />

c) Busse - 166 -<br />

aa) Eignung - 166 -<br />

bb) Bussenrahmen - 167 -<br />

d) Dekotierung, Sistierung, Ausschluss, Entzug <strong>der</strong> Anerkennung - 169 -<br />

e) Publikation - 169 -<br />

aa) Reputationswirkung <strong>der</strong> Publikation - 170 -<br />

bb) Nachteile - Unschuldsvermutung - 171 -<br />

cc) Informationsfunktion <strong>der</strong> Publikation - 171 -<br />

dd) Ergebnis - 172 -<br />

g) Fazit - 173 -<br />

3. Sanktionenkatalog für Teilnehmer/Händler - 175 -<br />

a) Allgemein - 175 -<br />

b) Verweis - 175 -<br />

c) Busse - 176 -<br />

d) Suspendierung/Entzug <strong>der</strong> Registrierung/Ausschluss - 177 -<br />

aa) Suspendierung o<strong>der</strong> Entzug <strong>der</strong> Registrierung eines Händlers - 177 -<br />

bb) Suspendierung o<strong>der</strong> Ausschluss eines Teilnehmers - 178 -<br />

e) Publikation - 179 -<br />

f) Fazit - 179 -<br />

H) Sanktionierungsgr<strong>und</strong>sätze - 179 -<br />

1. Täterbestimmung - 180 -<br />

a) bei den Emittenten - 180 -<br />

b) bei den Teilnehmern - 182 -<br />

2. Berücksichtigung von Grössenunterschieden(?) - 182 -<br />

3. Strafzumessung - 184 -<br />

a) Schwere des Verstosses - 184 -<br />

aa) Emittenten - 185 -<br />

bb) Teilnehmer/Händler - 186 -<br />

cc) Ergebnis - 186 -<br />

b) Strafverschärfungs- bzw. -mil<strong>der</strong>ungsgründe - 188 -<br />

c) Verschulden - Emittenten - 190 -<br />

aa) Organisationsdefizit als Verschuldensmassstab - 190 -<br />

bb) Bestrafung von Fahrlässigkeit - 192 -<br />

X


Inhaltsverzeichnis<br />

cc) Ergebnis - 194 -<br />

d) Verschulden – Teilnehmer - 195 -<br />

aa) Allgemein - 195 -<br />

bb) Pflicht zur Errichtung einer Compliance-Organisation - 196 -<br />

cc) Verantwortlichkeit <strong>der</strong> Teilnehmer für Handlungen <strong>der</strong> Anleger - 197 -<br />

dd) Anrechnung von Mitverschulden an<strong>der</strong>er Teilnehmer - 198 -<br />

ee) Subjektiver Tatbestand - 199 -<br />

ff) Ergebnis - 200 -<br />

e) Sanktionsempfindlichkeit - 201 -<br />

f) Fazit - 202 -<br />

4. Würdigung - 203 -<br />

I) Zusammenfassende Würdigung - 204 -<br />

KAPITEL IV ABSCHLIESSENDE BETRACHTUNGEN - 206 -<br />

VERZEICHNIS DER INTERVIEWS<br />

MITGLIEDER DES REGULATORY BOARDS<br />

MITGLIEDER DER SANKTIONSKOMMISSION<br />

MITGLIEDER DER BESCHWERDEINSTANZ<br />

LITERATURVERZEICHNIS<br />

XIX<br />

XXI<br />

XXIII<br />

XXIV<br />

XXV<br />

XI


Abbildungsverzeichnis<br />

Abbildungsverzeichnis<br />

Abbildung 1: Schematische Übersicht über die regulatorischen Organe S. 6<br />

Abbildung 2: Glie<strong>der</strong>ung von <strong>SIX</strong> Exchange Regulation S. 8<br />

XII


Abkürzungsverzeichnis<br />

Abkürzungsverzeichnis<br />

Abs.<br />

Absatz<br />

AG<br />

Aktiengesellschaft<br />

AHP<br />

Ad hoc-Publizität<br />

AJP<br />

Aktuelle juristische Praxis<br />

a.KR altes Kotierungsreglement (gültig bis<br />

30.6.2009)<br />

a.M.<br />

an<strong>der</strong>er Meinung<br />

amtl.<br />

amtlich<br />

Amtl.Bull.<br />

Amtliches stenographisches Bulletin <strong>der</strong><br />

B<strong>und</strong>esversammlung<br />

aRLCG<br />

Richtlinie vom 1. Januar 2007 betreffend<br />

Informationen zur Corporate Governance<br />

(in Kraft bis 29. Oktober 2008)<br />

Art.<br />

Artikel<br />

BankG B<strong>und</strong>esgesetz vom 8. November 1934<br />

über die Banken <strong>und</strong> Sparkassen (Bankengesetz,<br />

SR 952.0)<br />

Bd.<br />

Band<br />

BEHG<br />

B<strong>und</strong>esgesetz vom 24. März 1995 über die<br />

Börsen <strong>und</strong> den Effektenhandel<br />

betr.<br />

betreffend<br />

BGE<br />

B<strong>und</strong>esgerichtsentscheid<br />

BGer<br />

B<strong>und</strong>esgericht<br />

BGHSt<br />

Entscheidungen des (deutschen) B<strong>und</strong>esgerichtshofes<br />

in Strafsachen<br />

BGHZ<br />

Entscheidungen des B<strong>und</strong>esgerichtshofs in<br />

Zivilsachen<br />

BJM<br />

Basler Juristische Mitteilungen<br />

bspw.<br />

beispielsweise<br />

Bull.<br />

Bulletin<br />

BV<br />

B<strong>und</strong>esverfassung<br />

XIII


Abkürzungsverzeichnis<br />

bzgl.<br />

bezüglich<br />

bzw.<br />

beziehungsweise<br />

ca<br />

circa<br />

CEO<br />

Chief Executive Officer<br />

CFO<br />

Chief Financial Officer<br />

CG<br />

Corporate Governance<br />

CHF<br />

Schweizer Franken<br />

d.h.<br />

das heisst<br />

DK<br />

Disziplinarkommission<br />

DM<br />

Deutsche Mark<br />

DRiZ<br />

Deutsche Richterzeitung<br />

E. Erwägung<br />

E-BEHG<br />

Entwurf zum Börsengesetz<br />

EBK<br />

Eidgenössische Bankenkommission (bis<br />

31.12.2008)<br />

ECHR<br />

European Court of Human Rights<br />

EFD<br />

Eidgenössisches Finanzdepartement<br />

EGMR<br />

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte<br />

EMRK<br />

Europäische Menschenrechtskonvention<br />

etc.<br />

et cetera<br />

EUGRZ<br />

Europäische Gr<strong>und</strong>rechte Zeitschrift<br />

EU-MRl<br />

Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen<br />

Parlaments <strong>und</strong> des Rates vom 28. Januar<br />

2003 über Insi<strong>der</strong>-Geschäfte <strong>und</strong> Marktmanipulation<br />

(Marktmissbrauch), ABI L<br />

096 12.04.2003, 16 ff.<br />

evtl.<br />

eventuell<br />

f. folgend<br />

ff.<br />

fortfolgend<br />

FIBV<br />

International Fe<strong>der</strong>ation of Stock Exchanges<br />

(Fédération Internationale des<br />

Bourses de Valeurs)<br />

FINMA<br />

Finanzmarktaufsicht<br />

XIV


Abkürzungsverzeichnis<br />

FINMAG<br />

B<strong>und</strong>esgesetz über die Finanzmarktaufsicht<br />

Fn.<br />

Fussnote<br />

GAPSBC<br />

Generally Accepted Principles of Securities<br />

Business Conduct<br />

GBZ<br />

Geschäftsbereich Zulassung<br />

GeSKR Gesellschafts- <strong>und</strong> Kapitalmarktrecht :<br />

Schweizerische Zeitschrift für Gesellschafts-<br />

<strong>und</strong> Kapitalmarktrecht sowie Umstrukturierungen<br />

ggf.<br />

gegebenenfalls<br />

GH<br />

Amtliche Sammlung <strong>der</strong> Urteile des<br />

EGMR<br />

GL<br />

Geschäftsleitung<br />

gl. M.<br />

gleicher Meinung<br />

GV<br />

Generalversammlung<br />

h.L.<br />

herrschende Lehre<br />

HR<br />

Human Resources<br />

Hrsg.<br />

Herausgeber<br />

IASB<br />

International Accounting Standards Board<br />

i.c.<br />

in casu<br />

i.d.R.<br />

in <strong>der</strong> Regel<br />

IFRS<br />

International Financial Reporting Standards<br />

inkl.<br />

inklusive<br />

insb.<br />

insbeson<strong>der</strong>e<br />

i.S.<br />

in Sachen<br />

ISD<br />

Investment Services Directive, Richtlinie<br />

93/22/EWG über Wertpapierdienstleistungen<br />

vom 10. Mai 1993 (Wertpapierdienstleistungsrichtlinie,<br />

ABl. Nr. L 141<br />

vom 11. Juni 1993, 27 ff, geän<strong>der</strong>t durch<br />

die Richtlinie 95/26/EG vom 29. Juni<br />

XV


Abkürzungsverzeichnis<br />

1995, ABl. Nr. L 168 vom 18. Juli 1995,<br />

7ff.)<br />

i.S.v.<br />

im Sinne von<br />

JZ<br />

Juristenzeitung<br />

KMU<br />

Klein- <strong>und</strong> Mittelunternehmen<br />

KR<br />

Kotierungsreglement<br />

KSG<br />

Konkordat über die <strong>Schiedsgericht</strong>sbarkeit<br />

vom 27. März 1969<br />

lit.<br />

litera<br />

m.a.W.<br />

mit an<strong>der</strong>en Worten<br />

m.E.<br />

meines Erachtens<br />

Mio.<br />

Millionen<br />

MT<br />

Management Transaktionen<br />

m.w.H.<br />

mit weiteren Hinweisen<br />

NR<br />

Nationalrat<br />

NZG<br />

Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht<br />

NZZ<br />

Neue Zürcher Zeitung<br />

OTC<br />

Over the Counter (ausserbörslich)<br />

RAB<br />

Revisionsaufsichtsbehörde<br />

RBI<br />

Reglement für die Beschwerdeinstanz <strong>der</strong><br />

<strong>SIX</strong> Swiss Exchange vom 17. Oktober<br />

2008<br />

RLAhP Richtlinie <strong>der</strong> <strong>SIX</strong> vom 29. Oktober 2008<br />

betreffend Ad hoc-Publizität<br />

RLCG Richtlinie <strong>der</strong> <strong>SIX</strong> vom 29. Oktober 2008<br />

betreffend Informationen zur Corporate<br />

Governance<br />

RLE<br />

Rechnungslegung<br />

RLMT<br />

Richtlinie <strong>der</strong> <strong>SIX</strong> vom 12. November<br />

2010 betreffend Offenlegung von Management-Transaktionen<br />

RLR Richtlinie <strong>der</strong> <strong>SIX</strong> vom 21. April 2011<br />

betreffend Rechnungslegung<br />

RS<br />

R<strong>und</strong>schreiben<br />

XVI


Abkürzungsverzeichnis<br />

RVJ<br />

Revue valaisanne de jurisprudence<br />

Rz.<br />

Randziffer<br />

S. Seite<br />

SA<br />

Société anonyme<br />

SAG<br />

Schweizerische Aktiengesellschaft: Zeitschrift<br />

für Handels- <strong>und</strong> Wirtschaftsrecht<br />

SaKo<br />

Sanktionskommission<br />

SBVg<br />

Schweizerische Bankiervereinigung<br />

SEC<br />

Securitites and Exchange Commission<br />

(USA)<br />

SER<br />

<strong>SIX</strong> Exchange Regulation<br />

<strong>SIX</strong><br />

<strong>SIX</strong> Swiss Exchange (Schweizer Börse)<br />

SJZ<br />

Schweizerische Juristenzeitung<br />

sog.<br />

so genannt<br />

SR<br />

Stän<strong>der</strong>at<br />

ST<br />

Schweizer Treuhän<strong>der</strong><br />

StGB Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21.<br />

Dezember 1937<br />

SVE<br />

Surveillance & Enforcement<br />

SWX SWX Swiss Exchange, im August 2008<br />

umbenannt in <strong>SIX</strong> Swiss Exchange<br />

SZIER<br />

Schweizerische Zeitschrift für internationales<br />

<strong>und</strong> europäisches Recht<br />

SZW Schweizerische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht<br />

u.a.<br />

unter an<strong>der</strong>em<br />

US-GAAP<br />

Generally Accepted Accounting Principles<br />

<strong>der</strong> USA<br />

usw.<br />

<strong>und</strong> so weiter<br />

u.U.<br />

unter Umständen<br />

v.a.<br />

vor allem<br />

VE<br />

Verhaltensregeln für Effektenhändler bei<br />

<strong>der</strong> Durchführung des Effektenhandelsge-<br />

XVII


Abkürzungsverzeichnis<br />

schäfts, Richtlinien von Swiss Banking<br />

2008<br />

vgl.<br />

vergleiche<br />

VO<br />

Verfahrensordnung <strong>der</strong> <strong>SIX</strong> Exchange<br />

Regulation vom 1. Oktober 2010<br />

VR<br />

Verwaltungsrat<br />

vs.<br />

versus<br />

VSB<br />

Vereinbarung über die Sorgfaltspflichten<br />

<strong>der</strong> Banken<br />

VwVG B<strong>und</strong>esgesetz vom 20. Dezember 1968<br />

über das Verwaltungsverfahren.<br />

WM<br />

Wertpapier-Mitteilungen : Zeitschrift für<br />

Wirtschafts- <strong>und</strong> Bankrecht<br />

WPG<br />

Wertpapiergesetz (des Kantons Zürich)<br />

WuR<br />

Wirtschaft <strong>und</strong> Recht<br />

z.B.<br />

zum Beispiel<br />

ZBB<br />

Zeitschrift für Bankrecht <strong>und</strong> Bankwirtschaft<br />

ZBl.<br />

Schweizerisches Zentralblatt für Staats<strong>und</strong><br />

Verwaltungsrecht<br />

ZGR<br />

Zeitschrift für Unternehmens- <strong>und</strong> Gesellschaftsrecht<br />

Ziff.<br />

Ziffer<br />

zit.<br />

zitiert<br />

ZPO<br />

Schweizerische Zivilprozessordnung vom<br />

19. Dezember 2008<br />

ZRP<br />

Zeitschrift für Rechtspolitik<br />

ZSR<br />

Zeitschrift für schweizerisches Recht<br />

ZStW<br />

Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft<br />

z.T.<br />

zum Teil<br />

ZUL<br />

Zulassungsstelle<br />

ZVglRWiss<br />

Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft<br />

XVIII


Abkürzungsverzeichnis<br />

ZZZ<br />

Schweizerische Zeitschrift für Zivilprozess-<br />

<strong>und</strong> Zwangsvollstreckungsrecht<br />

XIX


Zusammenfassung<br />

Beim Erlass des B<strong>und</strong>esgesetzes über die Börsen <strong>und</strong> den Effektenhandel (BEHG) standen<br />

die gesteuerte Selbstregulierung <strong>und</strong> die Ausrichtung <strong>der</strong> Börse als privatrechtlich organisierte<br />

Institution klar im Vor<strong>der</strong>gr<strong>und</strong>. Insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> in Art. 9 BEHG vorgezeichnete Beschwerdeweg<br />

zeigt, dass nach dem Willen des Gesetzgebers das Börsensanktionsverfahren ein Zivilverfahren<br />

ist. Diese Ausrichtung des Sanktionsverfahrens war jedoch von Beginn an umstritten<br />

<strong>und</strong> wird auch heute noch in Zweifel gezogen; insbeson<strong>der</strong>e wird <strong>der</strong> Rechtsschutz als<br />

mangelhaft angesehen. Doch nicht nur die Verfahrensausgestaltung gibt Anlass zu Kritik:<br />

Von den Regulierten wird namentlich die Umsetzung des Sanktionierungsauftrags sowie <strong>der</strong><br />

Sanktionenkatalog bemängelt.<br />

Angesichts dieser Beanstandungen wird in <strong>der</strong> vorliegenden Dissertation das Sanktionsverfahren<br />

<strong>der</strong> Schweizer Börse sorgfältig analysiert. Nach einer überblickartigen Erläuterung <strong>der</strong><br />

Organisation <strong>der</strong> Schweizer Börse <strong>und</strong> des Sanktionsverfahrens im ersten Kapitel stehen im<br />

zweiten Kapitel die verfahrensrechtlichen Aspekte im Vor<strong>der</strong>gr<strong>und</strong>: Hier werden zum einen<br />

die Frage <strong>der</strong> rechtlichen Charakterisierung des Börsensanktionsverfahrens ausführlich behandelt<br />

<strong>und</strong> die Gründe für die Betonung <strong>der</strong> privatrechtlichen Klassifzierung herausgearbeitet,<br />

zum an<strong>der</strong>en wird ausgehend von den in Art. 6 EMRK verankerten Verfahrensgarantien<br />

die Rechtsstaatlichkeit des Börsensanktionsverfahrens überprüft. Im Rahmen dieser Untersuchung<br />

wird auch insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> Frage nachgegangen, inwieweit es sich beim Börsenschiedsgericht<br />

um eine vollwertige <strong>und</strong> geeignete gerichtliche Instanz handelt. Ausserdem<br />

wird die durch den B<strong>und</strong>esgerichtsentscheid im Fall Bergbahnen Lenzerheide AG aufgeworfene<br />

Frage des Rechtsschutzes von Dritten (insb. Aktionären) behandelt. Im dritten Kapitel<br />

werden dann die materiellen Aspekte des Börsensanktionsverfahrens (Sanktionierungsgr<strong>und</strong>sätze<br />

<strong>und</strong> Sanktionenkatalog) näher betrachtet. Die Sanktionierungspraxis wird anhand <strong>der</strong><br />

von Emittenten <strong>und</strong> <strong>der</strong> Presse gerügten Punkte systematisch durchleuchtet <strong>und</strong> bewertet.<br />

Bereits eingeführte Verbesserungsmassnahmen werden dabei einbezogen.<br />

XX


Abstract<br />

When the Swiss Stock Exchange Act (BEHG) was enacted the guided self-regulation and the<br />

private law orientation of the Swiss Stock Exchange were clearly prioritised. Especially the<br />

complaint procedures fixed in Art. 9 BEHG show the legislator’s intention to design the sanction<br />

system as a private law procedure. This orientation was, however, controversial from the<br />

beginning and is still challenged today; in particular the legal protection is regarded as inadequate.<br />

However, not only the organisation of the proceedings is criticised: The regulated firms<br />

find fault with the implementation of the sanctioning mandate as well as the list of possible<br />

sanctions.<br />

In the light of these objections the sanctioning system of the Swiss Stock Exchange will be<br />

thoroughly analysed in this dissertation. After a general explanation of the organisation of the<br />

Swiss Stock Exchange and the sanctioning system in the first chapter the procedural aspects<br />

will be the main topic of the second chapter: First of all the legal characterisation will be covered<br />

in detail and the reasons for the emphasis on the private law classification will be explained,<br />

in addition the legality of the sanctioning system will be examined based on the procedural<br />

guarantees of Art. 6 EMRK. In the course of this analysis a special emphasis will be<br />

given to the issue whether the arbitrating body is a full-fledged and adequate substitute for a<br />

court. Furthermore I will enter into the question regarding the legal protection of other stakehol<strong>der</strong>s<br />

(especially: the sharehol<strong>der</strong>s), which has been raised by the ruling of the Swiss Fe<strong>der</strong>al<br />

Court in the case Bergbahnen Lenzerheide AG. In the third chapter the substantive aspects<br />

of the sanctioning system (sanctioning principles, list of sanctions) will be discussed. The<br />

sanctioning procedures will be examined and assessed referring to the features criticised by<br />

the issuers and the press. Improvement measures which are already introduced will be taken<br />

into consi<strong>der</strong>ation.<br />

XXI


Résumé<br />

Lorsque la loi fédérale sur les bourses et le commerce des valeurs mobilières (LBVM) fut<br />

édictée, l’autorégulation dirigée et l’orientation de la bourse en institution de droit privé<br />

étaient clairement prioritaires. L’instance de recours de l’article 9 LBVM montre notamment<br />

la volonté du législateur que la procédure de sanction soit une procédure civile. Cette orientation<br />

était, cependant, disputée dès le début et est même aujourd’hui mise en question; la protection<br />

juridique est en particulier considérée comme inadéquate. Au-delà de la procédure,<br />

d’autres aspects sont aussi critiqués: Les entreprises régulées dénoncent notamment la manière<br />

d’appliquer le mandat de sanction ainsi que le catalogue de sanctions.<br />

En vue de ces objections, le système de sanction de la bourse suisse sera analysé en détail<br />

dans la dissertation présentée. Après une description générale de l’organisation de la bourse<br />

suisse et de la procédure de sanction dans le premier chapitre, les aspects juridiques de la procédure<br />

sont au centre du deuxième chapitre: En premier lieu, la caractérisation légale de la<br />

procédure est couverte en détail ainsi que les raisons pour une classification en droit privé<br />

sont expliquées; de plus, la légalité de la procédure est examinée en vue de l’article 6 CEDH.<br />

Dans le cadre de cette analyse, il s’agit surtout de la question si le tribunal arbitral de la<br />

bourse représente un tribunal approprié et de pleine valeur. De plus, la question de la protection<br />

juridique d’un tiers soulevée par l’arrêt du tribunal fédéral dans Bergbahnen Lenzerheide<br />

AG sera discutée. Dans le troisième chapitre, les aspects matériels de la procédure de sanction<br />

(principes de sanction, catalogue de sanctions) seront discutés. La pratique de sanction sera<br />

examinée et évaluée sur la base des points critiqués par les émetteurs ainsi que la presse. Des<br />

mesures d’amélioration déjà introduites seront aussi considérées.<br />

XXII


Kapitel I: Einführung<br />

Kapitel I<br />

Einführung<br />

A) Einleitung<br />

1. Ausgangslage<br />

Mit dem aus <strong>der</strong> Wirtschaftspraxis stammenden Begriff des Kapitalmarktes wird nach übereinstimmen<strong>der</strong><br />

Meinung <strong>der</strong> Markt für die mittel- <strong>und</strong> langfristige Geldaufnahme <strong>und</strong> –anlage<br />

bezeichnet. 1 Seine Hauptfunktion besteht darin, die „auftretende längerfristige Kapitalnachfrage<br />

über den Zins <strong>und</strong> an<strong>der</strong>e Kreditkonditionen mit dem vorhandenen Kapitalangebot abzustimmen<br />

<strong>und</strong> somit einen intertemporalen <strong>und</strong> interpersonalen Ausgleich herzustellen“. 2<br />

Auch wenn <strong>der</strong> reale Markt den wirtschaftstheoretischen Anfor<strong>der</strong>ungen an einen vollkommenen<br />

Markt sehr nahe kommt 3 , ergeben sich dennoch Abweichungen vom Idealzustand 4 ,<br />

woraus sich aus regulatorischer Sicht die Notwendigkeit von Korrekturen ergibt. 5<br />

Für den schweizerischen Kapitalmarkt wurde die erfor<strong>der</strong>liche Aufsicht <strong>und</strong> Regulierung mit<br />

Erlass des Börsengesetzes BEHG 1995 auf verschiedene Instanzen verteilt: Zunächst verzichtet<br />

<strong>der</strong> Schweizerische Gesetzgeber in weiten Teilen <strong>der</strong> Kapitalmarktaufsicht gänzlich auf<br />

eine detaillierte staatliche Regelung <strong>und</strong> sieht in Art. 4 Abs. 1 BEHG vor, dass die Börse eine<br />

eigene, ihrer Tätigkeit angemessene Betriebs-, Verwaltungs- <strong>und</strong> Überwachungsorganisation<br />

zu gewährleisten hat. Demgemäss ist die Börse berechtigt aber auch verpflichtet, die für Betrieb,<br />

Verwaltung <strong>und</strong> Überwachung des Börsengeschäftes notwendigen Reglemente zu erlassen.<br />

6 Gemäss Art. 3 Abs. 2 lit. c BEHG kann <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esrat zwar Mindestanfor<strong>der</strong>ungen betreffend<br />

<strong>der</strong> Organe einer Börse festlegen, diese beschränken sich aber in <strong>der</strong> Praxis vornehmlich<br />

darauf, festzulegen, dass eine Börse über eine Reihe von Organen verfügen muss 7 ; die<br />

eigentliche Abgrenzung <strong>der</strong> Verantwortungsbereiche des Organs für Oberleitung, Aufsicht<br />

1 WERLEN, Gr<strong>und</strong>lagen, S. 10.<br />

2 OBST/HINTNER, S. 934.<br />

3 WERLEN, Gr<strong>und</strong>lagen, S. 13.<br />

4 Insbeson<strong>der</strong>e erfolgen die Informationsproduktion nicht kostenlos <strong>und</strong> die Informationsverarbeitung nicht zeitverzugslos,<br />

vgl. auch die Ausführungen bei COPELAND/WESTON/SHASTRI, S. 353 ff.<br />

5 RUFFNER/STUPP, S. 397 ff.<br />

6 LANGHART, S. 289.<br />

7 vgl. DAENIKER/WALLER, Art. 3 BEHG, S. 518: „Die Geschäfte <strong>der</strong> Börse sind von einem Organ für Oberleitung,<br />

Aufsicht <strong>und</strong> Kontrolle zu leiten. Das Tagesgeschäft obliegt <strong>der</strong> Geschäftsführung. Die Börsen sind ferner<br />

gehalten, eine eigene Überwachungsstelle zu schaffen.“<br />

- 1 -


Kapitel I: Einführung<br />

<strong>und</strong> Kontrolle bzw. <strong>der</strong> Geschäftsführung einer Börse ist jedoch <strong>der</strong> Selbstregulierung <strong>der</strong><br />

Börse überlassen. 8 Indem sich die Aufsichtsbehörde nicht in die betriebswirschaftlichen Entscheidungen<br />

<strong>der</strong> Börse einmischt, soll <strong>der</strong> unternehmerische Entscheidungsspielraum <strong>der</strong> Börsen<br />

so wenig wie möglich durch gesetzgeberische Auflagen beschränkt werden. 9 Während<br />

das BEHG in Bezug auf Betrieb <strong>und</strong> Verwaltung <strong>der</strong> Börsen die Tradition <strong>der</strong> früher kantonal<br />

geregelten Börsen fortsetzte, geht die Auffor<strong>der</strong>ung an die Börse, die Überwachung <strong>und</strong> Revision<br />

<strong>der</strong> Börsengeschäfte in eigener Regie zu organisieren 10 , über die früher geltenden kantonalen<br />

Regelungen, die eine unmittelbare staatliche Aufsicht des Börsenbetriebs durch sog.<br />

Börsenkommissäre vorsahen, hinaus. 11 Diese Neuausrichtung <strong>der</strong> Aufsicht war schon deshalb<br />

notwendig, weil eine physische Präsenz des Börsenkommissärs bei elektronischen Börsen<br />

ohnehin nicht mehr möglich ist. 12 Die unmittelbare Überwachung wurde daher <strong>der</strong> Börse<br />

übertragen, welche die technischen <strong>und</strong> organisatorischen Voraussetzungen zu schaffen hat,<br />

um strafbare Handlungen, an<strong>der</strong>e Gesetzesverletzungen <strong>und</strong> sonstige Missstände aufdecken<br />

zu können. 13 Die Rolle <strong>der</strong> FINMA – insbeson<strong>der</strong>e im Vergleich zu ihren internationalen<br />

Pendants 14 - ist im Gegenzug beschränkt worden. In begrenztem Ausmass kann sie jedoch<br />

ebenfalls regulierend in den Finanzmarkt eingreifen: Denn gemäss Art. 3 FINMAG unterstehen<br />

Personen, die nach den Finanzmarktgesetzen eine Bewilligung, eine Anerkennung, eine<br />

Zulassung o<strong>der</strong> eine Registrierung <strong>der</strong> Finanzmarktaufsichtsbehörde benötigen, sowie kollektive<br />

Kapitalanlagen <strong>und</strong> Prüfgesellschaften <strong>der</strong> Beaufsichtigung durch die eidgenössische Finanzmarktaufsichtsbehörde<br />

FINMA. Der Bewilligungspflicht unterstehen die Institutionen,<br />

<strong>der</strong>en Tätigkeiten mit erhöhtem Gefährdungspotential für das Anlegerpublikum o<strong>der</strong> das<br />

Funktionieren des Marktes verb<strong>und</strong>en sind 15 , namentlich die Banken, Effektenhändler, Fondsleitungen,<br />

Depotbanken, Vertriebsträger <strong>und</strong> Vertreter ausländischer Anlagefonds sowie Börsen<br />

<strong>und</strong> börsenähnliche Einrichtungen. Die Aufsichtsbehörde ist befugt, „den verantwortlichen<br />

Mitarbeitern eines Effektenhändlers“ „die Tätigkeit im Effektenhandel dauernd o<strong>der</strong><br />

vorübergehend zu verbieten“ 16 Bei „schweren Verletzungen aufsichtsrechtlicher Pflichten“<br />

kann die FINMA zudem den dafür „verantwortlichen Personen“ „die Tätigkeit in leiten<strong>der</strong><br />

Stellung“ bei einem „von ihr Beaufsichtigten“ für maximal 5 Jahre untersagen („Berufsver-<br />

8 DAENIKER/WALLER, Art. 3 BEHG, S. 519.<br />

9 RUFFNER, Selbstregulierung, S. 10 f..<br />

10 vgl. Botschaft BEHG, 1399.<br />

11 DAENIKER/WALLER, Art. 4 BEHG, S. 531.<br />

12 LANGHART, S. 313.<br />

13 RUFFNER, Selbstregulierung, S. 29.<br />

14 vgl. die Ausführungen in Kapitel II Abschnitt A.3b.bb).<br />

15 ZOBL/KRAMER, S. 43.<br />

16 Art. 35a BEHG.<br />

- 2 -


Kapitel I: Einführung<br />

bot“) 17 . Im Weiteren können auch natürliche <strong>und</strong> juristische Personen, die nicht unter die Legaldefinition<br />

von Art. 3 FINMAG fallen <strong>und</strong> somit gr<strong>und</strong>sätzlich nicht von <strong>der</strong> FINMA beaufsichtigt<br />

werden, von <strong>der</strong> Interventions- <strong>und</strong> Verfügungskompetenz <strong>der</strong> FINMA erfasst<br />

werden. 18 So hat bspw. das B<strong>und</strong>esgericht im Entscheid Laxey/Implenia 19 bestätigt, dass die<br />

FINMA berechtigt ist, abzuklären, ob ein Investor seine Pflicht zur Offenlegung von Beteiligungen<br />

an börsenkotierten Gesellschaften verletzt hat, <strong>und</strong> ggf. eine solche Verletzung in einer<br />

Verfügung festzustellen. 20 Schliesslich ist die Aufsichtsbehörde zwecks Wahrung <strong>der</strong> mit<br />

<strong>der</strong> Finanzmarktregulierung angestrebten Schutzziele 21 dazu angehalten, „Gesetzesverletzungen<br />

<strong>und</strong> Missstände zwangsweise festzustellen, zu korrigieren <strong>und</strong> (allenfalls) zu sanktionieren.“<br />

22 Denn wie in Abschnitt 3b dieses Kapitels näher erläutert wird, ergibt sich aus Art. 6<br />

Abs. 2 BEHG, dass bei Verstössen gegen die strafrechtlichen Bestimmungen von Art. 161<br />

<strong>und</strong> Art. 161 bis StGB sowie an<strong>der</strong>en Verletzungen des BEHG die FINMA zur Einleitung weiterer<br />

Untersuchungen ermächtigt <strong>und</strong> verpflichtet ist.<br />

Neben <strong>der</strong> FINMA ist im Bereich Meldepflicht noch eine weitere Aufsichtsbehörde zuständig:<br />

Denn gemäss Art. 25 BEHV-FINMA muss jede Börse eine Offenlegungsstelle einrichten,<br />

die Meldungen entgegennimmt <strong>und</strong> auch <strong>der</strong>en Veröffentlichung überwacht. Gestützt auf diese<br />

Bestimmung wurde eine eidgenössische Offenlegungsstelle geschaffen, die zwar administrativ<br />

in die Organisation <strong>der</strong> <strong>SIX</strong> Swiss Exchange integriert ist, <strong>der</strong>en Tätigkeit aber direkt<br />

von <strong>der</strong> FINMA beaufsichtigt wird. 23 In ihren Aufgabenbereich fällt auch die Bearbeitung<br />

von Gesuchen für Ausnahmen <strong>und</strong> Erleichterungen sowie die Veranlassung <strong>der</strong> Veröffentlichung<br />

<strong>der</strong> gesetzlich vorgeschriebenen Information, wenn ein Aktionär ohne entsprechende<br />

Ausnahme eine Veröffentlichung unterlässt.<br />

2. Zielsetzung, Aufbau <strong>und</strong> Methodik<br />

Im Rahmen dieser Dissertation soll <strong>der</strong> Fokus auf die Marktaufsicht durch die selbstregulierte<br />

Börse gelegt werden. Diese war von Beginn an umstritten 24 <strong>und</strong> gibt auch heute noch Anlass<br />

zu Diskussionen. 25 Die in Art. 4 BEHG festgeschriebene Regelung, die eine blosse Oberauf-<br />

17 Art. 33 FINMAG.<br />

18 ZULAUF, Finanzmarktenforcement, S. 48 f.<br />

19 Entscheid B-2775-2008 vom 18.12.2008.<br />

20 E. 6.<br />

21 vgl. dazu die Ausführungen in Kapitel II Abschnitt A.3b.<br />

22 ZULAUF/WYSS/ROTH, S. 15.<br />

23 SCHENKER, S. 179.<br />

24 Amtl.Bull SR 1993, S. 1003 ff.; Amtl.Bull. NR 1994, S. 1061. ff.<br />

25 So hält Herr Dr. Aellen es für möglich, dass heute unter dem Eindruck <strong>der</strong> Finanzkrise für eine stärkere Beaufsichtigung<br />

<strong>der</strong> Börse plädiert würde.<br />

- 3 -


Kapitel I: Einführung<br />

sicht durch die FINMA statt einer unmittelbaren staatlichen Beaufsichtigung des Börsenbetriebs<br />

vorsieht, geht bereits weiter als z.B. die deutsche, wo die Börsen als Anstalten des öffentlichen<br />

Rechts nur organisatorisch verselbständigte Verwaltungsträger sind, weswegen hier<br />

auch von Selbstverwaltung <strong>und</strong> nicht von Selbstregulierung die Rede ist. 26 Wirklich bemerkenswert<br />

sind aber die Aussagen von Art. 9 Abs. 1 BEHG 27 <strong>und</strong> von Art. 9 Abs. 3 BEHG 28 :<br />

Der vom B<strong>und</strong>esrat vorgeschlagene Art. 9 E-BEHG hatte nämlich noch vorgesehen, dass die<br />

Börse in ihrem Entscheid über die Zulassung von Effekten <strong>und</strong> die Aufnahme bzw. den Ausschluss<br />

von Mitglie<strong>der</strong>n Verfügungen im Sinne des VwVG erlässt, gegen welche dann auch<br />

ein verwaltungsrechtliches Verfahren hätte angestrengt werden können. In einem umstrittenen<br />

<strong>und</strong> von vielen Differenzen geprägten Gesetzgebungsprozess 29 pochte die Mehrheit des Parlaments<br />

jedoch auf eine privatrechtlich verstandene Selbstregulierung <strong>und</strong> schuf die börsenrechtliche<br />

Beschwerdeinstanz. Die Kritik an dieser Ordnung reisst jedoch nicht ab. Insbeson<strong>der</strong>e<br />

<strong>der</strong> mangelnde Rechtsschutz wird bemängelt 30 : Der „selbstverwaltete“ Rechtsschutz<br />

durch eine von <strong>der</strong> Börse selbst zu bestimmende Beschwerdeinstanz mit <strong>der</strong> nachfolgenden<br />

Möglichkeit <strong>der</strong> Zivilklage lasse den unschönen Eindruck entstehen, dass eine Instanz die<br />

nächsthöhere Instanz <strong>und</strong> <strong>der</strong>en Verfahrensordnung selber wähle. 31 Diese seit Jahren bestehende<br />

Kontroverse wurde durch einen Ende 2010 gefällten B<strong>und</strong>esgerichtsentscheid 32 , <strong>der</strong><br />

sich erstmals mit dem Börsenverfahren - einschliesslich <strong>der</strong> reglementarisch vorgeschriebenen<br />

Rechtsprechungsinstanz Börsenschiedsgericht - auseinan<strong>der</strong>setzt <strong>und</strong> Schwächen namentlich<br />

beim Anlegerschutz offenlegt, neu angefacht: So for<strong>der</strong>t nun auch z.B. WEBER, die zivilrechtliche<br />

Beschwerdestruktur neu zu überdenken. 33 All dies rechtfertigt in Kapitel II, vertieft die<br />

verfahrensrechtlichen Aspekte des Beschwerdewesens bei <strong>der</strong> Börse zu betrachten.<br />

Abgesehen von diesen Gr<strong>und</strong>satzdebatten über die richtige verfahrensrechtliche Ausgestaltung<br />

geben aber auch die Umsetzung des Sanktionierungsauftrags durch die Börse (Aufstellen<br />

von Regeln, Anwendung <strong>der</strong> Regularien etc.) sowie <strong>der</strong> Sanktionenkatalog Anlass zu Meinungsverschiedenheiten.<br />

In letztere Debatten mischen sich neben Vertretern <strong>der</strong> Lehre auch<br />

Emittenten 34 sowie die Presse 35 .<br />

26 KÜMPEL/HAMMEN, S. 128 f.<br />

27 „Gegen als beson<strong>der</strong>s einschneidend zu qualifizierende Entscheide <strong>der</strong> Börsen ist Beschwerde bei einer von<br />

<strong>der</strong> Börse bestellten <strong>und</strong> organisierten Beschwerdeinstanz einzulegen.“<br />

28 „Nach Durchführung des Beschwerdeverfahrens ist die Klage beim Zivilrichter vorbehalten.“<br />

29 vgl. Amtl.Bull SR 1993, S. 1003 f.; Amtl.Bull. NR 1994, S. 1061. f.<br />

30 MARTI, S. 581.<br />

31 WEIGL, S. 166.<br />

32 BGE 137 III 37.<br />

33 WEBER, Neuordnung, S. 590.<br />

34 Unzufriedenheit <strong>der</strong> Emittenten mit Überwachungs- <strong>und</strong> Sanktionspraxis <strong>der</strong> <strong>SIX</strong> hat bereits dazu geführt,<br />

dass SwissHoldings im Auftrag seiner Mitglie<strong>der</strong> das Gespräch mit <strong>der</strong> Börse gesucht hat.<br />

- 4 -


Kapitel I: Einführung<br />

Ausgehend von <strong>der</strong> beschriebenen Problematik, soll in dieser Dissertation das Sanktionssystem<br />

<strong>der</strong> <strong>SIX</strong> Swiss Exchange näher beleuchtet werden. Nachdem in Abschnitt B dieses Kapitels<br />

die für die Analysen notwendigen Gr<strong>und</strong>lagen <strong>der</strong> Börsen(organisation) <strong>und</strong> des Börsenverfahrens<br />

aufgezeigt worden sind, sollen in Kapitel II die gr<strong>und</strong>sätzliche verfahrensrechtliche<br />

Ausgestaltung des Börsensanktionsverfahrens sowie die rechtsstaatlichen Probleme, die im<br />

Zusammenhang mit einer selbstregulierten Börse auftauchen, betrachtet werden, bevor in Kapitel<br />

III auch auf die materiellen Probleme mit <strong>der</strong> Sanktionierung <strong>der</strong> Börse sowie die Unzufriedenheit<br />

<strong>der</strong> Emittenten mit <strong>der</strong> Überwachungs- <strong>und</strong> Sanktionspraxis <strong>der</strong> <strong>SIX</strong> eingegangen<br />

wird. Neben einer gründlichen Analyse <strong>der</strong> relevanten Literatur sowie <strong>der</strong> Sanktionsentscheide<br />

<strong>und</strong> <strong>der</strong> Botschaft zum BEHG wurden zur Verbesserung <strong>der</strong> Beurteilungsbasis auch Experten-<br />

bzw. Praxisgespräche geführt. Wichtige Gesprächspartner waren Unternehmensvertreter,<br />

Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Untersuchungs- <strong>und</strong> Rechtsprechungsorgane <strong>der</strong> Börse (SER, Sanktionskommission<br />

<strong>und</strong> Beschwerdeinstanz) <strong>und</strong> des Börsenschiedsgerichts sowie Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> FINMA<br />

<strong>und</strong> schliesslich Börsenrechtler. 36<br />

Neben den Emittenten stellen die Effektenhändler die zweite wichtige in dieser Dissertation<br />

zu analysierende Gruppe dar, da auch sie <strong>der</strong> Aufsicht <strong>der</strong> Börse unterstellt sind. Sie werden<br />

hier in Übereinstimmung mit <strong>der</strong> Börsenterminologie häufig auch als Teilnehmer bezeichnet.<br />

Dabei sind sie von <strong>der</strong> Gruppe <strong>der</strong> (Kapital)Marktteilnehmer zu unterscheiden, die gesamthaft<br />

alle Akteure im Markt umfasst.<br />

B) Gr<strong>und</strong>lagen<br />

1. Organisation <strong>der</strong> Schweizer Börse 37<br />

Die <strong>SIX</strong> Group, zu welcher die Börsen <strong>SIX</strong> Swiss Exchange, Scoach Schweiz <strong>und</strong> Eurex gehören,<br />

ist Anfang 2008 aus dem Zusammenschluss von SWX Group, SIS Group <strong>und</strong> Telekurs<br />

Group hervorgegangen. Die <strong>SIX</strong> Group ist eine relativ mo<strong>der</strong>ne Gruppe von Börsen <strong>und</strong> an<strong>der</strong>en<br />

Unternehmen. Die Muttergesellschaft (<strong>SIX</strong> AG) wurde 2002 von einem Verein in eine<br />

Aktiengesellschaft umgewandelt. Organisatorisch war eine klare Trennung zwischen Regelsetzung,<br />

Regelvollzug <strong>und</strong> Rechtsprechung vorgesehen, <strong>und</strong> zu diesem Zweck wurden auch<br />

35 vgl. z.B.: Finanz <strong>und</strong> Wirtschaft vom 29. Juni 2011, <strong>SIX</strong> zwischen Aufsicht <strong>und</strong> Regulierung, S. 16; NZZ<br />

Online vom 31. Juli 2009, Mo<strong>der</strong>ate Sanktionen bei <strong>der</strong> <strong>SIX</strong> haben System; NZZ vom 13.3.2003, Langwierige<br />

Sanktionsverfahren <strong>der</strong> SWX, S. 27.<br />

36 siehe Liste <strong>der</strong> Interviewpartner im Anhang.<br />

37 vgl. auch: NOBEL, Finanzmarkt, S. 692 ff.<br />

- 5 -


Kapitel I: Einführung<br />

drei spezielle regulatorische Organe geschaffen: das Regulatory Board, <strong>der</strong> Bereich <strong>SIX</strong><br />

Exchange Regulation sowie die Rechtsprechungsinstanzen Sanktionskommission, Beschwerdeinstanz<br />

<strong>und</strong> <strong>Schiedsgericht</strong>.<br />

Abbildung 1: Schematische Übersicht über die Regulatorischen Organe (Quelle: www.six-exchangeregulation.com/about_us/organisation_de.html)<br />

Seit Inkrafttreten <strong>der</strong> neuen Verfahrensordnung 2007 sind Erlass <strong>und</strong> Vollzug <strong>der</strong> Regeln<br />

strikt getrennt. Bis dahin war <strong>der</strong> Emittentenausschuss auch für den Vollzug <strong>der</strong> Regeln zuständig.<br />

Die aus Sicht <strong>der</strong> Gewaltenteilung sauberere Trennung sieht nun folgende Aufgabenteilung<br />

vor: Das Regulatory Board ist nur noch für die Regelsetzung <strong>und</strong> nicht länger für die<br />

Sanktionierung zuständig, die drei judikativen Organe (Sanktionskommission, Beschwerdeinstanz<br />

<strong>und</strong> <strong>Schiedsgericht</strong>) übernehmen die Rechtsprechung, <strong>und</strong> <strong>der</strong> Bereich <strong>SIX</strong><br />

Exchange Regulation ist schliesslich als Einheit innerhalb <strong>der</strong> Gruppe für den Vollzug <strong>der</strong><br />

Regeln zuständig. Durch die Neuverteilung wurde die Glaubwürdigkeit <strong>der</strong> Schweizer Börse<br />

klar erhöht. 38<br />

a) Regulatory Board<br />

Das Regulatory Board trifft sich zweimal im Jahr, die Ausschüsse haben zusätzliche Sitzungen,<br />

ausserdem gibt es viele Zirkularbeschlüsse. Seine Aufgabe besteht im Erlass von Regeln<br />

für Emittenten (Reglemente, Richtlinien) <strong>und</strong> Teilnehmer (Handelsreglemente, Weisungen);<br />

diese unterbreitet es gemäss Art. 4 Abs. 2 BEHG <strong>der</strong> FINMA zur Genehmigung. Es besteht<br />

38 Gemäss Aussage von Herrn Dr. Aellen von <strong>der</strong> FINMA wurde die neue Organisation geschaffen, um das<br />

Modell auch international verkaufen zu können (Interview vom 17.8.2011).<br />

- 6 -


Kapitel I: Einführung<br />

aus insgesamt 17 Mitglie<strong>der</strong>n 39 , von denen 6 von SwissHoldings 40 <strong>und</strong> 9 inkl. dem Präsidium<br />

vom Verwaltungsrat <strong>der</strong> <strong>SIX</strong> Group AG gewählt werden; darüber hinaus entsenden <strong>der</strong> Verwaltungsrat<br />

<strong>der</strong> <strong>SIX</strong> Group AG sowie die Geschäftsleitung <strong>der</strong> Division Cash Markets jeweils<br />

ein Mitglied ins Regulatory Board.<br />

Das Regulatory Board delegiert einen Teil seiner Kompetenzen an seine beiden Ausschüsse,<br />

den Ausschuss für Emittentenregulierung (Issuers Committee) <strong>und</strong> den Ausschuss für Teilnehmerregulierung<br />

(Participants & Surveillance Committee).<br />

b) <strong>SIX</strong> Exchange Regulation<br />

<strong>SIX</strong> Exchange Regulation ist die für die Einhaltung <strong>der</strong> Regeln zuständige Instanz bei <strong>der</strong><br />

Börse. Neben <strong>der</strong> Überwachung <strong>der</strong> Befolgung spricht sie auch selbst Sanktionen aus bzw.<br />

stellt Sanktionsanträge. Im Fall von vermuteten Gesetzesverletzungen o<strong>der</strong> sonstigen Missständen<br />

werden <strong>der</strong> Verwaltungspräsident <strong>der</strong> <strong>SIX</strong> Group AG, die Aufsichtsbehörde <strong>und</strong> gegebenenfalls<br />

die zuständige Staatsanwaltschaft informiert.<br />

Der Bereich <strong>SIX</strong> Exchange Regulation glie<strong>der</strong>t sich in die Abteilungen Listing & Enforcement<br />

(Emittentenregulierung), Surveillance & Enforcement (Handelsüberwachung) sowie<br />

Regulatory and Strategic Projects (Schnittstelle zu den übrigen Bereichen, Durchführung bereichsinterner<br />

Projekte <strong>und</strong> Gestaltung <strong>der</strong> regulatorischen Strategie). Listing & Enforcement<br />

<strong>und</strong> Surveillance & Enforcement fungieren neben ihren Aufsichtsaufgaben auch als Untersuchungsorgane<br />

für Verletzungen des Kotierungsreglements, <strong>der</strong> Handelsreglemente von <strong>SIX</strong><br />

Swiss Exchange AG <strong>und</strong> Scoach Schweiz AG, <strong>der</strong> Zusatzreglemente sowie <strong>der</strong> Ausführungserlasse<br />

(Art. 1.2 VO).<br />

39 vgl. auch die Liste Mitglie<strong>der</strong> des Regulatory Boards im Anhang.<br />

40 Auf <strong>der</strong> Webseite <strong>der</strong> <strong>SIX</strong> wird economiesuisse als Entsen<strong>der</strong> genannt; economiesuisse hat die Aufgabe <strong>der</strong><br />

Ernennung von Vertretern aber an Swissholding delegiert.<br />

- 7 -


Kapitel I: Einführung<br />

Abbildung 2: Glie<strong>der</strong>ung von <strong>SIX</strong> Exchange Regulation (Quelle: www.six-exchangeregulation.com/about_us/six_exchange_regulation_de.html).<br />

c) Rechtsprechungsinstanzen<br />

Das Börsengesetz räumt <strong>der</strong> Börse auch bei <strong>der</strong> Gestaltung des Rechtsmittelwegs einen grossen<br />

Freiraum ein. Art 9 BEHG schreibt lediglich die Einrichtung einer unabhängigen Beschwerdeinstanz<br />

sowie die Klagemöglichkeit beim Zivilrichter vor <strong>und</strong> macht dieses Beschwerdeverfahren<br />

auch nur für die Eintrittsverweigerung <strong>und</strong> den Ausschluss obligatorisch.<br />

Der Ersatz des Zivilrichters durch ein eigenes Börsenschiedsgericht, die Ausweitung von dessen<br />

Tätigkeit auf die Beurteilung von Vertrags- <strong>und</strong> Vereinsstrafen sowie die Schaffung <strong>der</strong><br />

Sanktionskommission als zusätzlicher Rechtsprechungsinstanz sind somit selbständige Entscheide<br />

<strong>der</strong> Börse. 41<br />

aa) Sanktionskommission<br />

Die Sanktionskommission (SaKo) kann Sanktionen gegen natürliche <strong>und</strong> juristische Personen<br />

aussprechen, die dem Handelsreglement von <strong>SIX</strong> Swiss Exchange bzw. Scoach Schweiz<br />

(Teilnehmer) o<strong>der</strong> dem Kotierungsreglement <strong>und</strong> den Zusatzreglementen (Emittenten) unterstellt<br />

sind. Sie setzt sich aus fünf bis elf Mitglie<strong>der</strong>n zusammen, wobei das Präsidium <strong>und</strong> die<br />

Hälfte vom Regulatory Board gewählt <strong>und</strong> die übrigen Mitglie<strong>der</strong> vom Verwaltungsrat <strong>der</strong><br />

<strong>SIX</strong> Group AG bestimmt werden. 42 Da sie nicht gesetzlich vorgeschrieben wird, hat die<br />

FINMA kein Genehmigungsrecht bei <strong>der</strong> Besetzung, son<strong>der</strong>n nimmt lediglich Kenntnis von<br />

41 vgl. auch NOBEL, Regulierungsarchitektur, S. 114.<br />

42 vgl. die Liste <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Sanktionskommission im Anhang.<br />

- 8 -


Kapitel I: Einführung<br />

<strong>der</strong> Wahl <strong>der</strong> SaKo-Mitglie<strong>der</strong>. Bei <strong>der</strong> Auswahl <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> wird auf ein grosses Spektrum<br />

von Erfahrungen <strong>und</strong> Kenntnissen geachtet. 43<br />

bb) Unabhängige Beschwerdeinstanz<br />

Mit <strong>der</strong> Errichtung einer unabhängigen Beschwerdeinstanz wurde dem Gebot von Art. 9 Abs.<br />

1 BEHG Genüge getan. Sie kann angerufen werden bei Entscheiden <strong>der</strong> Sanktionskommission<br />

über Zulassung, Suspendierung <strong>und</strong> Ausschluss von Teilnehmern sowie Beschwerden gegen<br />

Zulassung, Suspendierung <strong>und</strong> Entzug <strong>der</strong> Registrierung von Händlern. Ausserdem beurteilt<br />

sie Beschwerden <strong>der</strong> Emittenten gegen Entscheide betreffend Kotierung, Sistierung des<br />

Handels <strong>und</strong> Dekotierung. 44<br />

Zusammensetzung <strong>und</strong> Verfahren werden durch das Reglement Beschwerdeinstanz (RBI)<br />

geregelt. Demgemäss setzt sich die Beschwerdeinstanz aus drei ordentlichen <strong>und</strong> drei Ersatzmitglie<strong>der</strong>n<br />

zusammen; gemäss Art. 2 RBI müssen die Mitglie<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Rechtspflege, dem<br />

Effektenhandel o<strong>der</strong> dem Kapitalmarktrecht sachk<strong>und</strong>ig sein. 45 Die Mitglie<strong>der</strong> <strong>und</strong> Ersatzmitglie<strong>der</strong><br />

werden vom Verwaltungsrat <strong>der</strong> <strong>SIX</strong> gewählt; die Personalentscheidungen werden<br />

aber hier zusätzlich von <strong>der</strong> FINMA überprüft.<br />

cc) Börsenschiedsgericht<br />

Nach Vorliegen eines Entscheids <strong>der</strong> Sanktionskommission o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Beschwerdeinstanz besteht<br />

letztlich die Möglichkeit <strong>der</strong> Klage beim <strong>Schiedsgericht</strong> <strong>der</strong> <strong>SIX</strong> Swiss Exchange. Dieser<br />

Entscheid soll ausschliesslich <strong>und</strong> endgültig sein. Das <strong>Schiedsgericht</strong> hat seinen Sitz in Zürich<br />

<strong>und</strong> besteht aus einem Obmann <strong>und</strong> je einem von den Parteien für den einzelnen Fall bezeichneten<br />

Schiedsrichter. Der Obmann <strong>und</strong> sein Stellvertreter werden vom Präsidenten des B<strong>und</strong>esgerichtes<br />

auf die Dauer von vier Jahren gewählt. 46 Der Obmann kann ein mündliches<br />

Schlichtungsverfahren durchführen. Im Übrigen galt bis zum Inkrafttreten <strong>der</strong> Schweizerischen<br />

Zivilprozessordnung (ZPO) am 1.1.2011 das interkantonale Konkordat über die<br />

<strong>Schiedsgericht</strong>sbarkeit. 47<br />

43 So befinden sich z.B. ein Verwaltungsrichter aus dem Thurgau, ein Bankier aus Neuchatel, ein Bankenrechtler<br />

aus Genf, ein Bankier aus Genf, eine Professorin aus Fribourg sowie diverse Finanzexperten in <strong>der</strong> Sanktionskommission.<br />

44 vgl. auch: www.six-exchange-regulation.com/enforcement/judicial_bodies.<br />

45 vgl. die Liste <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> unabhängigen Beschwerdeinstanz im Anhang.<br />

46 Beim Börsenschiedsgericht ist seit Jahren <strong>der</strong> ehemalige Präsident des B<strong>und</strong>esgerichts, Prof. Dr. Claude Rouiller,<br />

Obmann des <strong>Schiedsgericht</strong>s <strong>und</strong> <strong>der</strong> ehemalige Präsident des B<strong>und</strong>esgerichts, Prof. Dr. iur. h.c. Hans Peter<br />

Walter, stellvertreten<strong>der</strong> Obmann (vgl. auch SWX, Medienmitteilung vom 18.4.2008, B<strong>und</strong>esgericht ernennt die<br />

Vorsitzenden des <strong>Schiedsgericht</strong>s <strong>der</strong> SWX Swiss Exchange).<br />

47 Konkordat über die <strong>Schiedsgericht</strong>sbarkeit vom 27. März 1969.<br />

- 9 -


Kapitel I: Einführung<br />

2. Verfahren<br />

a) Untersuchungs- <strong>und</strong> Sanktionsverfahren<br />

Das Untersuchungs- <strong>und</strong> Sanktionsverfahren für die Sanktionierung von Emittenten, Teilnehmern<br />

<strong>und</strong> Händlern untersteht einer einheitlichen Regelung durch die Verfahrensordnung.<br />

aa) Emittenten<br />

<strong>SIX</strong> Exchange Regulation <strong>und</strong> die Sanktionskommission können gegen einen Emittenten<br />

Sanktionen aussprechen, wenn die Vorschriften des Kotierungsreglements <strong>und</strong> dessen Ausführungsbestimmungen<br />

namentlich in folgenden Bereichen verletzt werden: Ad hoc-<br />

Publizität, Rechnungslegung, Regelmeldepflichten, Corporate Governance <strong>und</strong> Management-<br />

Transaktionen. Gemäss Art. 61 Abs. 1 KR können gegen Emittenten, Sicherheitsgeber <strong>und</strong><br />

anerkannte Vertreter folgende Sanktionen verhängt werden, wobei auch eine kumulative Verhängung<br />

möglich ist:<br />

1. Verweis;<br />

2. Busse bis zu CHF 1 Mio (bei Fahrlässigkeit) bzw. 10 Mio (bei Vorsatz);<br />

3. Sistierung des Handels;<br />

4. Dekotierung o<strong>der</strong> Umteilung unter einen an<strong>der</strong>en regulatorischen Standard;<br />

5. Ausschluss von weiteren Kotierungen;<br />

6. Entzug <strong>der</strong> Anerkennung.<br />

bb)<br />

Teilnehmer <strong>und</strong> Händler<br />

<strong>SIX</strong> Exchange Regulation <strong>und</strong> die Sanktionskommission können bei Verletzungen <strong>der</strong> Vorschriften<br />

des Händlerreglements bzw. <strong>der</strong> Weisungen Sanktionen gegen die betroffenen Teilnehmer<br />

<strong>und</strong> Händler aussprechen. Gemäss Ziffer 19 Handelsreglement von <strong>SIX</strong> Swiss<br />

Exchange bzw. Ziffer 18 Handelsreglement von Scoach Schweiz können gegen Teilnehmer<br />

folgende Sanktionen ausgesprochen werden: Verweis, Suspendierung o<strong>der</strong> Ausschluss; Busse<br />

<strong>und</strong>/o<strong>der</strong> Konventionalstrafe bis zu einer Höhe von maximal CHF 10 Mio. Gegen Händler<br />

sind folgende Strafen vorgesehen: Verweis, Suspendierung o<strong>der</strong> Entzug <strong>der</strong> Registrierung.<br />

- 10 -


Kapitel I: Einführung<br />

b) Rechtsmittelweg<br />

Gegen Sanktionsbescheide von <strong>SIX</strong> Exchange Regulation kann Beschwerde bei <strong>der</strong> Sanktionskommission<br />

geführt werden. Die Entscheide <strong>der</strong> Sanktionskommission können wie<strong>der</strong>um<br />

mit Klage an das <strong>Schiedsgericht</strong> <strong>der</strong> <strong>SIX</strong> Swiss Exchange weitergezogen werden. Wenn die<br />

Sanktionskommission jedoch über Sanktionen im Sinne von Art. 61 Ziff. 3 <strong>und</strong> 4 KR (Sistierung<br />

des Handels <strong>und</strong> Dekotierung) o<strong>der</strong> über den Ausschluss von Teilnehmern <strong>und</strong> den Entzug<br />

<strong>der</strong> Registrierung von Händlern entscheidet, so steht die Beschwerde an die Beschwerdeinstanz<br />

offen.<br />

3. Eingrenzung des Aufgabenbereichs <strong>der</strong> <strong>SIX</strong><br />

a) Aufgaben <strong>der</strong> Börse<br />

Den Börsen ist gr<strong>und</strong>sätzlich die direkte Marktüberwachung „an <strong>der</strong> Front“ übertragen worden.<br />

Neben <strong>der</strong> Überwachung <strong>der</strong> Einhaltung <strong>der</strong> Börsenpflichten <strong>und</strong> <strong>der</strong> Ahndung von<br />

Verstössen ist sie gemäss Art. 6 Abs. 1 BEHG verpflichtet, die Kursbildung, den Abschluss<br />

<strong>und</strong> die Abwicklung <strong>der</strong> getätigten Transaktionen in <strong>der</strong> Weise zu überwachen, dass die Ausnützung<br />

<strong>der</strong> Kenntnis einer vertraulichen Tatsache, Kursmanipulationen <strong>und</strong> an<strong>der</strong>e Gesetzesverletzungen<br />

aufgedeckt werden können. Weitgehende Überwachungskompetenzen kommen<br />

ihr im Bereich <strong>der</strong> Emittentenregulierung zu: Hier ist sie nur bei den in Art. 6 Abs. 2<br />

BEHG verankerten Tatbeständen 48 verpflichtet, die FINMA zu benachrichtigen. Ansonsten<br />

fällt die Beaufsichtigung <strong>und</strong> Sanktionierung gänzlich in ihren Zuständigkeitsbereich. Wie in<br />

Abschnitt b aufgezeigt wird, ist die FINMA bei <strong>der</strong> Teilnehmerregulierung stärker involviert;<br />

<strong>der</strong> Börse kommt aber dennoch ebenfalls eine massgebliche Rolle zu, indem sie neben <strong>der</strong><br />

Überwachung des Handels v.a. Verstösse gegen das Handelsreglement ahndet.<br />

b) Grenzen des Zuständigkeitsbereichs<br />

Eine taugliche <strong>und</strong> wirkungsvolle Finanzmarktaufsicht benötigt hinreichende Mittel, um bei<br />

Rechtsverletzungen angemessen einschreiten zu können. 49 Zu diesem Zweck ist es erfor<strong>der</strong>lich,<br />

fallweise einen fein austarierten Kompromiss zwischen staatlicher Regulierung <strong>und</strong><br />

Selbstregulierung zu finden. 50<br />

48 vgl. dazu die nachfolgenden Ausführungen in Abschnitt b.<br />

49 ZOBL/KRAMER, S. 332.<br />

50 Expertengruppe Zufferey, S. 43.<br />

- 11 -


Kapitel I: Einführung<br />

Die wichtigste Grenze des Aufsichtsbereichs <strong>der</strong> Börse wird im Börsengesetz festgelegt: In<br />

Art. 6 Abs. 2 BEHG wird bestimmt, dass die Börse „bei Verdacht auf Gesetzesverletzungen<br />

<strong>und</strong> sonstige Missstände“ verpflichtet ist, die FINMA zu benachrichtigen, damit diese dann<br />

„Herrin“ <strong>der</strong> anschliessenden Verfahren wird. 51 Die beiden Rechtsbegriffe „Gesetzesverletzungen“<br />

<strong>und</strong> insbeson<strong>der</strong>e „sonstige Missstände“ sind unklar <strong>und</strong> bedürfen weiterer Auslegung.<br />

Darüberhinaus übt die FINMA bei <strong>der</strong> Teilnehmerregulierung eine bedeutende Untersuchungsfunktion<br />

aus, da sämtliche Börsenteilnehmer auch Effektenhändler sind. 52 Diese Regulierung<br />

durch Börse <strong>und</strong> FINMA bedingt eine saubere Aufgabenabgrenzung, die in Abschnitt<br />

cc näher beleuchtet werden.<br />

aa) Gesetzesverletzungen<br />

Der Ausdruck „Gesetzesverletzungen“ kann insofern irreführend sein, als <strong>der</strong> Eindruck entstehen<br />

könnte, dass die Ahndung <strong>der</strong> Verstösse gegen das Börsengesetz generell in den Kompetenzbereich<br />

<strong>der</strong> FINMA falle. Dies ist aber nicht gänzlich korrekt: Zwar ist die Börse<br />

hauptsächlich für die Überwachung <strong>der</strong> Einhaltung <strong>der</strong> Börsenreglemente zuständig, dies bedeutet<br />

jedoch nicht, dass sie nicht auch Gesetzesverletzungen ahndet. Denn wie in Kapitel III<br />

Abschnitt C <strong>und</strong> D gezeigt wird, stehen bei <strong>der</strong> Beaufsichtigung <strong>der</strong> Emittenten- <strong>und</strong> Teilnehmerpflichten<br />

die Gewährleistung eines transparenten <strong>und</strong> funktionsfähigen Kapitalmarktes<br />

sowie die Gleichbehandlung <strong>der</strong> Marktteilnehmer im Vor<strong>der</strong>gr<strong>und</strong>. Da diese Ziele jedoch in<br />

Art. 1 BEHG verankert sind, stellt eine Missachtung <strong>der</strong> Börsenpflichten m.E. ebenfalls eine<br />

Gesetzesverletzung dar, <strong>der</strong>en Ahndung dann jedoch in den Zuständigkeitsbereich <strong>der</strong> Börse<br />

fällt. Mit dem Terminus „Gesetzesverletzungen“ in Art. 6 Abs. 2 BEHG sind folglich an<strong>der</strong>e<br />

im Gesetz verankerte Pflichten gemeint, die nicht durch die Börse, son<strong>der</strong>n durch die FINMA<br />

sanktioniert werden. Dabei handelt es sich um die in Art. 6 Abs. 1 BEHG aufgeführten Tatbestände<br />

53 : Erfasst werden somit neben dem Insi<strong>der</strong>handel (Art. 161 StGB) <strong>und</strong> <strong>der</strong> Kursmanipulation<br />

(Art. 161 bis StGB) an<strong>der</strong>e Verletzungen des BEHG 54 . Da die in Abs. 1 verankerte<br />

Überwachung explizit auf Transaktionen eingeschränkt ist, kommen jedoch nur transaktionsbezogene<br />

Tatbestände des BEHG in Betracht. 55 Somit sind dem Überwachungsbereich <strong>der</strong><br />

51 WATTER/KÄGI, S. 579.<br />

52 EFD, Erläutern<strong>der</strong> Bericht, S. 7.<br />

53 so auch bereits: SIGRIST, Art. 6 BEHG, S. 71.<br />

54 Die Botschaft spricht hier von Sachverhalten, die das BEHG verletzen (Botschaft BEHG, 1401).<br />

55 WATTER/KÄGI, S. 570.<br />

- 12 -


Kapitel I: Einführung<br />

FINMA insbeson<strong>der</strong>e Verstösse gegen folgende Pflichten zuzuordnen 56 : die Journalführungs<strong>und</strong><br />

Meldepflichten <strong>der</strong> Effektenhändler (Art. 15 BEHG), die Offenlegungspflichten sämtlicher<br />

Anleger (Art. 20 BEHG), die Meldepflichten von Anlegern mit grösseren Beteiligungen<br />

bei Übernahmen (Art. 31 BEHG) sowie die in Art. 41 BEHG mit Busse bedrohten Meldepflichten.<br />

Ebenfalls erfasst werden die Verhaltensregeln <strong>der</strong> Effektenhändler gemäss Art. 11<br />

BEHG. 57 Hier handelt es sich jedoch um eine Doppelnorm, die auch aufsichtsrechtliche Bedeutung<br />

hat. 58<br />

bb) Sonstige Missstände<br />

Erklärungsbedürftiger als „Gesetzesverletzungen“ ist jedoch <strong>der</strong> zweite in Art. 6 Abs. 2<br />

BEHG aufgeführte Begriff „sonstige Missstände“, <strong>der</strong> in <strong>der</strong> Lehre auch teilweise wegen seiner<br />

Unbestimmtheit stark kritisiert wird. 59 Der Ausdruck wurde vom Gesetzgeber bewusst in<br />

Anlehnung an Art. 23 ter Abs. 1 aBankG gewählt: Es wurde bezweckt, <strong>der</strong> Börse im Rahmen<br />

ihrer Selbstregulierungstätigkeit einen Beurteilungsspielraum zukommen zu lassen, was ein<br />

Missstand ist. 60 In Analogie zur Praxis zum Bankengesetz kann m.E. davon ausgegangen<br />

werden, dass es sich bei den „Missständen“ um grobe Verstösse gegen Reglemente <strong>und</strong> Standesregeln<br />

handeln muss. 61 Leichte Verstösse hingegen sind durch das Disziplinarverfahren<br />

<strong>der</strong> Börse zu ahnden, was auch dem Gedanken einer selbstregulierten Organisation entspricht.<br />

62 Darüber hinaus können Missstände auch bei gravierenden Verletzungen vertraglicher<br />

Beziehungen vorliegen, insbeson<strong>der</strong>e im Verhältnis zwischen Effektenhändlern <strong>und</strong><br />

K<strong>und</strong>en. 63 Schliesslich sollen gemäss den parlamentarischen Materialien auch an<strong>der</strong>e Missstände<br />

erfasst werden. Wie <strong>der</strong> damalige Finanzminister Stich im Stän<strong>der</strong>at ausführte, wurde<br />

auch für denkbar gehalten, „dass jemand nicht mehr in <strong>der</strong> Lage ist, das Amt korrekt auszuführen.“<br />

64 Gemeint waren vornehmlich bestehende o<strong>der</strong> unmittelbar zu erwartende Verletzungen<br />

von Bewilligungsvoraussetzungen.<br />

56 SIGRIST, Art. 6 BEHG, S. 70.<br />

57 WATTER/KÄGI, S. 570.<br />

58 Wie in Kapitel III Abschnitt D.1 aufgezeigt wird, ergeben sich aus Art. 11 BEHG auch in Reglemente verankerte<br />

Verhaltensregeln, die durch die Börse überwacht werden.<br />

59 WEIGL, S. 48, geht davon aus, dass die Regelung auf Kosten <strong>der</strong> Rechtssicherheit geht.<br />

60 WATTER/KÄGI, S. 576.<br />

61 vgl. auch die Ausführungen zu Art. 23 ter aBankG bei POLEDNA/MARAZZOTTA, S. 449.<br />

62 WATTER/KÄGI, S. 577 ff.<br />

63 LANGHART, S. 312; RUFFNER, Selbstregulierung, S. 30; im Verhältnis zwischen Börse <strong>und</strong> Effektenhändler<br />

stellen Verletzungen <strong>der</strong> Verhaltenspflichten Verstösse gegen Art. 11 BEHG <strong>und</strong> somit Gesetzesverletzungen<br />

dar.<br />

64 Amtl. Bull. SR 1994, 838.<br />

- 13 -


Kapitel I: Einführung<br />

cc) Teilnehmerregulierung<br />

Mit <strong>der</strong> in Art. 3 FINMAG verankerten Aufsichtskompetenz <strong>der</strong> FINMA über die Teilnehmer<br />

soll neben dem Anleger- <strong>und</strong> Funktionsschutz 65 auch <strong>der</strong> Ruf <strong>und</strong> das Ansehen des Finanzplatzes<br />

bewahrt <strong>und</strong> vertrauensschädigendes, wi<strong>der</strong>rechtliches Verhalten durch Finanzintermediäre<br />

verhin<strong>der</strong>t werden. 66 Ein wichtiges Regulierungsinstrument ist in diesem Zusammenhang<br />

die Erteilung <strong>der</strong> Bewilligung, für die gemäss Art. 10 BEHG die FINMA als Aufsichtsbehörde<br />

zuständig ist. Die Effektenhändlerbewilligung ist gewerbepolizeilicher Natur:<br />

Bei Erfüllung <strong>der</strong> fachlichen <strong>und</strong> sonstigen Voraussetzungen 67 berechtigt sie den Träger<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich sämtliche bewilligungspflichtigen Effektenhändlertätigkeiten auszuüben. Die<br />

FINMA ist verpflichtet, die Erfüllung <strong>der</strong> Voraussetzungen bei einem Teilnehmer sorfältig zu<br />

prüfen <strong>und</strong> bei einem späteren Wegfall bestimmter Vorbedingungen die Bewilligung ggf.<br />

auch wie<strong>der</strong> zu entziehen. Ferner obliegt es ihr auch, für Effektenhändler verbindlich festzulegen,<br />

was als marktmissbräuchliches Verhalten gilt: In ihrem R<strong>und</strong>schreiben zu den Marktverhaltensregeln<br />

68 sieht sie vor, dass Effektengeschäfte einen wirtschaftlichen Hintergr<strong>und</strong><br />

aufweisen <strong>und</strong> einem echten Angebots- <strong>und</strong> Nachfrageverhalten entsprechen müssen. 69 Effektengeschäfte,<br />

die diesem Gr<strong>und</strong>satz zuwi<strong>der</strong>laufen, führen dementsprechend zu aufsichtsrechtlichen<br />

Massnahmen durch die FINMA. Die möglichen Massnahmen werden in den Art.<br />

31 ff. FINMAG definiert. Das Massnahmenspektrum reicht von <strong>der</strong> Rüge (Feststellungsverfügung,<br />

Art. 32 FINMAG), über spezifische Anordnungen zur Wie<strong>der</strong>herstellung des ordnungsgemässen<br />

Zustands (Art. 31 FINMAG), zur Kompetenz, gegen natürliche Personen ein<br />

Berufsverbot (Art. 33 FINMAG) o<strong>der</strong> ein Tätigkeitsverbot als Händler zu verhängen (Art. 35a<br />

BEHG), bis zum Bewilligungsentzug (Art. 37 FINMAG).<br />

Das Aufgabengebiet <strong>der</strong> Börse hingegen ist auch hier handelsbezogen, d.h. sie ahndet Verfehlungen,<br />

die sich unmittelbar im Zusammenhang mit den Handelsaktivitäten ergeben.<br />

c) Fazit<br />

Die Bestimmungen betreffend Überwachung des Kapitalmarkts <strong>und</strong> Sanktionierung von<br />

Verstössen bilden ein komplexes Gesamtsystem. 70 Insbeson<strong>der</strong>e bei <strong>der</strong> Beaufsichtigung <strong>der</strong><br />

65 Zur Bedeutung dieser Ziele bei <strong>der</strong> Teilnehmerregulierung vgl. auch die Ausführungen in Kapitel III Abschnitt<br />

D.<br />

66 Expertengruppe Zufferey, S. 35.<br />

67 vgl. dazu die näheren Ausführungen in Kapitel III Abschnitt D.1.<br />

68 FINMA, R<strong>und</strong>schreiben 2008/38 Marktverhaltensregeln – Aufsichtsregeln zum Marktverhalten im Effektenhandel.<br />

69 FINMA RS 2008/38, N 22-35.<br />

70 vgl. auch: EFD, Erläutern<strong>der</strong> Bericht, S. 7.<br />

- 14 -


Kapitel I: Einführung<br />

Teilnehmer müssen regulatorische Verwaltungsaufsicht <strong>und</strong> privatrechtliche Selbstregulierung<br />

pfleglich nebeneinan<strong>der</strong> akkommodiert werden. 71 Im Rahmen <strong>der</strong> Emittentenregulierung<br />

ist die FINMA nur bei strafrechtlichen Tatbeständen (Insi<strong>der</strong>handel, Kursmanipulation) sowie<br />

bei Verstössen gegen die börsenrechtlichen Meldepflichten (Art. 20 <strong>und</strong> 31 BEHG) einzuschalten.<br />

Diese Aufgabenverteilung ist sinnvoll: Die FINMA wird von Bagatellfällen entlastet<br />

72 , <strong>und</strong> die Beaufsichtigung <strong>der</strong> Emittenten ist zudem noch effizienter, da die Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

Börsenorgane, die u.a. auch wegen ihres Fachwissens ausgewählt werden, für anfallende Ermessensentscheide<br />

73 besser geeignet sind als die Beamten einer staatlichen Aufsichtsbehörde.<br />

Darüber hinaus können bei leichteren Regelverstössen die Interessen <strong>der</strong> Anleger durch eine<br />

wirksame Regulierung <strong>der</strong> Börse hinreichend geschützt werden 74 ; die Verletzung <strong>der</strong> kotierungsrechtlichen<br />

Transparenznormen kann zwar zu „falschen“ Aktienkursen führen, die Auswirkungen<br />

sind jedoch wohl nie so gravierend, wie sie im Fall von Insi<strong>der</strong>handel <strong>und</strong> Kursmanipulation<br />

sein können. Zugleich besteht aber bei Verstössen gegen elementare börsengesetzliche<br />

Bestimmungen 75 sowie beim Market Abuse (Insi<strong>der</strong>handel <strong>und</strong> Kursmanipulation)<br />

die Gefahr, dass ausländische Investoren den Finanzplatz Schweiz meiden, wenn ihnen <strong>der</strong><br />

Schutz vor Marktmanipulation <strong>und</strong> an<strong>der</strong>en <strong>der</strong> Transparenz <strong>und</strong> Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes<br />

abträglichen Verhaltensweisen zu gering erscheint <strong>und</strong> sie befürchten, dass die<br />

Kurse <strong>der</strong> gehandelten Effekten nicht sämtliche verfügbaren Informationen wi<strong>der</strong>spiegeln. 76<br />

Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> ist es wichtig, dass bei Vergehen mit einschneidenden Wirkungen<br />

eine staatliche Behörde übernimmt. 77<br />

Das Ansehen <strong>und</strong> die Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes Schweiz sind auch ausschlaggebend<br />

für die stärkere Involvierung <strong>der</strong> FINMA im Bereich <strong>der</strong> Teilnehmer- <strong>und</strong> Händlerregulierung:<br />

Hier ist daher eine saubere Abgrenzung <strong>der</strong> Kompetenzen vonnöten. Die FINMA<br />

ist gemäss Art. 3 FINMAG für die Beaufsichtigung <strong>der</strong> zugelassenen Effektenhändler zuständig.<br />

Durch die Aufsicht sollen nicht zuletzt das Ansehen <strong>und</strong> die Wettbewerbsfähigkeit des<br />

Finanzplatzes Schweiz gestärkt werden. 78 Da jegliche Form von Marktmanipulation <strong>und</strong><br />

71 vgl. auch NOBEL, Börsengesetz, S. 99, <strong>der</strong> <strong>der</strong>artige Anpassungsnotwendigkeiten bereits beim Erlass des B<strong>und</strong>esgesetzes<br />

prophezeite.<br />

72 Dies war auch einer <strong>der</strong> Gründe, die zugunsten <strong>der</strong> börseninternen Instanzen vorgebracht werden, vgl. den<br />

Beitrag von SR Rüesch in <strong>der</strong> parlamentarischen Debatte, Amtl.Bull SR 1993, 1004.<br />

73 Darauf wird in Kapitel III ausführlich eingegangen.<br />

74 gl. M. SCHWOB, S. 32.<br />

75 Hierzu gehören insbeson<strong>der</strong>e die Offenlegungs- <strong>und</strong> Meldepflichten.<br />

76 vgl. auch: EFD, Erläutern<strong>der</strong> Bericht, S. 30; in diesem Sinne kann m.E. die Aussage von BÜHLER <strong>und</strong> HÄ-<br />

RING, dass die Insi<strong>der</strong>norm dem Schutz des guten Rufs des Finanzplatzes Schweiz dient, auf alle Marktmissbrauchs-Bestimmungen<br />

ausgeweitet werden (BÜHLER/HÄRING, S. 455).<br />

77 Wie in Kapitel II Abschnitt A.3 dargestellt wird, wird im Ausland eine selbstregulierte Börse kritisch betrachtet.<br />

78 Art. 5 FINMAG.<br />

- 15 -


Kapitel I: Einführung<br />

Marktirreführung geeignet ist, das Ansehen des schweizerischen Börsenplatzes nachhaltig zu<br />

beeinträchtigten 79 , erscheint mir eine effiziente Missbrauchsbekämpfung seitens <strong>der</strong> FINMA<br />

unerlässlich. Darüber hinaus hat sie <strong>der</strong> Beteiligung <strong>der</strong> Finanzdienstleistungsanbieter an wi<strong>der</strong>rechtlichen<br />

Geschäften ihrer K<strong>und</strong>en entgegenzuwirken. 80 Hier ist die FINMA zudem die<br />

kompetentere Behörde, denn die Börse könnte in diesem Fall nur den Effektenhändler sanktionieren,<br />

da ihr sowohl die notwendigen Kenntnisse über die K<strong>und</strong>en als auch die Berechtigung<br />

zur Strafverhängung gegenüber Anlegern fehlen. 81 Die FINMA hingegen kann marktmissbräuchliche<br />

Verhaltensweisen bis auf die Ebene <strong>der</strong> K<strong>und</strong>en <strong>und</strong> Auftraggeber abklären,<br />

was m.E. sehr för<strong>der</strong>lich für die Marktintegrität ist, da falsche Kurse das Vertrauen <strong>der</strong> internationalen<br />

Investoren nachhaltig schädigen können. 82<br />

Die Börse an<strong>der</strong>erseits sollte sich auf trade-related Verfehlungen konzentrieren. 83 So gebietet<br />

bspw. die ihr im Rahmen <strong>der</strong> Selbstregulierung übertragene Marktüberwachung, dass sie strafend<br />

eingreift, wenn die Teilnehmer die Kursentwicklung missbräuchlich beeinflussen. Denn<br />

eine glaubhafte Marktüberwachung durch die Börse ist nur möglich, wenn sie schädliches<br />

Betragen bestrafen kann. Die Börsenorgane, die nah am Marktgeschehen sind <strong>und</strong> darüber<br />

hinaus über f<strong>und</strong>ierte Fachkenntnisse verfügen, sind m.E. die geeignete Instanz zur Aufdeckung<br />

<strong>und</strong> Bestrafung von Vergehen, die direkt bei den Handelsaktivitäten auftauchen. 84<br />

79 vgl. auch: EBK, Jahresbericht 2003, S. 93.<br />

80 Häufig wirken Händler <strong>und</strong> K<strong>und</strong>en in dem Sinne zusammen, dass ein Händler den Auftrag des K<strong>und</strong>en zur<br />

Kurspflege nicht nur entgegennimmt, son<strong>der</strong>n ihn darüber hinaus noch ausführlich berät <strong>und</strong> evtl. sogar noch<br />

aktiv unterstützt, indem er die Auftragseingabe selbst in die Hand nimmt (vgl. z.B. Entscheid von Surveillance &<br />

Enforcement vom 3.11.2008, Jahresendkurspflege; Entscheid von Surveillance & Enforcement vom 24.4.2008,<br />

Jahresendkurspflege).<br />

81 EFD, Erläutern<strong>der</strong> Bericht, S. 8 Fn. 9; zur Verantwortlichkeit des Effektenhändlers für die Handlungen <strong>der</strong><br />

K<strong>und</strong>en vgl. auch Kapitel III Abschnitt H.3d.cc)<br />

82 vgl. auch: EFD Expertenkommission, 83 f.<br />

83 Die von <strong>der</strong> Börse sanktionierten Verhaltensweisen werden in Kap. III Abschnitt D ausführlich behandelt.<br />

84 vgl. auch die Ausführungen in Kap. II Abschnitt F.2<br />

- 16 -


Kapitel II: Verfahrensrechtliche Aspekte<br />

Kapitel II<br />

Verfahrensrechtliche Aspekte<br />

Wie eingangs erwähnt, handelt es sich bei Art. 9 Abs. 3 BEHG 85 um eine zentrale <strong>und</strong> zugleich<br />

sehr umstrittene Bestimmung. Denn eine Klage bei einem Zivilgericht ist nur möglich,<br />

wenn es sich um eine Rechtsstreitigkeit des Privatrechts handelt. 86 Mit dieser Formulierung<br />

wollte das Parlament sicherstellen, dass die Entscheide <strong>der</strong> Börsen als privatrechtliche Akte<br />

angesehen <strong>und</strong> das Verhältnis zwischen Börse <strong>und</strong> Emittent bzw. zwischen Börse <strong>und</strong> Effektenhändler<br />

als von vertraglicher o<strong>der</strong> gesellschaftsrechtlicher Natur qualifiziert werden. 87 Dies<br />

ist ein markanter Richtungswechsel, war <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esrat doch ursprünglich davon ausgegangen,<br />

das Verfahren eher an das verwaltungsrechtliche Beschwerdeverfahren anzugleichen. 88<br />

Das Beschwerdeverfahren wird nun eindeutig dem Privatrecht zugeordnet <strong>und</strong> ein verwaltungsrechtlicher<br />

Instanzenzug wird ausgeschlossen. 89 In diesem Kapitel sollen die Gründe<br />

sowie die Auswirkungen dieser Kursän<strong>der</strong>ung daher näher betrachtet werden.<br />

A) Rechtliche Ausgestaltung des Börsenwesens<br />

1. Merkmale des privatrechtlichen Charakters<br />

Privatrechtliche Verhältnisse zeichnen sich im Gegensatz zu öffentlich-rechtlichen gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

dadurch aus, dass sich die Beteiligten gleichberechtigt gegenüberstehen. 90 Sie sind gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

frei, die gegenseitigen Rechte <strong>und</strong> Pflichten vertraglich festzulegen, wobei <strong>der</strong> Vertragsinhalt<br />

durch die Interessenlage <strong>und</strong> die Einflussmöglichkeiten <strong>der</strong> Verhandlungspartner<br />

bestimmt wird. 91 Indem <strong>der</strong> Schweizer Gesetzgeber die gesamte Börsentätigkeit explizit auf<br />

eine privatrechtliche Basis stellte, beabsichtigte er m.E., genau diese Handlungsfreiheit <strong>der</strong><br />

Akteure zu zementieren <strong>und</strong> vor staatlichem Interventionismus 92 zu schützen. 93 Emittent/Effektenhändler<br />

<strong>und</strong> Börse können sich als gleichberechtigte Partner begegnen, die im<br />

85 Vorbehalten bleibt, nach Durchführung des Beschwerdeverfahrens, die Klage beim Zivilrichter.<br />

86 HABSCHEID, Zivilprozess, S. 88.<br />

87 So auch: RUFFNER, Selbstregulierung, S. 55.<br />

88 WIDMER, S. 130.<br />

89 a.M. BÜHLER, S. 404, <strong>der</strong> davon ausgeht, dass im konkreten Einzelfall die Beschwerde keinesfalls ausgeschlossen<br />

würde.<br />

90 HABSCHEID, Zivilprozess, S. 1.<br />

91 FLEINER-GERSTER, S. 7.<br />

92 EUGEN DAVID formulierte es in den nationalrätlichen Beratungen so: „Der Staat soll nicht ohne Not einer privaten<br />

Organisation vorschreiben, wer bei ihr mitmachen <strong>und</strong> handeln darf.“ (Amtl.Bull. NR 1061).<br />

93 gl. M. BAUMGARTEN/LANZ, S. 602.<br />

- 17 -


Kapitel II: Verfahrensrechtliche Aspekte<br />

Kotierungsverfahren vertragliche Rechte <strong>und</strong> Pflichten begründen. 94 Beson<strong>der</strong>s deutlich wird<br />

das Vorliegen eines Vertragsverhältnisses bei <strong>der</strong> Betrachtung <strong>der</strong> Beziehung zwischen Effektenhändler<br />

<strong>und</strong> seinem K<strong>und</strong>en, denn K<strong>und</strong>e eines Effektenhändlers kann nur sein, wer mit<br />

diesem in einer vertraglichen Verbindung steht. 95 Die in Art. 11 BEHG verankerten Wohlverhaltensregeln<br />

stellen demzufolge vertragliche Neben- bzw. Verhaltenspflichten dar, mit denen<br />

ein Effektenhändler dazu angehalten wird, sich sorgfältig <strong>und</strong> fair den K<strong>und</strong>en gegenüber zu<br />

verhalten. 96<br />

Darüber hinaus ist die Teilnahme an <strong>der</strong> Börse freiwillig: Niemand kann gezwungen werden,<br />

einer Börse beizutreten o<strong>der</strong> seine Geschäfte über eine Börse zu tätigen; wer sich den einschlägigen<br />

Vorschriften nicht unterziehen will, kann auf eine Kotierung verzichten o<strong>der</strong> ein<br />

eigenes Handelssystem mit eigenen Vorschriften entwickeln. 97 Aus dieser Freiwilligkeit<br />

ergibt sich ferner, dass die Börse nicht eigenmächtig ein Unternehmen kotieren <strong>und</strong> damit den<br />

Börsenregeln unterstellen kann; vielmehr ist die Unterzeichnung <strong>der</strong> Zustimmungserklärung<br />

durch den Emittenten eine zwingende Voraussetzung für die Börsenteilnahme eines Unternehmens.<br />

98 Ohne diese explizite Unterwerfung unter die Börsenregeln kann ein Emittent die<br />

Offenlegungsvorschriften ohne weiteres missachten, ohne irgendwelche Sanktionen befürchten<br />

zu müssen. Analog können die <strong>SIX</strong> <strong>und</strong> <strong>der</strong> Emittent unter gewissen Umständen ein vertragliches<br />

Gestaltungsrecht ausüben <strong>und</strong> das Rechtsverhältnis kündigen.<br />

2. Gründe für privatrechtlichen Charakter<br />

Diese liberale Herangehensweise an die Börsen ist typisch für das Schweizer Wirtschaftsverständnis:<br />

Auch wenn das Modell eines liberalen „Ordnungsstaates“, <strong>der</strong> nicht intervenierend<br />

in eine sich selbst regulierende Wirtschaft eingreift, mittlerweile überholt ist, hat es die<br />

Schweiz doch nachhaltig geprägt 99 , <strong>und</strong> <strong>der</strong> freien Entfaltung <strong>der</strong> Wirtschaft wird weiterhin<br />

eine grosse Bedeutung zugemessen. Es wird davon ausgegangen, dass die individuellen Bedürfnisse<br />

am besten befriedigt werden, wenn die Rechtssubjekte ihre Beziehungen selbst re-<br />

94 Die Börse verpflichtet sich, den Handel <strong>der</strong> Wertpapiere des Emittenten über ihre Plattform zu ermöglichen,<br />

<strong>und</strong> <strong>der</strong> Emittent verpflichtet sich zur Einhaltung <strong>der</strong> Kotierungsvorschriften sowie zur Entrichtung <strong>der</strong> Gebühren<br />

(vgl. auch die Emittentenerklärung in Art. 45 KR).<br />

95 WYSS, S. 74.<br />

96 WYSS, S. 59.<br />

97 Einige Autoren verweisen auf diese Freiwilligkeit, um den privatrechtlichen Charakter des Börsenwesens<br />

hervorzuheben: vgl. z.B. WEBER, Börsenrecht, S. 108 f; DAENIKER/WALLER, Informationspflichten, S. 101 ff.<br />

98 vgl. auch MAURER/VON DER CRONE, S. 406, sowie WEBER, Börsenrecht, S. 141, die die Zustimmungsbedürftigkeit<br />

des Kotierungsentscheids durch den Emittenten als Indiz für das Vorliegen eines mehrseitigen Rechtsgeschäftes<br />

vertraglicher Natur sehen.<br />

99 Unter an<strong>der</strong>em war es Gr<strong>und</strong>lage <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esverfassung von 1848; vgl.: WEBER, Wirtschaftsregulierung, S. 29<br />

f.<br />

- 18 -


Kapitel II: Verfahrensrechtliche Aspekte<br />

geln können. 100 Insbeson<strong>der</strong>e in technischen, sich rasch wandelnden Bereichen – wie das Börsenwesen<br />

einer ist – werden Fachleute, die in <strong>der</strong> Praxis mit den relevanten Fragen konfrontiert<br />

werden, als besser geeignet zum Erlass <strong>der</strong> erfor<strong>der</strong>lichen Regeln angesehen. 101 Das Börsenwesen<br />

wurde m.E. zu Recht beim Erlass des Börsengesetzes als eine komplexe Materie<br />

angesehen, bei <strong>der</strong> sich die Eigenbildung von Regeln durch die Betroffenen sowie die Aufsicht<br />

durch eine flexible <strong>und</strong> kompetente private Behörde anbieten. 102<br />

Die herkömmlichen Börsen bekommen nämlich zunehmend Konkurrenz durch den ausserbörslichen<br />

Handel; ferner führt <strong>der</strong> verstärkte Einsatz hochleistungsfähiger Kommunikationssysteme<br />

zu einer fortschreitenden Vernetzung sowohl <strong>der</strong> nationalen als auch <strong>der</strong> internationalen<br />

Märkte. Eine beson<strong>der</strong>e Herausfor<strong>der</strong>ung stellt in diesem Zusammenhang auch <strong>der</strong> ausserbörsliche<br />

Handel (Over the Counter, OTC) dar, <strong>der</strong> Ende des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts aufkam <strong>und</strong><br />

sowohl den Handel mit kotierten Effekten 103 als auch mit Finanz<strong>der</strong>ivaten ohne standardisierte<br />

Spezifikationen <strong>und</strong> mit Wertpapieren, die nicht zum Börsenhandel zugelassen sind, umfasst.<br />

Als vorteilhaft angesehen werden insbeson<strong>der</strong>e die individuellen Modifikationsmöglichkeiten<br />

bei dem Produkt, die Schnelligkeit durch den direkten Handel zwischen den beiden<br />

Handelspartnern sowie die hohe Flexibilität, die schnelle Produktinnovationen ermöglicht.<br />

Zugleich sind aber Aufsicht <strong>und</strong> Kontrolle gering, so dass ein hohes Risiko besteht, dass die<br />

börsenrechtlich festgelegten Mindeststandards nicht eingehalten werden. 104 Angesichts dieses<br />

zunehmenden – <strong>und</strong> nicht nur positiven - Wettbewerbs ist es entscheidend, dass die Börsen<br />

flexibel auf Verän<strong>der</strong>ungen reagieren können 105 <strong>und</strong> so international für Investoren attraktiv<br />

bleiben. Marktorientierte Dienstleister sind dazu besser in <strong>der</strong> Lage als hoheitliche Betriebe.<br />

106 Daher wurden m.E. zu Recht die Einflussmöglichkeiten <strong>der</strong> FINMA beschränkt, denn<br />

das deutsche Beispiel zeigt, dass eine mit Macht ausgestattete Aufsichtsbehörde stets in <strong>der</strong><br />

Lage ist, sämtliche Angelegenheiten <strong>der</strong> Handelsaufsicht an sich zu ziehen. 107 Der unterneh-<br />

100 SIGRIST, Selbstregulierung, S. 58.<br />

101 vgl. auch: Stellungnahme <strong>der</strong> Zürcher Börse zum Vorentwurf für ein B<strong>und</strong>esgesetz über die Börsen <strong>und</strong> den<br />

Effektenhandel vom 13. September 1991, S. 7.<br />

102 Die Expertengruppe zur Ausarbeitung des Börsengesetzes war insbeson<strong>der</strong>e auch nie <strong>der</strong> Meinung, dass sich<br />

die Selbstregulierung auf eine Delegation stützt, vielmehr ist sie immer davon ausgegangen, dass die Börsen im<br />

Rahmen <strong>der</strong> Privatautonomie handeln. (BLATTNER in Kolloquium VE BEHG, S. 134 f.: „Es kommt nicht von<br />

oben, was eigentlich geregelt werden muss, son<strong>der</strong>n es kommt von unten, vom Markt.“)<br />

103 Geschäfte, die die beteiligten Parteien nicht publik machen wollen, werden in gesteigertem Masse in sog.<br />

Dark Pools, d.h. auf bank- o<strong>der</strong> börseninternen Handelsplattformen für den anonymen Handel, abgewickelt.<br />

104 vgl. dazu die Ausführungen in Abschnitt 2b.<br />

105 Indem sie z.B. die Anpassungsfähigkeit <strong>der</strong> Börsensysteme auf Produkt-Modifikationen o<strong>der</strong> die Schnelligkeit<br />

des Handels verbessern.<br />

106 Mit genau diesen Argumenten plädierten auch verschiedene deutsche Autoren bereits in den 1990er Jahren<br />

für die privatrechtliche Umgestaltung <strong>der</strong> deutschen Börse: vgl. HOPT/BAUM, S. 403; SCHWARK, Börsen, S. 302;<br />

CLAUSSEN/HOFFMANN, S. 68 ff.<br />

107 SEGNA, S. 6.<br />

- 19 -


Kapitel II: Verfahrensrechtliche Aspekte<br />

merische Entscheidungsspielraum <strong>und</strong> die Anpassungsfähigkeit <strong>der</strong> Börsen an neue Gegebenheiten<br />

sollte aber so wenig wie möglich durch gesetzgeberische Auflagen beschränkt werden.<br />

108<br />

3. Schranken <strong>der</strong> privatrechtlichen Klassifizierung<br />

a) Gleichberechtigte Partner (?)<br />

Die zentrale Prämisse des Privatrechts – die Begegnung gleichberechtigter Partner, die freiwillig<br />

<strong>und</strong> ohne Einfluss von aussen Rechte <strong>und</strong> Pflichten begründen – kann aber nicht als<br />

hun<strong>der</strong>tprozentig gegeben betrachtet werden. Die Börse ist nämlich nicht frei in ihrer Entscheidung,<br />

mit wem sie kontrahieren möchte. Vielmehr prüft sie zwar im Rahmen <strong>der</strong> Kotierung<br />

auf Gesuch des Emittenten, ob die in den Reglementen vorgegebenen Kriterien erfüllt<br />

sind. Wenn dies jedoch <strong>der</strong> Fall ist, besteht gemäss Art. 8 Abs. 4 BEHG explizit ein Anspruch<br />

auf Zulassung, <strong>und</strong> die Börse muss die geeigneten Emittenten alle gleich behandeln. 109 Daraus<br />

ergibt sich, dass Kotierung <strong>und</strong> Dekotierung neben den in Abschnitt 1 beschriebenen vertraglichen<br />

Aspekten auch Elemente einer rechtsgestaltenden <strong>und</strong> mitwirkungsbedürftigen<br />

Verfügung aufweisen 110 : Bei <strong>der</strong> Kotierung entscheidet die Börse auf Gesuch hin einseitighoheitlich<br />

<strong>und</strong> legt die Rechte <strong>und</strong> Pflichten des Emittenten verbindlich fest. Analog liegt es<br />

auch beim Dekotierungsentscheid in <strong>der</strong> Kompetenz <strong>der</strong> Börse, die Wahrung <strong>der</strong> Interessen<br />

des Börsenhandels <strong>und</strong> <strong>der</strong> Anleger im Rahmen <strong>der</strong> Dekotierung zu prüfen <strong>und</strong> bei Vorliegen<br />

<strong>der</strong> entsprechenden Bedingungen einseitig-hoheitlich einen Dekotierungsentscheid zu fällen.<br />

Ohne diesen Entscheid <strong>der</strong> Börse kann <strong>der</strong> Emittent seine Titel nicht dekotieren.<br />

b) Verwirklichung öffentlicher Interessen<br />

aa)<br />

Allgemein<br />

MAURER <strong>und</strong> VON DER CRONE heben in ihrem Aufsatz hervor, dass die Börse bei ihrem (De-)<br />

Kotierungsentscheid öffentliche Interessen verfolgt <strong>und</strong> deswegen öffentliches Recht zur Anwendung<br />

gelangt. 111 Dieses Argument, dass bei <strong>der</strong> Börsentätigkeit gr<strong>und</strong>legende öffentliche<br />

108 so auch: RUFFNER, Selbstregulierung, S. 7.<br />

109 so auch MÖHRLE, S. 38.<br />

110 vgl. auch HENCKEL, S. 131.<br />

111 MAURER/VON DER CRONE, S. 406.<br />

- 20 -


Kapitel II: Verfahrensrechtliche Aspekte<br />

Anliegen tangiert werden, die besser in einem öffentlich-rechtlichen Verfahren erlassen <strong>und</strong><br />

kontrolliert werden, ist gewichtig <strong>und</strong> hat letztendlich dazu geführt, dass die sehr marktwirtschaftlich<br />

ortientierte Ausrichtung <strong>der</strong> Schweizer Börse international gesehen eine Ausnahmeerscheinung<br />

ist <strong>und</strong> in an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>ung die Selbstregulatoren zunehmend Terrain an die<br />

staatlichen Regulatoren verlieren 112 : In Deutschland z.B. hat die Erkenntnis, dass es sich bei<br />

den an <strong>der</strong> Börse in Form von Börsenkursen deutlich werdenden Kapitalmarktentwicklungen<br />

um volkswirtschaftlich bedeutsame Daten handelt 113 , dazu geführt, dass die Börse als teilrechtsfähige<br />

Anstalt des öffentlichen Rechts ausgestaltet wurde <strong>und</strong> eine wirkungsvolle staatliche<br />

Marktaufsicht sogar als Gütesiegel für den Finanzplatz Deutschland angesehen wird. 114<br />

In England wurden mit Inkrafttreten des Financial Services and Markets Act per 1. Dezember<br />

2001 zahlreiche Aufgaben <strong>der</strong> staatlichen Financial Services Authority (FSA) übertragen 115<br />

<strong>und</strong> auch in Frankreich wurde per August 2003 eine staatliche Börsenaufsicht mit ähnlichen<br />

Aufgaben geschaffen. In den Vereinigten Staaten schliesslich, die immer als Vorbild für die<br />

"freie Marktwirtschaft" galten, wurde bereits 1934 die B<strong>und</strong>esbehörde SEC als quasi öffentlich-rechtliche<br />

Börsenaufsichtsbehörde geschaffen. Die SEC verfügt über weitreichende regulatorische<br />

Befugnisse <strong>und</strong> ist zudem ermächtigt, gegen börsenkotierte Unternehmen disziplinarisch<br />

vorzugehen o<strong>der</strong> von ihnen die periodische Offenlegung von Informationen zu verlangen.<br />

116<br />

Das Vorliegen gewichtiger <strong>und</strong> schützenswerter Polizeigüter im Börsenwesen ist nicht von<br />

<strong>der</strong> Hand zu weisen. RUFFNER identifiziert m.E. zu Recht Treu <strong>und</strong> Glauben im Geschäftsverkehr<br />

als zentrales Schutzgut 117 , aus dem sich die in Art. 1 BEHG verankerten Ziele Anleger<strong>und</strong><br />

Funktionsschutz ableiten lassen.<br />

bb)<br />

Anlegerschutz<br />

Im Zweckartikel des BEHG wird zwar nur <strong>der</strong> Funktionsschutz explizit genannt, aber es ist<br />

allgemein anerkannt, dass auch <strong>der</strong> Anlegerschutz von Anfang an im Zentrum <strong>der</strong> Börsengesetzgebung<br />

stand 118 <strong>und</strong> daher ebenfalls eines <strong>der</strong> Hauptziele des Börsengesetzes ist. 119 Bezweckt<br />

wird die Minimierung <strong>der</strong> Gefahr <strong>der</strong> Übervorteilung des Anlegers durch den Emitten-<br />

112 EBK, S. 16.<br />

113 vgl. CLAUSSEN, Börsenrecht, S. 449 f.<br />

114 KÜMPEL/HAMMEN, S. 161 f.<br />

115 ARTHUR/BOOTH, S. 39 ff.<br />

116 vgl. NOBEL, Transnationales Recht, S. 414 m.w.H.<br />

117 RUFFNER, Entwurf, S. 70.<br />

118 HENCKEL, S. 147; WEBER, Börsenrecht, S. 108.<br />

119 Botschaft BEHG, 1381.<br />

- 21 -


Kapitel II: Verfahrensrechtliche Aspekte<br />

ten o<strong>der</strong> Effektenhändler 120 , wodurch zweifellos ein gewichtiges polizeiliches Interesse befriedigt<br />

wird. Einige Befürworter <strong>der</strong> öffentlich-rechtlichen Ausrichtung des Börsenwesens<br />

gehen deswegen sogar so weit, die Börsenreglemente als ein Schutzgesetz zu charakterisieren,<br />

aus dem die Anleger prinzipiell Schadenersatzansprüche ableiten könnten 121 : So schütze beispielsweise<br />

die in Art. 53 KR verankerte Ad hoc-Publizität die Qualität <strong>der</strong> Vermögensdisposition<br />

eines Kapitalmarktteilnehmers basierend auf öffentlichen Bekanntmachungen. In diesem<br />

Zusammenhang wird teilweise in <strong>der</strong> Lehre sogar die Ansicht geäussert, eine Verletzung<br />

<strong>der</strong> Emittentenpflichten könne zu einer Vertrauenshaftung führen, da eine beson<strong>der</strong>e vertrauensvolle<br />

Verbindung zwischen Emittent <strong>und</strong> Anleger bestehe. 122 Dasselbe gelte für Art. 51<br />

KR, <strong>der</strong> bei gegen Rechnungslegungsstandards verstossenden Jahresabschlüssen die Investoren<br />

in ihrem irrtümlich gebildeten Investitionsentscheid schütze. 123<br />

Mit dieser Auffassung wird m.E. aber die Bedeutung des Anlegerschutzes überdehnt: Im Gegensatz<br />

zu Art. 11 BEHG, <strong>der</strong> als Wohlverhaltensregel für die Effektenhändler 124 die Interessen<br />

<strong>und</strong> das Vermögen eines einzelnen Investors schützen möchte 125 <strong>und</strong> dem daher die Qualität<br />

einer deliktrechtlichen Schutznorm zukommt 126 , bezweckt Art. 53 KR gerade nicht, das<br />

Vermögen des individuellen Anlegers zu schützen 127 , vielmehr wird bei den Investitionsentscheidungen<br />

ein gewisses Mass an Professionalität von ihm erwartet. 128 Konkret sollen alle<br />

Börsengesellschaften dem gleichen Standard unterworfen werden, was <strong>der</strong> Funktionsfähigkeit<br />

<strong>der</strong> Effektenmärkte als Ganzem – bzw. dem Kollektivvertrauensschutz – dient. 129<br />

cc)<br />

Funktionsschutz<br />

Ein zentrales Ziel <strong>der</strong> Börsenregulierung ist die Gewährleistung eines funktionsfähigen Kapitalmarktes.<br />

130 Dabei werden unter dem Einfluss wirtschaftswissenschaftlicher Erkenntnisse in<br />

<strong>der</strong> Doktrin drei Teilaspekte hervorgehoben: Allokationseffizienz, operationale Effizienz <strong>und</strong><br />

institutionelle Effizienz. Die Allokationseffizienz steht im Vor<strong>der</strong>gr<strong>und</strong>: Dem Kapitalmarkt<br />

kommt die zentrale Aufgabe zu, über den Zins <strong>und</strong> an<strong>der</strong>e Anlagekonditionen für eine effizi-<br />

120 HENCKEL, S. 27.<br />

121 BRUNNER, CHRISTOPH, S. 121 ff.<br />

122 VON FISCHER, S. 162 ff.<br />

123 WATTER, Investorenschaden, S. 436 f.<br />

124 vgl. die Ausführungen in Kap. III Abschnitt D.<br />

125 WYSS, S. 75.<br />

126 ABEGGLEN, S. 61 f.<br />

127 so auch: AELLEN, S. 25<br />

128 HODEL, S. 136.<br />

129 DAENIKER/WALLER, Art. 4 BEHG, S. 534.<br />

130 vgl. Art. 1 BEHG<br />

- 22 -


Kapitel II: Verfahrensrechtliche Aspekte<br />

ente Allokation <strong>der</strong> Investitionsmittel zu sorgen. 131 Durch Preissignale soll sichergestellt werden,<br />

dass anlagebereite Mittel dorthin fliessen, wo sie unter Berücksichtigung <strong>der</strong> damit verb<strong>und</strong>enen<br />

Risiken die höchsten realen Erträge abwerfen. 132 Vorausgesetzung ist ein informationseffizienter<br />

Markt, d.h. ein Markt, in dem den Anlegern zutreffende <strong>und</strong> vollständige Informationen<br />

umittelbar zur Verfügung stehen <strong>und</strong> die Kurse sämtliche öffentlich zugänglichen<br />

Informationen zeitverzugslos reflektieren. 133 In <strong>der</strong> Folge werden sämtliche Einschätzungen<br />

<strong>und</strong> Erwartungen <strong>der</strong> Marktteilnehmer zu einem einzigen Preis aggregiert. 134 Bei <strong>der</strong><br />

operationalen Effizienz steht die Reduktion <strong>der</strong> Transaktionshin<strong>der</strong>nisse im Vor<strong>der</strong>gr<strong>und</strong>. 135<br />

Beabsichtigt wird eine möglichst weitgehende Kostensenkung. Die institutionelle Effizienz<br />

schliesslich stellt die Gewährleistung eines wirksamen Marktmechanismus in den Vor<strong>der</strong>gr<strong>und</strong>.<br />

Dabei wird dem „Vertrauen <strong>der</strong> Sparer in die Zuverlässigkeit <strong>und</strong> Integrität des Kapitalmarkts“<br />

136 beson<strong>der</strong>e Bedeutung beigemessen. Das Vertrauen <strong>der</strong> Anleger in solide <strong>und</strong><br />

faire Zustände am Kapitalmarkt ist zudem das wichtigste Bindeglied zwischen Individual<strong>und</strong><br />

Funktionsschutz. 137 Anlegerschutz soll deswegen im Sinne von Anlegervertrauensschutz<br />

verstanden werden. 138 Es wird dem Umstand Rechnung getragen, dass die Anleger als Kapitalgeber<br />

verschiedenen Risiken ausgesetzt sind. 139 Die Anleger sollen zwar nicht vor Kursverlusten<br />

etc. geschützt werden, doch es gilt, sie vor unlauterem Verhalten o<strong>der</strong> Insolvenz eines<br />

Finanzintermediärs zu bewahren. 140 In Kapitel III Abschnitt D.2 wird näher erläutert, dass<br />

manipulatives Verhalten eines Teilnehmers die Integrität des Kapitalmarktes als Ganzes beeinträchtigen<br />

kann, ohne zu konkreten Vermögensschäden bei einzelnen Anlegern zu führen.<br />

141 Im Interesse eines funktionsfähigen Kapitalmarktes, <strong>der</strong> die drei beschriebenen Effizienz-Kriterien<br />

erfüllt, muss solchen Verfehlungen durch eine wirksame <strong>Sanktionsordnung</strong> begegnet<br />

werden.<br />

131 ZOBL/KRAMER, S. 8.<br />

132 WATTER, Art. 1 BEHG, S. 477; SCHENKER, S. 4, RUFFNER, Publikumsgesellschaft, S. 369.<br />

133 RUFFNER, Publikumsgesellschaft, S. 355 Fn. 33; WERLEN, Gr<strong>und</strong>lagen, S. 19.<br />

134 RUFFNER, Publikumsgesellschaft, S. 371.<br />

135 WERLEN, Gr<strong>und</strong>lagen, S. 14 f.<br />

136 HORST, S. 317.<br />

137 HOPT, Publizität, S. 236.<br />

138 ZOBL/KRAMER, S. 14.<br />

139 WATTER, S. 273, unterscheidet in diesem Zusammenhang zwischen dem Risiko einer schlechten Anlage, dem<br />

Risiko einer ungeeigneten Anlage, dem Gegenparteirisiko <strong>und</strong> dem Risiko <strong>der</strong> Ungleichbehandlung.<br />

140 MÖHRLE, S. 117.<br />

141 In diesem Zusammenhang sei auch bereits darauf hingewiesen, dass nicht alle Teilnehmer direkten K<strong>und</strong>enkontakt<br />

haben. Keinen K<strong>und</strong>enkontakt haben bspw. Broker, Hedge F<strong>und</strong>s etc.<br />

- 23 -


Kapitel II: Verfahrensrechtliche Aspekte<br />

dd)<br />

Ergebnis<br />

Sobald die Befolgung öffentlicher Interessen im Zentrum <strong>der</strong> Massnahmen steht, rückt die<br />

Bestimmung zumindest in die Nähe des öffentlichen Rechts, da Schutz <strong>und</strong> För<strong>der</strong>ung des<br />

Wohls <strong>der</strong> Allgemeinheit gr<strong>und</strong>sätzlich eine Staatsaufgabe ist. 142 Die Relevanz des Allgemeinwohls<br />

wird noch deutlicher, wenn man sich vergegenwärtigt, dass in <strong>der</strong> Botschaft des<br />

B<strong>und</strong>esrates <strong>der</strong> Schutzbereich des BEHG explizit auch auf potentielle Anleger ausgeweitet<br />

wurde. 143 Da gr<strong>und</strong>sätzlich je<strong>der</strong> als möglicher Investor in Frage kommt, entfalten die Bestimmungen<br />

folglich eine Wirkung gegenüber je<strong>der</strong>mann. Solche Bestimmungen mit heteronomer<br />

Wirkung können als ein weiteres Indiz dafür gewertet werden, dass es sich bei den<br />

Kotierungsbestimmungen um Normen im Sinne des materiell-rechtlichen Gesetzesbegriffs<br />

handelt, mit denen die Verfolgung öffentlicher Interessen sichergestellt wird. 144 Vor diesem<br />

Hintergr<strong>und</strong> ist wohl BÖCKLI zuzustimmen, dass die Transparenznormen ein generelles level<br />

playing field anstreben <strong>und</strong> dadurch über den Bereich privatrechtlicher Anliegen hinausgehen.<br />

145 Angesichts <strong>der</strong> Tragweite dieser Bestimmungen ist verständlich, dass Teile <strong>der</strong> Lehre<br />

eindeutig dafür plädieren, die Bestimmungen bezüglich <strong>der</strong> Börsenpflichten analog <strong>der</strong> Regelung<br />

in Deutschland 146 als öffentlich-rechtliche Verhaltensnormen anzusehen 147 , zumal sie<br />

sich von einer Verlagerung ins öffentliche Recht einen besseren Schutz für die Aktionäre versprechen,<br />

die von bestimmten Vorgängen an <strong>der</strong> Börse, wie beispielsweise einer Dekotierung<br />

stärker betroffen sind als ein Emittent <strong>und</strong> seine Organe. 148<br />

4. Würdigung <strong>und</strong> Begründung <strong>der</strong> privatrechtlichen Ausgestaltung<br />

Die Wahrung öffentlicher Interessen stellt eine allgemein akzeptierte Schranke für einen vollständigen<br />

Abbau von Regulierungen <strong>der</strong> Wirtschaft dar. 149 Wie im vorigen Abschnitt veranschaulicht<br />

wurde, ist ein ernstzunehmendes öffentliches Interesse bei <strong>der</strong> Börsentätigkeit gegeben:<br />

Der Anleger befindet sich gegenüber den Emittenten <strong>und</strong> den Effektenhändlern auf-<br />

142 HÄFELIN/MÜLLER/UHLMANN, S. 124.<br />

143 Botschaft BEHG, 1392.<br />

144 WATTER/DUBS, S. 747; MAURER/VON DER CRONE, S. 404.<br />

145 vgl. BÖCKLI, Schweizer Aktienrecht, S. 2380.<br />

146 Hier werden z.B. Verstösse gegen die Ad hoc-Publizitätspflicht durch die staatliche B<strong>und</strong>esaufsichtsbehörde<br />

(BaFin) sanktioniert (vgl. ROTTER, S. 238).<br />

147 In diese Richtung argumentierte auch z.B. Prof. Böckli bei unserem Interview.<br />

148 Ein neues Plädoyer findet sich z.B. bei: WEBER, Neuordnung, S. 585 ff.. Zur Betroffenheit Dritter vgl. auch<br />

Abschnitt D.<br />

149 MORSCHER, S. 138.<br />

- 24 -


Kapitel II: Verfahrensrechtliche Aspekte<br />

gr<strong>und</strong> eines Informationsdefizits gr<strong>und</strong>sätzlich in einer schwächeren Position; um den Wert<br />

seiner Investition richtig einschätzen zu können, ist er deswegen auf zusätzliche Informationen<br />

seitens des kapitalsuchenden Unternehmens angewiesen. 150 Im Weiteren hängt auch die<br />

allokative Effizienz eines Kapitalmarktes in erster Linie davon ab, dass Renditeerwartungen<br />

<strong>und</strong> Risiken einer Anlage übereinstimmen; <strong>der</strong> „informierten Anlageentscheidung“ als Gr<strong>und</strong>lage<br />

<strong>der</strong> Risikoeinschätzung kommt deswegen auch bei <strong>der</strong> Gewährleistung eines funktionierenden<br />

Effektenmarktes eine massgebliche Bedeutung zu. 151 Wie sich aus den Ausführungen<br />

in den Abschnitten bb) <strong>und</strong> cc) ableiten lässt, sind Anleger- <strong>und</strong> Funktionsschutz stark verzahnt<br />

<strong>und</strong> folglich kaum trennbar. Zentrale Transparenzregeln wie bspw. die Ad hoc-<br />

Publizität 152 sowie die Offenlegung von Management-Transaktionen 153 dienen genau betrachtet<br />

beiden Zielen, da eine offene <strong>und</strong> rasche Information zur Vermeidung von Gerüchten beiträgt<br />

<strong>und</strong> ganz allgemein das gute Funktionieren <strong>der</strong> Märkte <strong>und</strong> das Vertrauen des Publikums<br />

in die Marktintegrität för<strong>der</strong>t. 154 Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> sehen viele europäische Rechtsordnungen<br />

mittlerweile eine Schadensersatzpflicht für Verstösse gegen die Ad hoc-Publizität<br />

vor. 155 Wie in Abschnitt L näher erläutert wird, ist die Einführung eines Schadenersatzanspruchs<br />

<strong>der</strong> Anleger gegenüber den Emittenten problematisch, weswegen in <strong>der</strong> Schweiz auf<br />

die Ableitung von Individualrechten aus Verletzungen <strong>der</strong> Börsenpflichten verzichtet werden<br />

sollte.<br />

Das Bestehen eines öffentlichen Interesses bedingt jedoch – entgegen einer in <strong>der</strong> Lehre verbreiteten<br />

Meinung 156 - nicht zwangsläufig, dass es sich um eine öffentlich-rechtliche Norm<br />

handeln muss. Denn die Interessentheorie besagt, dass diejenigen Rechtsnormen dem öffentlichen<br />

Recht zuzuordnen sind, die ausschliesslich o<strong>der</strong> vorwiegend auf die Verwirklichung<br />

öffentlicher Interessen gerichtet sind. 157 Bei <strong>der</strong> Börse spielen dagegen auch gewichtige private<br />

Interessen eine entscheidende Rolle. Die Emittenten sind in erster Linie gewinnorientierte<br />

Unternehmen, für die <strong>der</strong> Verkauf ihrer Produkte o<strong>der</strong> die Erbringung ihrer Dienstleistungen<br />

im Vor<strong>der</strong>gr<strong>und</strong> steht. Die Kapitalaufnahme am Effektenmarkt <strong>und</strong> die Einhaltung <strong>der</strong><br />

entsprechenden Regeln spielen dabei zwar eine wichtige Rolle, dürfen aber nicht zuviel Zeit<br />

150 DAENIKER, Anlegerschutz, S. 161.<br />

151 VON FISCHER, S. 45.<br />

152 Gemäss Art. 53 KR muss <strong>der</strong> Emittent kursrelevante Tatsachen, welche in seinem Tätigkeitsbereich eingetreten<br />

sind, unverzüglich mitteilen; vgl. die vertiefenden Ausführungen in Kapitel III Abschnitt C.4.<br />

153 Gemäss Art. 56 KR müssen bei kotierten Gesellschaften die Transaktionen von Mitglie<strong>der</strong>n des Verwaltungsrats,<br />

<strong>der</strong> Geschäftsleitung <strong>und</strong> diesen nahestehenden Personen in Titeln des eigenen Unternehmens innerhalb<br />

kurzer Frist bekannt gegeben werden; vgl. die vertiefenden Ausführungen in Kapitel III Abschnitt C.6.<br />

154 vgl. auch: LEU, S. 122, mit Verweis auf die Ergebnisse <strong>der</strong> Vernehmlassung <strong>der</strong> Schweizer Börse zur Totalrevision<br />

des Kotierungsreglements im Januar 1995.<br />

155 vgl. z.B. für Deutschland: MAIER-REIMER/WEBERING, S. 1857 ff.<br />

156 vgl. HENCKEL, S. 123 ff.<br />

157 HÄFELIN/MÜLLER/UHLMANN, S. 56.<br />

- 25 -


Kapitel II: Verfahrensrechtliche Aspekte<br />

in Anspruch nehmen. 158 Es ist zu befürchten, dass bei einer staatlichen Behörde wie <strong>der</strong><br />

FINMA die Regulierung noch verstärkt würde – es evtl. sogar zu einer Überregulierung käme<br />

– <strong>und</strong> in <strong>der</strong> Folge die zeitliche Beanspruchung <strong>der</strong> Emittenten <strong>und</strong> folglich ihre Unzufriedenheit<br />

zunähme. 159 Zudem hat die Börse ein eigenes – privates – Interesse daran, als möglichst<br />

unabhängiger, marktorientierter Dienstleister auftreten zu können, da sie sich so für Investoren<br />

<strong>und</strong> Emittenten attraktiv präsentieren kann. 160 Eine privatrechtliche Ausgestaltung einer<br />

Institution, die u.a. auch öffentliche Interessen verfolgt, ist darüber hinaus auch rechtlich kein<br />

Problem, da wie in <strong>der</strong> zürcherischen Rechtsprechung bereits festgehalten wurde, eine privatrechtliche<br />

Vereinbarung durchaus auch öffentlichen Interessen dienen kann. 161 So wurde im<br />

Rahmen <strong>der</strong> Diskussionen betreffend <strong>der</strong> Vereinbarung über die Sorgfaltspflichten <strong>der</strong> Banken<br />

(VSB) bereits festgestellt, dass die Nationalbank hier – obwohl sie neben gewichtigen<br />

privaten auch öffentliche Interessen wahrnimmt - gesamthaft betrachtet als Rechtssubjekt des<br />

Privatrechts auftritt <strong>und</strong> die VSB folglich als obligationenrechtlicher Vertrag zu klassifizieren<br />

ist. 162 Bei <strong>der</strong> Börse dürfte diese Zuordnung noch einfacher sein, denn im Gegensatz zur Nationalbank<br />

handelte es sich bei <strong>der</strong> <strong>SIX</strong> Swiss Exchange von Beginn an um eine privatrechtliche<br />

Organisation. 163<br />

Trotzdem ist das öffentliche Interesse, das das Börsenwesen zumindest in die Nähe des öffentlichen<br />

Rechts rückt, nicht wegzudiskutieren. In diesem Sinne besitzen gewisse Kotierungsbestimmungen<br />

Doppelnormcharakter, d.h. sie enthalten zugleich öffentlich-rechtliche<br />

<strong>und</strong> privatrechtliche Vorschriften <strong>und</strong> dienen somit gleichzeitig privaten <strong>und</strong> öffentlichen Interessen.<br />

164<br />

5. Konsequenzen des Doppelnorm-Charakters: Gesteuerte<br />

Selbstregulierung<br />

Um den Spagat zwischen Einräumung eines möglichst grossen Entscheidungsspielraums <strong>der</strong><br />

Börse <strong>und</strong> Gewährleistung <strong>der</strong> Schutzziele Transparenz, Gleichbehandlung <strong>der</strong> Anleger sowie<br />

Funktionsfähigkeit <strong>der</strong> Effektenmärkte gut zu meistern, wurde bei <strong>der</strong> Börse eine Zwischen-<br />

158 Schon jetzt beklagten einige Unternehmer in den Interviews, dass durch die Erfüllung <strong>der</strong> Börsenpflichten<br />

sehr viel Zeit unproduktiv „verschwendet“ wird.<br />

159 Diese Meinung wurde auch immer wie<strong>der</strong> in den Interviews geäussert.<br />

160 vgl. auch die Ausführungen in Abschnitt 1.<br />

161 vgl. Nichteintretensentscheid des Zürcher Obergerichtes vom 16. April 1982, abgedruckt in SAG 1982, S.<br />

128 ff., m.w.H.<br />

162 SCHMID-LENZ, S. 119.<br />

163 Zunächst Verein, später Aktiengesellschaft, vgl. Kapitel I Abschnitt A.1.<br />

164 gl. M. VON FISCHER, S. 30 f.; VISCHER, S. 56.<br />

- 26 -


Kapitel II: Verfahrensrechtliche Aspekte<br />

form zwischen echter Selbstregulierung <strong>und</strong> staatlicher Regulierung, die sog. gesteuerte<br />

Selbstregulierung, gewählt. 165 Diese zeichnet sich dadurch aus, dass die staatliche Gesetzgebung<br />

Vorgaben macht, welche durch die private Rechtssetzung umzusetzen sind. 166 So ist das<br />

BEHG als Rahmengesetz ausgestaltet <strong>und</strong> sämtliche Börsenerlasse (Reglemente usw.) unterstehen<br />

dem Genehmigungsvorbehalt durch die FINMA. Diese prüft im Rahmen ihrer inhaltlichen<br />

Kontrolle, ob den allgemeinen, öffentlichen Interessen genügend Rechnung getragen<br />

wurde. 167 Durch diese präventive Normenkontrolle durch eine staatliche Aufsichtsbehörde<br />

wird auch eine notwendige Legitimationsvoraussetzung erfüllt: Denn Selbstregulierung kann<br />

erst dann wirklich bindende Wirkung entfalten, wenn sie vom Staat autorisiert ist <strong>und</strong> ihr so<br />

die entsprechende Geltungskraft zugestanden wird. 168<br />

B) Rechtliche Charakterisierung <strong>der</strong> Börsensanktionen<br />

Zur Anwendung des Kotierungsreglements gehört auch, dass die Börse Sanktionen ergreifen<br />

kann. 169 Die komplizierte rechtliche Ausgestaltung des Börsenwesens hat auch Auswirkungen<br />

auf die Charakterisierung <strong>der</strong> Börsensanktionen. Da sich aus <strong>der</strong> Einordnung <strong>der</strong> Sanktion<br />

wichtige verfahrensrechtliche Konsequenzen ergeben, sollen im Folgenden die verschiedenen<br />

Möglichkeiten vertiefter betrachtet werden.<br />

1. Konventionalstrafe?<br />

Die Börsenorgane bezeichnen die Sanktionen in den Sanktionsentscheiden als „Konventionalstrafen“.<br />

170 Dabei handelt es sich um im Privatrecht wurzelnde Ansprüche 171 , über die die<br />

Parteien frei verfügen können 172 <strong>und</strong> mit denen die Einhaltung von Regeln dadurch gesichert<br />

werden soll, dass sich die Parteien darauf verständigen, dass <strong>der</strong>jenige, <strong>der</strong> gewisse Normen<br />

verletzt, «freiwillig» eine Sanktion, meistens in Form <strong>der</strong> Bezahlung einer Geldsumme auf<br />

sich nimmt. 173 In diesem Sinne sieht auch Art. 11 VBSG vor, dass die fehlbare Bank im Falle<br />

165 BÜHLER, S. 59 m.w.H.<br />

166 MARTI, S. 562.<br />

167 MORSCHER, S. 165.<br />

168 HÄFELIN/HALLER/KELLER, S. 563.<br />

169 LEU, S. 15.<br />

170 Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission vom 8.4.2009 (SaKo/RLE/I/09), Rz. 6; Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission<br />

vom 13.11.2007 (SaKo/MT/II/07), Rz 6; Entscheid <strong>der</strong> Disziplinarkommission vom 8.6.2006<br />

(DK/RLE/IX/05), Rz. 12; Entscheid <strong>der</strong> Disziplinarkommission vom 30.9.2004 (DK/CG/I/04), Rz. 10 f.<br />

171 vgl. MEYER, Vereinbarung, S. 158.<br />

172 NOBEL, Praxis, S. 68.<br />

173 TRECHSEL/NOLL, S. 35.<br />

- 27 -


Kapitel II: Verfahrensrechtliche Aspekte<br />

<strong>der</strong> Verletzung von Standesregeln eine Konventionalstrafe von bis zu CHF 10 Mio. zu leisten<br />

hat, <strong>der</strong>en genaue Höhe von <strong>der</strong> Schwere <strong>der</strong> Verletzung, dem Grad des Verschuldens <strong>und</strong> <strong>der</strong><br />

Vermögenslage <strong>der</strong> Bank abhängt. Da das Kotierungsreglement hauptsächlich ein privatrechtlicher<br />

Vertrag ist, scheint es auf <strong>der</strong> Hand zu liegen, die Börsensanktionen als Konventionalstrafen<br />

einzustufen, die die Einhaltung <strong>der</strong> vertraglich festgelegten Börsenpflichten sicherstellen.<br />

Gegen diese Klassifizierung spricht aber, dass die Einhaltung von Börsenpflichten auch<br />

im öffentlichen Interesse liegt <strong>und</strong> die Überwachung auch dem Schutz von Polizeigütern<br />

dient. Die Börsensanktionen sind somit m.E. mehr als „freiwillige“ Konventionalstrafen.<br />

2. Vereinsstrafe?<br />

Ausgehend von <strong>der</strong> ursprünglichen Ausgestaltung <strong>der</strong> Börse als Verein, werden die Sanktionen<br />

in <strong>der</strong> Lehre z.T. als Vereinsstrafen bezeichnet. 174 Dabei handelt es sich um eine Strafe<br />

eines Privaten gegen einen Privaten, die in <strong>der</strong> Regel wegen Verletzung mitgliedschaftlicher<br />

Rechte ausgesprochen wird <strong>und</strong> folglich das Instrument des Vereins ist, den vereinsrechtlichen<br />

Pflichten, die zumeist in den Vereinsstatuten <strong>und</strong> –reglementen verankert sind, Nachachtung<br />

zu verleihen. 175 Im Gegensatz zur Teilnehmer-Sanktionierung kann die Sanktionierung<br />

von Emittenten jedoch nicht als vereinsinterne Angelegenheit angesehen werden, da Emittenten<br />

nicht unbedingt Mitglie<strong>der</strong> des Vereins „Börse“ sein müssen. 176 Vor diesem Hintergr<strong>und</strong><br />

haben die Börsensanktionen wohl von Beginn an keine echten Vereinsstrafen dargestellt, <strong>und</strong><br />

seit <strong>der</strong> Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Rechtsform <strong>der</strong> Börse kommt eine solche Charakterisierung m.E. gar<br />

nicht mehr in Frage.<br />

3. Disziplinarische Massnahme?<br />

Wenn eine privatrechtliche Vereinbarung auch öffentlichen Interessen dient, kann sie in diesem<br />

Punkt mit einer Disziplinarordnung des Staates verglichen werden. 177 Vor diesem Hintergr<strong>und</strong><br />

rechtfertigt sich m.E. die Klassifizierung <strong>der</strong> Börsensanktionen als disziplinarische<br />

Massnahmen. Disziplinarische Massnahmen werden im Verwaltungsrecht definiert als Sanktionen<br />

gegenüber Personen, die in einem Son<strong>der</strong>statusverhältnis o<strong>der</strong> unter einer beson<strong>der</strong>en<br />

Aufsicht des Staates stehen. 178 Parallen zur Vereinsstrafe bestehen insbeson<strong>der</strong>e in <strong>der</strong><br />

174 Diese Meinung vertreten z.B.: KILGUS, S. 104 <strong>und</strong> WEBER/SCHALLER, S. 188.<br />

175 FUCHS, S. 7.<br />

176 zur Problematik <strong>der</strong> Klassifizierung als Vereinsstrafen vgl. auch: KILGUS, S. 104.<br />

177 vgl. Entscheidungen des Ober- <strong>und</strong> Kassationsgerichts, abgedruck in: SJZ 55 (1959), S. 345 ff..<br />

178 HÄFELIN/MÜLLER/UHLMANN, S. 273.<br />

- 28 -


Kapitel II: Verfahrensrechtliche Aspekte<br />

Zwecksetzung: In erster Linie soll nicht eine Schuld gesühnt, son<strong>der</strong>n die Verwirklichung des<br />

statutarischen Vereinszwecks sichergestellt werden. Aus <strong>der</strong> Tatsache, dass Emittenten <strong>und</strong><br />

Effektenhändler bei <strong>der</strong> <strong>SIX</strong> ihre Kotierungs- bzw. Zulassungsbedingungen nicht selber aushandeln<br />

können, son<strong>der</strong>n sich dem vorgegebenen Regime zu unterwerfen haben, kann auf<br />

eine disziplinarische Massnahme geschlossen werden. Darüber hinaus klassifizierte auch die<br />

EBK in ihrem Sanktionenbericht 2003 das Verfahren <strong>der</strong> <strong>SIX</strong> als „Disziplinarverfahren“ 179 ,<br />

<strong>und</strong> die Disziplinarkommission <strong>der</strong> Schweizer Börse ging ebenfalls in verschiedenen Entscheiden<br />

davon aus, dass im Kotierungsreglement Disziplinarrecht angewandt wird. 180 Eine<br />

Klassifikation als disziplinarische Massnahme ist somit m.E. möglich.<br />

4. Strafe i.S.v. Art. 6 EMRK<br />

a) Engel-Kriterien<br />

Aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> teilweise sehr schwer wiegenden Konsequenzen für die Betroffenen ist sogar<br />

denkbar, dass es sich um strafrechtliche Massnahmen handelt. Dies wurde zwar von <strong>der</strong> Disziplinarkommission<br />

<strong>der</strong> Schweizer Börse <strong>und</strong> <strong>der</strong> EBK in ihren Entscheiden jeweils abgelehnt<br />

181 , was in <strong>der</strong> Literatur jedoch auf vehemente Kritik gestossen ist. 182<br />

Damit es sich bei einem Sanktionsverfahren um ein Strafverfahren i.S.v. Art. 6 EMRK handelt,<br />

muss eins von drei Kriterien gegeben sein, die <strong>der</strong> EGMR im Fall Engel 183 entwickelt hat<br />

(sog. "Engel"-Kriterien): Demgemäss ist zunächst zu prüfen, ob die verletzte Regelung landesintern<br />

dem Strafrecht zuzuordnen ist. Das zweite „Engel“-Kriterium befasst sich mit <strong>der</strong><br />

wahren Natur des Verstosses: Dementsprechend muss die Sanktion sowohl abschreckenden<br />

als auch punitiven Charakter aufweisen <strong>und</strong> für je<strong>der</strong>mann ein bestimmtes Verhalten erzwingen.<br />

184 Schliesslich besagt das dritte „Engel“-Kriterium, dass eine Sanktion unter Art. 6<br />

EMRK fallen kann, wenn sie aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> Art <strong>und</strong> Schwere <strong>der</strong> Sanktion wie eine strafrechtliche<br />

Anklage wirkt.<br />

179 EBK, S. 52.<br />

180 Entscheid <strong>der</strong> Disziplinarkommission vom 22.7.2002 (DK/AHP/II/02), Rz. 9; Entscheid <strong>der</strong> Disziplinarkommission<br />

vom 20.6.2003 (DK/RLE/I/03), Rz. 12.<br />

181 vgl.: DK, Entscheid vom 21.12.2001 sowie EBK, S. 39.<br />

182 vgl. z.B. DONATSCH, Finanzmarktaufsicht, S. 27.<br />

183 Engel u.a. /Nie<strong>der</strong>lande, EGMR Urteil vom 8.6.1976, Serie A, Nr 22.<br />

184 VILLIGER, S. 251 f.<br />

- 29 -


Kapitel II: Verfahrensrechtliche Aspekte<br />

b) Erstes Engel-Kriterium<br />

Das Schweizer Strafrecht umfasst neben dem StGB auch das Nebenstrafrecht, gewisse Teile<br />

des kantonalen <strong>und</strong> kommunalen Übertretungsstrafrechts sowie das militärische Strafverfahren.<br />

185 Die Börsenregularien gehören eindeutig nicht dazu. Deswegen sind die Tatbestände,<br />

welche typischerweise zu einer Sanktionierung durch die <strong>SIX</strong> führen, nicht dem Strafrecht<br />

zuzuordnen <strong>und</strong> das erste "Engel"-Kriterium ist somit nicht gegeben.<br />

c) Zweites Engel-Kriterium<br />

Als Disziplinarmassnahmen sind die <strong>SIX</strong>-Sanktionen administrative Sanktionen, die ihre<br />

Wirkung nur gegenüber einem beschränkten Adressatenkreis 186 entfalten. 187 Gemäss B<strong>und</strong>esgerichtsrechtsprechung<br />

sind Verhaltensnormen, die nur für einen bestimmten Personenkreis<br />

mit einem beson<strong>der</strong>en Statuts gelten, keine Strafen im Rechtssinn. 188 Das StGB kennt jedoch<br />

auch echte Son<strong>der</strong>delikte, die nur von einer bestimmten Personengruppe begangen werden<br />

können (z.B. Art. 312 StGB: Amtsmissbrauch); deswegen schliesst <strong>der</strong> beschränkte Adressatenkreis<br />

m.E. nicht zwingend aus, dass es sich um eine Bestimmung strafrechtlicher Natur<br />

handelt. 189 Vielmehr lässt sich am Beispiel <strong>der</strong> Pflicht zur Ad hoc-Publizität nachweisen, dass<br />

die Börsennormen durchaus einen präventiven <strong>und</strong> repressiven Zweck verfolgen <strong>und</strong> demnach<br />

in den Anwendungsbereich von Art. 6 EMRK fallen: Denn bei Art. 53 KR handelt es<br />

sich um eine Schutznorm, mit <strong>der</strong> die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts <strong>und</strong> die Gleichbehandlung<br />

<strong>der</strong> Anleger gewährleistet werden sollen. 190 Es besteht daher ein enger Zusammenhang<br />

zwischen Art. 53 KR <strong>und</strong> dem Insi<strong>der</strong>-Artikel 161 StGB, <strong>der</strong> ebenfalls den Schutz<br />

<strong>der</strong> Chancengleichheit <strong>der</strong> Anleger sowie <strong>der</strong> Lauterkeit des Börsenmarktes im Allgemeinen<br />

bezweckt. 191 Letzterer verfolgt als strafrechtliche Norm definitiv einen präventiven <strong>und</strong> repressiven<br />

Zweck <strong>und</strong> aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> gerade etablierten Verwandtschaft lässt sich m.E. auch ein<br />

präventiver <strong>und</strong> repressiver Charakter von Art. 53 KR ableiten. 192 Somit kann das zweite Engel-Kriterium<br />

m.E. als gegeben betrachtet werden.<br />

185 zur Definition des innerstaatlichen Strafrechts vgl. auch: HAEFLIGER/SCHÜRMANN, S. 150 f.<br />

186 Erfasst werden nur die kotierten Emittenten sowie die Teilnehmer/Händler; eine Bestrafung von Anlegern/K<strong>und</strong>en<br />

ist ausgeschlossen (vgl. auch die Ausführungen in Kapitel III Abschnitt H. 3d).<br />

187 HÄFELIN/MÜLLER/UHLMANN, S. 273.<br />

188 BGE 121 I 379; dies ist auch konform mit <strong>der</strong> Rechtsprechung des EGMR in Engel vs. Nie<strong>der</strong>lande.<br />

189 a.M. KLEY-STRULLER, S. 26, <strong>der</strong> das Kriterium des allgemeinen Adressatenkreises als entscheidend erachtet.<br />

190 VON FISCHER, S. 45.<br />

191 BÖCKLI, Ad hoc Publizität, S. 110.<br />

192 gl. M. JUCHLI/PAGNONCINI, S. 192 f.<br />

- 30 -


Kapitel II: Verfahrensrechtliche Aspekte<br />

d) Drittes Engel-Kriterium<br />

Schliesslich spielt noch das dritte "Engel"-Kriterium - die Schwere <strong>der</strong> Sanktion – eine Rolle<br />

bei <strong>der</strong> Klassifikation. Die disziplinarischen Massnahmen <strong>der</strong> Börse können unter Umständen<br />

so einschneidend sein, dass sie wohl doch als Kriminalstrafe klassifiziert werden können. Insbeson<strong>der</strong>e<br />

schwerwiegende Sanktionen wie die Dekotierung von Emittenten o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Entzug<br />

<strong>der</strong> Registierung von Effektenhändlern kann für die Beteiligten mit so bedeutenden Folgen<br />

verb<strong>und</strong>en sein 193 , dass sie Verwaltungsstrafen nahe kommen. 194 Aber auch die einhergehende<br />

öffentliche Verurteilung (naming and shaming) kann so gravierende Konsequenzen für den<br />

Ruf einer Gesellschaft haben, dass sich eine Qualifikation als strafrechtliche Sanktion rechtfertigt.<br />

195 Auch bei Bussen zeichnet sich beim EGMR eine Tendenz ab, sie als Strafe zu betrachten<br />

196 , so dass bereits Bussgel<strong>der</strong> in Höhe von DM 60,- als erhebliche <strong>und</strong> damit strafrechtliche<br />

Sanktionen bewertet wurden. 197 Die schweizerische Praxis macht - im Gegensatz<br />

zu den EMRK-Organen - bei den geringfügigen Ordnungsbussen eine Ausnahme <strong>und</strong> unterstellt<br />

diese nicht Art. 6 EMRK. Die Grenze wird hier jedoch bei einem Bussenbetrag von wenigen<br />

hun<strong>der</strong>t Franken gesehen. 198 Somit fallen die im Kotierungsreglement vorgesehenen<br />

Bussen - insbeson<strong>der</strong>e nach <strong>der</strong> Bussenerhöhung auf bis zu 10 Mio. CHF im revidierten KR -<br />

unbestrittenermassen in den Anwendungsbereich von Art. 6 EMRK.<br />

e) Fazit<br />

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass insbeson<strong>der</strong>e bei Verstössen gegen die Ad hoc-<br />

Publizität mindestens eins <strong>der</strong> zwei in Frage kommenden „Engel“-Kriterien greift, womit eine<br />

Qualifizierung <strong>der</strong> verhängten Sanktion als strafrechtliche Anklage i.S.v. Art. 6 EMRK mir<br />

möglich erscheint. 199<br />

193 vgl. dazu Kap. III Abschnitt G 2d bzw. 3d.<br />

194 KILGUS, S. 105.<br />

195 So auch: JUCHLI/PAGNONCINI, S. 193.<br />

196 Insbeson<strong>der</strong>e "common law"-Juristen kennen eine Unterscheidung zwischen Busse <strong>und</strong> Strafe in dieser Form<br />

nicht <strong>und</strong> gehen daher tendenziell davon aus, dass es sich bei Geldbussen um strafrechtliche o<strong>der</strong> strafrechtsähnliche<br />

Sanktionen handel; vgl. auch WASER, S. 119 m.w.H.<br />

197 Urteil vom 23. Oktober 1984 Öztürk, ECHR/A 73, §§ 50-53; bestätigt im Urteil vom 25. August 1987 Lutz,<br />

ECHR/A 123, §§ 50-57. Urteil vom 29. April 1988 Belilos, ECHR/A 132, §§ 12, 62.<br />

198 JAAG, S. 163.<br />

199 gl. M. JUCHLI/PAGNONCINI, S. 193.<br />

- 31 -


Kapitel II: Verfahrensrechtliche Aspekte<br />

C) Spezielle Aspekte des schweizerischen Börsenverfahrens<br />

Der explizite Wille <strong>der</strong> Parlamentsmehrheit, den privatrechtlichen Charakter <strong>der</strong> Schweizer<br />

Börse trotz des in Abschnitt A festgestellten Doppelnorm-Charakters festzuschreiben, hat zu<br />

einigen Beson<strong>der</strong>heiten beim schweizerischen Börsenverfahren geführt, die seit jeher Anlass<br />

zu Diskussionen gegeben haben. Diese speziellen Merkmale sollen nun näher betrachtet werden.<br />

1. Beson<strong>der</strong>heiten des börseninternen Verfahrens<br />

a) Teilung des Verfahrens in Untersuchung <strong>und</strong> Sanktionierung<br />

Charakteristisch für privatrechtliche von Selbstregulierungsorganisationen ausgestaltete <strong>Sanktionsordnung</strong>en<br />

ist, dass sie die Verfahrensstruktur staatlicher Instanzen nachvollziehen 200 :<br />

Dem Bereich <strong>SIX</strong> Exchange Regulation (SER) ist <strong>der</strong> Vollzug <strong>der</strong> b<strong>und</strong>esrechtlich vorgegebenen<br />

Aufgaben sowie die Überwachung <strong>der</strong> vom Regulatory Board erlassenen Regeln übertragen.<br />

Wenn SER bei <strong>der</strong> Marktbeobachtung auf Unregelmässigkeiten stösst, wird im Rahmen<br />

einer Vorabklärung geprüft, ob genügend Anhaltspunkte für die Durchführung einer Untersuchung<br />

gegeben sind. In einer ggf. eingeleiteten Untersuchung wird <strong>der</strong> Sachverhalt dann<br />

so weit abgeklärt, als dies für die Begründung eines Sanktionsbescheides o<strong>der</strong> eines Antrages<br />

an die Sanktionskommission notwendig ist. Somit kommen SER eindeutig Aufgaben zu, die<br />

mit denen eines Staatsanwalts bzw. eines Untersuchungsrichters vergleichbar sind. Die in <strong>der</strong><br />

Strafprozessordnung zu beobachtende strikte Trennung zwischen Staatsanwaltschaft <strong>und</strong> Gericht<br />

wird im Weiteren jedoch nicht vollzogen: Vielmehr agiert SER in weniger schwerwiegenden<br />

Fällen 201 nicht nur als Staatsanwalt, son<strong>der</strong>n auch gleich als Gericht. 202 Diese Aufweichung<br />

<strong>der</strong> in Kapitel I Abschnitt B.1 beschriebenen Gewaltenteilung ist m.E. u.a. problematisch,<br />

da sie die Unabhängigkeit <strong>der</strong> Börsenorgane in Frage stellt, weswegen sich eine<br />

strikte Aufgabentrennung empfiehlt. Dies wird in den späteren Abschnitten des Kapitels näher<br />

erläutert.<br />

200 vgl. auch die Beschreibung <strong>der</strong> <strong>Sanktionsordnung</strong> <strong>der</strong> VSB bei WALDER, <strong>Sanktionsordnung</strong>, S. 228 ff.<br />

201 d.h. wenn lediglich ein Verweis o<strong>der</strong> eine Busse als Sanktion ausgesprochen werden<br />

202 vgl. dazu die Ausführungen in Abschnitt F.4.<br />

- 32 -


Kapitel II: Verfahrensrechtliche Aspekte<br />

b) Zweiteilung des börseninternen Beschwerdeverfahrens<br />

Die im letzten Abschnitt beschriebene Aufgabenteilung zwischen SER <strong>und</strong> SaKo bei gravierendenden<br />

Verfehlungen führt dazu, dass u.U. börsenintern ein zweistufiger Rechtsmittelweg<br />

besteht, was in <strong>der</strong> Lehre teilweise als zu kompliziert <strong>und</strong> zu langwierig kritisiert wird. 203<br />

Auch wenn in Art. 9 Abs. 3 BEHG nur eine Beschwerdeinstanz gesetzlich vorgeschrieben ist,<br />

existieren mit Sanktionskommission <strong>und</strong> Beschwerdeinstanz effektiv zwei börseninterne<br />

Rechtsmittelinstanzen, die z.B. im Falle <strong>der</strong> Dekotierung eines Emittenten o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Sistierung<br />

eines Teilnehmers auch beide zu durchlaufen sind. Diese Doppelspurigkeit ist auf den unüberwindbaren<br />

Konflikt im Parlament zwischen den Verfechtern einer freien, selbstregulierten<br />

Börse, die ihre Beschwerdeinstanzen selbst bestimmen kann, auf <strong>der</strong> einen Seite <strong>und</strong> einer<br />

Gruppe von Parlamentariern r<strong>und</strong> um den damaligen Finanzminister Otto Stich, die sich für<br />

eine von aussen bestellte Instanz einsetzten, auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite zurückzuführen. 204 Letztere<br />

bekämpften das Konzept einer von <strong>der</strong> Börse abschliessend bestimmten Aufsichtsinstanz, die<br />

als Richter in eigener Sache darüber urteilt, ob die Börse richtig gehandelt hat, mit dem Hinweis<br />

auf mittelalterliche Zunftwirtschaft. 205 Es gelang ihnen auf diese Weise genug Unbehagen<br />

im Parlament zu schüren, so dass sie letztendlich die im Gesetz verankerte unabhängige<br />

Beschwerdeinstanz, <strong>der</strong>en Mitglie<strong>der</strong> durch die FINMA bestimmt werden, als Rechtsmittelinstanz<br />

für die einschneiden<strong>der</strong>en Sanktionen durchsetzen konnten. Da die freiheitlich<br />

<strong>und</strong> wirtschaftsfre<strong>und</strong>lich gesinnte Mehrheit aber auch nicht auf die Möglichkeit verzichten<br />

wollte, die Entscheide von SER durch fachk<strong>und</strong>ige interne Experten überprüfen zu lassen,<br />

kam es zur typisch schweizerischen Kompromisslösung: Neben <strong>der</strong> gesetzlich geschaffenen<br />

unabhängigen Beschwerdeinstanz erhielt die Börse die Freiheit, ein eigenes Rechtsmittelverfahren<br />

mit eigener Rechtsprechungsinstanz 206 zu schaffen, das bei geringeren Pflichtverletzungen<br />

ausschliesslich zu durchlaufen ist. Die Folge ist ein sehr komplexer Rechtsmittelweg,<br />

was dazu führt, dass auch Experten einzelne Verfahrensaspekte immer wie<strong>der</strong> nachlesen müssen.<br />

207 Komplizierte, zeitintensive Verfahren wirken jedoch abschreckend auf die Regulierten,<br />

weshalb eine Vereinfachung des Verfahrens m.E. unerlässlich ist. Dies soll in Abschnitt<br />

J.2 im Rahmen <strong>der</strong> Betrachtung einer angemessenen Verfahrenslänge eingehen<strong>der</strong> diskutiert<br />

werden.<br />

203 vgl. auch: WEBER, Neuordnung, S. 591.<br />

204 Amtl.Bull SR 1993, S. 1003 f.; Amtl.Bull. NR 1994, S. 1061. f.<br />

205 vgl. Motion STICH, Amtl.Bull. NR 1994, 1062: „wo die Zunft am Schluss entscheidet, was gut <strong>und</strong> recht ist<br />

<strong>und</strong> ob das angemessen ist o<strong>der</strong> nicht.“<br />

206 früher: Disziplinarkommission; jetzt: Sanktionskommission.<br />

207 Ein beson<strong>der</strong>s verwirren<strong>der</strong> Punkt ist dabei, wann <strong>der</strong> Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission direkt an das<br />

<strong>Schiedsgericht</strong> weitergezogen werden kann <strong>und</strong> wann zunächst die Beschwerdeinstanz dazwischen geschaltet ist.<br />

- 33 -


Kapitel II: Verfahrensrechtliche Aspekte<br />

2. <strong>Schiedsgericht</strong> als gerichtliche Instanz<br />

Um den Anfor<strong>der</strong>ungen von Art. 6 EMRK an eine gerichtliche Instanz zu genügen, wurde in<br />

Art. 9 Abs. 3 BEHG die Klagemöglichkeit beim Zivilrichter verankert 208 , die in <strong>der</strong> Folge<br />

durch das Börsenschiedsgericht ersetzt wurde. 209 Diese Ausgestaltung des Rechtsmittelwegs<br />

ist aber nicht unkritisiert geblieben.<br />

a) <strong>Schiedsgericht</strong> als Ersatz für den Zivilrichter?<br />

In Frage gestellt wird im Schrifttum insbeson<strong>der</strong>e die Eigenschaft des Börsenschiedsgerichts<br />

als vollwertige „gerichtliche Instanz“. Denn gemäss <strong>der</strong> h.L. werden ad hoc gebildete Spruchkörper<br />

klar nicht von Art. 6 EMRK erfasst 210 ; <strong>und</strong> es finden sich im Schrifttum auch Stimmen,<br />

die davon ausgehen, dass <strong>Schiedsgericht</strong>e als Privatgerichte selbst keinerlei Zwang ausüben<br />

dürfen, son<strong>der</strong>n diesbezüglich auf die Hilfe des staatlichen Richters angewiesen seien. 211<br />

Diese Aussagen können den Eindruck erwecken, dass mit dem Börsenschiedsgericht kein<br />

gleichwertiger Ersatz für den in Art. 9 Abs. 3 BEHG vorgeschriebenen Zivilrichter geschaffen<br />

wurde. Meiner Meinung nach ist diese Ansicht aber verfehlt: <strong>Schiedsgericht</strong>e sind gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

als durch den Staat sanktionierte private Gerichte Teil <strong>der</strong> staatlichen Gerichtsorganisation.<br />

Dies zeigt auch ihre Aufnahme in die eidgenössische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember<br />

2008. Die ZPO kodifiziert abschliessend das schweizerische Zivilprozessrecht 212 , zu<br />

dem demzufolge auch <strong>Schiedsgericht</strong>e gehören. Das Konkordat über die <strong>Schiedsgericht</strong>sbarkeit<br />

gehört zudem zu den das Zivilprozessrecht betreffenden Konkordaten, die durch die ZPO<br />

ausser Kraft gesetzt wurden 213 , was ebenfalls ein Indiz dafür ist, dass die <strong>Schiedsgericht</strong>e als<br />

ebenbürtige Alternative zu staatlichen Gerichten gelten sollen. Denn auch nach <strong>der</strong> Vereinheitlichung<br />

des Zivilprozessrechts in <strong>der</strong> Schweiz besteht das Bedürfnis nach einem alternativen<br />

neutralen Forum mit Richtern mit bestimmten, nicht-juristischen Fachkenntnissen. 214<br />

Darüber hinaus sind Spezialgerichte, die <strong>der</strong> Entlastung <strong>der</strong> staatlichen Gerichtsbarkeit dienen<br />

215 , im Zivilrecht durchaus üblich 216 <strong>und</strong> fallen auch in den Anwendungsbereich von Art.<br />

208 Zur Anfor<strong>der</strong>ung einer gerichtlichen Instanz vgl. auch die Ausführungen in Abschnitt F.<br />

209 Art. 62 KR; Ziff. 5.3 Abs. 2 VO; Art. 6.9 RBI.<br />

210 vgl. BISCHOFBERGER, S. 81.<br />

211 vgl. NOBEL, Schiedsgerichswesen, S. 256.<br />

212 Botschaft ZPO, 7236.<br />

213 GASSER, S. 1; STAEHELIN/STAEHELIN/GROLIMUND, S. 32.<br />

214 vgl. WEHRLI, S. 108 ff.<br />

215 Beispiele sind: Handelsgericht, Arbeitsgericht, Mietgericht etc.; vgl. HABSCHEID, Zivilprozess, S. 186.<br />

216 KOLLER, S. 329 f.<br />

- 34 -


Kapitel II: Verfahrensrechtliche Aspekte<br />

6 EMRK. 217 Denn auch <strong>der</strong> EGMR hat anerkannt 218 , dass es gute Gründe dafür geben kann,<br />

für bestimmte Rechtsgebiete Spruchkörper einzusetzen, die sich in <strong>der</strong> Zusammensetzung<br />

ihrer Mitglie<strong>der</strong> o<strong>der</strong> im Verfahrensablauf von einem klassischen Gericht unterscheiden. Das<br />

Börsenschiedsgericht stellt m.E. ein solches halb-institutionalisiertes Spezialgericht dar 219<br />

<strong>und</strong> kann folglich den gesetzlich vorgeschriebenen Zivilrichter ersetzen, wenn die entsprechenden<br />

Voraussetzungen erfüllt sind.<br />

Der Ersatz des Zivilrichters durch ein <strong>Schiedsgericht</strong> ist gr<strong>und</strong>sätzlich zulässig, soweit eine<br />

gültige Schiedsvereinbarung <strong>und</strong> eine schiedsfähige Sache vorliegen. 220 Beide Punkte werden<br />

jedoch beim Börsensanktionsverfahren teilweise in <strong>der</strong> Lehre angezweifelt. 221<br />

b) Schiedsfähigkeit<br />

Wie schon anlässlich <strong>der</strong> Schiedsklausel in <strong>der</strong> VSB festgestellt wurde, können sich nicht nur<br />

Private, son<strong>der</strong>n auch <strong>der</strong> Staat o<strong>der</strong> die von ihm beherrschten Körperschaften durch Abrede<br />

auf schiedsgerichtliche Streiterledigung verpflichten. 222 Da wie in Abschnitt A.3 dargestellt<br />

wurde, die Börse auch öffentliche Aufgaben wahrnimmt <strong>und</strong> folglich zumindest teilweise<br />

auch öffentliches Recht betroffen ist, wird die Schiedsfähigkeit jedoch von Teilen <strong>der</strong> Lehre<br />

unter Berufung auf Art. 354 ZPO 223 abgelehnt. 224 Demgemäss ist je<strong>der</strong> Anspruch schiedsfähig,<br />

über den die Parteien frei entscheiden können. Daraus kann abgeleitet werden, dass es<br />

sich bei <strong>der</strong> zu beurteilenden Streitigkeit zwingend um eine zivilrechtliche handeln muss,<br />

denn bei öffentlich-rechtlichen Konflikten ist die freie Verfügungsmacht <strong>der</strong> Parteien fraglich.<br />

225 Diese Auffassung ist m.E. aber zu strikt: Zwar ist es richtig, dass <strong>Schiedsgericht</strong>e in<br />

erster Linie <strong>der</strong> Beilegung von privatrechtlichen Disputen dienen, öffentlich-rechtliche Streitigkeiten<br />

– wie z.B. Auseinan<strong>der</strong>setzungen bezüglich Ansprüchen aus einem Verwaltungsvertrag<br />

– können aber gleichwohl durch ein <strong>Schiedsgericht</strong> beurteilt werden. 226 Zuzustimmen ist<br />

meiner Meinung nach daher STACHER, <strong>der</strong> im Zusammenhang mit Art. 354 ZPO festhält, dass<br />

217 BGE 119 V 375 E. 4a.<br />

218 Urteil McMichael c/VK, GH 307-B, Ziff. 80.<br />

219 Dies lässt sich m.E. aus <strong>der</strong> festen Wahl sowohl des Obmanns als auch seines Stellvertreters für eine vierjährige<br />

Amtsperiode mit Wie<strong>der</strong>wahlmöglichkeiten ableiten.<br />

220 BAUMGARTEN/LANZ, S. 603.<br />

221 statt vieler: KILGUS, S. 398.<br />

222 SCHMID-LENZ, S. 119. Im Fall <strong>der</strong> VSB handelt die Nationalbank im Rahmen ihrer Privatautonomie <strong>und</strong> kann<br />

sich somit rechtsgültig auf eine schiedsgerichtliche Streiterledigung verpflichten.<br />

223 früher: Art. 5 KSG<br />

224 statt vieler: MAURER/VON DER CRONE, S. 413 f. m.w.H.; vgl. auch bereits: WALDER, <strong>Schiedsgericht</strong>sbarkeit,<br />

S. 252.<br />

225 DASSER, S. 1265.<br />

226 gl. M. BERGER/KELLERHALS, S. 2.<br />

- 35 -


Kapitel II: Verfahrensrechtliche Aspekte<br />

„ein ausnahmsweise verzichtbarer öffentlich-rechtlicher Anspruch“ Gegenstand eines<br />

Schiedsverfahrens sein kann, „wenn die Parteien die Schiedsvereinbarung aus eigenem Entschluss<br />

treffen <strong>und</strong> nicht das öffentliche Recht ein Schiedsverfahren vorschreibt.“ 227 Gesetzlich<br />

vorgeschrieben ist das <strong>Schiedsgericht</strong> im Fall <strong>der</strong> Börse klar nicht: Art. 9 Abs. 3 BEHG<br />

verlangt nur die Klagemöglichkeit beim Zivilrichter; die Errichtung eines <strong>Schiedsgericht</strong>s<br />

anstelle eines Zivilgerichts ist die freie Entscheidung <strong>der</strong> Börse. Analog unterwerfen sich die<br />

Emittenten freiwillig den Regeln <strong>der</strong> Börse einschliesslich <strong>der</strong> Schiedsklausel. 228 Darüber<br />

hinaus ist meiner Meinung nach freie Verfügbarkeit gegeben, wenn <strong>der</strong> Anspruchsträger auf<br />

sein Recht verzichten bzw. die Klage zurückziehen kann. 229 Einem Emittenten steht es frei,<br />

auf eine Beschwerde gegen eine Sanktion beim Börsenschiedsgericht zu verzichten 230 , womit<br />

die Voraussetzung <strong>der</strong> freien Verfügbarkeit gegeben ist. Somit ist m.E. bei den Entscheiden<br />

<strong>der</strong> Rechtsprechungsorgane <strong>der</strong> Börse die Schiedsfähigkeit zu bejahen.<br />

c) Gültigkeit <strong>der</strong> Schiedsvereinbarung<br />

Die Anrufung eines <strong>Schiedsgericht</strong>s anstelle einer Klage beim Zivilrichter ist zulässig, wenn<br />

eine gültige Schiedsvereinbarung vorliegt. 231 Die Parteien unterliegen <strong>der</strong> <strong>Schiedsgericht</strong>sbarkeit<br />

somit nur aufgr<strong>und</strong> <strong>und</strong> in den Grenzen ihrer privatautonomen Schiedsvereinbarung. 232<br />

Wenn eine solche Schiedsvereinbarung nicht gültig zustande gekommen ist, ist das <strong>Schiedsgericht</strong><br />

nicht zuständig. In <strong>der</strong> Lehre wird das Zustandekommen einer gültigen Schiedsvereinbarung<br />

bei <strong>der</strong> Börse in Zweifel gezogen: In Art. 9 Abs. 3 BEHG sei lediglich die Klage beim<br />

Zivilrichter verankert, <strong>der</strong> Ersatz des Zivilrichters durch ein <strong>Schiedsgericht</strong> würde hingegen<br />

im Kotierungs- bzw. im Handelsreglement geregelt <strong>und</strong> bei diesen Reglementen handele es<br />

sich nicht um formelle Gesetze. Zwar könnte aus dem auf Gesetzesstufe (Art. 4 Abs. 2<br />

BEHG) festgelegten Genehmigungsvorbehalt <strong>der</strong> Reglemente durch die FINMA eine quasigesetzliche<br />

Legitimation des Börsenschiedsgerichts konstruiert werden, aber die Validität<br />

dieser Konstruktion sei fraglich. Diese Kritik soll nun genauer betrachtet werden. Gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

sind zwei Entstehungsmöglichkeiten für das Zustandekommen einer gültigen Schiedsvereinbarung<br />

vorgesehen.<br />

227 STACHER, S. 1956.<br />

228 In Abschnitt A wurde hervorgehoben, dass niemand gezwungen werden kann, einer Börse beizutreten o<strong>der</strong><br />

seine Geschäfte über eine Börse zu tätigen.<br />

229 vgl. auch FUCHS, S. 212, <strong>der</strong> diese Regel im Zusammenhang mit <strong>der</strong> Vereinsschiedsbarkeit entwickelt.<br />

230 Dies ist in <strong>der</strong> Praxis sogar recht häufig <strong>der</strong> Fall, wie sich in den Interviews gezeigt hat.<br />

231 So auch: BAUMGARTEN/LANZ, S. 603.<br />

232 EBBING, S. 5.<br />

- 36 -


Kapitel II: Verfahrensrechtliche Aspekte<br />

aa) Vertragliche Schiedsabrede<br />

In den meisten Fällen beruht die Schiedsvereinbarung auf einer vertraglichen Vereinbarung<br />

zwischen zwei o<strong>der</strong> mehr Personen. 233 Diese bedurfte gemäss Art. 6 Abs. 1 KSG <strong>der</strong> Schriftlichkeit,<br />

wobei die Erfor<strong>der</strong>nisse des OR, insbeson<strong>der</strong>e des Art. 13 OR, heranzuziehen waren.<br />

234 Namentlich war die eigenhändige Unterschrift aller involvierten Personen zwingend<br />

erfor<strong>der</strong>lich - <strong>und</strong> zwar von beiden Parteien -, damit beide Parteien verpflichtet waren. 235 Seit<br />

dem 1.1.2011 wird die Schiedsvereinbarung nun in Art. 357 ff. ZPO geregelt. Art. 358 ZPO<br />

erlaubt nun auch die Abfassung in einer an<strong>der</strong>en Form, die den Nachweis durch Text ermöglicht,<br />

wodurch nun auch <strong>der</strong> Abschluss mittels mo<strong>der</strong>ner Kommunikationsmittel wie E-Mail<br />

o<strong>der</strong> Telefax möglich wird 236 <strong>und</strong> eine eigenhändige Unterschrift nicht mehr in jedem Fall<br />

obligatorisch ist. 237 Die Zustimmung <strong>der</strong> Parteien zur Schiedsvereinbarung bleibt jedoch eine<br />

notwendige Entstehungsvoraussetzung. 238 Insbeson<strong>der</strong>e müssen die wesentlichen Vertragspunkte,<br />

nämlich u.a., dass ein <strong>Schiedsgericht</strong> verbindlich über bestimmte Streitsachen entscheiden<br />

soll, in dem von den Parteien zu unterschreibenden Textdokument erfasst werden. 239<br />

Bei einem Emittenten liegt m.E. eine solche vertragliche Einverständniserklärung vor 240 : Gemäss<br />

Art. 45 Ziff. 4 KR muss vor <strong>der</strong> Kotierung eine rechtsgültige Erklärung beigebracht<br />

werden, die besagt, dass <strong>der</strong> Emittent neben dem Kotierungsreglement <strong>und</strong> den Zusatzreglementen<br />

auch die Verfahrens- <strong>und</strong> <strong>Sanktionsordnung</strong> <strong>der</strong> <strong>SIX</strong> Swiss Exchange zur Kenntnis<br />

genommen hat <strong>und</strong> diese ausdrücklich anerkennt. 241 Bei <strong>der</strong> Emittentenerklärung handelt es<br />

sich meiner Meinung nach um einen rechtsgültigen Vertrag zwischen <strong>der</strong> Börse <strong>und</strong> dem<br />

Emittenten. 242 Dieser erfüllt sowohl die strengen Anfor<strong>der</strong>ungen von Art. 6 Abs. 1 KSG als<br />

auch die lockeren von Art. 358 ZPO, <strong>und</strong> es liegt somit eine rechtsgültige Schiedsvereinbarung<br />

durch Verweis vor. 243<br />

233 RÜEDE/HADENFELDT, S. 41.<br />

234 RÜEDE/HADENFELDT, S. 63.<br />

235 LALIVE/POUDRET/REYMOND, S. 56 f.<br />

236 GIRSBERGER, S. 1701.<br />

237 MAURER/VON DER CRONE, S. 412, Fn. 102.<br />

238 so auch: BÜCHLER/VON DER CRONE, S. 262 f.<br />

239 STACHER, S. 1976.<br />

240 a.M. KILGUS, S. 396.<br />

241 gl. M. TAUFER, S. 1125: „Mit Einreichung des Kotierungsgesuches bei <strong>der</strong> Zulassungsstelle <strong>der</strong> SWX erklärt<br />

sich <strong>der</strong> Emittent mit <strong>der</strong> Sanktions- <strong>und</strong> Verfahrensordnung <strong>der</strong> Schweizer Börse einverstanden.“<br />

242 <strong>und</strong> nicht um einen ungültigen Vertrag zu Lasten Dritter, wie KILGUS, S. 398, behauptet.<br />

243 Auch <strong>SIX</strong> Exchange Regulation geht davon aus, dass eine Gesellschaft eine Zustimmungserklärung unterzeichnet<br />

<strong>und</strong> sich damit dem Kotierungsreglement, seinen Ausführungsbestimmungen <strong>und</strong> insbeson<strong>der</strong>e auch<br />

<strong>der</strong> Verfahrensordnung (VO) unterstellt (Entscheid von SER vom 22.11.2011, SER/RLE/V/11, Rz. 10).<br />

- 37 -


Kapitel II: Verfahrensrechtliche Aspekte<br />

bb)<br />

Statutarische Schiedsklausel<br />

Art. 6 Abs. 2 KSG hatte darüber hinaus vorgesehen, dass sich die Schiedsabrede auch aus <strong>der</strong><br />

schriftlichen Erklärung des Beitritts zu einer juristischen Person ergeben kann, sofern diese<br />

Erklärung ausdrücklich auf die in den Statuten o<strong>der</strong> in einem sich darauf stützenden Reglement<br />

enhaltene Schiedsklausel Bezug nimmt. Aus <strong>der</strong> Formulierung liess sich ableiten, dass<br />

auf alle Fälle eine ausdrückliche Beitrittserklärung vorliegen musste. Wie schon das Walliser<br />

Obergericht 1980 feststellte 244 , genügte es nicht, wenn nur allgemein auf die Statuten Bezug<br />

genommen wurde, vielmehr war erfor<strong>der</strong>lich, dass die Schiedsklausel <strong>und</strong> ihr Inhalt explizit<br />

erwähnt wurden. 245 In Art. 358 ZPO werden die statutarischen Schiedsklauseln nicht mehr<br />

speziell geregelt. Für sie gelten die allgemeinen Formvorschriften. 246 Damit ist in jedem Fall<br />

beim Beitritt zu einer juristischen Person wie<strong>der</strong> eine schriftliche <strong>und</strong> eigenhändig unterschriebene<br />

Unterwerfung unter die Statuten erfor<strong>der</strong>lich. Bei genügen<strong>der</strong> Bedeutsamkeit <strong>der</strong><br />

Schiedsklausel sollte meiner Meinung nach auch weiterhin eine explizite Erwähnung <strong>der</strong><br />

Schiedsklausel <strong>und</strong> ihres Inhalts verlangt werden.<br />

Ein Teilnehmer tritt <strong>der</strong> Börse bei <strong>und</strong> unterwirft sich dabei den Bestimmungen des Handelsreglements.<br />

Obwohl die <strong>SIX</strong> heute kein Verein mehr ist, kann dies m.E. immer noch mit dem<br />

Beitritt zu einem Verein gleichgesetzt werden, <strong>und</strong> das Handelsreglement, das gemäss Art. 1<br />

die Organisation des Effektenhandels an <strong>der</strong> Börse sowie die Verhaltenspflichten für die Teilnehmer<br />

<strong>und</strong> <strong>der</strong>en Händler regelt, ist meiner Meinung nach mit den Statuten einer Gesellschaft<br />

vergleichbar. 247 Das Handelsreglement sieht in Ziff. 24 Abs. 2 vor, dass Streitigkeiten<br />

mit <strong>der</strong> <strong>SIX</strong> Swiss Exchange AG <strong>und</strong> den regulatorischen Organen, insbeson<strong>der</strong>e auch wegen<br />

verhängter Sanktionen, nach Ausschöpfung des internen Instanzenzugs ausschliesslich <strong>und</strong><br />

endgültig von <strong>der</strong>en <strong>Schiedsgericht</strong> mit Sitz in Zürich entschieden werden. Durch eine Unterzeichnung<br />

des Handelsreglements signalisiert <strong>der</strong> Teilnehmer sein Einverständnis mit den<br />

einzelnen Bestimmungen. Aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> erwähnten strengen Anfor<strong>der</strong>ungen an die Gültigkeit<br />

<strong>der</strong> statutarischen Schiedsklausel (explizite Erwähnung <strong>der</strong> Schiedsklausel <strong>und</strong> ihres Inhalts)<br />

244 Obergericht Wallis vom 9.10.1980, RVJ 1981, 333 ff.<br />

245 HABSCHEID, <strong>Schiedsgericht</strong>e, S. 159; RÜEDE/HADENFELDT, S. 43.<br />

246 Botschaft ZPO, 7395.<br />

247 Eine gute Beschreibung <strong>der</strong> Merkmale <strong>und</strong> Funktionen von Statuten findet sich auch in: NOBEL, Unternehmenskommunikation,<br />

S. 24 ff.<br />

- 38 -


Kapitel II: Verfahrensrechtliche Aspekte<br />

sollte m.E. allerdings <strong>der</strong> Teilnehmer einen kurzen Einverständnissatz 248 handschriftlich am<br />

Ende des Handelsreglements einfügen müssen.<br />

cc)<br />

Ergebnis<br />

Die Gleichordnung von staatlicher <strong>und</strong> nicht-staatlicher (privater) Rechtsprechung ist solange<br />

unproblematisch, als sich die Parteien <strong>der</strong> entscheidenden Instanz freiwillig, aufgr<strong>und</strong> privatautonomer<br />

Vereinbarung unterwerfen. 249 Wie in den letzten beiden Abschnitten gezeigt werden<br />

konnte, kann diese Freiwilligkeit m.E. bei <strong>der</strong> Börse problemlos bejaht werden: Sowohl<br />

Teilnehmer als auch Emittenten akzeptieren die Regeln <strong>der</strong> Börse einschliesslich <strong>der</strong> Zuständigkeit<br />

des Börsenschiedsgerichts aus freien Stücken <strong>und</strong> ohne Zwang. Somit stellt die Voraussetzung<br />

einer gültig zustande gekommenen Schiedsvereinbarung gr<strong>und</strong>sätzlich kein Hin<strong>der</strong>nis<br />

für die Einsetzung des Börsenschiedsgerichts dar. 250 In den Börsenreglementen wurden<br />

somit Bedingungen geschaffen, damit den Emittenten <strong>und</strong> Teilnehmern problemlos ein Beschwer<strong>der</strong>echt<br />

beim <strong>Schiedsgericht</strong> sicher eingerichtet werden kann.<br />

d) Fazit<br />

Mit <strong>der</strong> Einsetzung des Börsenschiedsgerichts beabsichtigte die Börse, klar zu unterstreichen,<br />

dass es sich bei ihrer Tätigkeit um eine privatrechtliche handelt, denn die <strong>Schiedsgericht</strong>sbarkeit<br />

gilt als klassische private Gerichtsbarkeit, als Ausfluss <strong>der</strong> Privatautonomie. 251 Darüber<br />

hinaus war die Mehrheit <strong>der</strong> Parlamentarier <strong>der</strong> Auffassung, dass die bei <strong>der</strong> Börse anfallenden<br />

Fachentscheide Fachpersonen, die sich täglich mit ähnlichen Problemen befassen, überlassen<br />

werden sollten. 252<br />

Die parlamentarischen Pläne sind m.E. vollkommen legitim <strong>und</strong> berechtigt: Die Möglichkeit,<br />

Fachleute entscheiden lassen zu können, ist ein grosser Vorteil <strong>der</strong> <strong>Schiedsgericht</strong>sbarkeit.<br />

Darüber hinaus können <strong>Schiedsgericht</strong>sverfahren tendenziell in fre<strong>und</strong>schaftlicher Atmosphäre<br />

erledigt werden, wodurch auch nach dem Verfahren eine vertrauensvolle Zusammenarbeit<br />

<strong>der</strong> Börse mit den Emittenten bzw. den Teilnehmern möglich ist. 253 Nicht zuletzt aus diesem<br />

248 Im Sinne von: „Ich akzeptiere dieses Handelsreglement einschliesslich <strong>der</strong> Schiedsklausel <strong>und</strong> <strong>der</strong> Zuständigkeit<br />

des Börsenschiedsgerichts“<br />

249 EBBING, S. 28.<br />

250 Zumindest nicht solange nur die Beziehung von Emittenten <strong>und</strong> Effektenhändlern zur Börse betrachtet wird.<br />

Zur Stellung an<strong>der</strong>er Gruppen wie Aktionären o<strong>der</strong> Händlern vgl. Abschnitt D.<br />

251 SCHÜTZE, S. 242.<br />

252 Amtl.Bull SR 1993, 1003 f.; Amtl.Bull NR 1994, 1060 ff.<br />

253 vgl. auch BODMER, S. 198, <strong>der</strong> diese Vorzüge für die Verbandsschiedsgerichtsbarkeit herausarbeitete.<br />

- 39 -


Kapitel II: Verfahrensrechtliche Aspekte<br />

Gr<strong>und</strong> werden bei Vereinen <strong>und</strong> Verbänden häufig Streitigkeiten zwischen dem Verein <strong>und</strong><br />

seinen Mitglie<strong>der</strong>n an Spezialgerichte delegiert, um so den Gang zum staatlichen Richter zu<br />

verhin<strong>der</strong>n. 254 Das Problem soll intern <strong>und</strong> von <strong>der</strong> Öffentlichkeit unbemerkt gelöst werden.<br />

Dieses Bestreben steht auch bei <strong>der</strong> Börse im Vor<strong>der</strong>gr<strong>und</strong>: Die von KILGUS kritisierte Nicht-<br />

Öffentlichkeit 255 ist nämlich gewollt, insbeson<strong>der</strong>e die Emittenten, aber auch die Effektenhändler<br />

haben ein Interesse daran, dass möglichst wenige Details bekannt werden. 256<br />

Überdies ist es auch im Finanzbereich nicht die erste <strong>Sanktionsordnung</strong>, bei <strong>der</strong> die privatrechtlichen<br />

Elemente als so wichtig angesehen wurden, dass als Rechtsmittelinstanz ein<br />

<strong>Schiedsgericht</strong> vorgesehen wurde. 257<br />

Wie in diesem Abschnitt gezeigt wurde, sind bei <strong>der</strong> Börse in Bezug auf Schiedsfähigkeit <strong>und</strong><br />

Zustandekommen <strong>der</strong> Schiedsvereinbarung keine Probleme vorhanden. Somit ist das B<strong>und</strong>esgericht<br />

im Fall Bergbahnen Lenzerheide AG richtigerweise davon ausgegangen, dass es sich<br />

beim Börsenschiedsgericht um einen gesetzlich vorgesehenen Spruchkörper handelt. 258 In<br />

den Abschnitten F-J sollen die Rechtsstaatlichkeit des Börsensanktionsverfahrens <strong>und</strong> somit<br />

auch des Börsenschiedsgerichts näher betrachtet werden.<br />

D) Klagelegitimation Dritter<br />

1. Ausgangslage<br />

Im Dezember 2010 löste ein B<strong>und</strong>esgerichtsentscheid 259 , in dem sich das B<strong>und</strong>esgericht zum<br />

ersten Mal überhaupt mit dem Rechtsschutz im Börsenrecht befasste, in <strong>der</strong> Lehre eine Diskussion<br />

über die Beschwerdelegitimation verschiedener Anspruchsgruppen im Börsensanktionsverfahren<br />

aus. Ausgangslage war die Beschwerde eines bedeutenden Aktionärs <strong>der</strong> Bergbahnen<br />

Lenzerheide AG gegen den von <strong>der</strong> Börse bewilligten Dekotierungsentscheid <strong>der</strong> Gesellschaft.<br />

Nachdem seine Beschwerde bei <strong>der</strong> börseninternen Beschwerdeinstanz abgewiesen<br />

worden war, leitete er ein Schiedsverfahren beim Börsenschiedsgericht ein. Da die <strong>SIX</strong> aber<br />

die Zuständigkeit des <strong>SIX</strong>-<strong>Schiedsgericht</strong>s im speziellen Fall bestritt <strong>und</strong> sich weigerte, eine<br />

254 FUCHS, S. 209.<br />

255 KILGUS, S. 398.<br />

256 vgl. Abschnitt I.<br />

257 So sieht auch die zwischen <strong>der</strong> Schweizerischen Bankiervereinigung <strong>und</strong> den Banken geschlossene Vereinbarung<br />

über die Sorgfaltspflichten <strong>der</strong> Banken ein Schiedsverfahren vor; vgl. zu dieser Vereinbarung auch bereits:<br />

WALDER, <strong>Sanktionsordnung</strong>, S. 226.<br />

258 BGE 137 III 37 E. 2.2.1 a.E.<br />

259 BGE 137 III 37.<br />

- 40 -


Kapitel II: Verfahrensrechtliche Aspekte<br />

Schiedsvereinbarung zu unterzeichnen o<strong>der</strong> sich auf das Verfahren einzulassen, beschränkte<br />

sich das <strong>SIX</strong>-<strong>Schiedsgericht</strong> zunächst auf die Frage seiner Zuständigkeit <strong>und</strong> bestätigte diese<br />

mit Zwischenentscheid vom 11. März 2010. Gegen diesen Zwischenentscheid erhob die <strong>SIX</strong><br />

zunächst erfolglos Nichtigkeitsbeschwerde beim Obergericht des Kantons Zürich <strong>und</strong> anschliessend<br />

Beschwerde in Zivilsachen beim B<strong>und</strong>esgericht, welches die Beschwerde guthiess.<br />

Als Ergebnis wurde festgestellt, dass sich <strong>der</strong> in Art. 9 Abs. 3 BEHG vorgezeichnete<br />

Beschwerdeweg nicht auf Aktionäre erstreckt.<br />

2. Betroffenheit <strong>der</strong> Aktionäre <strong>und</strong> Händler<br />

a) Aktionäre<br />

Die Schutzwürdigkeit von Anlegern im Kapitalmarkt zeigt sich bereits daran, dass in den<br />

USA explizite Anlegerschutzregulierung seitens <strong>der</strong> SEC bestehen. 260 So kann z.B. bereits bei<br />

Bussen davon ausgegangen werden, dass die zu begleichenden Geldbeträge häufig auf die<br />

Aktionäre überwälzt werden, indem sie als ausserordentliche Aufwendungen verbucht werden,<br />

die den Jahresüberschuss <strong>und</strong> unter Umständen auch die den Aktionären auszuzahlende<br />

Dividende schmälern 261 , weswegen wohl schon bei Bussen von einem ernst zu nehmenden<br />

Ausmass ein Rechtsschutzinteresse <strong>der</strong> Aktionäre zu bejahen ist. 262 Als wesentlich gravieren<strong>der</strong><br />

können jedoch die Auswirkungen <strong>der</strong> ohnehin schwer wiegenden Sanktion Dekotierung<br />

angesehen werden: Denn durch das Delisting erleiden die Anteilseigner wirtschaftlich gravierende<br />

Nachteile, da sie ihre Anteile nicht länger problemlos am Markt verkaufen können. 263<br />

Ferner wird <strong>der</strong> Aktionärsschutz durch die Dekotierung merklich reduziert, da so zwei wesentliche<br />

Vorteile <strong>der</strong> Börsenkotierung wegfallen: Zum einen spiegelt <strong>der</strong> Börsenkurs die vorhandenen<br />

Informationen in <strong>der</strong> Regel adäquat wi<strong>der</strong> <strong>und</strong> erleichtert so den Anlegern die Beurteilung<br />

ihrer Unternehmen. 264 Zum an<strong>der</strong>en tragen auch die erweiterten Informations-, Rechnungslegungs-<br />

<strong>und</strong> Publizitätspflichten für Börsengesellschaften sowie Mindestschutzgarantien<br />

im Hinblick auf öffentliche Übernahmeangebote (Art. 22 ff. BEHG) signifikant zur Er-<br />

260 vgl. dazu z.B. die Ausführungen <strong>der</strong> BAUMS-KOMMISSION, S. 47 f.<br />

261 In diesem Sinne hat auch <strong>SIX</strong>-Pressesprecher Vogt auf den Vorwurf von zu niedrigen Bussen mit dem Hinweis<br />

reagiert, "… dass mit hohen Bussen zuerst einmal die Aktionäre gestraft werden." (NZZ vom 20. Juli 2009,<br />

Mo<strong>der</strong>ate Sanktionen bei <strong>der</strong> <strong>SIX</strong> haben System.).<br />

262 gl. M. HEINI, S. 232.<br />

263 so auch: RUFFNER, Selbstregulierung, S. 54; NOBEL, Transnationales Recht, S. 274; vgl. auch: Urteil des BGH<br />

2. Zivilsenat vom 25. November 2002 , AZ II ZR 133/01, Entscheidungsgr<strong>und</strong> I.<br />

264 HENCKEL, S. 14 f.<br />

- 41 -


Kapitel II: Verfahrensrechtliche Aspekte<br />

höhung <strong>der</strong> Transparenz bei. 265 Schliesslich sinkt auch <strong>der</strong> Wert <strong>der</strong> Anteile eines Anlegers<br />

infolge des Delistings, was einen Eingriff in die Eigentumsrechte des Anlegers bedeutet. 266<br />

Allerdings werden Dekotierungen aufgr<strong>und</strong> ihrer anerkannten gravierenden Auswirkungen<br />

nur sehr selten ausgesprochen. 267 Dieser Einwand greift m.E. jedoch zu kurz, da die Dekotierung<br />

auch eine Folge <strong>der</strong> Börsensanktionierung sein kann: So gab <strong>der</strong> VRP <strong>der</strong> Bergbahnen<br />

Lenzerheide AG, Herr Sün<strong>der</strong>hauf, im Gespräch an, dass die Sanktionierung <strong>der</strong> Gesellschaft<br />

durch die Börse 2009 einen massgeblichen Einfluss auf den späteren Dekotierungsentscheid<br />

hatte, <strong>und</strong> auch die Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Sanktionskommission haben in unserem Gespräch darauf<br />

hingewiesen, dass sie u.U. einer Gesellschaft auch einen Rückzug von <strong>der</strong> Börse empfehlen.<br />

Alles in allem kann somit argumentiert werden, dass die Börsensanktionen die Anleger erheblich<br />

treffen können, oft viel stärker als die Emittenten, denn diese erleiden häufig selbst bei<br />

<strong>der</strong> schwerwiegendsten Sanktion, <strong>der</strong> Dekotierung, - wenn sie nicht auf zusätzliches Kapital<br />

angewiesen sind - ausser einem Reputationsverlust keine Nachteile. 268 Da es ein elementarer<br />

Rechtsgr<strong>und</strong>satz ist, dass sich bei Eingriffen in die Rechtspositionen die Betroffenen mit<br />

Rechtsmitteln wehren können 269 , müssen neben den Rechtschutzmöglichkeiten <strong>der</strong> Emittenten<br />

auch jene <strong>der</strong> Aktionäre als Drittbetroffene betrachtet werden.<br />

b) Händler<br />

Neben den Anlegern stellen die Händler eine zweite Gruppe dar, für die die Sanktionen gegen<br />

einen an<strong>der</strong>en mit einschneidenden Konsequenzen verb<strong>und</strong>en sein können: Sie können nämlich<br />

als Arbeitnehmer von den gegen einen Teilnehmer verhängten Strafen betroffen werden.<br />

Am gravierendsten sind hier sicher die Auswirkungen des Ausschlusses bzw. <strong>der</strong> Suspendierung<br />

eines Teilnehmers, weil den Händlern dadurch die Berufsausübung verunmöglicht<br />

wird. 270 Aber auch eine hohe Geldbusse könnte bei einem Teilnehmer zu organisatorischen<br />

Massnahmen mit einschneidenden Wirkungen für die Händler führen. 271 Schliesslich kann <strong>der</strong><br />

Händler auch indirekt von einer Publikation des Sanktionsentscheides mit Namensnennung<br />

betroffen sein, da die negativen Imageeffekte sich auch schädlich auf die Nachfrage nach den<br />

265 RUFFNER/KOHLIK, S. 630.<br />

266 MAURER/VON DER CRONE, S. 407.<br />

267 So wurde seit <strong>der</strong> Dekotierung <strong>der</strong> Habsburger Holding AG Ende 2003 keine Dekotierung als Sanktion mehr<br />

ausgesprochen (vgl. NZZ Online vom 20. Juli 2009, Mo<strong>der</strong>ate Sanktionen bei <strong>der</strong> <strong>SIX</strong> haben System.).<br />

268 so auch: RUFFNER, Selbstregulierung, S. 54.<br />

269 HANGARTNER, Rechtsschutz, S. 131.<br />

270 Auch hier ist davon auszugehen, dass deswegen diese drakonischen Strafen bisher gar nicht verhängt wurden.<br />

271 BERTOSSA spricht in diesem Zusammenhang sogar von Schliessung einzelner Unternehmensteile o<strong>der</strong> Abteilungen<br />

<strong>und</strong> dem damit zusammenhängenden Verlust des Arbeitsplatzes (vgl. BERTOSSA, S. 97)<br />

- 42 -


Kapitel II: Verfahrensrechtliche Aspekte<br />

Dienstleistungen des Finanzintermediärs auswirken können. Somit kann auch bei einem<br />

Händler, <strong>der</strong> sich selbst evtl. gar nichts zu schulden hat kommen lassen, eine beachtliche Betroffenheit<br />

von <strong>der</strong> Sanktionierung des Teilnehmers beobachtet werden. 272<br />

3. Klagemöglichkeiten<br />

a) Händler<br />

Eine Ausweitung <strong>der</strong> Geltung <strong>der</strong> für Teilnehmer gültigen Schiedsklausel 273 auf die Händler<br />

ist m.E. wenig problematisch: Die Bestimmungen <strong>der</strong> Reglemente könnten einfach zu einem<br />

Bestandteil des Arbeitsvertrags gemacht werden, um die Bindungswirkung herbeizuführen 274 ;<br />

ausserdem könnte <strong>der</strong> Teilnehmer seine Händler ebenfalls das Handelsreglement (einschliesslich<br />

dem eingefügten Einverständnissatz) unterschreiben lassen. Die von WEBER bezüglich<br />

des Rechtsschutzes <strong>der</strong> Händler vorgebrachten Bedenken 275 sind daher m.E. unbegründet.<br />

Vielmehr stehen ihnen die gleichen Beschwerdemöglichkeiten wie den Emittenten <strong>und</strong> Teilnehmern<br />

zur Verfügung.<br />

b) Anleger<br />

aa) Legitimation im Börsenverfahren<br />

Zur Beschwerde sind gemäss Art. 6.2 RBI "die Adressaten eines Entscheides legitimiert, die<br />

ein schutzwürdiges Interesse an <strong>der</strong> Aufhebung o<strong>der</strong> Än<strong>der</strong>ung des Entscheides haben." Der<br />

verwendete Begriff "Adressat" ist auslegungsbedürftig. 276 Umstritten war in <strong>der</strong> Lehre insbeson<strong>der</strong>e<br />

die Legitimation <strong>der</strong> Aktionäre 277 , da die bis 17.10.2008 gültige Fassung des Art. 1<br />

272 Als Beispiel für negative Pressemitteilungen, die Auswirkungen auf die Mitarbeiter hatten, kann die Geschichte<br />

<strong>der</strong> Mitarbeiter des deutschen Nudelherstellers Birkel angeführt werden, die 1985 durch den sog. Flüssigei-Skandal<br />

betroffen wurden: Dem Unternehmen entstand durch eine fehlerhafte Pressemitteilung des Regierungspräsidiums<br />

Stuttgart, wonach die von <strong>der</strong> Fima hergestellen Nudeln durch verdorbenes Flüssigei verunreinigt<br />

gewesen seien, nach eigenen Angaben ein Schaden in Höhe von 43,2 Millionen DM. Aufgr<strong>und</strong> von Schlagzeilen<br />

wie „Die verlorene Ehre des Klaus Birkel“ o<strong>der</strong> „Millionenfache Körperverletzung“ sank <strong>der</strong> Umsatz des<br />

Nudelherstellers um fast 50 Prozent. Von 1.300 Mitarbeitern des Unternehmens mussten 500 entlassen werden<br />

(vgl. EIDAM, S. 128).<br />

273 vgl. die Ausführungen in Abschnitt C.2c.bb.<br />

274 a.M. WEBER, Neuordnung, S. 592, <strong>der</strong> diese Regelung für eher ungewöhnlich <strong>und</strong> daher für wenig wahrscheinlich<br />

hält.<br />

275 vgl. WEBER, Neuordnung, S. 592.<br />

276 KÜNG/HUBER/KUSTER, S. 155; MAURER/VON DER CRONE, S. 408.<br />

277 entsprechend auch: LEU, S. 16.<br />

- 43 -


Kapitel II: Verfahrensrechtliche Aspekte<br />

des Reglements für die Beschwerdeinstanz hierauf auch keine Antwort gab. 278 Auch die<br />

Rechtsprechung <strong>der</strong> Beschwerdeinstanz war in diesem Punkt nicht eindeutig: Während sie in<br />

einem früheren Verfahren die Klageberechtigung <strong>der</strong> Anleger verneinte 279 , hat sie sie in einem<br />

aktuellen Fall anerkannt. 280<br />

Für ein umfassendes Beschwer<strong>der</strong>echt spricht, dass Art. 58 Abs. 1 KR explizit vorsieht, dass<br />

das Regulatory Board bei <strong>der</strong> Bewilligung einer Dekotierung u.a. auch die Interessen <strong>der</strong> Anleger<br />

in seine Überlegungen einbezieht. Denn wenn die Anleger Teil <strong>der</strong> Interessenabwägung<br />

sein sollen, ist nur schwer zu rechtfertigen, dass nur die Emittenten als Kontrahenten <strong>der</strong> Anleger<br />

die Möglichkeit bekommen sollen, gegen das Resultat <strong>der</strong> Abwägung zu klagen. 281 Diesem<br />

Argument kann aber entgegengesetzt werden, dass sowohl Art. 1 BEHG als auch Art. 1<br />

KR vornehmlich darauf abzielen, im Interesse <strong>der</strong> Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes das<br />

Vertrauen <strong>der</strong> Anlegergesamtheit in die Integrität des Kapitalmarkts zu schützen. 282 Somit<br />

stehen nicht die Interessen des individuellen Anlegers, son<strong>der</strong>n diejenigen <strong>der</strong> Anlegergesamtheit<br />

im Vor<strong>der</strong>gr<strong>und</strong>. 283 Eine individuelle Klageberechtigung des Anlegers lässt sich<br />

folglich m.E. nicht herleiten. 284 Darauf deutet wohl auch <strong>der</strong> Wortlaut des revidierten Art. 1<br />

RBI hin, <strong>der</strong> die Aufgabe <strong>der</strong> Beschwerdeinstanz klar auf Beurteilung <strong>der</strong> Beschwerden von<br />

Emittenten, Sicherheitsgebern <strong>und</strong> anerkannten Vertretern beschränkt: Aktionäre sind als<br />

Hauptbetroffene nicht in das Verfahren einbezogen <strong>und</strong> haben daher auch keine Klagemöglichkeiten.<br />

285<br />

bb) Möglichkeit, das Börsenschiedsgericht anzurufen<br />

In seiner Urteilsbegründung beschäftigte sich das BGer intensiv mit den Voraussetzungen des<br />

Zustandekommens einer Schiedsvereinbarung: So führte es zu Recht aus, dass in diesem Fall<br />

aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> Weigerung <strong>der</strong> Börse, eine Schiedsvereinbarung zu unterzeichnen, keine gültige<br />

vertragliche Schiedsabrede vorläge. 286 Denn Freiwilligkeit ist ein entscheidendes Kriterium<br />

278 Art. 1 des alten RBI lautete: "Die Beschwerdeinstanz im Sinne des Börsengesetzes beurteilt a) Beschwerden<br />

gegen Entscheide über Zulassung, Suspendierung <strong>und</strong> Ausschluss von Teilnehmern sowie Beschwerden gegen<br />

Zulassung, Suspendierung <strong>und</strong> Entzug <strong>der</strong> Registrierung von Händlern im Sinne <strong>der</strong> Allgemeinen Geschäftsbedingungen;<br />

b) Beschwerden gegen Entscheide <strong>und</strong> Vorentscheide betreffend Kotierung sowie Entscheide betreffend<br />

Sistierung des Handels <strong>und</strong> Streichung <strong>der</strong> Kotierung (Dekotierung) im Sinne des Kotierungsreglements."<br />

279 Nicht publizierte Entscheidung <strong>der</strong> SWX vom 31. Januar 2001 betreffend Dekotierung <strong>der</strong> Bank für Internationalen<br />

Zahlungsausgleich, in: RÖTHELI/IFFLAND, S. 308 f.<br />

280 BGE 137 III 37.<br />

281 so z.B. KOHLIK, S. 327; RÖTHELI/IFFLAND, S. 311 f.<br />

282 WERLEN, Gr<strong>und</strong>lagen, S. 50.<br />

283 vgl. auch die Ausführungen in Abschnitt A.<br />

284 gl.M. MÖHRLE, S. 145.<br />

285 so auch: NOBEL, Dekotierung, S. 113 ff.; ARROYO/SPILLMANN, S. 250.<br />

286 E. 2.2.2.<br />

- 44 -


Kapitel II: Verfahrensrechtliche Aspekte<br />

<strong>der</strong> <strong>Schiedsgericht</strong>sbarkeit 287 : Die Parteien müssen aus freiem Willen ein Rechtsverhältnis <strong>der</strong><br />

<strong>Schiedsgericht</strong>sbarkeit unterstellen. Der Aktionär <strong>der</strong> Bergbahnen Lenzerheide AG beruft sich<br />

im Weiteren darauf, bei <strong>der</strong> Schiedsklausel im KR handele es sich um ein stehendes Angebot<br />

zum Abschluss einer Schiedsvereinbarung, das die Gegenseite je<strong>der</strong>zeit durch einfache Zustimmung<br />

(z.B. mit einem schlichten „Ja“ o<strong>der</strong> „Einverstanden“) annehmen könne 288 . Darauf<br />

aufbauend schlussfolgert er, dass aus dem Wortlaut von Art. 62 Abs. 2 2. Satz KR „Die Entscheidungen<br />

<strong>der</strong> Beschwerdeinstanz können ihrerseits innert 20 Börsentagen an das <strong>Schiedsgericht</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>SIX</strong> Swiss Exchange weitergezogen werden“ abgeleitet werden könne, dass eine<br />

vor <strong>der</strong> Beschwerdeinstanz unterlegene Partei automatisch an das <strong>Schiedsgericht</strong> gelangen<br />

kann. Wie aber das B<strong>und</strong>esgericht zutreffend feststellt 289 , kann eine Norm des KR insofern<br />

nicht die in Art. 6 Abs. 1 KSG bzw. Art. 358 ZPO festgelegten Bedingungen für eine<br />

Schiedsvereinbarung erfüllen, als es an <strong>der</strong> erfor<strong>der</strong>lichen Schriftlichkeit fehlt. 290 Namentlich<br />

wird das Kotierungsreglement nicht eigenhändig unterschrieben. Deswegen hat das BGer<br />

m.E. richtigerweise eine gültige Schiedsvereinbarung zwischen Aktionär <strong>und</strong> Börse verneint.<br />

Die statutarische Schiedsklausel schliesslich bezieht sich auf das Verhältnis von Vereinen,<br />

Genossenschaften etc. zu einem neuen Mitglied, das sich bei seinem Beitritt den Statuten unterwirft.<br />

291 Die in <strong>der</strong> Literatur genannten Beispiele für juristische Personen (Verein, Genossenschaft)<br />

zeichnen sich durch ihre Personenbezogenheit aus 292 : Die Persönlichkeit des Mitglieds<br />

steht im Vor<strong>der</strong>gr<strong>und</strong>, die Mitgliedschaft ist daher auch nicht übertragbar. Die Beziehung<br />

eines Aktionärs zur Aktiengesellschaft ist jedoch nicht mit <strong>der</strong> des Mitglieds einer Genossenschaft<br />

o<strong>der</strong> eines Vereins vergleichbar 293 , ein Aktionär unterwirft sich nicht den Statuten<br />

<strong>der</strong> AG, wenn er lediglich Aktien dieser Gesellschaft kauft. Eine einseitige Beitrittserklärung<br />

durch ein beitrittswilliges Mitglied ist zwar nicht ausgeschlossen, die Gegenseite kann<br />

den Beitritt jedoch basierend auf Art. 6 OR binnen angemessener Frist ablehnen. 294 Die Unterbreitung<br />

<strong>der</strong> Schiedsvereinbarung durch den Aktionär kann m.E. als Antrag auf Eingehen<br />

eines engeren – mitgliedschaftsähnlichen – Verhältnisses gedeutet werden, die Ablehnung<br />

seitens <strong>der</strong> Börse, die Schiedsvereinbarung zu unterschreiben, zeigt aber deutlich, dass sie<br />

keine engere Beziehung zum Aktionär eingehen wollte. Somit steht <strong>der</strong> Aktionär nicht in ei-<br />

287 so z.B. auch: EBBING, S. 17.<br />

288 zum Rechtsinstitut des „stehenden Angebots“ vgl. BUCHER, Obligationenrecht, S. 126.<br />

289 so auch das B<strong>und</strong>esgericht in E. 3.2.2.<br />

290 gl. M. MAURER/VON DER CRONE, S. 401.<br />

291 siehe bereits: SUTER, HANS, S. 41.<br />

292 MEIER-HAYOZ/FORSTMOSER, S. 158.<br />

293 so auch: MEIER-HAYOZ/FORSTMOSER, S. 158.<br />

294 Für den Verein vgl. z.B. HEINI/PORTMANN, S 63.<br />

- 45 -


Kapitel II: Verfahrensrechtliche Aspekte<br />

nem Mitgliedschaftsverhältnis zur Börse <strong>SIX</strong>, <strong>und</strong> auch auf diese Weise kann nicht die Entstehung<br />

einer gültigen Schiedsvereinbarung konstruiert werden. 295<br />

Das B<strong>und</strong>esgericht konstatierte folglich richtigerweise, dass für die Anleger – wie gezeigt -<br />

keine Möglichkeit besteht, das Börsenschiedsgericht anzurufen, wenn sich die Börse weigert,<br />

eine Schiedsvereinbarung zu unterzeichnen.<br />

cc)<br />

Zivilrechtliche Klagemöglichkeit<br />

Da die <strong>Sanktionsordnung</strong> einem Anleger folglich keine Handhabe gegen einen Entscheid <strong>der</strong><br />

Börse bietet, stellt sich die Frage nach alternativen Klagemöglichkeiten. Gemäss BAUMGAR-<br />

TEN <strong>und</strong> LANZ ergibt sich aus dem Wortlaut von Art. 9 Abs. 3 BEHG, <strong>der</strong> eine Anrufung des<br />

Zivilrichters erst nach Durchführung des Beschwerdeverfahrens erlaubt, im Umkehrschluss,<br />

dass eine direkte Klage beim Zivilrichter zulässig ist, wenn das Beschwer<strong>der</strong>eglement <strong>der</strong><br />

Börse eine Beschwerde nicht ermöglicht. 296 Somit stünde einem Aktionär <strong>der</strong> direkte Weg an<br />

ein Zivilgericht offen. 297 Dabei würden sich die relevanten Prozessvor-aussetzungen ausschliesslich<br />

nach <strong>der</strong> geltenden ZPO richten. 298 Die Beschwerdelegitimation des Anlegers<br />

wird aber wohl auch im Zivilprozess abgelehnt: Denn aus privatrechtlicher Betrachtung besteht<br />

keine For<strong>der</strong>ung des Anlegers gegenüber <strong>der</strong> Börse. Das private Schuldrecht kennt lediglich<br />

drei Gründe, die eine For<strong>der</strong>ung (Obligation) zwischen zwei Parteien entstehen lassen<br />

299 : Vertrag, unerlaubte Handlung <strong>und</strong> ungerechtfertigte Bereicherung. Eine vertragliche<br />

Vereinbarung besteht nicht zwischen Anleger <strong>und</strong> Börse 300 , denn die privatrechtliche Listingvereinbarung<br />

bindet ausschliesslich die Börse <strong>und</strong> die Emittenten, nicht aber die Anleger, die<br />

dadurch lediglich indirekt betroffen sind. 301 Auch die an<strong>der</strong>en Voraussetzungen sind meiner<br />

Meinung nach nicht erfüllt: Eine ungerechtfertigte Bereicherung (Art. 62 ff. OR) kann m.E.<br />

vor dem Hintergr<strong>und</strong> verneint werden, dass dem Emittenten durch eine Dekotierung keine<br />

rechtlich unbegründete Vermögensvermehrung entsteht. Man kann zwar argumentieren, dass<br />

<strong>der</strong> Schaden beim Emittenten kleiner ist als beim Anleger <strong>und</strong> sich hauptsächlich auf einen<br />

295 so auch das B<strong>und</strong>esgericht: vgl. BGE 137 III E. 3.2.1.<br />

296 BAUMGARTEN/LANZ, S. 603.<br />

297 gl.M. MARTI, S. 582, <strong>der</strong> davon ausgeht, dass sich im Kotierungsreglement <strong>der</strong> Schweizer Börse eine Regelung<br />

befindet, nach <strong>der</strong> Drittbetroffene, zum Beispiel Anleger, im Falle <strong>der</strong> Streichung eines Titels von <strong>der</strong> Börsenkotierung,<br />

an die in Art. 9 BEHG vorgeschriebene private Beschwerdeinstanz <strong>und</strong> damit anschliessend auch<br />

an das Zivilgericht gelangen können.<br />

298 RUFFNER, Selbstregulierung, S. 56<br />

299 vgl. auch GAUCH/SCHLUEP/SCHMID, S. 33 f.<br />

300 so auch: BGE 137 III 44 f.<br />

301 WEBER, Börsenrecht, S. 108.<br />

- 46 -


Kapitel II: Verfahrensrechtliche Aspekte<br />

Imageschaden beschränkt 302 , zu einem Vermögenszuwachs kommt es aber auf keinen Fall.<br />

Schliesslich ist m.E. auch das Vorliegen einer unerlaubten Handlung gemäss Art. 41 OR zu<br />

verneinen. Denn zu den im Gesetz aufgeführten Bedingungen gehört insbeson<strong>der</strong>e auch die<br />

Wi<strong>der</strong>rechtlichkeit des schädigenden Verhaltens. 303 Bei <strong>der</strong> Dekotierung einer Gesellschaft -<br />

unabhängig ob auf Wunsch <strong>der</strong> Gesellschaft o<strong>der</strong> als Sanktion - verstösst die Börse jedoch in<br />

keinem Fall gegen die Rechtsordnung: Der erste Fall ist in Art. 58 Abs. 1 KR geregelt; demgemäss<br />

kann das Regulatory Board die Kotierung aufgr<strong>und</strong> eines begründeten Emittentengesuches<br />

streichen. Dabei müssen zwar die Interessen <strong>der</strong> Anleger berücksichtigt werden, daraus<br />

kann aber kein Verbot <strong>der</strong> Dekotierung abgeleitet werden. 304 Die zweite Konstellation<br />

ergibt sich aus Art. 61 Abs. 1 KR, <strong>der</strong> in Ziff. 4 die Dekotierung als eine mögliche Sanktion<br />

vorsieht. Da keine Anspruchsgr<strong>und</strong>lage für die Anleger hergeleitet werden kann, besteht folglich<br />

auch keine Beschwerdelegitmitation.<br />

Zudem ist m.E. auch fraglich, ob überhaupt ein ausreichendes rechtliches Interesse bei den<br />

Anlegern vorliegt. Denn im Zivilprozess ist gr<strong>und</strong>sätzlich je<strong>der</strong> zur Beschwerde legitimiert,<br />

<strong>der</strong> ein rechtliches Interesse an <strong>der</strong> Beurteilung des Rechtsbegehrens hat. Die Anfor<strong>der</strong>ungen<br />

an das Rechtsschutzbedürfnis sind jedoch hoch: So dürfen nur legitime Interessen gewahrt<br />

werden 305 , <strong>und</strong> es muss eine echte Benachteiligung beim Klagenden vorliegen. 306 Allgemeines<br />

Interesse an objektiv möglichst richtigen Entscheidungen wird als nicht bedeutend genug<br />

angesehen, um an sich die Inanspruchnahme <strong>der</strong> Rechtsmittelinstanzen zu rechtfertigen. 307<br />

Wie im nächsten Abschnitt gezeigt wird, wird das Vorliegen einer echten Benachteiligung bei<br />

den Anlegern jedoch z.T. in <strong>der</strong> Lehre in Frage gestellt.<br />

dd)<br />

Einschränkung <strong>der</strong> Betroffenheit in <strong>der</strong> Lehre<br />

Abgesehen von den finanziellen Verlusten erleiden die Anteilseigner keine Nachteile; sie<br />

werden nicht angeklagt, gegen sie wird kein Vorwurf erhoben <strong>und</strong> keine Strafe ausgesprochen.<br />

Die finanziellen Verluste unterscheiden sich im Weiteren nicht von monetären Einbussen<br />

aufgr<strong>und</strong> allgemeiner Verluste eines Unternehmens <strong>und</strong> stellen eine normale „Betriebsgefahr“<br />

dar. 308 Deswegen könne auch nicht von einer Mitbestrafung die Rede sein, son<strong>der</strong>n lediglich<br />

von einem durch die Folgen <strong>der</strong> Sanktion für das Unternehmen entstandenen Mit-<br />

302 Dieser kann jedoch auch mit finanziellen Einbussen verb<strong>und</strong>en sein (vgl. Kap. III Abschnitt G.2d).<br />

303 vgl. anstatt vieler: GUHL/KOLLER/SCHNYDER/DRUEY, S. 186 ff.<br />

304 vgl. auch die Ausführungen in BGE 137 III 37.<br />

305 GULDENER, S. 205.<br />

306 vgl. HÄGI, S. 1.<br />

307 HÄGI, S. 76.<br />

308 BERTOSSA, S. 101<br />

- 47 -


Kapitel II: Verfahrensrechtliche Aspekte<br />

betroffensein <strong>der</strong> Individuen, die in irgendeiner Form mit ihm in Beziehung stehen. 309 Dies<br />

reiche jedoch m.E. für die Bejahung eines schützenswerten Interesses nicht aus. 310 Überdies<br />

bestünde bei einer grosszügigeren Einräumung des Beschwer<strong>der</strong>echts bei Anlegern die Gefahr,<br />

dass die Börse durch zeit- <strong>und</strong> kostenintensive Rechtsmittelverfahren von individuellen,<br />

insbeson<strong>der</strong>e auch querulatorischen Anlegern an <strong>der</strong> wirksamen Durchsetzung <strong>der</strong> Zwangsmassnahmen<br />

zur Aufrechterhaltung des Anleger- <strong>und</strong> Funktionsschutzes gehin<strong>der</strong>t würde. 311<br />

ee)<br />

Öffentlich-rechtliche Klagemöglichkeit<br />

Da die Anleger folglich keine Möglichkeit haben, börsenintern o<strong>der</strong> zivilrechtlich gegen eine<br />

Entscheidung zu klagen, können sie sich faktisch nicht wehren. Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> plädiert<br />

ein Teil <strong>der</strong> Lehre 312 dafür, das Beschwerdeverfahren bei <strong>der</strong> Börse doch - wie ursprünglich<br />

geplant 313 - verwaltungsrechtlich auszugestalten, da dies die Rechtsstellung <strong>der</strong> Anteilseigner<br />

markant verbessern würde. Denn das Verwaltungsrecht anerkennt, dass Verfügungen<br />

neben den eigentlichen Adressaten auch Dritte belasten können <strong>und</strong> räumt diesen Drittbetroffenen<br />

in Art. 48 Abs. 1 VwVG ebenfalls ein Beschwer<strong>der</strong>echt ein, falls sie durch die angefochtene<br />

Verfügung beson<strong>der</strong>s berührt sind <strong>und</strong> ein schutzwürdiges Interesse an <strong>der</strong>en Än<strong>der</strong>ung<br />

o<strong>der</strong> Aufhebung haben. Entscheidend ist dabei, dass <strong>der</strong> Nichtadressat eine beson<strong>der</strong>s<br />

beachtenswerte, nahe Beziehung zur Streitsache aufweist 314 , d.h. dass ein persönliches Interesse<br />

besteht, das sich klar vom allgemeinen Interesse <strong>der</strong> Öffentlichkeit abhebt. Als schutzwürdiges<br />

Interesse gelten sowohl tatsächliche Interessen als auch Interessen wirtschaftlicher<br />

Natur. 315 Somit käme einem Anleger im Verwaltungsrecht gewiss ein Beschwer<strong>der</strong>echt zu.<br />

Darüber hinaus können die Rechte, die dem Anleger aus seinen Anteilen erwachsen, u.U. als<br />

wohlerworben angesehen werden. 316 Im Fall des früheren VR-Präsidenten <strong>der</strong> Rothorn-Bahn,<br />

<strong>der</strong> es bei <strong>der</strong> Fusion <strong>der</strong> Rothorn-Bahn mit <strong>der</strong> Bergbahnen Lenzerheide AG zur Bedingung<br />

gemacht hatte, dass die Gesellschaft börsenkotiert bleibt, ist wohl vom Vorliegen solcher<br />

wohlerworbener Aktionärsrechte auszugehen. Wenn nun durch die Dekotierung die Transpa-<br />

309 EIDAM, S. 127.<br />

310 vgl. bspw. die Ausführungen zum Rechtsschutzinteresse bei BODMER, S. 159 f, aus dem sich m.E. ergibt, dass<br />

die Nachteile <strong>der</strong> Anleger wohl nicht erfasst werden dürften.<br />

311 So z.B.: HUBER/HODEL/STAUB GIEROW, S. 411; MÖHRLE, S. 145.<br />

312 WEBER, Neuordnung, S. 590; MAURER/VON DER CRONE, S. 407.<br />

313 Botschaft BEHG, 1404.<br />

314 HÄNER, S. 253.<br />

315 HAUSER/MATTLE, S. 93.<br />

316 KÜNG/HUBER/KUSTER, S. 139.<br />

- 48 -


Kapitel II: Verfahrensrechtliche Aspekte<br />

renz markant zurückgeht, kann man wohl von einem enteignungsähnlichen Tatbestand ausgehen<br />

317 , so dass dem Aktionär <strong>der</strong> Bergbahnen Lenzerheide AG eine Entschädigung zusteht. 318<br />

c) Fazit<br />

Die Frage <strong>der</strong> Legitimation des Anlegers wurde im Entscheid Bergbahnen Lenzerheide AG<br />

nicht explizit thematisiert. Indem das B<strong>und</strong>esgericht den Anlegern die Berechtigung, das Börsenschiedsgericht<br />

auch gegen den Willen <strong>der</strong> Börse anzurufen, verwehrt, entzieht es ihnen<br />

aber praktisch jede wirksame Waffe gegen die Börse, da eine zivilrechtliche Klage – wie gezeigt<br />

- auch nicht möglich ist. Die privatrechtlich geprägte Ausgestaltung des Börsensanktionsverfahrens<br />

<strong>und</strong> insbeson<strong>der</strong>e des Börsenbeschwerdeverfahrens hat dementsprechend zur<br />

Folge, dass Teilnehmer, Händler <strong>und</strong> Emittenten über umfangreiche Beschwerdemöglichkeiten<br />

verfügen, während an<strong>der</strong>en Betroffenen – namentlich den Anlegern – keine Klagemöglichkeiten<br />

gewährt werden. Diese Sachlage wird in <strong>der</strong> Lehre teilweise heftig kritisiert: Ein<br />

Anleger, <strong>der</strong> gemäss Art. 1 BEHG geschützt werden soll, könne bei einer Dekotierung ohne<br />

Schutz da stehen, was unbefriedigend sei, da das Vorliegen eines Rechtsschutzinteresses nicht<br />

leichthin verneint werden sollte. 319 Aus diesem Gr<strong>und</strong> wird – insbeson<strong>der</strong>e auch als Konsequenz<br />

des Urteils im Fall Bergbahnen Lenzerheide AG – immer wie<strong>der</strong> gefor<strong>der</strong>t, das Beschwerdeverfahren<br />

dem öffentlichen Recht zu unterstellen. 320 Dabei wird darauf hingewiesen,<br />

dass <strong>der</strong> Einbezug Dritter im verwaltungsrechtlichen <strong>und</strong> –gerichtlichen Verfahren ein wertvolles<br />

kooperatives Element sein könnte. 321<br />

Bei <strong>der</strong> Ausgestaltung des Börsengesetzes stand die Stärkung des Finanz- <strong>und</strong> Börsenplatzes<br />

Schweiz im Vor<strong>der</strong>gr<strong>und</strong>. Die Anleger spielten bei den Überlegungen nur eine untergeordnete<br />

Rolle. 322 Ihre Betroffenheit von den Vorgängen an <strong>der</strong> Börse wurde als zu unbedeutend eingeschätzt.<br />

Zugr<strong>und</strong>e liegt dieser Einstellung, dass für sie die Sanktionen nur „Teil eines allgemeinen<br />

Risikos [sind], das soziale <strong>und</strong> wirtschaftliche Beziehungen immer mit sich bringen.“<br />

323 Ferner könne <strong>der</strong> Grossteil <strong>der</strong> Aktionäre als gänzlich indifferent, passiv <strong>und</strong> jeden<br />

Aufwand scheuend beschrieben werden. 324<br />

317 Diese Meinung vertrat auch Prof. Böckli in unserem Gespräch.<br />

318<br />

zur Enteignung von wohlerworbenen Rechten <strong>und</strong> zur Entschädigung bei Enteignung vgl. HÄFE-<br />

LIN/MÜLLER/UHLMANN, S. 471 ff.<br />

319 vgl. z.B. bereits BÜTLER, S. 112.<br />

320 vgl. insb. WEBER, Neuordnung, S. 595.<br />

321 so bereits: ERRASS, S. 327.<br />

322 vgl. dazu auch die Kritik von VISCHER, S. 33 f.<br />

323 HEINE, Verantwortlichkeit, S. 268.<br />

324 zur Passivität <strong>der</strong> Aktionäre vgl. auch z.B.: RUFFNER, Publikumsgesellschaft, S. 493.<br />

- 49 -


Kapitel II: Verfahrensrechtliche Aspekte<br />

Wie jedoch in Abschnitt 2a gezeigt wurde, können die Nachteile, die einem Aktionär aus einer<br />

Dekotierung erwachsen, beachtlich sein, weswegen es als unbefriedigend anzusehen ist,<br />

wenn ein Anleger, <strong>der</strong> gemäss Art. 1 BEHG geschützt werden soll, in einer wichtigen Angelegenheit<br />

ohne Schutz da steht. 325 Einen Ausweg bietet hier m.E. das Aktienrecht: Gemäss<br />

Art. 706 OR steht jedem einzelnen Aktionär eine Anfechtungsklage gegen bestimmte Generalversammlungsbeschlüsse<br />

zu. Namentlich sieht Abs. 2 Ziff. 3 vor, dass Beschlüsse, die eine<br />

durch den Gesellschaftszweck nicht gerechtfertige Ungleichbehandlung o<strong>der</strong> Benachteiligung<br />

bewirken, anfechtbar sind. Dabei ist <strong>der</strong> Anwendungsbereich <strong>der</strong> Bestimmung sehr weit: Es<br />

genügt, dass irgendeinem Aktionär aus dem Beschluss irgendein Nachteil erwächst. 326 Die<br />

erwähnten Einbussen eines Aktionärs bei einer Dekotierung dürften hier somit auf jeden Fall<br />

ausreichend sein <strong>und</strong> die Anfechtungsklage stellt somit m.E. eine geeignete Waffe eines Aktionärs<br />

gegen einen für ihn nachteiligen Dekotierungsbeschluss <strong>der</strong> Gesellschaft dar.<br />

Die Anfechtungsklage ist jedoch nur anwendbar, wenn – wie im Fall <strong>der</strong> Bergbahnen Lenzerheide<br />

AG – die Gesellschaft selbst die Dekotierung. An<strong>der</strong>s sieht es aus, wenn die Dekotierung<br />

als Sanktion durch die Börse verhängt wird. Dies ist zwar aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> negativen Auswirkungen<br />

auf unbeteiligte Dritte äusserst selten <strong>der</strong> Fall 327 ; trotzdem lohnt es sich auch hier<br />

über die Verteidigungsmöglichkeiten eines Aktionärs nachzudenken. Auch hier bietet m.E.<br />

wie<strong>der</strong> das Aktienrecht eine Lösung an. Denn Art. 717 OR verpflichtet Verwaltungsrat <strong>und</strong><br />

Geschäftsleitung, ihre Aufgaben mit aller Sorgfalt zu erfüllen <strong>und</strong> die Interessen <strong>der</strong> Gesellschaft<br />

in guten Treuen zu wahren. Bei schuldhafter Verletzung <strong>der</strong> Pflichten kann z.B. ein<br />

VR-Mitglied persönlich verantwortlich gemacht werden. 328 Auch hier ist wie<strong>der</strong> je<strong>der</strong> einzelne<br />

Aktionär klageberechtigt. Die Beachtung des Gesellschaftsinteresses bedeutet i.d.R. auch,<br />

dass <strong>der</strong> VR sich bemühen muss, den Wert <strong>der</strong> AG <strong>und</strong> damit den Wert <strong>der</strong> Beteiligung des<br />

Aktionärs nachhaltig zu maximieren. 329 Wenn nun ein Unternehmensverantwortlicher<br />

pflichtwidrig in so schwerer Weise gegen die Börsenpflichten verstösst, dass sich die Börse<br />

zu einer Dekotierung <strong>der</strong> Gesellschaft verpflichtet sieht, handelt es sich m.E. um eine relevante<br />

Verletzung <strong>der</strong> Sorgfaltspflicht gegenüber Unternehmen <strong>und</strong> Aktionären in dem Sinne, dass<br />

<strong>der</strong> Wert <strong>der</strong> Aktionärsbeteiligung sinkt. 330 Dagegen steht einem Aktionär m.E. die Verantwortlichkeitsklage<br />

gemäss Art. 717 OR offen.<br />

325 In diesem Zusammenhang ist auch auf die von VISCHER geäusserte Kritik hinzuweisen, die selbstregulierte<br />

Regulierung liefere aussenstehende Dritte <strong>der</strong> Willkür privater Selbstregulierungsträger aus (VISCHER, S. 34).<br />

326 TRUFFER/DUBS, S. 988.<br />

327 vgl. auch die Ausführungen in Kapitel III Abschnitt G.2d.<br />

328 FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, S. 303.<br />

329 WOHLMANN, S. 415 ff.<br />

330 vgl. dazu auch die Ausführungen in Abschnitt 2a.<br />

- 50 -


Kapitel II: Verfahrensrechtliche Aspekte<br />

E) Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens<br />

1. Keine bewährte Verfahrensordnung?<br />

Ein häufig in Bezug auf die Schweizerische Börsenordnung geäusserter Kritikpunkt ist, dass<br />

kein ausreichen<strong>der</strong> Rechtsschutz gewährleistet würde. Insbeson<strong>der</strong>e wird dabei darauf hingewiesen,<br />

dass im Gegensatz zur deutschen Lösung des „regulären“ Rechtsschutzes nicht auf<br />

eine bewährte Verfahrensordnung (Verwaltungsgerichtsordnung) zurückgegriffen werde. 331<br />

Diesem Argument kann aber entgegnet werden, dass das Parlament bei seinen Beratungen zu<br />

den einzelnen Bestimmungen des BEHG klar davon ausging, dass Art 6 EMRK anwendbar<br />

sein sollte. 332 Bei Art. 6 EMRK handelt es sich nämlich um die massgebliche Garantie eines<br />

fairen Verfahrens. 333 Ein nach diesen Prinzipien ausgerichtetes Verfahren würde somit durchaus<br />

die Gr<strong>und</strong>sätze einer international anerkannten Verfahrensordnung beachten.<br />

2. Anwendbarkeit des Art. 6 EMRK?<br />

Die Anwendung <strong>der</strong> Gr<strong>und</strong>sätze eines EMRK-Artikels auf das Börsenaufsichtsverfahren werden<br />

in <strong>der</strong> Lehre aber in Frage gestellt: Zum einen handelt es sich bei finanzmarktrechtlichen<br />

Fragen scheinbar um jenes Rechtsgebiet, das im Rechtssystem weit entfernt vom Menschenrechtsschutz<br />

einzuordnen ist. Ausserdem ist fraglich, ob die EMRK als völkerrechtlicher Vertrag<br />

überhaupt für das Verhältnis zwischen Börse <strong>und</strong> Emittent bzw. Effektenhändler relevant<br />

ist. Mit <strong>der</strong> EMRK wurde nämlich ursprünglich beabsichtigt, den Schutz <strong>der</strong> "wichtigsten<br />

Individualrechte, die dem Privaten - in erster Linie um seiner Menschenwürde willen - zustehen",<br />

sicherzustellen 334 ; ökonomische Rechte - wie sie das Finanzmarktrecht gewährleistet<br />

- wurden dabei nicht erfasst. 335 In ständiger Praxis wurde <strong>der</strong> Anwendungsbereich von Art. 6<br />

EMRK aber mittlerweile auf sämtliche Verfahren erweitert, die in einem autonomen Verständnis<br />

"zivilrechtlicher" o<strong>der</strong> "strafrechtlicher" Art sind. 336 Somit kann ein Zivil- o<strong>der</strong><br />

Strafverfahren auch bei einem Verfahren zwischen Verwaltungsbehörden <strong>und</strong> Privaten vor-<br />

331 WEIGL, S. 166.<br />

332 So begründete Eugen David als nationalrätlicher Berichterstatter den Vorbehalt zugunsten des Richters in Art.<br />

9 Abs. 3 BEHG mit den Vorgaben <strong>der</strong> EMRK: „Artikel 6 EMRK verlangt, dass privatrechtliche Ansprüche<br />

letztlich von einem Richter entschieden werden können.“( Amtl.Bull. NR 1994, 1061).<br />

333 Der EGMR misst <strong>der</strong> in Art. 6 EMRK verankerten Garantie eines fairen Verfahrens eine so grosse Bedeutung<br />

zu, dass er eine restriktive Auslegung <strong>der</strong> Bestimmung generell ablehnt (vgl. HARRIS/O’BOYLE & WARBRICK, S.<br />

201 m.w.H.).<br />

334 vgl.: HAEFLIGER/SCHÜRMANN, S. 17.<br />

335 So gewährleistet die Konvention die Wirtschaftsfreiheit gerade nicht.<br />

336 FROWEIN/PEUKERT, S. 146 ff.<br />

- 51 -


Kapitel II: Verfahrensrechtliche Aspekte<br />

liegen. Im Schrifttum wird zudem seit längerem die Auffassung vertreten, dass es für die Anwendung<br />

des Art. 6 EMRK keineswegs notwendig ist, dass <strong>der</strong> zu behandelnde Streit eine<br />

Bürger-Bürger-Beziehung betreffen muss 337 , vielmehr können die Gr<strong>und</strong>rechte auch im Verhältnis<br />

zwischen Privaten wirksam sein. 338 Somit können auch monetäre Streitigkeiten in den<br />

Anwendungsbereich von Art. 6 EMRK fallen. 339 Darüber hinaus wurde in Abschnitt B.4 gezeigt,<br />

dass die Börsensanktionen als Strafen i.S.v. Art. 6 EMRK eingestuft werden können,<br />

woraus sich ebenfalls eine Pflicht, die in Art. 6 EMRK verankerten Mindestgarantien einzuhalten,<br />

ableiten lässt.<br />

Als problematisch in Bezug auf die Anwendbarkeit von Art. 6 EMRK wird im Weiteren die<br />

bewusste Entscheidung <strong>der</strong> Börse für ein <strong>Schiedsgericht</strong> als Rechtsmittelinstanz angesehen,<br />

denn ein gr<strong>und</strong>sätzliches Merkmal des Schiedsverfahren ist, dass die Parteien das anwendbare<br />

Verfahrensrecht frei wählen können. 340 Wie <strong>der</strong> EGMR jedoch in verschiedenen Fällen bestimmt<br />

hat, sind einige Rechte, die von Art. 6 EMRK geschützt werden, so f<strong>und</strong>amental <strong>und</strong><br />

wichtig, dass niemand ihrer beraubt werden sollte, selbst wenn die Person frei <strong>und</strong> ohne<br />

Zwang handelt. 341 Dazu gehören namentlich die gr<strong>und</strong>legenden Maximen wie Gleichbehandlung<br />

<strong>der</strong> Parteien, Zugang zu einem unabhängigen Gericht <strong>und</strong> die faire Chance, seinen Fall<br />

präsentieren zu können, die auch beim Schiedsverfahren zwingend beachtet werden müssen.<br />

Denn wenn die Schiedsentscheide denjenigen <strong>der</strong> staatlichen Rechtspflege hinsichtlich<br />

Rechtskraft <strong>und</strong> Vollstreckbarkeit gleichstehen sollen, muss das Verfahren die Garantien des<br />

Art. 6 EMRK einhalten. 342 In diesem Sinne hat auch das B<strong>und</strong>esgericht in seiner Rechtsprechung<br />

mehrmals bestätigt, dass sich die Verfahrensgarantien von Art. 6 EMRK auch auf das<br />

Schiedsverfahren erstrecken. 343<br />

3. Würdigung<br />

Somit ist Art. 6 EMRK auf das Börsensanktionsverfahren anwendbar. Zu gewährleisten ist<br />

gemäss Absatz 1 ein faires, zügiges <strong>und</strong> öffentliches Verfahren bei einem unparteiischen <strong>und</strong><br />

unabhängigen Gericht, das auf Gesetz beruht. 344 Der strafenähnliche Charakter <strong>der</strong> Börsen-<br />

337 GRABENWARTER, S. 42.<br />

338 so bereits: HANGARTNER, Gr<strong>und</strong>rechte, S. 53 f.<br />

339 Eine anschauliche Diskussion dieses Themas findet sich auch bei: JUCHLI/PAGNONCINI.<br />

340 SUTTER-SOMM, S. 406.<br />

341 BRINER/VON SCHLABRENDORFF, S. 92.<br />

342 ADOLPHSEN, S. 76.<br />

343 BGer.4P_168/1999 E. 2a; BGE 126 III 249, E 3c; 117 I a 168 E. 5a.<br />

344 FROWEIN/PEUKERT, S. 144.<br />

- 52 -


Kapitel II: Verfahrensrechtliche Aspekte<br />

sanktionen 345 sowie <strong>der</strong> enge Zusammenhang zwischen Börsenpflichten (Ad hoc-Publizität<br />

aber auch Management Transaktionen) <strong>und</strong> dem Straftatbestand des Insi<strong>der</strong>handels 346 bedingen<br />

ferner, dass auch die sich aus Absatz 2 ergebenden Verfahrensgarantien zu gewährleisten<br />

sind. 347 Im Folgenden soll nun das Verfahren anhand <strong>der</strong> einzelnen Kriterien des Art. 6<br />

EMRK analysiert werden, um so die Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens beurteilen zu können.<br />

F) Beurteilung durch eine unabhängige gerichtliche Instanz<br />

1. Allgemein<br />

Eine zentrale Garantie von Art. 6 Abs. 1 EMRK ist, dass bei Zivil- <strong>und</strong> Strafsachen die<br />

Rechts- <strong>und</strong> Sachverhaltsfragen umfassend von einem unabhängigen, unparteiischen, auf Gesetz<br />

beruhenden Gericht beurteilt werden müssen. 348 Dabei umfasst <strong>der</strong> Begriff „Gericht“<br />

nicht nur Gerichte im eigentliche Sinne, son<strong>der</strong>n auch unabhängige Verwaltungsbehörden. 349<br />

Unabhängigkeit bedeutet, dass die Mitglie<strong>der</strong> des Gerichts sowohl gegenüber den an<strong>der</strong>en<br />

Organen als auch gegenüber den Parteien autonom sind. Keine Gerichte i.S.v. Art. 6 EMRK<br />

sind daher verwaltungsinterne Beschwerdeinstanzen sowie von Verbänden eingesetzte Gerichte,<br />

die beide fest in die Strukturen von Behörden o<strong>der</strong> Verbänden eingebettet sind <strong>und</strong><br />

daher nicht die erfor<strong>der</strong>liche Unabhängigkeit aufweisen. 350 Parteilichkeit - auch objektive<br />

Befangenheit genannt- bezieht sich auf innere (subjektive) Tatsachen, d.h. auf eine tatsächliche<br />

o<strong>der</strong> mögliche Voreingenommenheit des Richters gegenüber einer Partei. 351 Sie ist gegeben,<br />

wenn <strong>der</strong> objektive Anschein besteht, dass sich <strong>der</strong> Richter bereits vor dem Verfahren<br />

eine Meinung über den Ausgang des Verfahrens gebildet hat. 352 Insbeson<strong>der</strong>e dürfen die<br />

Richter ihre Aufgabe nicht bereits mit <strong>der</strong> Überzeugung o<strong>der</strong> Annahme beginnen, <strong>der</strong> Beschuldigte<br />

hätte die Tat sicher begangen. 353 Gr<strong>und</strong>sätzlich sind auch die Mitglie<strong>der</strong> nicht-<br />

345 vgl. Abschnitt B.4.<br />

346 vgl. Abschnitt B.4.<br />

347 Die Unschuldsvermutung <strong>und</strong> das Recht zu schweigen kommen gr<strong>und</strong>sätzlich auch im Verfahren gegen Unternehmen<br />

zum Tragen; vgl. RYSER/KUCHOWSKY, S. 588.<br />

348 TOPHINKE, Rechtsweggarantie, S. 91.<br />

349 PERNTHALER, S. 222.<br />

350 für Vereinsorgane: BODMER, S. 82; für verwaltungsinterne Stellen: KOLLER, S. 306.<br />

351 FROWEIN/PEUKERT, S. 224 f.<br />

352 PETERS, S. 114.<br />

353 Diese For<strong>der</strong>ung ergibt sich auch aus <strong>der</strong> in Art. 6 Abs. 2 EMRK verankerten Unschuldsvermutung; TOPHIN-<br />

KE, Unschuldsvermutung, S. 291.<br />

- 53 -


Kapitel II: Verfahrensrechtliche Aspekte<br />

gerichtlicher Beschwerdeinstanzen verpflichtet, einen Tatbestand unvoreingenommen zu beurteilen.<br />

354<br />

2. Börsensanktionsverfahren<br />

a) Gerichtliche Instanz<br />

Beim Börsensanktionsverfahren sind sowohl die Untersuchungsorgane als auch die Sanktionskommission<br />

<strong>und</strong> die Beschwerdeinstanz vergleichbar mit vereins- o<strong>der</strong> verwaltungsinternen<br />

Organen <strong>und</strong> können daher m.E. beide nicht als Gericht angesehen werden. Darüber hinaus<br />

ist auch die gesetzliche Verankerung meiner Meinung nach nicht ausreichend gegeben:<br />

Denn das Börsengesetz schreibt in Art. 9 BEHG lediglich die unabhängige Beschwerdeinstanz<br />

vor, die Schaffung <strong>der</strong> Untersuchungsorgane von SER sowie <strong>der</strong> Sanktionskommission<br />

wird nur in den Börsenreglementen vorgesehen. Diese werden zwar vom Regulatory<br />

Board, einem von den Untersuchungsbehörden <strong>und</strong> den Rechtsprechungsinstanzen <strong>der</strong> Börse<br />

unabhängigen Organ, in einem angemessenen Verfahren erlassen 355 <strong>und</strong> im Anschluss von<br />

<strong>der</strong> FINMA genehmigt, dies än<strong>der</strong>t m.E. jedoch nichts daran, dass es sich nicht um ordentliche<br />

Gesetze handelt. Schliesslich wurde in Abschnitt B aufgezeigt, dass die Börsensanktionen<br />

auch Disziplinar- <strong>und</strong> Strafcharakter aufweisen. Über strafrechtliche Anklagen dürfen aber<br />

gemäss Art. 6 Abs. 1 EMRK nur Gerichte befinden 356 , weswegen eine Weiterzugsmöglichkeit<br />

<strong>der</strong> börseninternen Sanktionsentscheide zwingend erfor<strong>der</strong>lich ist.<br />

b) Unabhängigkeit <strong>und</strong> Unparteilichkeit<br />

Auch die Unabhängigkeit sowie Unparteilichkeit <strong>der</strong> Börsenorgane wird häufig als fraglich<br />

angesehen 357 : Bei den Untersuchungsorganen von SER handelt es sich um interne Organe,<br />

was gegen die nötige Unabhängigkeit spricht; die Sanktionskommission <strong>und</strong> die unabhängige<br />

Beschwerdeinstanz sind zwar beide mit externen Mitglie<strong>der</strong>n besetzt, sie werden jedoch durch<br />

interne Gremien 358 eingesetzt, wodurch die Gefahr besteht, dass sie getreu dem Motto „Wer<br />

354 KIENER, S. 34.<br />

355 zu den Verfahren beim Regulatory Board vgl. auch die Ausführungen in Kapitel I Abschnitt B.2a.<br />

356 BISCHOFBERGER, S. 51.<br />

357 Diese Meinung wird auch von einigen Experten geteilt: So ging Prof. Weber bei unserem Gespräch davon<br />

aus, dass eher ein Abhängigkeitsverhältnis bestehe.<br />

358 Bei <strong>der</strong> Sanktionskommission werden das Präsidium <strong>und</strong> die Hälfte <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> vom Regulatory Board<br />

gewählt <strong>und</strong> die übrigen Mitglie<strong>der</strong> vom Verwaltungsrat <strong>der</strong> <strong>SIX</strong> Group AG bestimmt. Die Mitglie<strong>der</strong> <strong>und</strong> Ersatzmitglie<strong>der</strong><br />

<strong>der</strong> Beschwerdeinstanz werden vom Verwaltungsrat <strong>der</strong> <strong>SIX</strong> Group AG gewählt.<br />

- 54 -


Kapitel II: Verfahrensrechtliche Aspekte<br />

die Musik bestellt, <strong>der</strong> bestimmt, was sie spielt“, stärker die Interessen <strong>der</strong> Börse berücksichtigen<br />

<strong>und</strong> es so zu einem gewissen Ungleichgewicht kommt. Auch bei vielen Emittenten<br />

herrscht das Gefühl vor, es handele sich bei den Rechtssprechungsinstanzen <strong>der</strong> Börse um ein<br />

Gebilde. Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> wird auch die Unparteilichkeit <strong>der</strong> Sanktionskommission in<br />

Frage gestellt: Da die SaKo organisatorisch bei <strong>der</strong> Börse angesiedelt ist 359 , gehen die Emittenten<br />

davon aus, dass die Sanktionskommission immer "pro domo", d.h. im Sinne <strong>der</strong> Börse<br />

entscheidet, weswegen sich ein Weiterzug gar nicht lohnt. Ferner wurde in den Emittentengesprächen<br />

auch die unvoreingenommene Geisteshaltung <strong>der</strong> Börsenorgane angezweifelt <strong>und</strong><br />

ihr im weitesten Sinne eine generelle Freude an <strong>der</strong> Bestrafung von Emittenten unterstellt.<br />

c) Fazit<br />

Das börseninterne Rechtsmittelverfahren hat somit gegenüber <strong>der</strong> staatlichen Gerichtsbarkeit<br />

nur den Charakter eines Vorschaltverfahrens 360 : Zum einen gelten interne Beschwerdeinstanzen<br />

nicht als Gericht i.S.v. Art. 6 EMRK <strong>und</strong> zum an<strong>der</strong>en wird auch die Unabhängigkeit <strong>der</strong><br />

Sanktionskommission insbeson<strong>der</strong>e von den Emittenten als Betroffenen angezweifelt. Damit<br />

die auf Selbstregulierung basierende Börsenaufsicht aber ihre Lenkungs- <strong>und</strong> Überwachungsfunktion<br />

effektiv ausführen kann, ist es entscheidend, dass sie von den Regulierten akzeptiert<br />

wird. 361 Bei <strong>der</strong> Gewinnung <strong>und</strong> Erhaltung dieses Vertrauens spielt die „erlebte“ Unabhängigkeit<br />

<strong>und</strong> Unparteilichkeit eine gr<strong>und</strong>legende Rolle. 362 Es kommt somit m.E. weniger darauf<br />

an, wie unabhängig eine Instanz wirklich ist, son<strong>der</strong>n vielmehr als wie unabhängig sie<br />

empf<strong>und</strong>en wird. Wie in den Emittenteninterviews bestätigt wurde, schätzen viele Unternehmensverantwortliche<br />

die Unabhängigkeit <strong>und</strong> Unparteilichkeit <strong>der</strong> Organe als relativ gering<br />

ein 363 , wenngleich <strong>der</strong> Verwaltungsrat <strong>der</strong> <strong>SIX</strong> keine willkürliche Personalentscheidungen<br />

treffen wird <strong>und</strong> auch die FINMA einschreiten würde, wenn unberechtigterweise Mitglie<strong>der</strong><br />

<strong>der</strong> SaKo weggewählt würden. 364 Eine Entschärfung dieses Dilemmas könnte m.E. darin bestehen,<br />

die Aufgaben von SER <strong>und</strong> den Rechtsprechungsinstanzen klarer zu trennen. 365<br />

359 Dies geht sowohl aus den Reglementen als auch aus dem Webauftritt klar hervor.<br />

360 SCHLOSSER, S. 170.<br />

361 Die Verbesserung <strong>der</strong> Akzeptanz <strong>der</strong> Regulierung wird als ein gewichtiger Vorteil <strong>der</strong> Selbstregulierung<br />

gesehen, vgl. NOBEL, Selbstregulierung, S. 120.<br />

362 Zum Zusammenhang zwischen <strong>der</strong> Effektivität <strong>der</strong> Selbstregulierung <strong>und</strong> ihrer Unabhängigkeit vgl. allgemein:<br />

NOBEL, Regulierungsarchitektur, S. 107.<br />

363 Aussage eines Emittenten: "Man hatte nicht das Gefühl, dass die Disziplinarkommission unabhängig war."<br />

364 Dies wurde jedenfalls im Interview von Börsenvertretern vorgebracht <strong>und</strong> von Herrn Aellen von <strong>der</strong> FINMA<br />

bestätigt.<br />

365 Dies soll in Abschnitt 4 näher betrachtet werden.<br />

- 55 -


Kapitel II: Verfahrensrechtliche Aspekte<br />

3. Börsenschiedsgericht<br />

a) Gerichtliche Instanz<br />

Gr<strong>und</strong>sätzlich sind Vorabentscheidungen durch quasi-richterliche Spruchstellen o<strong>der</strong> Verwaltungsbehörden<br />

mit Art. 6 Abs. 1 EMRK vereinbar, wenn <strong>der</strong> Betroffene danach die Möglichkeit<br />

erhält, ein Gericht anzurufen, das die Anfor<strong>der</strong>ungen von Art. 6 EMRK erfüllt. 366 Daraus<br />

ergibt sich, dass das Börsensanktionsverfahren mit Art. 6 Abs. 1 EMRK in Einklang ist, wenn<br />

die Entscheidungen <strong>der</strong> börseninternen Rechtsprechungsinstanzen gerichtlich überprüft werden<br />

können. In Abschnitt C.2 wurde ausführlich aufgezeigt, dass es sich beim Börsenschiedsgericht<br />

um einen vollwertigen Ersatz für ein Zivilgericht handelt, so dass die Qualifikation als<br />

gerichtliche Instanz als gegeben betrachtet werden kann.<br />

b) Unabhängigkeit <strong>und</strong> Unparteilichkeit<br />

In einem rechtsstaatlichen Verfahren reicht es aus, wenn einmal eine unabhängige Instanz den<br />

Fall beurteilt. 367 Da die Unabhängigkeit <strong>und</strong> Unparteilichkeit <strong>der</strong> börseninternen Rechtsprechungsinstanzen<br />

vor allem von den Emittenten in Frage gestellt wird, kommt <strong>der</strong> Unabhängigkeit<br />

des Börsenschiedsgerichts insofern eine beson<strong>der</strong>e Bedeutung zu, als ein – realer o<strong>der</strong><br />

empf<strong>und</strong>ener – Mangel hier geheilt <strong>und</strong> Rechtsstaatlichkeit wie<strong>der</strong> hergestellt werden kann.<br />

aa) Merkmale eines <strong>Schiedsgericht</strong>s<br />

Aus <strong>der</strong> privatrechtlichen Natur eines <strong>Schiedsgericht</strong>s ergibt sich, dass Schiedsrichter keine<br />

Beamten sind, son<strong>der</strong>n ihre Aufgabe als Privatpersonen ausüben. 368 Gleichzeitig handelt es<br />

sich bei <strong>der</strong> <strong>Schiedsgericht</strong>sbarkeit aber – obwohl sie auf einer privaten Vereinbarung beruht -<br />

nicht um eine rein private Institution. 369 Denn Richter <strong>und</strong> Schiedsrichter unterscheiden sich<br />

in ihrer Tätigkeit nicht, vielmehr sind beide als Spruchkörper befugt aber auch verpflichtet,<br />

die Streitsache endgültig <strong>und</strong> bindend zu entscheiden. 370 Bei <strong>der</strong> Schiedsabrede, die das<br />

Schiedsverhältnis begründet, handelt es sich somit um einen gemischt-rechtlichen Vertrag 371<br />

<strong>und</strong> das Rechtsverhältnis zwischen Schiedsrichter <strong>und</strong> Parteien kann als mandatsähnlicher,<br />

366 So auch: SCHWAB/GOTTWALD, S. 40.<br />

367 vgl. Öztürk, BGER vom 19.4.1990 SZIER 1991, 405.<br />

368 RÜEDE/HADENFELDT, S. 3.<br />

369 vgl. bereits GENTINETTA, S. 101.<br />

370 BERGER/KELLERHALS, S. 2.<br />

371 so auch: HABSCHEID, Zivilprozess, S. 517.<br />

- 56 -


Kapitel II: Verfahrensrechtliche Aspekte<br />

teils dem Privatrecht, teils dem Prozessrecht unterstehen<strong>der</strong> Vertrag sui generis klassifiziert<br />

werden. 372 Der Schiedsrichter ist beiden Parteien gegenüber zur sorgfältigen <strong>und</strong> beför<strong>der</strong>lichen<br />

Erfüllung des Auftrags <strong>und</strong> zur Verschwiegenheit verpflichtet. 373 Ausserdem müssen die<br />

Schiedsrichter die gleiche Gewähr für eine unabhängige Rechtsprechung bieten wie ein staatliches<br />

Gericht; denn nur dann ist es gerechtfertigt, Schiedsurteile mit jenen <strong>der</strong> staatlichen<br />

Rechtspflege gleichzusetzen. 374<br />

Überdies ist ein charakteristisches Merkmal eines <strong>Schiedsgericht</strong>s die paritätische Zusammensetzung<br />

mit von den Parteien gewählten Vertretern. 375 Daraus ergeben sich gr<strong>und</strong>sätzlich Fragen<br />

bezüglich <strong>der</strong> Unabhängigkeit des <strong>Schiedsgericht</strong>s, denn Richter <strong>und</strong> Parteien sind oft<br />

durch eine persönliche Beziehung verb<strong>und</strong>en. 376 Diese Bedenken werden aber häufig mit<br />

Verweis auf die Rolle <strong>der</strong> (bzw. des) an<strong>der</strong>en Parteischiedsrichters <strong>und</strong> des neutralen Obmanns<br />

wi<strong>der</strong>legt. Denn dieser sollte in keinem beson<strong>der</strong>en Verhältnis zu einer Partei stehen.<br />

377<br />

bb) Merkmale des Börsenschiedsgerichts<br />

Auch das Börsenschiedsgericht tagt in Dreierbesetzung <strong>und</strong> besteht neben dem Obmann aus<br />

je einem von den Parteien für den einzelnen Fall bezeichneten Schiedsrichter. 378 Die Bestimmung<br />

des Obmanns ist jedoch speziell beim Börsenschiedsgericht: Er <strong>und</strong> sein Stellvertreter<br />

werden nämlich nicht wie üblich durch die beiden an<strong>der</strong>en Schiedsrichter, son<strong>der</strong>n vom Präsidenten<br />

des B<strong>und</strong>esgerichts gewählt <strong>und</strong> haben diesen Posten für die Dauer von vier Jahren<br />

fest inne. Ein so starker Einbezug <strong>der</strong> richterlichen Behörde ist jedoch eher ungewöhnlich:<br />

Sowohl die alte Regelung im KSG als auch die neue Ordnung in <strong>der</strong> ZPO sahen bzw. sehen<br />

eine Involvierung des staatlichen Gerichts erst vor, wenn sich die Parteischiedsrichter nicht<br />

innert angemessener Frist einigen können. 379 Somit ist in diesem Fall eine ausserordentliche<br />

Einflussnahme einer staatlichen Instanz zu beobachten, <strong>und</strong> da zurzeit mit Prof. Claude Rouiller<br />

<strong>und</strong> Prof. Hans Peter Walter zwei ehemalige B<strong>und</strong>esrichter das Amt des Obmanns des<br />

Börsenschiedsgerichts bzw. seines Stellvertreter bekleiden, werden Bedenken wach, dass das<br />

B<strong>und</strong>esgericht Leute aus den eigenen Reihen auswählt, um so einen entscheidenden Einfluss<br />

372 vgl. auch: SPÜHLER/DOLGE/GEHRI, S. 421.<br />

373 RÜEDE/HADENFELDT, S. 155 ff.<br />

374 so auch: BGE 92 I 271 E. 4.<br />

375 vgl. Art. 11 KSG bzw. Art. 361 ZPO.<br />

376 GEISER, S. 80 ff.<br />

377 vgl. auch bereits: KOHLER, S. 84.<br />

378 www.six-exchange-regulation.com/enforcement/judicial_bodies_de.html.<br />

379 Art. 12 KSG, Art. 362 Abs. 1 lit. a ZPO; vgl. auch: RÜEDE/HADENFELDT, S. 121, SCHWANDER/STACHER, S.<br />

1991.<br />

- 57 -


Kapitel II: Verfahrensrechtliche Aspekte<br />

auf die Rechtsprechung des Börsenschiedsgerichts nehmen zu können. In Anbetracht <strong>der</strong> klaren<br />

Betonung des privatrechtlichen Charakters des Börsenwesens bei <strong>der</strong> Ausgestaltung des<br />

Börsengesetzes, die durch die Einsetzung des <strong>Schiedsgericht</strong>s als klassischem Privatgericht<br />

noch unterstrichen werden sollte, ist eine solche Einflussnahme durch eine staatliche Instanz<br />

(B<strong>und</strong>esgericht) m.E. heikel.<br />

cc) Ergebnis<br />

Das paritätische Besetzungsverfahren wird als ein Vorteil <strong>der</strong> <strong>Schiedsgericht</strong>sbarkeit angesehen,<br />

denn die Parteien können den Spruchkörper aus Fachleuten zusammstellen, die ihnen<br />

sachk<strong>und</strong>ig erscheinen 380 <strong>und</strong> die vor allem aber auch ihr Vertrauen geniessen 381 : So handelt<br />

es sich auch bei den Parteienschiedsrichtern des Börsenschiedsgerichts zumeist um Experten<br />

aus Lehre <strong>und</strong> Praxis, die über vertiefte Kenntnisse im Finanz- <strong>und</strong> Kapitalmarktrecht verfügen.<br />

Überdies ist das Interesse an <strong>der</strong> Unabhängigkeit <strong>und</strong> Unparteilichkeit des Schiedsrichters<br />

zumeist geringer, da die Parteien selbst entscheiden können, wie sie eine mögliche „Befangenheit“<br />

des Schiedsrichters beurteilen. Schliesslich kommt dem Parteischiedsrichter die<br />

Aufgabe zu, die zugunsten seiner Partei sprechenden Aspekte herauszuarbeiten <strong>und</strong> vorzutragen.<br />

382 Die Neigung des „Parteirichters“ zugunsten <strong>der</strong> ihn ernennenden Partei 383 kann zudem<br />

mit Vorteilen für die Urteilsfindung verb<strong>und</strong>en sein: Denn da Akten auf verschiedene Weise<br />

gelesen, d.h. interpretiert werden können, wird durch die selektive Bearbeitung gewährleistet,<br />

dass die verschiedenen Facetten eines Falls dem Gericht ins Bewusstsein treten. 384 Solange<br />

dabei die einseitige Aktenbearbeitung auf das Vorbringen von Argumenten beschränkt bleibt<br />

<strong>und</strong> nicht auch noch beabsichtigt wird, den Argumenten <strong>der</strong> Partei zum Erfolg zu verhelfen,<br />

ist dies unproblematisch. Denn es wäre wirklichkeitsfremd, davon auszugehen, dass Richter<br />

nicht von einem persönlich geprägten Vorverständnis – von „intuition, emotion and preconception“<br />

385 - geprägt sind. Der Einbezug <strong>der</strong> Parteien in die Bildung des <strong>Schiedsgericht</strong>s ist<br />

ferner gar eine Notwendigkeit, denn die Einschränkung des Rechtsmittelwegs, auf die in Ab-<br />

380 vgl. auch bereits allgemein: SPÜHLER/DOLGE/GEHRI, S. 414.<br />

381 vgl. auch RÜEDE/HADENFELDT, S. 30 f. Der Möglichkeit, bei <strong>der</strong> Besetzung eines Spruchkörpers mitwirken<br />

zu können, wird ohnehin neuerdings eine grössere Bedeutung zugemessen: So hebt auch SCHWANDER hervor,<br />

dass es <strong>der</strong> Akzeptanz <strong>der</strong> Urteile för<strong>der</strong>lich wäre, wenn die Parteien aus einer Liste den Spruchkörper individuell<br />

zusammenstellen könnten (vgl. SCHWANDER, S. 5).<br />

382 so bereits BUCHER, Unabhängigkeit, S. 608.<br />

383 vgl. dazu auch die Ausführungen in Abschnitt c.<br />

384 BUCHER, Unabhängigkeit, S. 608.<br />

385 POSNER, Judges, S. 98.<br />

- 58 -


Kapitel II: Verfahrensrechtliche Aspekte<br />

schnitt 6 eingegangen wird, kann den Parteien nur zugemutet werden, wenn sie ein Mitspracherecht<br />

bei <strong>der</strong> Zusammensetzung haben. 386<br />

c) Überprüfbarkeit <strong>der</strong> Entscheide <strong>der</strong> Börsenorgane<br />

Wie das B<strong>und</strong>esgericht 1992 unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des EGMR festgehalten<br />

hat 387 , müssen zivilrechtliche Streitigkeiten im Sinne von Art. 6 Abs. 1 EMRK nicht<br />

nur in rechtlicher, son<strong>der</strong>n auch in tatsächlicher Hinsicht einer umfassenden gerichtlichen<br />

Überprüfung zugänglich sein. Da es sich beim Börsenschiedsgericht um ein vollwertiges Zivilgericht<br />

handelt, ergibt sich daraus, dass es verpflichtet ist, die Entscheide <strong>der</strong> Börsenorgane<br />

vollumfänglich zu prüfen. 388 Diese Auslegung steht jedoch im Wi<strong>der</strong>spruch zur Meinung <strong>der</strong><br />

Börse, die davon ausgeht, dass das Schiedsverfahren nur eine Fortsetzung des börseninternen<br />

Beschwerdeverfahrens ist <strong>und</strong> das <strong>Schiedsgericht</strong> Zurückhaltung bei <strong>der</strong> Überprüfung <strong>der</strong><br />

Entscheide üben sollte. 389 Eine gewisse Kognitionsbeschränkung ist insbeson<strong>der</strong>e im Verwaltungsrecht<br />

durchaus üblich <strong>und</strong> wird auch von <strong>der</strong> Literatur mehrheitlich akzeptiert. 390 Insbeson<strong>der</strong>e<br />

wenn die Vorinstanz über spezielle fachliche Kenntnisse verfügt, soll die entscheidende<br />

Instanz - auch ein Gericht - darauf verzichten, eine nicht besser begründbare eigene<br />

Auffassung an die Stelle <strong>der</strong> Beurteilung durch die in <strong>der</strong> betreffenden Frage beson<strong>der</strong>s ausgewiesene<br />

Vorinstanz zu setzen. 391 Wie aber HANGARTNER zutreffend feststellt, ist diese Zurückhaltung<br />

v.a. gerechtfertig im Verhältnis von allgemeinen Verwaltungsgerichten zu spezialisierten<br />

Vorinstanzen (Rekurskommissionen etc.) 392 Hingegen besteht kein Anlass, dass ein<br />

ebenfalls spezialisiertes Gericht Zurückhaltung in <strong>der</strong> Überprüfung von Entscheiden einer<br />

(spezialisierten) Vorinstanz übt. Wie gezeigt wurde, handelt es sich beim Börsenschiedsgericht<br />

um solch eine beson<strong>der</strong>s qualifizierte gerichtliche Instanz, so dass hier eine Beschränkung<br />

<strong>der</strong> Überprüfungsbefugnis we<strong>der</strong> nötig noch sinnvoll ist. Vielmehr beginnt – allerdings<br />

entgegen <strong>der</strong> Auffassung <strong>der</strong> Börse – das Verfahren beim Börsenschiedsgericht in dem Sinne<br />

neu, dass sämtliche Aspekte des Falls einer objektiven Überprüfung unterzogen werden.<br />

386 Dies wurde auch vom B<strong>und</strong>esgericht mehrmals bekräftigt, u.a. im Zusammenhang mit dem in <strong>der</strong> VSB verankerten<br />

<strong>Schiedsgericht</strong>, vgl. dazu auch: MEYER, Vereinbarung, S. 161.<br />

387 BGE 118 Ia 473 ff. E. 5 <strong>und</strong> 7.<br />

388 vgl. auch SCHWANDER, S. 11, <strong>der</strong> davon ausgeht, dass eine volle gerichtliche Kognition eine gesetzliche<br />

Pflicht ist.<br />

389 Dies wurde in den Interviews deutlich.<br />

390 HANGARTNER, Kognitionsbeschränkungen, S. 319 ff. m.w.H.<br />

391 HANGARTNER, Kognitionsbeschränkungen, S. 327 f.<br />

392 HANGARTNER, Zurückhaltung, S. 172.<br />

- 59 -


Kapitel II: Verfahrensrechtliche Aspekte<br />

d) Fazit<br />

Die Möglichkeit, eine Rechtsstreitigkeit einer unbefangenen Instanz zur Entscheidung zu unterbreiten,<br />

gehört zu den Kerngarantien eines Rechtsstaates, die auch durch Deregulierungs<strong>und</strong><br />

Selbstregulierungsbestrebungen nicht aufgehoben werden darf. 393 Rechtsprechung ist<br />

jedoch nicht länger eine reine Staatsfunktion, sie kann vielmehr auch durch nichtstaatliche<br />

Gremien ausgeübt werden. 394 Bei <strong>der</strong> Börse wurde dementsprechend auch ein <strong>Schiedsgericht</strong><br />

anstatt eines ordentlichen Gerichts eingeführt. Wie das Schweizer B<strong>und</strong>esgericht bereits 1996<br />

hervorhob 395 , kann ein <strong>Schiedsgericht</strong> als gleichwertige Alternative zur staatlichen Gerichtsbarkeit<br />

angesehen werden, wenn es unabhängig ist. Dabei sollte die Unabhängigkeit eines<br />

<strong>Schiedsgericht</strong>s danach beurteilt werden, ob die Parität zwischen den Parteien gewahrt bleibt,<br />

d.h. keine <strong>der</strong> Parteien bei <strong>der</strong> Bestellung eine Vorzugsstellung <strong>und</strong> überwiegenden Einfluss<br />

im Spruchkörper erhält. 396 Bei <strong>der</strong> Bestellung des Börsenschiedsgerichts kann eine dominierende<br />

Stellung einer <strong>der</strong> Parteien m.E. klar verneint werden, vielmehr kommt je<strong>der</strong> Partei das<br />

gleiche Recht zu, einen Schiedsrichter ihrer Wahl zu bestimmen. In <strong>der</strong> Lehre wird schliesslich<br />

stets die Bedeutung des keiner Partei verpflichteten Obmanns betont, <strong>der</strong> um ein objektives<br />

Verhalten bemüht sein wird. 397 Wie in Abschnitt b.bb) ausgeführt wurde, ist die Stellung<br />

des Obmanns (<strong>und</strong> seines Stellvertreters) des Börsenschiedsgerichts insofern speziell, als die<br />

Berufung nicht durch die Parteischiedsrichter, son<strong>der</strong>n durch das B<strong>und</strong>esgericht – also in diesem<br />

Sinne wirklich durch eine externe Stelle – erfolgt. In Abschnitt b.bb) wurde auf die Problematik<br />

einer staatlichen Einflussnahme auf das private Börsenschiedsgericht hingewiesen. In<br />

Bezug auf die von Art. 6 EMRK gefor<strong>der</strong>te Unabhängigkeit scheint mir auf jeden Fall diese<br />

Berufungspraxis das Image <strong>der</strong> Neutralität <strong>und</strong> Objektivität des Obmanns zu erhöhen.<br />

Insgesamt kann somit m.E. festgestellt werden, dass es sich beim Börsenschiedsgericht um<br />

eine unabhängige <strong>und</strong> vollwertige gerichtliche Instanz handelt. Um die Anfor<strong>der</strong>ungen von<br />

Art. 6 EMRK zu erfüllen, muss eine gerichtliche Instanz mit voller sachlicher Prüfungs- <strong>und</strong><br />

Entscheidungskompetenz das strittige Rechtsverhältnis beurteilen können. 398 Daraus ergibt<br />

sich, dass das <strong>Schiedsgericht</strong> befugt sein muss, sämtliche Aspekte frei zu prüfen 399 : Somit ist<br />

es nicht an die Feststellungen <strong>der</strong> börseninternen Rechtsprechungsinstanzen geb<strong>und</strong>en, son-<br />

393 MADER, S. 100.<br />

394 RAMM, S. 162.<br />

395 Nagel ./. FEI vom 31.10.1996; 4C 44/1996; vgl. auch bereits: ADOLPHSEN, S. 77.<br />

396 KIENER, S. 118 m.w.H.<br />

397 EBBING, S. 67.<br />

398 PERNTHALER, S. 231.<br />

399 HAEFLIGER/SCHÜRMANN, S. 158.<br />

- 60 -


Kapitel II: Verfahrensrechtliche Aspekte<br />

<strong>der</strong>n kann sich seine eigene Meinung zu den strittigen Fragen bilden. Nur so kann die erfor<strong>der</strong>liche<br />

gerichtliche Überprüfung i.S.v. Art. 6 EMRK wirklich gewährleistet werden.<br />

4. Gewaltenteilung bei <strong>der</strong> Börse<br />

Die Trennung von regulatorischen Funktionen <strong>und</strong> dem operativen Geschäft sowie die Einführung<br />

des Regulatory Boards Anfang 2009 400 vollendeten einen Prozess, <strong>der</strong> mit <strong>der</strong> Übertragung<br />

<strong>der</strong> Rechtsetzungskompetenzen an die neugegründete Sanktionskommission per 1.<br />

Januar 2007 401 begonnen hatte: Die saubere Trennung zwischen Regelsetzung, Regelvollzug<br />

<strong>und</strong> Rechtsprechung war umgesetzt. Eine solche Gewaltenteilung gehört zu den Gr<strong>und</strong>prinzipien<br />

<strong>der</strong> Rechtstaatlichkeit. 402 Durch die Aufteilung auf mehrere Organe soll die Macht begrenzt<br />

<strong>und</strong> Machtmissbrauch verhin<strong>der</strong>t werden. 403 Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> ist die Aufteilung<br />

bei <strong>der</strong> Börse sehr zu begrüssen, wie sich auch in den Gesprächen mit Vertretern <strong>der</strong> verschiedenen<br />

Börsenorgane zeigte: Jedes <strong>der</strong> drei Organe soll bei <strong>der</strong> Ausübung <strong>der</strong> ihm zugewiesenen<br />

Funktion weitgehend unabhängig von den an<strong>der</strong>en beiden agieren <strong>und</strong> somit auch<br />

im Sinne des checks and balances Ermessensüberschreitungen bzw. Fehlentscheidungen korrigieren<br />

können. Während die Trennung <strong>der</strong> Legislative von den an<strong>der</strong>en beiden Organen<br />

m.E. gut gelungen ist 404 , weist die bei <strong>der</strong> Börse praktizierte Aufgabenteilung zwischen <strong>der</strong><br />

Exekutive SER <strong>und</strong> den Rechtsprechungsinstanzen Sanktionskommission <strong>und</strong> Beschwerdeinstanz<br />

noch einige Schwachstellen auf: In weniger schwerwiegenden Fällen 405 führt SER<br />

nicht nur die Ermittlungen durch, son<strong>der</strong>n trifft gleich selber einen Entscheid; nur bei gravieren<strong>der</strong>en<br />

Verfehlungen 406 agiert sie lediglich als Untersuchungsbehörde <strong>und</strong> beantragt eine<br />

Sanktion bei <strong>der</strong> Sanktionskommission. Wie bereits in Abschnitt C.1 aufgezeigt wurde, ist die<br />

Rolle von SER vergleichbar mit <strong>der</strong> eines Staatsanwalts <strong>und</strong> die <strong>der</strong> SaKo mit <strong>der</strong> eines Gerichts.<br />

407 Im Strafprozessrecht ist die Unabhängigkeit <strong>der</strong> Justiz von <strong>der</strong> Exekutive f<strong>und</strong>amental,<br />

<strong>und</strong> unter dem Einfluss <strong>der</strong> EMRK setzte sich zudem in <strong>der</strong> Schweiz zunehmend die Erkenntnis<br />

durch, dass Personalunion von vorbereiten<strong>der</strong> <strong>und</strong> entscheiden<strong>der</strong> Instanz zu institu-<br />

400 Medienmitteilung <strong>der</strong> <strong>SIX</strong> Group vom 7. Januar 2009, <strong>SIX</strong> Group stärkt Regulierungstrukturen <strong>der</strong> Börse.<br />

401 Medienmitteilung <strong>der</strong> SWX Swiss Exchange vom 20. November 2006, Die SWX Swiss Exchange gibt sich<br />

eine neue Verfahrensordnung.<br />

402 SEILER, Gewaltenteilung, S. 232 mit weiteren historischen Hinweisen.<br />

403 BIAGGINI, S. 178.<br />

404 Das Regulatory Board ist als legislatives Organ überhaupt nicht in die Untersuchung <strong>und</strong> Sanktionierung<br />

involviert, son<strong>der</strong>n erfährt meistens von den Fällen auch nur aus <strong>der</strong> Presse.<br />

405 d.h. wenn lediglich ein Verweis o<strong>der</strong> eine Busse als Sanktion ausgesprochen werden<br />

406 d.h. wenn als Sanktion Sistierung des Handels, Dekotierung, Suspendierung <strong>und</strong> Ausschluss von Teilnehmern<br />

sowie Suspendierung <strong>und</strong> Entzug <strong>der</strong> Registrierung von Händlern verhängt wird.<br />

407 Dies wurde auch im Gespräch mit den SaKo-Mitglie<strong>der</strong>n deutlich.<br />

- 61 -


Kapitel II: Verfahrensrechtliche Aspekte<br />

tioneller Befangenheit führen kann. 408 Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> erscheint das in Kapitel I Abschnitt<br />

B.2 vorgestellte Verfahren, bei dem SER auch Sanktionen verhängen kann, als problematisch.<br />

Durch eine klare Trennung <strong>der</strong> Aufgabenbereiche – SER wäre nur noch für die<br />

Untersuchungen <strong>und</strong> die Beantragung von Sanktionen zuständig, die Verhängung <strong>der</strong> Sanktionen<br />

obläge vollständig den Rechtsprechungsinstanzen - könnte die Glaubwürdigkeit des<br />

Börsensanktionsverfahrens merklich erhöht werden.<br />

5. Würdigung<br />

Eine Rechtsmittelordnung mit angemessenen Beschwerdemöglichkeiten dient neben dem<br />

Ausgleich des Parteiinteresses auch <strong>der</strong> Befriedigung eines allgemeinen Interesses <strong>der</strong> Öffentlichkeit<br />

409 : Es soll ein möglichst gerechtes <strong>und</strong> richtiges Urteil zustande kommen. Daher ist<br />

die Gewährleistung von Beschwerdemöglichkeiten eine unabdingbare Verfahrensgarantie.<br />

Das Beschwerdeverfahren <strong>der</strong> Börse erfüllt gesamthaft betrachtet m.E. die Anfor<strong>der</strong>ungen,<br />

die von Art. 6 Abs. 1 EMRK an den Instanzenzug gestellt werden: Gr<strong>und</strong>sätzlich besteht eine<br />

funktionale Trennung zwischen den Untersuchungsorganen <strong>und</strong> den Rechtsprechungsinstanzen.<br />

Im Untersuchungsverfahren wird den Emittenten gr<strong>und</strong>sätzlich die Möglichkeit gewährt,<br />

ihre Sicht <strong>der</strong> Dinge darzustellen, <strong>und</strong> bei Vorliegen einer plausiblen Erklärung wird auch von<br />

einer Sanktion abgesehen, so dass <strong>der</strong> von Emittenten geäusserte Vorwurf <strong>der</strong> Parteilichkeit in<br />

dieser absoluten Form nicht berechtigt ist: Die Tatsache, dass die Börse bei Wie<strong>der</strong>holungstätern<br />

<strong>und</strong> Regulierten, die im Vorabklärungsverfahren ein schlechtes Bild abgeben 410 , mit<br />

grösserer Härte vorgeht, sollte meiner Meinung nach nicht als Voreingenommenheit ausgelegt<br />

werden. Solche „Befangenheit“ aufgr<strong>und</strong> bestimmter Umstände ist menschlich, unvermeidlich<br />

<strong>und</strong> kommt auch bei ordentlichen Gerichten vor. Darüber hinaus können Emittenten <strong>und</strong><br />

Teilnehmer, die sich ungerecht beurteilt fühlen, den Entscheid an die Rechtsprechungsinstanzen<br />

weiterziehen. Sowohl die Sanktionskommission als auch die Beschwerdekommission sind<br />

mit externen Mitglie<strong>der</strong>n besetzt, die in <strong>der</strong> Rechtspflege, dem Effektenhandel o<strong>der</strong> dem Kapitalmarktrecht<br />

sachk<strong>und</strong>ig sind (Rechtsprofessoren, Juristen <strong>und</strong> Leute aus <strong>der</strong> Wirtschaft)<br />

<strong>und</strong> auch ausreichend über Praxiserfahrung verfügen. 411 Entsprechend wurde den Mitglie<strong>der</strong>n<br />

<strong>der</strong> Sanktionskommission <strong>und</strong> <strong>der</strong> Beschwerdeinstanz auch generell in den Emittenten-<br />

Interviews gesun<strong>der</strong> Menschenverstand, eine grössere Kompetenz <strong>und</strong> Praxisnähe sowie eine<br />

408 PIETH, Strafprozessrecht, S. 44.<br />

409 vgl. allgemein zu Begründung von Rechtsmitteln: RUST, S. 17.<br />

410 Dies wird in Kap. III Abschnitt H.3b näher erläutert.<br />

411 Siehe die Auflistungen im Anhang.<br />

- 62 -


Kapitel II: Verfahrensrechtliche Aspekte<br />

geringere Neigung zu Fehlentscheiden als den Mitarbeitern von SER bescheinigt. 412 Ferner ist<br />

die Sanktionskommission gr<strong>und</strong>sätzlich befugt, die Entscheidungen <strong>der</strong> Untersuchungsbehörden<br />

vollständig zu überprüfen <strong>und</strong> auch die Sachlage neu zu beurteilen. Diese Aufgabenteilung<br />

ist insgesamt begrüssenswert: Denn während die untersuchende Behörde SER in ihrer<br />

Funktion als Regulator das Recht eng auslegen <strong>und</strong> gr<strong>und</strong>sätzlich in dubio pro iure entscheiden<br />

muss, ist es die Aufgabe <strong>der</strong> nächsten Instanz, die wirtschaftliche Bedeutung des Verstosses<br />

zu beurteilen <strong>und</strong> in dubio pro reo zu entscheiden. Wie die Sanktionskommission explizit<br />

in einem ihrer Entscheide hervorhebt, ist sie we<strong>der</strong> an den Antrag auf Sanktionierung seitens<br />

SER noch an die vom Untersuchungsorgan angeführten rechtlichen Gründe geb<strong>und</strong>en, son<strong>der</strong>n<br />

wendet das Recht ex officio an <strong>und</strong> prüft dabei nur die Argumente <strong>der</strong> Parteien, welche<br />

für die Entscheidfindung im Fall stichhaltig sind. 413 Insbeson<strong>der</strong>e die Entscheide "Sulzer" 414<br />

o<strong>der</strong> "UBS" 415 haben gezeigt, dass die Sanktionskommission den Entscheid von SER eben<br />

nicht immer teilt 416 ; vielmehr wurden in den erwähnten Entscheiden übertriebene Auslegungen<br />

<strong>der</strong> Bestimmungen zu den Emittentenpflichten relativiert. 417 Der Sulzer-Entscheid hat<br />

auch insofern schon Einfluss auf die Meinung <strong>der</strong> Emittenten, als die Sanktionskommission<br />

seitdem vermehrt von den Emittenten als unabhängige Behörde wahrgenommen wird. Das<br />

Vertrauen <strong>der</strong> Emittenten in die Unabhängigkeit <strong>der</strong> Rechtsprechungsinstanzen könnte m.E.<br />

jedoch noch verstärkt werden, wenn SER nur Untersuchungen vornimmt <strong>und</strong> Sanktionen beantragt,<br />

die Verhängung <strong>der</strong> Sanktion dann aber den Rechtsprechungsinstanzen obliegt.<br />

Trotz dieser positiven Aspekte ist aber festzuhalten, dass die börseninternen Instanzen die<br />

Anfor<strong>der</strong>ungen von Art. 6 Abs. 1 EMRK insofern nicht erfüllen, als sie - wie gezeigt - nicht<br />

als in einem ordentlichen Gesetz verankerte Gerichte angesehen werden können. Vielmehr<br />

sind sie vergleichbar mit Vereinsorganen, die auch nicht endgültig über Strafansprüche entscheiden<br />

dürfen. 418 Zudem ist <strong>der</strong> auch in den Interviews von den Emittenten vorgebrachte<br />

Einwand zu beachten, die Rechtsprechungsorgane seien nicht unabhängig, weswegen sich ein<br />

Beschwerdeverfahren nicht lohne.<br />

412 Dies wurde auch in den Interviews deutlich.<br />

413 Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission vom 19.4.2010, Verantwortlichkeit des Teilnehmers für das Or<strong>der</strong>-<br />

Routingsystem, Rz. 6.<br />

414 Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission vom 30 Juli 2010 (SaKo 201-CG-II/10, SaKo 2010-MP-I/10)<br />

415 Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission vom 30. November 2010 (SaKo 2010-AHP-II/10, SaKo 2010-CG-<br />

IV/10).<br />

416 Wie Herr Lüchinger im Interview hervorhob, ist dies gar nicht erwünscht, son<strong>der</strong>n wäre vielmehr ein Armutszeugnis,<br />

da es bedeuten würde, dass SER zu konservative (milde) Anträge stellen würde <strong>und</strong> somit ihrer Aufgabe<br />

als Marktaufsichtsbehörde nicht gerecht würde.<br />

417 So hatte bspw. SER im Sanktionsantrag zu "Sulzer" eine Busse von CHF 15'000 beantragt; dies wurde von<br />

<strong>der</strong> SaKo aber letztlich soweit relativiert, als nur ein Verweis erteilt wurde.<br />

418 BODMER, S. 82.<br />

- 63 -


Kapitel II: Verfahrensrechtliche Aspekte<br />

Gemäss EGMR-Rechtsprechung genügt es jedoch, wenn ein Gericht die Verwaltungsentscheidungen<br />

o<strong>der</strong> Rekursentscheide auf Beschwerde hin nachkontrolliert. 419 Ein solches wurde<br />

deswegen in Form des Börsenschiedsgerichts eingerichtet. Wie in Abschnitt C.2 erarbeitet<br />

wurde, handelt es sich beim Börsenschiedsgericht um eine gerichtliche Instanz i.S.v. Art 6<br />

Abs. 1 EMRK, so dass eine EMRK-konforme gerichtliche Nachprüfung m.E. gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

gegeben ist. Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass das durchwegs aus Fachleuten<br />

bestehende <strong>Schiedsgericht</strong> gut geeignet ist, qualifizierte Urteile zu fällen. Die in <strong>der</strong> Lehre<br />

teilweise gefor<strong>der</strong>te Abschaffung des Börsenschiedsgerichts 420 ist meiner Meinung nach daher<br />

abzulehnen. Denn ein <strong>Schiedsgericht</strong> bietet als Teil <strong>der</strong> rechtsgeschäftlichen Privatautonomie<br />

den Parteien diverse Vorteile, auf die in den kommenden Abschnitten näher eingegangen<br />

wird.<br />

6. Endgültigkeit des Schiedsspruchs<br />

a) Ausgangslage<br />

Das Börsenschiedsgericht ist nicht nur eine vollwertige gerichtliche Instanz; gemäss Angaben<br />

<strong>der</strong> Börse 421 soll es auch letzte Instanz sein, wodurch ein Weiterzug an ein staatliches Gericht<br />

ausgeschlossen würde. Es wurde bereits verschiedentlich darauf eingegangen, dass die Anfänge<br />

als Verein die Verfahren <strong>der</strong> Börse nachhaltig geprägt haben. So sehen auch Vereinsstatuten<br />

- aus dem Bestreben heraus, Streitigkeiten vereinsintern, ohne Kenntnisnahme einer<br />

breiteren Öffentlichkeit zu erledigen - oft Bestimmungen vor, die die Anfechtung einer Vereinsstrafe<br />

vor dem staatlichen Richter untersagen. 422 Aber auch abgesehen vom Vereinswesen<br />

wird sowohl in <strong>der</strong> Lehre 423 als auch vom B<strong>und</strong>esgericht 424 die Vermeidung <strong>der</strong> staatlichen<br />

Gerichtsbarkeit oft als Vorteil von <strong>Schiedsgericht</strong>en gesehen, da das Verfahren beschleunigt<br />

<strong>und</strong> die Geheimhaltung gewährleistet werden kann.<br />

419 Le Compte, Lutz, Öztürk, BGER vom 19.4.1990 SZIER 1991, 405.<br />

420 vgl. insb. WEBER, Neuordnung.<br />

421 Vgl. www.six-exchange-regulation.com/enforcement/judicial_bodies_de.html.<br />

422 BODMER, S. 149.<br />

423 SPÜHLER/DOLGE/GEHRI, S. 425.<br />

424 BGE 130 III 66 E 3.1.<br />

- 64 -


Kapitel II: Verfahrensrechtliche Aspekte<br />

b) Klagemöglichkeiten für Betroffene<br />

Ein gänzlicher Ausschluss jeglicher Beschwerdemöglichkeiten ist aber problematisch, denn<br />

dem Ersatz <strong>der</strong> staatlichen Gerichte durch <strong>Schiedsgericht</strong>e steht nur so lange nichts im Wege,<br />

als es nicht zu einem Abbau rechtsstaatlicher Verfahrensprinzipien kommt. 425 Denn Fehlentscheidungen<br />

kommen naturgemäss vor 426 <strong>und</strong> gegen gravierende Fehlentscheidungen muss<br />

die Möglichkeit <strong>der</strong> Beschwerde bei einem staatlichen Forum gegeben sein. 427 Daher ist auch<br />

ein Vorausverzicht auf die Geltendmachung einzelner Beschwerdegründe nicht statthaft. 428<br />

Überdies ist auch zu bezweifeln, dass die Parteien beim Fehlen von Weiterzugsmöglichkeiten<br />

bereit wären, ein <strong>Schiedsgericht</strong> anstelle <strong>der</strong> staatlichen Gerichtsbarkeit zu akzeptieren, denn<br />

sie würden sich dann auf Gedeih <strong>und</strong> Ver<strong>der</strong>b den Schiedsrichtern ausliefern. 429 Darüber hinaus<br />

sind Schiedsentscheide – wie erwähnt - Akte <strong>der</strong> Rechtsprechung <strong>und</strong> müssen daher einer<br />

gewissen (wenn auch minimalen) Kontrolle durch staatliche Überprüfung unterstehen. 430 Ein<br />

vorgängiger Verzicht auf das eingeräumte Beschwer<strong>der</strong>echt wurde daher auch vom B<strong>und</strong>esgericht<br />

ausgeschlossen. 431<br />

Ungeachtet <strong>der</strong> Angabe <strong>der</strong> Börse ist das Urteil des Börsenschiedsgerichts nicht endgültig,<br />

vielmehr steht – wenigstens teilweise - <strong>der</strong> Zivilrechtsweg noch offen. 432 Ergriffen werden<br />

konnten früher die zwei im KSG vorgesehenen ausserordentlichen Rechtsmittel: In erster Linie<br />

bestand die Möglichkeit <strong>der</strong> Nichtigkeitsbeschwerde (Art. 36 ff. KSG) an das obere kantonale<br />

Gericht (Kanton Zürich: Obergericht), mit <strong>der</strong> Schiedssprüche, die in nicht schiedsfähiger<br />

Sache ergangen waren, o<strong>der</strong> sonst an materiellrechtlichen o<strong>der</strong> prozessualen Mängeln<br />

litten, angefochten werde konnen. Ebenfalls ausdrücklich geregelt wurde die Revision (Art.<br />

41 ff. KSG), welche ebenfalls beim Obergericht einzulegen war. Möglich war die Revision<br />

gegen Schiedssprüche, auf die durch strafbare Handlungen eingewirkt worden war o<strong>der</strong> die in<br />

Unkenntnis erheblicher Tatsachen o<strong>der</strong> Beweismittel gefällt wurden. Nach Einführung <strong>der</strong><br />

neuen Zivilprozessordnung fand eine Abkehr vom zweistufigen Verfahren statt, <strong>und</strong> das B<strong>und</strong>esgericht<br />

ist gemäss Art. 389 ZPO neu einzige Rechtsmittelinstanz für Schiedssprüche. Die<br />

Entscheide des <strong>Schiedsgericht</strong>s können nun mit Einheitsbeschwerde ans B<strong>und</strong>esgericht weiter<br />

gezogen werden, welches die Beschwerde umfassend zu prüfen <strong>und</strong> dabei auch die einheitli-<br />

425 vgl. auch: NOBEL, <strong>Schiedsgericht</strong>swesen, S. 263.<br />

426 so auch: RUST, S. 4.<br />

427 gl. M. MÜLLER, MARTIN, S. 18 f<br />

428 LALIVE/POUDRET/REYMOND, S. 201.<br />

429 so auch: HABSCHEID, Rechtsstaatliche Aspekte, S. 9.<br />

430 gl. M.: WIGET, S. 76.<br />

431 BGE 110 Ia 131 E. 2a.<br />

432 so auch: WEBER, Neuordnung, S. 587.<br />

- 65 -


Kapitel II: Verfahrensrechtliche Aspekte<br />

che Anwendung des B<strong>und</strong>es- <strong>und</strong> Völkerrechts sicherzustellen hat. 433 Die in Art. 393 ZPO<br />

aufgeführten Beschwerdegründe entsprechen dabei den Nichtigkeits- <strong>und</strong> Revisionsgründen<br />

des Konkordats.<br />

Diese Überprüfungsmöglichkeit muss gr<strong>und</strong>sätzlich auch bei <strong>der</strong> "Einigung" 434 möglich sein.<br />

Zwar gehen einige Autoren davon aus, dass ein Vergleich den Verzicht auf die Einlegung<br />

eines Rechtsmittels miteinschliesst. 435 Aber diese Einschätzung greift m.E. zu kurz <strong>und</strong> berücksichtigt<br />

insbeson<strong>der</strong>e nicht, dass ein solches "alles o<strong>der</strong> nichts"-Prinzip den schiedsgerichtlichen<br />

Zielen <strong>der</strong> Prozessbeschleunigung sowie <strong>der</strong> fre<strong>und</strong>schaftlichen Streiterledigung<br />

zuwi<strong>der</strong>laufen würde. 436 Denn die Parteien lassen sich nur auf die prozesserledigende Parteienerklärung<br />

ein, wenn sie die Möglichkeit haben, fehlerhaft zustande gekommene Entscheidungen<br />

nachträglich wie<strong>der</strong> rückgängig zu machen. Typische Fehler ergeben sich dabei aus<br />

<strong>der</strong> Natur <strong>der</strong> Einigung als Prozesshandlung <strong>der</strong> Parteien. Die Parteien können bei Ausübung<br />

ihrer Prozesshandlungen insbeson<strong>der</strong>e einem Willensmangel unterliegen o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Parteierklärung<br />

können an<strong>der</strong>e inhaltliche Mängel anhaften: Wi<strong>der</strong>rechtlichkeit, Unsittlichkeit o<strong>der</strong> Unmöglichkeit<br />

sowie versteckter Dissens. 437 Somit ist auch bei <strong>der</strong> "Einigung" den Parteien genügen<strong>der</strong><br />

Rechtsschutz zu gewähren.<br />

c) Fazit<br />

Mit <strong>der</strong> Einsetzung eines <strong>Schiedsgericht</strong>s wird in <strong>der</strong> Regel <strong>der</strong> Ersatz <strong>der</strong> staatlichen Gerichte<br />

bezweckt. Dies ist auch beim Börsenschiedsgericht <strong>der</strong> Fall: Es besteht ein grosses Interesse<br />

daran, eine Streitigkeit intern zu klären. In Abschnitt b wurde jedoch aufgezeigt, dass eine<br />

Klagemöglichkeit bei einem staatlichen Gericht durchaus im Interesse <strong>der</strong> Emittenten liegen<br />

kann. Denn es entspricht einem elementaren Rechtsbedürfnis, dass gr<strong>und</strong>legende Fehlentscheidungen<br />

korrigiert werden können, weswegen für Entscheide, die an elementaren <strong>und</strong><br />

schwerwiegenden Mängeln leiden, zwingend Rechtsmittel vorzusehen sind. 438<br />

433 GÜNGERICH/COENDET, S. 27.<br />

434 zur Einigung vgl. die Ausführungen in Kap. III Abschnitt F.5.<br />

435 KUMMER, S. 149.<br />

436 so auch WIGET, S. 79 f.<br />

437 FRANK/STRÄULI/MESSMER, S. 944.<br />

438 vgl. auch: RUST, S. 94, für den es „geradezu unsittlich“ wäre, bei diesen Entscheiden die Beschwerdemöglichkeit<br />

wegzubedingen.<br />

- 66 -


Kapitel II: Verfahrensrechtliche Aspekte<br />

G) Rechtliches Gehör<br />

1. Allgemein<br />

Eine weitere zentrale Verfahrensgarantie des Art. 6 EMRK ist das rechtliche Gehör. Es verlangt,<br />

dass die Parteien ihre Sache dem Gericht vortragen <strong>und</strong> zu allen Argumenten <strong>der</strong> Gegenpartei<br />

Stellung nehmen können. Dabei erschöpft sich <strong>der</strong> Anspruch nicht darin, dass man<br />

überhaupt Gelegenheit zur Äusserung hatte, son<strong>der</strong>n garantiert, dass man sich zu dem <strong>der</strong><br />

Entscheidung zugr<strong>und</strong>e liegenden Sachverhalt äussern kann, <strong>und</strong> zwar in jedem einzelnen<br />

Verfahrensabschnitt, in dem eine Entscheidung über die Rechte des Beteiligten getroffen<br />

wird. 439 Gemäss dem Gr<strong>und</strong>satz <strong>der</strong> Waffen- <strong>und</strong> Chancengleichheit muss jede Partei Kenntnis<br />

von allen dem Gericht vorgelegten Beweismitteln <strong>und</strong> Stellungnahmen erhalten <strong>und</strong> diese<br />

auch kommentieren dürfen. 440 Weiter ergibt sich aus Art. 6 EMRK, dass <strong>der</strong> Beschuldigte das<br />

Recht hat, dass die von ihm vorgebrachten Argumente <strong>und</strong> Beweise gründlich geprüft werden.<br />

441 Eine weitere zentrale Bedingung des rechtlichen Gehörs ist, dass <strong>der</strong> Beklagte das<br />

Schriftstück, das ihm zugestellt wird, verstehen kann. Daher kann aus Art. 6 Abs. 1 EMRK<br />

abgeleitet werden, dass es in einer dem Beschuldigten bekannten Sprache abgefasst sein<br />

muss. 442 Schliesslich umfasst das rechtliche Gehör auch einen Anspruch auf Begründung des<br />

Entscheids: Damit ein faires Verfahren gewährleistet werden kann, muss jedes Urteil, gegen<br />

das ein Rechtsmittel gegeben ist, bekannt gegeben <strong>und</strong> begründet werden. Diese Begründungspflicht<br />

ist in einem fairen Verfahren von grosser Bedeutung, denn erst wenn <strong>der</strong> Bestrafte<br />

die Überlegungen, die <strong>der</strong> Strafe zugr<strong>und</strong>e liegen, kennt, kann er über die Ergreifung<br />

eines Rechtsmittels entscheiden. 443 Darüber hinaus ist die Begründung Voraussetzung für eine<br />

effektive Kontrolle durch die Öffentlichkeit, <strong>und</strong> ein unbegründeter Entscheid führt somit<br />

auch zu einer Beschneidung des Rechts auf öffentliche Verkündung. 444<br />

2. Untersuchungsverfahren<br />

Eine Betrachtung <strong>der</strong> Verfahrensordnung <strong>der</strong> Börse lässt den Schluss zu, dass den betroffenen<br />

Emittenten im Untersuchungsverfahren von SER gr<strong>und</strong>sätzlich ausreichend Gelegenheit zur<br />

439 SCHWAB/GOTTWALD, S. 58.<br />

440 FROWEIN/PEUKERT, S. 201.<br />

441 HARRIS/O'BOYLE/WARWICK, S. 267.<br />

442 ADOLPHSEN, S. 68.<br />

443 BODMER, S. 129.<br />

444 GRABWARTER, S. 666; vgl. zum Recht auf öffentliche Verkündung auch Abschnitt I.<br />

- 67 -


Kapitel II: Verfahrensrechtliche Aspekte<br />

Akteneinsicht <strong>und</strong> Stellungnahme eingeräumt wird: So verleiht <strong>der</strong> Ausschuss Surveillance &<br />

Enforcement den Betroffenen (den Teilnehmern sowie gegebenenfalls <strong>der</strong>en Händlern) in <strong>der</strong><br />

Untersuchung Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme (Art. 3.2 VO). Analoges gilt beim<br />

Ausschuss Listing & Enforcement: Auch hier wird den Betroffenen <strong>der</strong> Sanktionsbescheid<br />

o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Antrag an die Sanktionskommission zur Stellungnahme zugestellt (Art. 3.3 VO). In<br />

Bezug auf die Beweiswürdigung wird in Art. 3.1 VO vorgeschrieben, dass die Organe die<br />

entlastenden <strong>und</strong> die belastenden Momente mit gleicher Sorgfalt berücksichtigen. Auch bezüglich<br />

Urteilsbegründung erfüllt das börseninterne Verfahren die Anfor<strong>der</strong>ungen vollumfänglich:<br />

So enthalten die Sanktionsbescheide sowohl von Surveillance & Enforcement als<br />

auch von Listing & Enforcement gemäss Art. 3.5 VO eine kurze Begründung des Entscheids.<br />

3. Beschwerdeverfahren<br />

Nach ständiger Rechtsprechung des B<strong>und</strong>esgerichts kann eine Verletzung des rechtlichen<br />

Gehörs geheilt werden, wenn die betroffene Partei die Möglichkeit hat, sich vor einer Beschwerdeinstanz<br />

zu äussern, die zur freien Prüfung aller Sachverhalts- <strong>und</strong> Rechtsfragen befugt<br />

ist. 445 Sowohl die Sanktionskommission als auch das <strong>Schiedsgericht</strong>, die beide gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

frei in ihrer Beurteilung <strong>der</strong> relevanten Fragen sind, können somit durch eine ausreichende<br />

Gewährung des rechtlichen Gehörs eine vorgängige Verletzung heilen.<br />

Die Sanktionskommission wird durch die Bestimmungen <strong>der</strong> Verfahrensordnung verpflichtet,<br />

die Gewährleistung des rechtlichen Gehörs sicherzustellen: Sie stellt nach Eingang des Sanktionsantrags<br />

den Betroffenen Antrag <strong>und</strong> Akten zu, sofern dies nicht bereits durch die Untersuchungsorgane<br />

geschehen ist. Der Präsident kann eine Frist zur weiteren Stellungnahme ansetzen,<br />

einen zweiten Schriftenwechsel anordnen o<strong>der</strong> zu einer mündlichen Verhandlung einladen<br />

(Art. 4.1 VO). Auch <strong>der</strong> Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission muss gemäss Ziff. 4 Abs.<br />

1 lit. d VO eine Begründung enthalten. Dabei muss sie sich jedoch nicht über sämtliche von<br />

den Parteien erhobenen Beschwerden äussern, son<strong>der</strong>n kann sich auf die gr<strong>und</strong>legenden Elemente<br />

zur Begründung ihres Entscheides beschränken. 446 Diese Einschränkung einer Rechtsmittelinstanz<br />

auf die für einen Entscheid wesentlichen Gesichtspunkte ist mit den Anfor<strong>der</strong>ungen<br />

des rechtlichen Gehörs vereinbar, wie das B<strong>und</strong>esgericht bestätigt hat. 447 Darüber hinaus<br />

sind in allen Bescheiden die möglichen Rechtsmittel aufzuführen. In Bezug auf Sprach-<br />

445 BGE 127 V 431 V. 3d.aa; 126 V 130 E. 2b; 116 V 182 E. 1b; KNEUBÜHLER, S. 102 ff.<br />

446 vgl. auch Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission vom 19.4.2010, Verantwortlichkeit des Teilnehmers für das<br />

Or<strong>der</strong>-Routingsystem, Rz. 6.<br />

447 BGE 133 I 270 Ziff. 3.1 in fine.<br />

- 68 -


Kapitel II: Verfahrensrechtliche Aspekte<br />

wahl könnte die Regelung <strong>der</strong> Börse für die vielen englischsprachigen CEOs in Schweizer<br />

Unternehmen sogar fairer sein, denn gemäss Art. 2.2 VO bzw. Art. 6.1 RBI können die Verfahren<br />

in deutsch, französisch <strong>und</strong> auch englisch durchgeführt werden, was ihnen bessere<br />

Möglichkeiten gibt, sich zu den Anschuldigungen zu äussern.<br />

Das <strong>Schiedsgericht</strong> <strong>der</strong> <strong>SIX</strong> kann ein mündliches Schlichtungsverfahren durchführen, ausserdem<br />

wird in Art. 25 KSG generell festgelegt, dass das rechtliche Gehör den Parteien auf jeden<br />

Fall zu gewährleisten ist. Damit ist das Recht auf Akteneinsicht auch für das Schiedsverfahren<br />

ausdrücklich anerkannt. 448 Gemäss Art. 27 KSG ist das <strong>Schiedsgericht</strong> verpflichtet, ein eigenes<br />

Beweisverfahren durchzuführen. Ferner muss <strong>der</strong> Schiedsspruch, <strong>der</strong> in letzter Instanz<br />

ergeht, gemäss Art. 33 KSG die Darstellung des Sachverhaltes, die rechtlichen Entscheidungsgründe<br />

<strong>und</strong> gegebenenfalls die Billigkeitserwägungen enthalten, sofern die Parteien<br />

nicht ausdrücklich darauf verzichtet haben. Ausserdem sind die Parteien völlig frei, die ihnen<br />

genehme Sprache festzulegen. 449 Auch wenn die <strong>Schiedsgericht</strong>sbarkeit neu im 3. Teil <strong>der</strong><br />

ZPO geregelt ist, müssen diese Basis-Verfahrensregeln weiterhin gewährleistet werden. Denn<br />

gemäss Art. 373 Abs. 4 ZPO können die Parteien durch die Wahl <strong>der</strong> <strong>Schiedsgericht</strong>sbarkeit<br />

nicht auf die vom staatlichen Verfahrensrecht vorgegebenen prozessualen Mindestgarantien<br />

verzichten; zu garantieren sind insbeson<strong>der</strong>e die Gleichbehandlung <strong>der</strong> Parteien, ihr Anspruch<br />

auf rechtliches Gehör sowie die Durchführung eines kontradiktorischen Verfahrens. Art. 393<br />

lit. d. ZPO sieht sogar vor, dass ein Schiedsspruch angefochten werden kann, wenn <strong>der</strong><br />

Gr<strong>und</strong>satz <strong>der</strong> Gleichbehandlung o<strong>der</strong> des rechtlichen Gehörs verletzt wurde. Der Umfang des<br />

rechtlichen Gehörs entspricht dabei Art. 29 Abs. 2 BV, so dass hier die Rechtmässigkeit m.E.<br />

auch nicht gefährdet ist.<br />

4. Probleme<br />

Die soeben dargelegten Fakten lassen den Schluss zu, dass das rechtliche Gehör im Börsensanktionsverfahren<br />

ausreichend gewährleistet wird. Eine nähere Betrachtung <strong>der</strong> Sanktionsentscheide<br />

sowie die Gespräche mit Emittenten schränken diesen durchwegs positiven Eindruck<br />

jedoch ein <strong>und</strong> weisen insbeson<strong>der</strong>e auf zwei Problembereiche hin.<br />

448 HABSCHEID, Zivilprozess, S. 537.<br />

449 BERGER/KELLERHALS, S. 368 f.<br />

- 69 -


Kapitel II: Verfahrensrechtliche Aspekte<br />

a) Möglichkeit zur mündlichen Äusserung?<br />

Die Entscheidungen werden von <strong>der</strong> Sanktionskommission gemäss Art. 4.3 Abs. 4 VO gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> Akten getroffen. Davon wich sie auch Ende 2009 im Fall einer Gesellschaft,<br />

die eine mündliche Verhandlung wünschte, um die für die Zukunft geplanten Schritte<br />

aufzuzeigen, <strong>und</strong> ebenfalls 2010 beim Antrag eines Teilnehmers auf eine Anhörung nicht ab.<br />

Das rechtliche Gehör beinhaltet das Recht des Beschuldigten, im Verfahren alles vorzubringen,<br />

was ihm erheblich erscheint, <strong>und</strong> zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen. 450 Es stellt sich<br />

jedoch die Frage, ob Regulierte daraus den Anspruch auf eine mündliche Verhandlung ableiten<br />

können, wie dies zum Beispiel im europäischen Wettbewerbsrecht <strong>der</strong> Fall ist. 451 Der Vorteil<br />

<strong>der</strong> Mündlichkeit liegt in <strong>der</strong> Ermöglichung <strong>der</strong> optimalen Ausübung <strong>der</strong> gerichtlichen<br />

Aufklärungs- <strong>und</strong> Fragepflicht durch direkten Kontakt zwischen Parteien <strong>und</strong> Gericht; ausserdem<br />

kann sich das Gericht einen persönlichen Eindruck von den Parteien machen, welcher<br />

einen entscheidenden Einfluss bei <strong>der</strong> Urteilsfindung haben kann. 452 Schriftlichkeit auf <strong>der</strong><br />

an<strong>der</strong>en Seite bewirkt die präzise <strong>und</strong> wohlüberlegte Feststellung des Sachverhaltes <strong>und</strong> kann<br />

zu einer Verfahrensbeschleunigung <strong>und</strong> Entlastung des Gerichts führen. 453 Vor diesem Hintergr<strong>und</strong><br />

wird dem Mündlichkeitsprinzip in <strong>der</strong> Lehre auch nur eine beschränkte Bedeutung<br />

zugemessen: Wenn sich die Beteiligten in hinreichen<strong>der</strong> Form schriftlich äussern können <strong>und</strong><br />

das Gericht solche schriftlichen Stellungnahmen in gebühren<strong>der</strong> Weise berücksichtigt, wurde<br />

dem Gr<strong>und</strong>satz des rechtlichen Gehörs Genüge getan. 454 Insbeson<strong>der</strong>e in Rechtsmittelverhandlungen<br />

hat <strong>der</strong> Angeklagte keinen unbedingten Anspruch auf persönliches Erscheinen zur<br />

Rechtsmittelverhandlung; diese kann auch aufgr<strong>und</strong> schriftlicher Vorträge vonstatten gehen.<br />

455 Somit ist die Sanktionskommission berechtigt, nur in begründeten Ausnahmefällen<br />

mündliche Verhandlungen vorzusehen <strong>und</strong> im Normalfall aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> Akten zu entscheiden.<br />

Denn ihre Aufgabe besteht vornehmlich darin, die Entscheidungen <strong>der</strong> Untersuchungsorgane<br />

auf ihre Richtigkeit <strong>und</strong> Angemessenheit zu überprüfen. 456 Persönliche Eindrücke sind dafür<br />

unnötig <strong>und</strong> angesichts <strong>der</strong> bestehenden Problematik <strong>der</strong> Verfahrenslänge 457 wohl auch zu<br />

zeitaufwendig. Wenn – wie im Fall des Teilnehmers - die Tatsachen, auf denen <strong>der</strong> Sankti-<br />

450 BODMER, S. 131.<br />

451 vgl. dazu auch: WASER, S. 266, mit Hinweis auf die Verordnung <strong>der</strong> Kommission über die Anhörung in bestimmten<br />

Verfahren.<br />

452 HABSCHEID, Zivilprozess, S. 322.<br />

453 SUTTER-SOMM, S. 102.<br />

454 ROTH, WOLFGANG, S. 496.<br />

455 BISCHOFBERGER, S. 94.<br />

456 In diesem Sinne gehen auch WALDER <strong>und</strong> GROB-ANDERMACHER davon aus, dass die Anhörungspflicht <strong>der</strong><br />

Parteien im Rechtmittelverfahren weniger weit geht (vgl. WALDER /GROB-ANDERMACHER, S. 241 f.).<br />

457 vgl. dazu die Ausführungen in Abschnitt J.<br />

- 70 -


Kapitel II: Verfahrensrechtliche Aspekte<br />

onsantrag basiert, nicht bestritten werden <strong>und</strong> <strong>der</strong> Beschuldigte seine Argumente im Rahmen<br />

eines zweimaligen Schriftenwechsels eingehend vorbringen konnte, ist eine Anhörung m.E.<br />

tatsächlich nicht zwingend notwendig. 458 Darüber hinaus entscheidet die SaKo über die in <strong>der</strong><br />

Vergangenheit festgestellten Regelverletzungen <strong>und</strong> nicht über die Zukunft. 459<br />

Abschliessend sei noch darauf hingewiesen, dass ein Anspruch auf mündliche Äusserung<br />

auch in Art. 30 VwVG nicht gewährt wird. Es reicht die Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme.<br />

460<br />

b) Problem Sanktionsantrag?<br />

Bei den Praxisgesprächen mit Emittenten wurde weiterhin darauf hingewiesen, dass in letzter<br />

Zeit die Frage aufgekommen sei, ob das rechtliche Gehör immer in ausreichen<strong>der</strong> Weise berücksichtigt<br />

wurde. Abgestellt wird dabei insbeson<strong>der</strong>e darauf, dass <strong>der</strong> Sanktionsantrag viel<br />

mehr Punkte enthält als in <strong>der</strong> Anfrage an den Emittenten aufgeführt wurden. 461 Mit dieser<br />

Handhabung bezwecken die Untersuchungsbehörden <strong>der</strong> Börse, möglichst viele Verhaltensweisen,<br />

die eine Beeinträchtigung <strong>der</strong> Markttransparenz <strong>und</strong> <strong>der</strong> Gleichbehandlung <strong>der</strong> Kapitalmarktteilnehmer<br />

darstellen können, anzusprechen, von <strong>der</strong> SaKo eine Meinung dazu einzuholen<br />

<strong>und</strong> an<strong>der</strong>e Emittenten auf mögliche Problemfel<strong>der</strong> aufmerksam zu machen. Diese<br />

Vorgehensweise ist angesichts <strong>der</strong> beschränkten Ressourcen <strong>und</strong> Möglichkeiten 462 zwar verständlich;<br />

allerdings schränkt sie m.E. die Garantien von Art. 6 Abs. 1 EMRK in unzulässiger<br />

Weise ein. Denn als Ausfluss des rechtlichen Gehörs muss <strong>der</strong> Beschuldigte bereits im Voruntersuchungsverfahren<br />

vollumfänglich über die Beschuldigung unterrichtet werden. 463 Eine<br />

Verurteilung darf sich dementsprechend nicht auf Aktenteile stützen, zu denen sich <strong>der</strong> Beschuldigte<br />

nicht äussern konnte. 464 Wenn aber im Sanktionsantrag Bezug auf Punkte genommen<br />

wird, die den Emittenten vorab nicht bekannt waren, wird ihnen effektiv die Möglichkeit<br />

genommen, zu allen Vorwürfen Stellung zu beziehen, bevor ein Sanktionsantrag gestellt wird,<br />

was folglich eine Verletzung des rechtlichen Gehörs darstellt.<br />

458 So auch im Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission vom 19.4.2010, Verantwortlichkeit des Teilnehmers für das<br />

Or<strong>der</strong>-Routingsystem, Rz. 5.<br />

459 So auch: Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission vom 18.12.2009 (SaKo 2009 - MT III/09, SaKo 2009 - MP<br />

I/09, SaKo 2009 - AHP III/09), Rz. 1.<br />

460 BGE 125 I 209 E. 9b; 122 II 464 E. 4c.<br />

461 Namentlich handelt es sich dabei um Punkte, die für sich allein keine Strafe rechtfertigen.<br />

462 Nach Aussage von Herrn Lüchinger ist SER nur in <strong>der</strong> Lage, die Spitze des Eisbergs zu bekämpfen.<br />

463 vgl. WASER, S. 216 m.w.H.<br />

464 FLÜHMANN/SUTTER, S. 1037 m.w.H.<br />

- 71 -


Kapitel II: Verfahrensrechtliche Aspekte<br />

Dieses Problem wurde allerdings auch von <strong>der</strong> Börse erkannt <strong>und</strong> hat zu einer entsprechenden<br />

Praxis-Anpassung, die die Möglichkeit <strong>der</strong> Stellungnahme durch den Emittenten erhöht, geführt.<br />

465<br />

5. Exkurs: Rechtliches Gehör für Drittbetroffene<br />

Die durch den B<strong>und</strong>esgerichtsentscheid Bergbahnen Lenzerheide AG ausgelöste Debatte über<br />

die Stellung <strong>der</strong> Aktionäre 466 rechtfertigt, sich auch kurz damit zu befassen, inwieweit auch<br />

Drittbetroffenen ausreichendes rechtliches Gehör gewährt wird. Insbeson<strong>der</strong>e die Anleger<br />

erfahren über die Eröffnung bzw. den Ausgang eines Verfahrens erst aus <strong>der</strong> Presse bzw.<br />

durch die von <strong>der</strong> Börse für die Information <strong>der</strong> Öffentlichkeit vorgesehenen Kanäle; eine<br />

Anhörung durch die Börse vor Sanktionsausfällung erfolgt nicht.<br />

Meiner Meinung nach wird die Rechtsstaatlichkeit dadurch jedoch nicht verletzt. Denn <strong>der</strong><br />

Anspruch auf rechtliches Gehör erstreckt sich namentlich auf diejenigen, die nach <strong>der</strong> jeweiligen<br />

Zivilprozessordnung an einem gerichtlichen Verfahren als Partei o<strong>der</strong> in ähnlicher Stellung<br />

beteiligt sind. Aus Zeit- <strong>und</strong> Kapazitätsgründen wird aber wohl nicht je<strong>der</strong> angehört<br />

werden können, <strong>der</strong> von einem Urteil betroffen wird. 467 Dies ist auch nicht notwendig, wenn<br />

man sich vergegenwärtigt, dass mit <strong>der</strong> Einräumung des rechtlichen Gehörs hauptsächlich<br />

bezweckt wird, dem Angeklagten ausreichend Gelegenheit einzuräumen, seine Sicht <strong>der</strong> Dinge<br />

darzustellen. 468 Es geht also darum, den wahren Sachverhalt sowie das Verschuldensausmass<br />

des Emittenten bzw. des Teilnehmers zu ermitteln; die Auswirkungen <strong>der</strong> Sanktionen<br />

auf die Anleger sind hier nicht relevant, mögliche Einwände ihrerseits würden vielmehr nur<br />

das Verfahren unnötig in die Länge ziehen. 469<br />

6. Würdigung<br />

Gr<strong>und</strong>sätzlich wird im Börsen-Sanktionsverfahren das rechtliche Gehör in ausreichen<strong>der</strong><br />

Form gewahrt: Die Verfahrensordnung räumt den Betroffenen gr<strong>und</strong>sätzlich ausreichend Gelegenheit<br />

zur Akteneinsicht <strong>und</strong> Stellungnahme ein <strong>und</strong> verpflichtet zudem die Organe die<br />

entlastenden <strong>und</strong> die belastenden Momente mit gleicher Sorgfalt zu berücksichtigen. Schliess-<br />

465 Diese wird ausführlich im Rahmen <strong>der</strong> Sanktionierungspraxis <strong>der</strong> <strong>SIX</strong> betrachtet; vgl. Kap. III Abschnitt B.8.<br />

466 vgl. die Ausführungen in Abschnitt D.<br />

467 so auch: SCHWAB/GOTTWALD, S. 57<br />

468 vgl. auch HABSCHEID, Zivilprozess, S. 317, für den das Recht auf rechtliches Gehör mit <strong>der</strong> Menschenwürde<br />

zusammenhängt.<br />

469 vgl. dazu auch die Ausführungen in Abschnitt J.<br />

- 72 -


Kapitel II: Verfahrensrechtliche Aspekte<br />

lich müssen alle Sanktionsbescheide <strong>und</strong> –entscheide eine kurze Begründung sowie eine Aufzählung<br />

<strong>der</strong> möglichen Rechtsmittel enthalten. Diese Bestimmungen werden m.E. auch weitgehend<br />

umgesetzt, so dass – mit einer Ausnahme – keine Probleme bezüglich des rechtlichen<br />

Gehörs auszumachen sind. Problematisch ist bzw. war jedoch, dass bis Mitte 2011 die Sanktionsanträge<br />

häufig mehr Punkte enthielten als die vorgängigen Untersuchungsanfragen. Denn<br />

ein Beschuldigter kann nur dann sinnvoll von seinem Äusserungsrecht Gebrauch machen,<br />

wenn ihm alle Anklagepunkte bekannt sind. Daraus lässt sich die Pflicht <strong>der</strong> Untersuchungsbehörde,<br />

umfassende Informationen zu gewähren, ableiten: Wie das B<strong>und</strong>esgericht im Zusammenhang<br />

mit dem Verwaltungsverfahren mehrfach festgehalten hat, dürfen einer Entscheidung<br />

keine Tatsachen o<strong>der</strong> Beweisergebnisse zugr<strong>und</strong>e gelegt werden, ohne den Beteiligten<br />

vorher Gelegenheit zu geben, sich zu äussern. 470 Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> ist auch die<br />

Praxisän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Börse, die den Emittenten ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme<br />

einräumt, bevor ein Sanktionsantrag gestellt wird 471 , zu begrüssen.<br />

H) Recht zu schweigen<br />

1. Ausgangslage<br />

Das Gegenstück zum Recht, sich zu allen Anklagepunkten zu äussern, ist das in Art. 6 Abs. 2<br />

EMRK verankerte Recht zu schweigen, das nach Rechtsprechung des EGMR ebenfalls Kern<br />

des fairen Verfahrens darstellt. 472 Der EGMR hat diesbezüglich in seiner Rechtsprechung<br />

herausgearbeitet, dass sich aus <strong>der</strong> Unschuldsvermutung ergibt, dass es Sache <strong>der</strong> Anklagebehörde<br />

ist, ausreichende Beweise für die Schuld des Angeklagten beizubringen. 473 In diesem<br />

Sinne hat auch das Schweizer B<strong>und</strong>esgericht festgelegt, dass ein Beschuldigter nicht allein<br />

deshalb verurteilt werden darf, weil er seine Unschuld nicht bewiesen hat. 474<br />

2. Börsensanktionsverfahren<br />

Problematisch ist m.E. insbeson<strong>der</strong>e die reglementarisch verankerte Mitwirkungspflicht: Gemäss<br />

Art. 6 KR können Regulatory Board <strong>und</strong> <strong>SIX</strong> Exchange Regulation von den Emittenten<br />

470 BGE 108 Ia 294 E. 4c; 101 Ia 301 E. 1; 101 Ia 304; SUTER, BENEDIKT, S. 93.<br />

471 vgl. die Ausführungen in Kap. III Abschnitt B.8.<br />

472 John Murray/Vereinigtes Königreich, EGMR Urteil vom 8.2.1996, Recueil 1996, I, EuGRZ 1996, 587, § 45;<br />

vgl. auch J.B./Schweiz, EGMR Urteil vom 3.5.2001, Recueil 2001, § 64.<br />

473 vgl. Barberà u.a./Spanien, EGMR Urteil vom 6.12.1988, Serie A, Nr. 146, § 76.<br />

474 BGE 120 Ia 31, E. 2c.<br />

- 73 -


Kapitel II: Verfahrensrechtliche Aspekte<br />

alle Auskünfte verlangen, die für die Beurteilung <strong>und</strong> Überwachung notwendig sind. Neben<br />

<strong>der</strong> Pflicht, Auskünfte zu erteilen, umfasst diese Mitwirkungspflicht auch die Pflicht zur Herausgabe<br />

von Akten <strong>und</strong> sonstigen Unterlagen 475 sowie die Verpflichtung, <strong>der</strong> Aufsichtsbehörde,<br />

auch ohne Anfrage unverzüglich alle Vorkommnisse zu melden, die für die Aufsicht von<br />

wesentlicher Bedeutung sind. 476 Die Weigerung einer Gesellschaft, die verlangten Informationen<br />

<strong>und</strong> Dokumente zur Verfügung zu stellen, wird sogar als Verletzung <strong>der</strong> Mitwirkungspflichten<br />

gewertet <strong>und</strong> entsprechend in die Sanktionsbemessung einbezogen. 477 Hintergr<strong>und</strong><br />

für diese Pflicht ist, dass SER nur sehr beschränkte Untersuchungsmittel zur Verfügung stehen,<br />

so dass eine effektive Regulierung des Finanzmarktes ohne Mithilfe <strong>der</strong> Emittenten nicht<br />

möglich ist. 478 Es ist jedoch allgemein anerkannt, dass sich aus dieser Mitwirkungspflicht ein<br />

Konflikt ergeben kann. 479 Konkret ist es denkbar, dass sich namentlich bei Untersuchungen<br />

im Zusammenhang mit Management-Transaktionen aber auch von Verstössen gegen die Ad<br />

hoc-Publizität Hinweise auf Insi<strong>der</strong>geschäfte <strong>der</strong> Unternehmensverantwortlichen ergeben. 480<br />

Bei einer generellen Anwendung <strong>der</strong> nemo-tenetur-Regel wäre die Börse allein für die Erbringung<br />

<strong>der</strong> Beweise verantwortlich, was wohl dazu führen würde, dass die Börsenpflichten<br />

nur unbefriedigend überwacht <strong>und</strong> durchgesetzt würden. 481<br />

Der EGMR hat darüber hinaus in seiner Rechtsprechung in zwei Fällen 482 festgestellt, dass<br />

das Recht zu schweigen kein absolutes Recht sei, son<strong>der</strong>n ein Gericht vielmehr berechtigt sei,<br />

das Schweigen eines Beschuldigten frei zu würdigen. Demgemäss darf ein Beschuldigter<br />

zwar nicht ausschliesslich o<strong>der</strong> mehrheitlich aufgr<strong>und</strong> seines Schweigens verurteilt werden 483 ;<br />

aus dem Schweigen dürfen allerdings Schlüsse gezogen werden, wenn gr<strong>und</strong>sätzlich aufgr<strong>und</strong><br />

<strong>der</strong> sonstigen vewertbaren äusseren Umstände auf die Verletzung <strong>der</strong> strafrechtlichen Bestimmungen<br />

geschlossen werden kann. 484 Die Praxis <strong>der</strong> Börse, die den Verstoss gegen die<br />

Emittentenpflichten aufgr<strong>und</strong> externer Faktoren feststellt <strong>und</strong> die mangelnde Unterstützungs-<br />

475 ZULAUF/WYSS/ROTH, S. 146 ff.<br />

476 ARTER, S. 75 f.<br />

477 Entscheid des Ausschusses <strong>der</strong> Zulassungsstelle vom 29.11.2005 (ZUL/CG/V/05), Rz. 37 ff.<br />

478 Diese Tatsache hat in <strong>der</strong> Lehre sogar schon zur For<strong>der</strong>ung nach schärferen Untersuchuchungsmitteln geführt;<br />

vgl. die Ausführungen in Kap. III Abschnitt F.4.<br />

479 vgl. z.B. auch: EBK, Jahresbericht 2007, S. 22.<br />

480 PETERS, S. 133.<br />

481 vgl. auch SEILER, Schweigerecht, S. 18, <strong>der</strong> hervorhebt, dass sich die Rechtsnormen schlicht <strong>und</strong> einfach nicht<br />

durchsetzen liessen, wenn die Rechtsunterworfenen bezüglich all <strong>der</strong>jenigen Tatsachen, die sich zu ihren Ungunsten<br />

auswirken können, ein Schweigerecht hätten.<br />

482 John Murray/Vereinigtes Königrech, EGMR Urteil vom 8.2.1996, Recueil 1996, I, EuGRZ 1996, 587, § 47;<br />

Condron/Vereinigtes Königreich EGMR Urteil 2.5.2000, Recueil 2000, § 56.<br />

483 vgl. Telfner/Österreich, EGMR Urteil vom 20.3.2001, Recueil 2001.<br />

484 vgl. Condron/Vereinigtes Königreich, EGMR Urteil 2.5.2000, Recueil 2000.<br />

- 74 -


Kapitel II: Verfahrensrechtliche Aspekte<br />

bereitschaft lediglich sanktionsverschärfend berücksichtigt, liegt damit meiner Meinung nach<br />

im Toleranzbereich des EGMR.<br />

3. Würdigung<br />

Eine Mitwirkungspflicht ist nicht unüblich in verwaltungsrechtlichen – o<strong>der</strong> zumindest verwaltungsrechtsähnlichen<br />

- Konstrukten wie <strong>der</strong> Börse, da <strong>der</strong> Beschuldigte oftmals <strong>der</strong> einzige<br />

ist, <strong>der</strong> Bescheid weiss. 485 Deswegen wird die Androhung einer Ungehorsamkeitsstrafe in<br />

<strong>der</strong> Lehre als angemessen angesehen, wenn die Behörde wegen <strong>der</strong> fehlenden Mitwirkung<br />

nicht über die für ihre Tätigkeit o<strong>der</strong> Entscheidungen notwendigen Informationen verfügt. 486<br />

Aus diesem Gr<strong>und</strong> wird im Verwaltungsverfahren die Mitwirkungspflicht aus Art. 13 VwVG<br />

allgemein auch auf Sachverhalte ausgeweitet, die sich zum Nachteil des Rechtsunterworfenen<br />

auswirken. 487 Diese Erkenntnis lässt sich auch auf die Arbeit <strong>der</strong> <strong>SIX</strong> übertragen: Um ihre<br />

Aufgabe als Aufsichtbehörde wirkungsvoll erfüllen zu können, muss sie Verfehlungen im<br />

Markt aufdecken <strong>und</strong> entsprechend bestrafen können. Aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> bereits erwähnten beschränkten<br />

Untersuchungsmöglichkeiten erscheint die Mitwirkungspflicht gerechtfertigt.<br />

Konkret sind keine Probleme auszumachen, solange es sich beim Börsensanktionsverfahren<br />

um ein reines Aufsichtsverfahren handelt, das keinerlei strafrechtliche Konsequenzen hat. 488<br />

Die Mitwirkungspflicht kann jedoch heikel sein, sobald strafrechtliche Bestimmungen zur<br />

Anwendung gelangen. Denn hier ist den Emittenten ein klares Aussageverweigerungsrecht zu<br />

gewähren 489 : Sie sind dementsprechend berechtigt, jegliche Auskünfte zu verweigern, <strong>und</strong><br />

müssen <strong>der</strong> Aufsichtsbehörde auch keinerlei Akten aushändigen 490 ; vielmehr würde eine<br />

bussgeld- o<strong>der</strong> strafbewährte Pflicht, Beweismittel gegen sich selbst vorlegen zu müssen, einen<br />

Verstoss gegen das Recht „not to contribute to incriminating oneself“ darstellen. 491 Vor<br />

diesem Hintergr<strong>und</strong> ist <strong>der</strong> Strafcharakter <strong>der</strong> Sanktionen möglichst einzuschränken; <strong>und</strong> die<br />

in Kap. III Abschnitt B.8 beschriebene Vorschaltung eines Mahnverfahrens bei den Emittenten<br />

ist daher m.E. sehr begrüssenswert. Darüber hinaus dürfen die in einem Aufsichtsverfah-<br />

485 vgl. in diesem Sinne auch SEILER, Schweigerecht, S. 18, zur verwaltungsrechtlichen Mitwirkungspflicht.<br />

486 siehe z.B. HÄFELIN/MÜLLER/UHLMANN, S. 376.<br />

487 BGE 132 II 133 E. 3.2; AUER, S. 225.<br />

488 vgl. auch: EFD, Expertenkommission , 85.<br />

489 In diesem Sinne beschränkte auch <strong>der</strong> EGMR das Aussageverweigerungsrecht vornehmlich darauf, dass Aussagen,<br />

zu denen jemand in einem Verwaltungs- o<strong>der</strong> Zivilverfahren verpflicthet wurde, in einem Strafverfahren<br />

gegen den Betroffenen nicht verwertet werden dürfen (EGMR, Nichtzulassungsentscheid vom 14.9.1999, D.C.,<br />

H.S. u. A.D. v. Vereinigten Königreich, App. Nr. 3903/97: Die Beschwerdeführer konnten sich in einem Verfahren<br />

über civil rights and obligations nicht auf das Verbot des Selbstbelastungszwangs berufen. Ein Verwertungsverbot<br />

für mit rechtlichem Zwang erlangte Aussagen fielen ausser Betracht).<br />

490 vgl. auch die Ausführungen bei TOPHINKE, Unschuldsvermutung, S. 198.<br />

491 PETERS, S. 133.<br />

- 75 -


Kapitel II: Verfahrensrechtliche Aspekte<br />

ren aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> Mitwirkungspflicht gewonnenen Erkenntnisse nicht im Rahmen <strong>der</strong> strafrechtlichen<br />

Untersuchungen zu Art. 161 bis StGB verwendet werden (Verwertungsverbot). 492<br />

Hier wirkt sich daher wohl auch die Aufgabentrennung zwischen Börse <strong>und</strong> FINMA <strong>und</strong><br />

Staatsanwaltschaft positiv aus 493 : Den Börsenorganen können explizit keine – im strafrechtlichen<br />

Sinne - untersuchungsrichterliche Funktionen überb<strong>und</strong>en werden, vielmehr können sie<br />

sich durch Einhaltung <strong>der</strong> gesetzlichen Meldepflicht einer unliebsamen Aufgabe entledigen.<br />

494 Die Börsenorgane müssen mit Indizien auf Strafrechtsverletzungen folglich sehr vorsichtig<br />

umgehen: Zwar ergibt sich aus Art. 6 Abs. 1 BEHG die Pflicht, bei Verdacht auf Gesetzesverletzungen<br />

die FINMA zu benachrichtigen; wenn sich dieser Verdacht jedoch nur<br />

aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> Angaben <strong>der</strong> Regulierten ergibt <strong>und</strong> ohne diese Informationen nur Indizien für<br />

eine Pflichterletzungen vorliegen, besteht m.E. ein strenges Verwertungsverbot. 495<br />

I) Öffentlichkeit von Verfahren <strong>und</strong> Urteilsverkündung<br />

1. Allgemein<br />

Das Öffentlichkeitsprinzip ist eine f<strong>und</strong>amentale Prozessmaxime des Art. 6 EMRK. Bezweckt<br />

werden die Kontrolle <strong>der</strong> Rechtspflege durch die Allgemeinheit sowie <strong>der</strong> Ausschluss geheimer<br />

Kabinettjustiz. Die am Prozess beteiligten Personen sollen eine korrekte Behandlung erfahren,<br />

<strong>und</strong> die Öffentlichkeit soll darüber hinaus beobachten können, wie das Recht verwaltet<br />

<strong>und</strong> die Rechtspflege ausgeübt wird. Durch diese Transparenz wird das Vertrauen in die<br />

Rechtsprechung gestärkt. 496 Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite kann eine öffentliche Verhandlung schützenswerte<br />

Interessen <strong>der</strong> Beteiligten beeinträchtigen. Deswegen kann in Zivilsachen zumeist<br />

492 EFD, Erläutern<strong>der</strong> Bericht, S. 15.<br />

493 vgl. Kap. I Abschnitt C.<br />

494 vgl. auch bereits: LANGHART, S. 311 ff.<br />

495 Ein gutes Beispiel für eine solche Handhabung zeigt WOHLERS, Nemo tenetur, S. 692 ff. auf: Im englischen<br />

Recht war die Möglichkeit, sich auf das „Privilege against self-incrimination“ zu berufen, in weiten Bereichen<br />

administrativer Untersuchungen umweltschädigenden <strong>und</strong> wirtschaftlichen Fehlverhaltens praktisch abgeschafft<br />

worden. Nach den Bestimmungen <strong>der</strong> einschlägigen Gesetze wurden Betroffene unter Strafandrohung verpflichtet,<br />

auf Fragen <strong>der</strong> mit <strong>der</strong> Durchführung administrativer Verfahren beauftragten Stellen wahrheitsgemäss zu<br />

antworten, gefor<strong>der</strong>te Auskünfte zu erteilen sowie Dokumente vorzulegen, wobei hier die Verwendung <strong>der</strong> insoweit<br />

gewonnenen Erkenntnisse zunächst praktisch unbegrenzt möglich war. Im Anschluss an die einen <strong>der</strong>artigen<br />

Sachverhalt betreffende Entscheidung Saun<strong>der</strong>s gegen das Vereinigte Königreich, in welcher <strong>der</strong> Gerichtshof<br />

einen Konventionsverstoss bejaht hatte, sind dann aber die entsprechenden Regelungen dahingehend umgestaltet<br />

worden, dass die Verwendung <strong>der</strong> in diesem Verfahren gewonnenen Erkenntnisse in einem späteren<br />

Strafverfahren ausgeschlossen o<strong>der</strong> doch zumindest sehr weitgehend beschränkt ist, soweit es sich um „statements“<br />

o<strong>der</strong> „answers“ handelt.<br />

496 HAEFLIGER/SCHÜRMANN, S. 190.<br />

- 76 -


Kapitel II: Verfahrensrechtliche Aspekte<br />

problemlos auf die öffentliche Verhandlung verzichtet werden. 497 Strenger sind die Vorschriften<br />

jedoch in Bezug auf die öffentliche Urteilsverkündung: Ein Verzicht seitens <strong>der</strong> Verfahrensbeteiligten<br />

ist hier ausgeschlossen, da <strong>der</strong> Verkündungsanspruch <strong>der</strong> Öffentlichkeit allgemein<br />

zusteht. 498 „Zumindest <strong>der</strong> Tenor muss öffentlich verkündet werden.“ 499 Jedoch bedeutet<br />

öffentliche Urteilsverkündung nicht unbedingt mündliche Bekanntgabe. Eine Einsicht<br />

in die schriftlichen Ausführungen bei Gericht o<strong>der</strong> die Möglichkeit, Kopien <strong>der</strong> Entscheidung<br />

anzufor<strong>der</strong>n, werden als ausreichend angesehen. 500 Berechtigten Geheimhaltungsinteressen<br />

kann durch Anonymisierung sowie durch Kürzung von Urteilen Rechnung getragen werden;<br />

die Verkündung soll nicht bekannt machen, was <strong>der</strong> Öffentlichkeit durch <strong>der</strong>en Ausschluss<br />

von <strong>der</strong> Verhandlung verborgen bleiben sollte.<br />

2. Börseninternes Verfahren<br />

a) Emittenten<br />

Art. 6.1 ff. VO sieht vor, dass die Bekanntmachung einer Sanktion in zusammengefasster<br />

Form mittels Medienmitteilung 501 <strong>und</strong> in anonymisierter Form im Volltext erfolgt. Auf diese<br />

Weise soll ein möglichst guter Ausgleich zwischen den Geheimhaltungsinteressen <strong>der</strong> Unternehmen<br />

<strong>und</strong> den Informationsinteressen <strong>der</strong> Öffentlichkeit gef<strong>und</strong>en werden. Diese Praxis<br />

wird aber von den Emittenten teilweise heftig kritisiert: Als beson<strong>der</strong>s gravierend wird dabei<br />

die Veröffentlichung bereits <strong>der</strong> Untersuchungseröffnung empf<strong>und</strong>en.<br />

aa)<br />

Geheimhaltungsinteresse/Unschuldsvermutung<br />

In Abschnitt C.2 wurde im Zusammenhang mit <strong>der</strong> Einsetzung des Börsenschiedsgerichts<br />

darauf hingewiesen, dass insbeson<strong>der</strong>e die Emittenten ein grosses Interesse daran haben, dass<br />

möglichst wenige Einzelheiten eines Sanktionsverfahrens an die Öffentlichkeit dringen. 502<br />

Zum einen müssen bei <strong>der</strong> Untersuchung von Verstössen gegen Börsenregularien in <strong>der</strong> Regel<br />

Unternehmensinterna (Organisationsverhältnisse, Unternehmenszahlen etc.) offen gelegt werden,<br />

an denen das Unternehmen ein schützenswertes Geheimhaltungsinteresse hat. Zum ande-<br />

497 MINELLI, S. 207.<br />

498 AEMISEGGER, Öffentlichkeit, S. 382.<br />

499 PETERS, S. 121.<br />

500 FROWEIN/PEUKERT, S. 218 f.<br />

501 Vgl. z.B. Medienmitteilung <strong>der</strong> <strong>SIX</strong> Exchange Regulation vom 26. Juli 2010, Die Sanktionskommission von<br />

<strong>SIX</strong> Swiss Exchange AG erteilt <strong>der</strong> Vontobel Holding einen Verweis.<br />

502 So wurde auch in den Emittenteninterviews darauf hingewiesen, dass die Publikation von Untersuchungseröffnungen<br />

die härteste Sanktion sei.<br />

- 77 -


Kapitel II: Verfahrensrechtliche Aspekte<br />

ren wirft die Bekanntgabe <strong>der</strong> Eröffnung eines Untersuchungsverfahrens oft ein schlechtes<br />

Licht auf das Unternehmen: Wenn bekannt wird, dass ein Emittent wegen <strong>der</strong> Verletzung<br />

einer o<strong>der</strong> gar mehrerer Emittentenpflichten sanktioniert wird, kommt schnell <strong>der</strong> Verdacht<br />

auf, man habe auch in an<strong>der</strong>en Bereichen die Organisation nicht im Griff. 503 So berichteten<br />

die Emittenten von Anrufen von irritierten Aktionären sowie verunsicherten Arbeitnehmern<br />

nach negativen Pressemeldungen. 504 Beson<strong>der</strong>s problematisch ist in diesem Zusammenhang<br />

die Praxis <strong>der</strong> Börse, in <strong>der</strong> publizierten Untersuchungseröffnung auch nicht sanktionswürdige<br />

Punkte aufzuführen. Denn für die unbeteiligte Öffentlichkeit ist es schwierig, zu erkennen,<br />

dass auch weniger gravierende Aspekte aufgeführt werden, die dann nachher wie<strong>der</strong> fallen<br />

gelassen werden müssen. Der Sanktionsentscheid mit entsprechenden Relativierungen wird in<br />

<strong>der</strong> Öffentlichkeit zudem kaum wahrgenommen. Während <strong>der</strong> Ausschluss <strong>der</strong> Öffentlichkeit<br />

im Verfahren jedoch problemlos möglich ist 505 , sprechen gewichtige öffentliche Interesse für<br />

die Veröffentlichung <strong>der</strong> Sanktionsentscheide.<br />

bb) Öffentliches Interesse bei Sanktionsentscheiden<br />

Bei <strong>der</strong> Veröffentlichung <strong>der</strong> Sanktionsentscheide stehen den Geheimhaltungsinteressen <strong>der</strong><br />

Unternehmen signifikante Interessen <strong>der</strong> Investoren, <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Emittenten sowie <strong>der</strong> Öffentlichkeit<br />

allgemein gegenüber. Die in Art. 1 BEHG verankerte Transparenz bedingt, dass<br />

sämtliche Informationen über einen Emittenten dem Gesamtmarkt zugänglich gemacht werden,<br />

dabei kommt den öffentlichen Medien eine grosse Bedeutung in Bezug auf die Verbreitung<br />

<strong>und</strong> Verarbeitung von investitionsentscheidungsrelevanten Informationen zu, wie auch<br />

eine am Institut für Accounting, Controlling <strong>und</strong> Auditing <strong>der</strong> Universität St. Gallen durchgeführte<br />

Studie belegt. 506 Zu den relevanten Angaben gehört namentlich auch die Mitteilung,<br />

dass ein Unternehmen wegen eines Verstosses gegen die Börsenpflichten sanktioniert wurde.<br />

Denn diese Information erzählt den Investoren auch gr<strong>und</strong>sätzlich etwas über das Unternehmen<br />

<strong>und</strong> seine Organisation. 507 Darüber hinaus sind nach Auskunft <strong>der</strong> Börse insbeson<strong>der</strong>s<br />

mögliche Verletzungen <strong>der</strong> Ad hoc-Publizität regelmässig Gegenstand öffentlicher Diskussionen<br />

von Marktteilnehmern <strong>und</strong> Wirtschaftsmedien. Die Börse würde sich dem Verdacht einer<br />

Verletzung ihrer Marktüberwachungspflicht aussetzen, wenn sie den interessierten Krei-<br />

503 So wurde bspw. die damalige Swissair als ein „Sauladen“ dargestellt, bei dem je<strong>der</strong> sofort alles ausplau<strong>der</strong>t.<br />

504 Gemäss einem Interviewpartner hat ihn die Behebung <strong>der</strong> Reputationsschäden eine Woche Arbeit gekostet.<br />

505 Zumal <strong>der</strong> grösste Teil des Verfahrens ohnehin auf dem Schriftweg stattfindet (vgl. auch Abschnitt G).<br />

506 vgl. auch ACA-HSG, S. 9 mit Verweis auf eine Untersuchung des Deutschen Aktieninstituts.<br />

507 Auch wenn es dem Unternehmen lieber wäre wenn diese Information besser nicht bekannt gegeben würde.<br />

- 78 -


Kapitel II: Verfahrensrechtliche Aspekte<br />

sen nicht mitteilen würde, ob eine Untersuchung eingeleitet wurde o<strong>der</strong> nicht. 508 Diese Auskunft<br />

muss dann aber dem Markt allgemein zugänglich gemacht werden, um den Gleichbehandlungsgr<strong>und</strong>satz<br />

zu wahren <strong>und</strong> die Gefahr von Insi<strong>der</strong>handel zu vermeiden. 509 . Wenn<br />

jedoch die Öffentlichkeit über die Eröffnung einer Untersuchung informiert worden ist, so<br />

muss folgerichtig auch das Ergebnis des Verfahrens bekannt gegeben werden. 510 Zu veröffentlichen<br />

sind dabei nicht nur Verurteilungen, son<strong>der</strong>n auch Freisprüche, was neben <strong>der</strong><br />

Vermeidung von Marktverzerrungen <strong>und</strong> Insi<strong>der</strong>delikten 511 auch dem Interesse des Unternehmens<br />

selbst dient: Denn wie bereits STOOSS festhielt, ist es die „Pflicht des Staates“, „den<br />

unschuldig Angeklagten vor jeglichem Verdachte zu bewahren <strong>und</strong> alles zu thun, was in seiner<br />

Macht ist, um die Nichtschuld des Angeklagten zur öffentlichen Kenntnis zu bringen“ 512 .<br />

Schliesslich dient die weitgehende Publikationspraxis auch <strong>der</strong> präventiven Information <strong>der</strong><br />

an<strong>der</strong>en Emittenten bezüglich etwaiger Unklarheiten in Bezug auf die Informationspflichten<br />

513 : Die ausführliche Publikation enthält einen grossen Lerneffekt namentlich für die an<strong>der</strong>en<br />

Emittenten, die so auf allfällige Stolpersteine <strong>und</strong> Probleme aufmerksam gemacht werden<br />

können. 514<br />

cc)<br />

Grenzen des öffentlichen Interesses<br />

Das Öffentlichkeitsprinzip stösst jedoch an seine Grenzen, wenn Verfahrensbeteiligten Schaden<br />

zugefügt wird. 515 Ausführliche Sanktionsanträge, in denen auch weniger massive – <strong>und</strong><br />

somit auch nicht sanktionswürdige – Vergehen aufgeführt werden, können aber für Emittenten<br />

mit negativen Reputationsfolgen verb<strong>und</strong>en sein. Solche „Vorverurteilungen“, d.h. (auch<br />

formlose) Feststellungen, es liege ein Verstoss vor, wenn dieser nicht formell erwiesen ist 516 ,<br />

508 Entscheid des Ausschusses <strong>der</strong> Zulassungsstelle vom 24.3.2005 (ZUL/AHP/V/05), Rz. 6.<br />

509 Denn schon das Wissen um eine Untersuchungseröffnung kann Insi<strong>der</strong>wissen darstellen; zur informationellen<br />

Gleichbehandlung <strong>der</strong> Kapitalmarktteilnehmer <strong>und</strong> <strong>der</strong> Vermeidung von Insi<strong>der</strong>konflikten, vgl. NOBEL, Unternehmenskommunikation,<br />

S. 13.<br />

510 SER teilt nicht zuletzt deswegen in <strong>der</strong> Medienmitteilung zur Untersuchungseröffnung mit, dass sie über den<br />

Ausgang des Verfahrens informieren wird.<br />

511 Ein Beispiel hierfür ist <strong>der</strong> Fall Barry Callebaut, wo in Insi<strong>der</strong>kreisen bekannt war, dass ein Verfahren läuft,<br />

weswegen die allgemeine öffentliche Bekanntgabe <strong>der</strong> Untersuchungseröffnung sowie die spätere Untersuchungseinstellung<br />

unerlässlich waren (Medienmitteilung <strong>der</strong> <strong>SIX</strong> Exchange Regulation vom 20. Juli 2010, Sanktionskommission<br />

<strong>SIX</strong> Swiss Exchange - Keine Sanktion gegen Barry Callebaut wegen unterschiedlichen Auffassungen<br />

zur Rechnungslegung).<br />

512 STOOSS, Motive, S. 72.<br />

513 vgl. bereits die Ausführungen in Abschnitt E.3c zu den Rechtsquellen sowie z.B. Entscheid <strong>der</strong> Disziplinarkommission<br />

vom 22.7.2002 (DK/AHP/II/02), Rz. 14: Hier erachtete die Disziplinarkommission die Publikation<br />

des Ausgangs eines Verfahrens für sinnvoll, da <strong>der</strong> Öffentlichkeit mitzuteilen sei, dass auch Mitarbeiter nicht<br />

bevorzugt informiert werden dürften.<br />

514 NZZ Online vom 16. Juli 2009, Mo<strong>der</strong>ate Sanktionen bei <strong>der</strong> <strong>SIX</strong> haben System.<br />

515 AEMISEGGER, EMRK, S. 14.<br />

516 VILLIGER, S. 315.<br />

- 79 -


Kapitel II: Verfahrensrechtliche Aspekte<br />

verstossen gegen die Unschuldsvermutung aus Art. 6 Abs. 2 EMRK, weswegen Presseveröffentlichungen,<br />

die auf <strong>der</strong> unbestätigten Meinung <strong>der</strong> Schuld eines einstweilen bloss Verdächtigten<br />

beruhen, vor <strong>der</strong> Verurteilung im Zusammenhang mit <strong>der</strong> Einleitung eines Verfahrens<br />

verboten sein sollten. 517 Darüber hinaus kann, wie auch bereits WASER in ihrer Dissertation<br />

festhielt, durch die Meldung einer Untersuchungseinleitung eine falsche Erwartungshaltung in<br />

<strong>der</strong> Öffentlichkeit entstehen, „die einen nachträglichen Freispruch durch die Justiz illusorisch<br />

zu machen droht.“ 518 Mit an<strong>der</strong>en Worten: Wenn eine Untersuchung öffentlich bekannt gegeben<br />

wurde, ist zu befürchten, dass die Börse alles versuchen wird, um eine Einstellung des<br />

Verfahrens zu verhin<strong>der</strong>n, da dies gr<strong>und</strong>sätzlich mit einem Gesichtsverlust verb<strong>und</strong>en wäre.<br />

Überdies ist eine extensive Publikationspraxis auch eher schädlich als hilfreich: Bei einer Flut<br />

von Meldungen besteht nämlich immer die Gefahr eines gewissen Abnutzungseffektes, <strong>der</strong><br />

dazu führt, dass Sanktionen nicht mehr wirklich ernst genommen werden 519 bzw. das (mediale)<br />

Interesse in einer übersättigten <strong>und</strong> schnelllebigen Medienwelt rasch verebbt. 520 Dieses<br />

Phänomen ist insbeson<strong>der</strong>e bei <strong>der</strong> Sanktionierung von Verstössen gegen die Rechnungslegungsvorschriften<br />

zu beobachten: Wie eine von MEIXNER im Rahmen seiner Dissertation vorgenommene<br />

differenziertere Analyse <strong>der</strong> Reaktionen <strong>der</strong> öffentlichen Medien auf Mitteilungen<br />

von SER zeigt, verhallt das Medieninteresse unabhängig von <strong>der</strong> Sanktionsart schnell. 521<br />

Dieses mediale Desinteresse wird dabei u.a. auf die Komplexität <strong>der</strong> Rechnungslegungsnormen<br />

zurückgeführt, die zur Folge hat, dass auch die Wirtschaftspresse bei <strong>der</strong> Beurteilung <strong>der</strong><br />

inhaltlichen Tragweite regelmässig an ihre Grenzen stösst. 522 Da die Bekanntgabe eines Fehlers<br />

in <strong>der</strong> Rechnungslegung generell erhöhte Unsicherheit für den Investor bedeutet 523 , führt<br />

jedoch auch die kurzfristige negative Publicity durch SER zu signifikanten negativen Kursreaktionen.<br />

524 Als Folge greifen Unternehmen im Bemühen, das verlorene Vertrauen im Kapitalmarkt<br />

schnell wie<strong>der</strong> herzustellen, zu kurzfristigen Massnahmen mit teilweise unerwünschten<br />

Nebeneffekten (Verschleierungstaktiken, Missachtung <strong>der</strong> Korrekturvorschriften, etc.). 525<br />

Langfristige Verbesserungsmassnahmen werden jedoch nicht ergriffen. Überdies können die<br />

beschriebenen Reputationsschäden für Emittenten durchaus gravierend sein. Vor diesem Hin-<br />

517 so auch: WASER, S. 163.<br />

518 WASER, S. 163.<br />

519 Es stellt sich eine "Welcome-to-the-club"-Haltung ein.<br />

520 FISSE/BRAITHWAITE, S. 294.<br />

521 MEIXNER, S. 90 ff.<br />

522 In die gleiche Richtung äusserten sich auch die Wirtschaftsprüfer, die feststellen, dass es bei den Sanktionen<br />

im Bereich Rechnungslegung häufig um „Technikalitäten“ geht, die für die Medienleute keine Rolle spielen<br />

bzw. zu wenig interessant sind.<br />

523 ACA-HSG, S. 5.<br />

524 Der name and shame-Effekt wirkt; vgl. auch: MEIXNER, S. 78 f.<br />

525 ACA-HSG, S. 14.<br />

- 80 -


Kapitel II: Verfahrensrechtliche Aspekte<br />

tergr<strong>und</strong> ist die von <strong>der</strong> Börse beabsichtigte Praxisän<strong>der</strong>ung - eine Mitteilung, die sich auf die<br />

wirklich sanktionswürdigen Punkte bezieht, erst zu veröffentlichen, wenn den Emittenten<br />

ausreichend Gelegenheit gegeben wurde, sich zum Sachverhalt zu äussern - auch unter Berücksichtigung<br />

des Gr<strong>und</strong>satzes <strong>der</strong> Unschuldsvermutung nur zu begrüssen. Durch die restriktivere<br />

(zeitlich spätere) Publikationspraxis wird die Fairness erhöht, während die Markttransparenz<br />

nicht wirklich beeinträchtigt wird, da Aspekte, die sich als nicht sanktionswürdig herausstellen,<br />

keinen Schaden im Markt anrichten.<br />

dd)<br />

Ergebnis<br />

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass öffentliches Interesse eine Urteilspublikation gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

rechtfertigt. 526 Nichtöffentliche Verhandlungen können das Gerechtigkeitsgefühl <strong>der</strong><br />

Bevölkerung empfindlich verletzen 527 , denn eine demokratische Kontrolle <strong>der</strong> Justiz wird nur<br />

durch öffentlich zugängliche Urteile möglich. 528 Mangelnde demokratische Legitimation gilt<br />

ohnehin schon als Schwäche <strong>der</strong> Selbstregulierung 529 , weswegen es umso wichtiger ist, dass<br />

die Börse <strong>der</strong> Öffentlichkeit Einblick in ihre Überwachungs- <strong>und</strong> Sanktionspraxis gewährt.<br />

Darüber hinaus werden Rechtsnormen oft erst durch Urteile für die Öffentlichkeit nachvollziehbar.<br />

Dies trifft m.E. mit Sicherheit auf die Börsenpflichten zu: Anhand ihrer Sanktionsentscheide<br />

kann die Börse allgemein den Emittenten die Handhabung bestimmter Probleme<br />

erklären. Somit ist – zumindest bei <strong>der</strong> Emittenten-Sanktionierung – eine Offenlegung <strong>der</strong><br />

Sanktionsentscheide bis zu einem gewissen Punkt erfor<strong>der</strong>lich, <strong>und</strong> es stellt sich m.E. sogar<br />

die Frage, ob hier die Veröffentlichung anonymisierter Entscheide ausreicht o<strong>der</strong> ob nicht<br />

eine klarere Darstellung <strong>der</strong> Sachlage unter weitgehendem Verzicht auf anonymisierende Mittel<br />

530 hilfreich wäre. Denn die präventive Wirkung eines anonymen Sanktionsentscheids ist in<br />

<strong>der</strong> Lehre allgemein umstritten: Während einige das öffentliche Interesse an Abschreckung<br />

bejahen 531 , sprechen an<strong>der</strong>e <strong>der</strong> Urteilsveröffentlichung vor dem Hintergr<strong>und</strong> <strong>der</strong> permanenten<br />

medialen Reizüberflutung die Tauglichkeit im Hinblick auf die Warnung <strong>der</strong> Allgemeinheit<br />

ab. 532 Insbeson<strong>der</strong>e letzteres ist auch bei den Sanktionsentscheiden <strong>der</strong> Börse zu beobach-<br />

526 FORSTER, S. 284.<br />

527 LÜTOLF, S. 401.<br />

528 zur Bedeutung <strong>der</strong> Öffentlichkeit in <strong>der</strong> Justiz vgl. allgemein: AEMISEGGER, Öffentlichkeit, S. 377.<br />

529 MORSCHER, S. 90.<br />

530 Nur Geschäftsgeheimnisse sind selbstverständlich weiter zu beachten.<br />

531 SCHULTZ, S. 204.<br />

532 LEHNER, S. 127.<br />

- 81 -


Kapitel II: Verfahrensrechtliche Aspekte<br />

ten: Die sehr stark anonymisierten Entscheide verwirren häufig mehr als zu erklären 533 ,<br />

wodurch insbeson<strong>der</strong>e das Ziel, Rechtssicherheit für die an<strong>der</strong>en Emittenten zu schaffen, nicht<br />

erreicht wird. Das Geheimhaltungsinteresse auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite lässt sich nur so lange aufrechterhalten,<br />

bis die Medienmitteilung veröffentlicht wird. Danach ist es problemlos, den<br />

Sanktionsentscheid dem in <strong>der</strong> Medienmitteilung genannten Unternehmen zuzuordnen.<br />

Eine Aufhebung <strong>der</strong> Anonymisierung ist aber für die Emittenten mit erheblichen Nachteilen<br />

verb<strong>und</strong>en: Insbeson<strong>der</strong>e die Unschuldsvermutung kann erheblich beeinträchtigt werden.<br />

Deswegen sind inhaltliche Anpassungen <strong>der</strong> Publikationen m.E. unerlässlich: Zu begrüssen ist<br />

namentlich die Praxisän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Börse, künftig nur sanktionswürdige Punkte in den Sanktionsanträgen<br />

anzumahnen. 534 Auch die Gewährung eines Mitspracherechts bei den Publikationstexten<br />

geht m.E. in die richtige Richtung, wenn man sich vor Augen führt, dass die Emittenten<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich alles richtig machen wollen, <strong>und</strong> man sie daher nicht durch rufschädigende<br />

Kampagnen in eine Abwehr- bzw. Vermeidungshaltung drängen sollte.<br />

Mitteilungen, die sich dann auf die wirklichen Vergehen <strong>der</strong> Emittenten beziehen, sollten<br />

dann aber Klarheit schaffen <strong>und</strong> auf zu starke Verfremdungen verzichten. Dadurch würde die<br />

Praxis <strong>der</strong> Börse nachvollziehbarer, <strong>und</strong> die Rechtssicherheit <strong>der</strong> Emittenten bezüglich <strong>der</strong> zu<br />

befolgenden Regeln würde erhöht. Schliesslich dürfte die restriktivere Handhabung dazu führen,<br />

dass den einzelnen Mitteilungen mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird, mit dem Ergebnis,<br />

dass auch stärker beachtet wird, welche Folgemassnahmen die Unternehmen ergriffen<br />

haben, wodurch zusätzlich Anreize für eine langfristige Reorganisation bei den Emittenten<br />

geschaffen werden.<br />

b) Teilnehmer<br />

Ein sehr grosser Schutz wird auch den Teilnehmern gewährt: So sieht das Handelsreglement<br />

in Ziff. 19.3 vor, dass die verhängten Sanktionen sowie die ihnen zugr<strong>und</strong>eliegenden Verletzungen<br />

<strong>der</strong> Öffentlichkeit bekannt gegeben werden können. Diese Formulierung zeigt, dass<br />

die <strong>SIX</strong> die Möglichkeit, jedoch nicht die Pflicht hat, Sanktionen <strong>der</strong> Öffentlichkeit bekannt<br />

zu geben. In <strong>der</strong> Praxis werden zwar zur Orientierung <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Teilnehmer anonymisierte<br />

Entscheide auf <strong>der</strong> Webseite publiziert, Medienmitteilungen mit Namensnennung, die es dem<br />

interessierten Leser erlauben, den anonymen Entscheid einem Unternehmen zuzuordnen, gibt<br />

533 Die Aussage „X hat am Z um A Uhr…“ ist eher verwirrend, denn man weiss nicht, ob es am Wochenende<br />

o<strong>der</strong> unter <strong>der</strong> Woche, während <strong>der</strong> Handelszeit o<strong>der</strong> nicht gewesen ist.<br />

534 vgl. Kap. III Abschnitt B.8.<br />

- 82 -


Kapitel II: Verfahrensrechtliche Aspekte<br />

es jedoch nur selten. 535 Vielmehr legte die Sanktionskommission die früher in Ziff 1.24 <strong>der</strong><br />

bis zum 31.3.2010 gültigen Allgemeinen Geschäftsbedingungen verankerte Kann-Vorschrift<br />

<strong>der</strong> <strong>SIX</strong> Swiss Exchange dahingehend aus, dass die Sanktion in Fällen von geringerer Bedeutung<br />

nicht zu veröffentlichen ist, wenn es kein öffentliches Interesse gibt, den Namen des<br />

Teilnehmers zu publizieren 536 , <strong>und</strong> wenn die Busse an <strong>der</strong> unteren Grenze des Bussenrahmens<br />

liegt. 537<br />

Der Gr<strong>und</strong> für diese Zurückhaltung ist darin zu sehen, dass aufgr<strong>und</strong> des beson<strong>der</strong>en Vertrauensverhältnisses<br />

zwischen Finanzintermediär <strong>und</strong> Anleger <strong>der</strong> Reputation eines Effektenhändlers<br />

eine noch grössere Bedeutung zukommt, so dass sein privates Interesse an <strong>der</strong> Geheimhaltung<br />

seiner Verurteilung gross ist. Eine namentliche Bekanntgabe sollte daher nur erfolgen,<br />

wenn es sinnvoll ist, die Allgemeinheit vor einem Teilnehmer <strong>und</strong> seiner Praxis explizit zu<br />

warnen. 538 Dies wird aber wohl eher selten <strong>der</strong> Fall sein.<br />

Darüber hinaus kann bei den Regelverstössen eines Teilnehmers/Händlers m.E. nicht von dem<br />

gleich hohen öffentlichen Interesse an einer Publikation ausgegangen werden wie bei den<br />

Emittentenverfehlungen: Durch Verstösse gegen Emittentenpflichten wie die korrekte Darstellung<br />

<strong>der</strong> Rechnungslegungs- o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Corporate Governance-Bestimmungen sind die Anleger<br />

wesentlich stärker betroffen; ihnen werden wichtige Informationen über ein Unternehmen<br />

vorenthalten, die u.U. mittel- bis langfristig für eine Unternehmensbeurteilung relevant<br />

sind. Deswegen ist sicherzustellen, dass eine Korrektur erfolgt bzw. potentielle Investoren<br />

über den Fehler Bescheid wissen. Bei <strong>der</strong> Teilnehmer-Regulierung hingegen ist das Interesse<br />

<strong>der</strong> Anleger allgemein geringer: Zum einen gehören zum Teilnehmerkreis auch Broker,<br />

Hedge F<strong>und</strong>s etc, die gar keine K<strong>und</strong>en haben; zum an<strong>der</strong>en handelt es sich bei den Verstössen<br />

von Teilnehmern/Händlern z.T. um Regelwidrigkeiten wie die Unterlassung <strong>der</strong> Erstellung<br />

eines externen Revisionsberichts, die für Anleger nicht unmittelbar mit Konsequenzen<br />

verb<strong>und</strong>en sind. In an<strong>der</strong>en Fällen wurde manipulativ ein falscher Kurs gebildet. Aber auch<br />

dies muss nicht unbedingt Folgen für die Marktteilnehmer haben, in welchem Fall wohl kein<br />

Gr<strong>und</strong> besteht, die Öffentlichkeit über den Verstoss in Kenntnis zu setzen. Um an<strong>der</strong>e Teilnehmer<br />

über die Praxis <strong>der</strong> <strong>SIX</strong> Swiss Exchange zu informieren, ist eine Veröffentlichung des<br />

535<br />

Eine Durchsicht <strong>der</strong> <strong>SIX</strong>-Medienmitteilungen im Internet (http://www.six-exchangeregulation.com/publications/communiques/media_releases/2012_de.html)<br />

zeigt, dass die letzte Medienmitteilung<br />

betreffend eines Teilnehmers vom 8. Oktober 2009 datiert: Busse von <strong>SIX</strong> Swiss Exchange <strong>und</strong> Scoach Schweiz<br />

gegen Flow Tra<strong>der</strong>s B.V., Amsterdam.<br />

536 Ein solches ist insbeson<strong>der</strong>e dann als gegeben zu betrachten, wenn es nötig ist, die Öffentlichkeit vor dem<br />

Effektenhändler <strong>und</strong> seinen Handlungen zu warnen. In diesem Fall rechtfertigt sich eine namentliche Nennung<br />

des Teilnehmers; vgl. auch die Ausführungen in Kap. III Abschnitt G.2e.<br />

537 Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission vom 3.11.2011, Verletzung <strong>der</strong> Marktintergrität, Rz. 23.<br />

538 STRATENWERTH, Strafen, S. 365.<br />

- 83 -


Kapitel II: Verfahrensrechtliche Aspekte<br />

rechtskräftigen Entscheids in anonymisierter Form auf <strong>der</strong> Webseite <strong>der</strong> Börse ausreichend. 539<br />

Diese hat dann jedoch auch – analog zu den Sanktionsentscheiden bei Emittenten – eine Informations-<br />

bzw. Unterrichtungsfunktion gegenüber an<strong>der</strong>en Teilnehmernm <strong>und</strong> wenn die<br />

Veröffentlichung <strong>der</strong> Sanktionsentscheide an<strong>der</strong>e Teilnehmer nicht von bestimmten Regelverstössen<br />

abhält, kann die <strong>SIX</strong> ihre Praxis verschärfen <strong>und</strong> in ähnlich gelagerten Fällen Bussen<br />

aussprechen. 540<br />

3. Schiedsverfahren<br />

In Abschnitt C wurde die Diskretion des Schiedsverfahrens als entscheiden<strong>der</strong> Vorteil bereits<br />

genannt: Die Vertraulichkeit des schiedsgerichtlichen Verfahrens wird in <strong>der</strong> nationalen <strong>und</strong><br />

internationalen <strong>Schiedsgericht</strong>sbarkeit als eine Selbstverständlichkeit angesehen 541 , <strong>und</strong> auch<br />

die Fülle <strong>der</strong> entsprechenden Regeln in einzelnen Schiedsordnungen lässt darauf schliessen,<br />

dass es sich bei <strong>der</strong> Nichtöffentlichkeit um einen (stillschweigenden) Gr<strong>und</strong>satz des schiedsgerichtlichen<br />

Verfahrens handelt: Der Ausschluss <strong>der</strong> Öffentlichkeit ist einer <strong>der</strong> Hauptzwecke<br />

eines Schiedsverfahrens 542 , <strong>und</strong> die Schiedsrichter unterliegen einer schiedsrichterlichen<br />

Geheimhaltungspflicht. 543 Bei <strong>der</strong> Geheimhaltung <strong>der</strong> im Verlaufe des Schiedsverfahrens<br />

offenbarten nicht offenk<strong>und</strong>igen Tatsachen <strong>und</strong> Umstände handelt es sich um eine gesetzlich<br />

selbständige Nebenpflicht des Schiedsrichters, ohne die die schiedsrichterliche Tätigkeit gar<br />

nicht möglich wäre. Für HOFFET 544 <strong>und</strong> INDERKUM 545 resultiert diese Verschwiegenheitspflicht<br />

aus <strong>der</strong> allgemeinen richterlichen Aufgabe <strong>der</strong> Rechtsprechung, mit <strong>der</strong> die Kenntnis<br />

von Tatsachen <strong>und</strong> Lebensvorgängen einhergeht, die <strong>der</strong> Privatsphäre <strong>der</strong> Streitparteien angehören.<br />

Meines Erachtens ist die Schweigepflicht beim <strong>Schiedsgericht</strong> aber tiefer verwurzelt<br />

<strong>und</strong> ergibt sich namentlich auch aus dem beson<strong>der</strong>en Vertrauensverhältnis zwischen Schiedsrichter<br />

<strong>und</strong> Parteien. 546 Gr<strong>und</strong>sätzlich ist eine Publikation jedenfalls nur mit dem Einverständnis<br />

<strong>der</strong> Parteien möglich. 547 Dies ist zwar im Interesse <strong>der</strong> betroffenen Unternehmen, die<br />

Transparenz des Börsensanktionsverfahrens wird jedoch erheblich verringert; <strong>und</strong> es besteht<br />

539 so auch: Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission vom 13.3.2009, Unzulässige Agent-Agent-Crosses, Rz. 8; dabei<br />

ist gr<strong>und</strong>sätzlich auch nur die Veröffentlichung neuer Sachverhalte notwendig.<br />

540 vgl. Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission vom 3.7.2009, Verletzung <strong>der</strong> Registrierungspflicht für die Benutzung<br />

des Börsensystems, Rz. 8.<br />

541 PRÜTTING, S. 630 m.w.H.<br />

542 RITZ, S. 56.<br />

543 BERGER/KELLERHALS, S. 319.<br />

544 HOFFET, S. 234.<br />

545 INDERKUM, S. 143.<br />

546 vgl. die Ausführungen in Abschnitt C.2.<br />

547 BERTI/SCHNYDER, S. 1758.<br />

- 84 -


Kapitel II: Verfahrensrechtliche Aspekte<br />

die Gefahr, dass zum einen <strong>der</strong> Verdacht <strong>der</strong> Geheimjustiz entsteht <strong>und</strong> zum an<strong>der</strong>en für an<strong>der</strong>e<br />

Marktteilnehmer wertvolle Erkenntnisse nicht kommuniziert werden.<br />

4. Würdigung<br />

Die Gewährleistung <strong>der</strong> Geheimhaltung in <strong>der</strong> neuen Verfahrensordnung ist für KILGUS <strong>der</strong><br />

einzige Vorteil <strong>der</strong> privatrechtlichen Ausgestaltung. 548 Tatsächlich scheinen die Nicht-<br />

Öffentlichkeit sämtlicher Verfahren sowie die restriktive, anonymisierte Veröffentlichung <strong>der</strong><br />

Sanktionsentscheide den Interessen <strong>der</strong> Sanktionierten <strong>der</strong> Börse sehr zu dienen, denn wie in<br />

Kap. III Abschnitt 3e) aufgezeigt wird, wird die Publikation <strong>der</strong> Sanktionsentscheide wegen<br />

ihrer negativen Reputationswirkung von den Betroffenen als härteste Strafe empf<strong>und</strong>en. Daher<br />

wäre für sie ein gänzlicher Verzicht auf eine Information <strong>der</strong> Öffentlichkeit am besten.<br />

Dies ist aber nicht mit dem in Art. 6 EMRK verankerten Öffentlichkeitsprinzip vereinbar: Die<br />

Gewährleistung öffentlicher Kontrolle schützt zum einen die Verfahrensbeteiligten gegen<br />

Geheimjustiz <strong>und</strong> hilft zum an<strong>der</strong>en das Vertrauen in die gerichtlichen Instanzen zu erhalten.<br />

549 Darüber hinaus geht von veröffentlichten Entscheiden zumeist eine grosse Präjudizwirkung<br />

aus. 550 Die Veröffentlichungspraxis <strong>der</strong> <strong>SIX</strong> ist daher meiner Meinung nach – insbeson<strong>der</strong>e<br />

nach <strong>der</strong> Praxisän<strong>der</strong>ung 551 - angemessen.<br />

J) Angemessene Verfahrensdauer<br />

1. Allgemein<br />

Schliesslich schreibt Art. 6 EMRK eine Verhandlung innert angemessener Frist vor. Mit diesem<br />

Beschleunigungsgebot sollen die Prozessparteien vor übermässigen Verzögerungen des<br />

Verfahrens geschützt werden. 552 Eine lange Verfahrensdauer kann den Prozesserfolg nämlich<br />

auch für die obsiegende Partei ganz o<strong>der</strong> zum Teil entwerten 553 , weswegen u.U. aus Angst vor<br />

548 KILGUS, S. 399.<br />

549 FROWEIN/PEUKERT, S. 215.<br />

550 AEMISEGGER, EMRK, S. 15.<br />

551 vgl. Kap. III Abschnitt B.8.<br />

552 HARRIS/O'BOYLE/WARBRICK, S. 278.<br />

553 SCHWAB/GOTTWALD, S. 57. Im Schrifttum werden als Nachteile namentlich aufgezählt: Unsicherheit über den<br />

Ausgang des Prozesses <strong>und</strong> die Unberechenbarkeit des Zeitpunkts, wann <strong>der</strong> Kläger über das ihm zustehende<br />

Geld verfügen kann; Wegfall des Prozessgr<strong>und</strong>es sowie Verblassung <strong>der</strong> Erinnerung <strong>der</strong> Zeugen.<br />

- 85 -


Kapitel II: Verfahrensrechtliche Aspekte<br />

einer überlangen Prozessdauer gar nicht erst <strong>der</strong> Versuch zur Rechtsdurchsetzung unternommen<br />

wird 554 , was aus rechtsstaatlicher Sicht problematisch ist.<br />

Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite ist aber auch zu berücksichtigen, dass eine kürzere Verfahrensdauer<br />

nicht um jeden Preis <strong>und</strong> erst recht nicht auf Kosten an<strong>der</strong>er Verfahrensziele angestrebt werden<br />

darf: Denn eine sorgfältige Prozessführung <strong>und</strong> Fallbeurteilung benötigen ihre Zeit 555 :<br />

eine überscharfe Verfahrensbeschleunigung verkürzt daher den Rechtsschutz <strong>und</strong> läuft dem<br />

Gerechtigkeitsgedanken zuwi<strong>der</strong>. 556 Deswegen handelt es sich bei <strong>der</strong> angemessenen Frist<br />

auch um einen unbestimmten Rechtsbegriff, <strong>der</strong> fallbezogen konkretisiert werden muss. Beson<strong>der</strong>e<br />

Zeitgrenzen, bei <strong>der</strong>en Überschreiten automatisch eine Verletzung vorliegen würde,<br />

wurden we<strong>der</strong> auf internationaler noch auf nationaler Ebene definiert. Vielmehr hat <strong>der</strong><br />

EGMR im Urteil König 557 die Angemessenheit von Umfang <strong>und</strong> Schwierigkeit des Falles,<br />

vom Verhalten des Beschwerdeführers sowie von <strong>der</strong> Bedeutung des Ausgangs des Verfahrens<br />

für den Betroffenen abhängig gemacht.<br />

2. Börseninternes Verfahren<br />

a) Generelle Beschleunigung durch Verfahrensordnung<br />

Auch beim Börsensanktionsverfahren ist die Verfahrensdauer ein beliebtes Thema, das auch<br />

schon Eingang in die nationale Presseberichterstattung gef<strong>und</strong>en hat. 558 In den Emittentengesprächen<br />

wurde ebenfalls darauf hingewiesen, dass durch die lange Dauer eine wirkungsvolle<br />

Korrektur von Missständen im Kapitalmarkt erschwert würde. Denn wenn z.B. ein Problem<br />

bzgl. <strong>der</strong> Ausgestaltung des CG-Berichts entstünde <strong>und</strong> es über ein Jahr dauerte bis zur Fällung<br />

des Urteils, dann bestünde die Gefahr, dass <strong>der</strong> nächste Bericht auch wie<strong>der</strong> fehlerhaft<br />

gedruckt würde. Wenn die Börse wirklich helfen wolle, dann müsse sie schneller sein. In die<br />

gleiche Richtung geht die Kritik <strong>der</strong> Teilnehmer, die Dauer des SVE-Verfahrens für die Einreichung<br />

eines Sanktionsantrages an die Sanktionskommission sei teilweise unangemessen<br />

lang <strong>und</strong> würde so zu einer markanten Beeinträchtigung <strong>der</strong> Rechtssicherheit führen. 559<br />

554 GERKING, S. 42.<br />

555 STERN, S. 8 m.w.H.<br />

556 MEYER, Rechtsverzögerungsverbot, S. 17.<br />

557 König gegen Deutschland, Urteil vom 10. März 1980, EGMR-E1, 311.<br />

558 vgl. NZZ vom 13.3.2003, Langwierige Sanktionsverfahren <strong>der</strong> SWX, S. 27.<br />

559 vgl. z.B. Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission vom 3.11.2011, Verletzung <strong>der</strong> Marktintegrität, Rz. 3.<br />

- 86 -


Kapitel II: Verfahrensrechtliche Aspekte<br />

Darüber hinaus wird angeführt, angesichts <strong>der</strong> ohnehin negativen Folgen, die mit Pressemitteilungen<br />

über Börsenverfahren verb<strong>und</strong>en sind 560 , sei es nicht im Interesse <strong>der</strong> Emittenten,<br />

wenn z.T. erst nach zwei Jahren ein Entscheid getroffen <strong>und</strong> eine Angelegenheit, die mittlerweile<br />

vergessen wurde, wie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Öffentlichkeit in Bewusstsein gerufen werde. Dies schrecke<br />

ab, überhaupt eine Beschwerde anzustreben.<br />

Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> war die Beschleunigung des Verfahrens ein Ziel <strong>der</strong> neuen Börsenverfahrensordnung<br />

561 : Überkommene Traditionen wie z.B. die Gerichtsferien wurden für das<br />

Börsensanktionsverfahren abgeschafft; auch die Ansetzung von Fristen für die Ergreifung von<br />

Rechtsmitteln ist im Sinne eines raschen Verfahrensablaufs eine sinnvolle Einrichtung, <strong>und</strong><br />

die Regelung in Ziff. 5.3 VO, nach <strong>der</strong> Entscheide <strong>der</strong> Sanktionskommission innert 20 Börsentagen<br />

weiter gezogen werden müssen, erfüllt eine zweckmässige verfahrensbeschleunigende<br />

Funktion. Diesem Zweck dient ebenfalls die in Ziff. 2.5.1 VO festgelegte Bestimmung,<br />

dass eine Regelverletzung nach 2 Jahren (24 Monaten) als verjährt gilt <strong>und</strong> kein Sanktionsverfahren<br />

mehr eingeleitet werden kann.<br />

Auch die Sanktionskommission hat in ihrem Entscheid vom 3.11.2011 festgestellt, dass<br />

schnellere Verfahren sicher angebracht wären, insbeson<strong>der</strong>e wenn ein öffentliches Interesse<br />

vorliegt 562 ; jedoch hängt die Verfahrensdauer wesentlich vom notwendigen Aufwand für die<br />

Sachverhaltsermittlung sowie von <strong>der</strong> Kompliziertheit <strong>der</strong> rechtlichen Probleme ab 563 : Die<br />

Materie <strong>der</strong> Börsenaufsicht ist eine komplexe Aufgabe, die viel Zeit beansprucht. 564 Daher<br />

würde eine kürzere Verfahrensdauer entwe<strong>der</strong> eine unangemessene Vergrösserung <strong>der</strong> Untersuchungsorgane<br />

<strong>der</strong> Börse mit sich bringen 565 o<strong>der</strong> auf Kosten <strong>der</strong> Verfahrensbeteiligten gehen.<br />

Da alle relevanten tatsächlichen <strong>und</strong> rechtlichen Umstände einer Streitigkeit bekannt sein<br />

müssen, damit ein gerechtes Urteil gefällt werden kann 566 , ist es nicht erstaunlich, dass insbeson<strong>der</strong>e<br />

die Untersuchungsverfahren <strong>der</strong> Börse zeitaufwendig sind. 567 Zudem ist hier auch die<br />

Bereitschaft zur Mitwirkung des Beklagten zu berücksichtigen. 568 Wie in Kap. III Abschnitt F<br />

dargelegt wird, ist die Börse bei ihren Abklärungen auf die aktive Mithilfe <strong>der</strong> Emittenten<br />

560 vgl. die Ausführungen in Kap. III Abschnitt G.3.e.aa.<br />

561 Vgl. SWX Mitteilung 75/2006 vom 20.11.2006, Neue SWX Swiss Exchange Verfahrensordnung (VO).<br />

562 Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission vom 3.11.2011, Verletzung <strong>der</strong> Marktintegrität, Rz. 5.<br />

563 MEYER, Rechtsverzögerungsverbot, S. 35<br />

564 JUCHLI/PAGNONCINI, S. 184.<br />

565 Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission vom 3.11.2011, Verletzung <strong>der</strong> Marktintegrität, Rz. 4.<br />

566 RÜEGG, S. 156.<br />

567 im Durchschnitt 17 Wochen.<br />

568 zur Relevanz des Verhaltens eines Verfahrensbeteiligten vgl. VILLIGER, S. 292.<br />

- 87 -


Kapitel II: Verfahrensrechtliche Aspekte<br />

angewiesen. Diese zeigen sich jedoch nicht immer kooperativ bzw. verzögern die Ermittlungen.<br />

569 Solch "trödlerisches" Verhalten darf aber nicht <strong>der</strong> Börse angelastet werden.<br />

Bei <strong>der</strong> Sanktionskommission werden die Fälle tendenziell speditiver abgewickelt. 570 Dies ist<br />

allerdings auch mit rechtsstaatlichen Nachteilen verb<strong>und</strong>en, wie z.B. die Ausführungen in<br />

Abschnitt G.4a bezüglich <strong>der</strong> fehlenden Möglichkeit, sich mündlich zu äussern zeigen.<br />

b) Komplizierter interner Beschwerdeweg als Verfahrensverzögerung<br />

Als heikel in Bezug auf die Optimierung <strong>der</strong> Verfahrenslänge wird auch <strong>der</strong> interne Beschwerdeweg<br />

angesehen 571 : Ein Emittent bzw. ein Effektenhändler kann mit dem Sanktionsbescheid<br />

von SER nämlich nicht direkt zum <strong>Schiedsgericht</strong> gehen, son<strong>der</strong>n muss zunächst das<br />

börseninterne Beschwerdeverfahren durchlaufen, denn vor Abschluss des internen Instanzenzugs<br />

darf das <strong>Schiedsgericht</strong> mangels Erfüllung <strong>der</strong> relevanten Prozessvoraussetzungen nicht<br />

auf die Klage eintreten. 572 Das börseninterne Beschwerdeverfahren kann jedoch zu einer Verlängerung<br />

des Verfahrens führen, was ein Hin<strong>der</strong>nis für die Emittenten darstellen kann, überhaupt<br />

ein Beschwerdeverfahren anzustreben. 573 Diese Problematik soll daher eingehen<strong>der</strong><br />

betrachtet werden.<br />

aa) Vorteile <strong>der</strong> Ausschöpfung des börseninternen Instanzenzugs<br />

Der Ursprung dieser Bestimmung kann auf die Anfänge <strong>der</strong> <strong>SIX</strong> als Verein zurückgeführt<br />

werden, denn hier ist ein solcher Vorbehalt typisch. 574 Als Begründung werden in Lehre <strong>und</strong><br />

Rechtsprechung auf die Vereinsautonomie (Organisationsfreiheit) 575 sowie die Prozessökonomie<br />

576 verwiesen: Vereinsautonomie bedeutet, „dass die Verbandsperson in den Schranken<br />

des Gesetzes <strong>und</strong> <strong>der</strong> guten Sitten (Art. 19 OR) ihre Belange ohne Einmischung des Staates<br />

o<strong>der</strong> Dritter selber regeln darf.“ 577 Daraus ergibt sich m.E. auch das Recht <strong>der</strong> Vereine, Streitigkeiten<br />

zunächst intern zu klären; erst wenn hier keine Streitbeilegung möglich ist, sollten<br />

569 NZZ vom 13.3.2003, Langwierige Sanktionsverfahren <strong>der</strong> SWX, S. 27.<br />

570 im Durchschnitt 7 Wochen.<br />

571 vgl. insb. auch die kritische Betrachtung von WEBER. Neuordnung, S. 591 ff.<br />

572 BAUMGARTEN/LANZ, S. 603.<br />

573 Gemäss DÜTZ liegt eine Erschwerung <strong>der</strong> Einleitung des Beschwerdeverfahrens insbeson<strong>der</strong>e dann vor, wenn<br />

zur Entscheidung privat-rechtlicher Angelegenheiten nicht unmittelbar Gerichte zur Verfügung stehen, son<strong>der</strong>n<br />

zuvor nichtrichterliche Stellen angerufen werden müssen, denn <strong>der</strong> Zwang. sich zuvor an nichtrichterliche Instanzen<br />

wenden zu müssen, bedeutet eine zeitliche Verzögerung des Gerichtsschutzes (vgl. DÜTZ, S. 165 ff.).<br />

574 vgl. z.B.: BODMER, S. 154 ff.; FUCHS, S. 126 ff.; HEINI, S. 225 ff.<br />

575 HEINI, S. 229<br />

576 vgl. BODMER, S. 154, mit Hinweisen auf die b<strong>und</strong>esgerichtliche Rechtsprechung zum vereinsinternen Instanzenzug.<br />

577 HEINI, S. 229.<br />

- 88 -


Kapitel II: Verfahrensrechtliche Aspekte<br />

externe (staatliche) Instanzen beigezogen werden. 578 Dies ist auch ökonomisch sinnvoll, da<br />

staatliche Gerichte weniger vertraut mit <strong>der</strong> Materie sind <strong>und</strong> daher mehr Zeit für ein Urteil<br />

benötigen, das wohl auch weniger f<strong>und</strong>iert sein könnte.<br />

Diese zugr<strong>und</strong>eliegenden Überlegungen sind m.E. so f<strong>und</strong>amental, dass sie auch nach Umwandlung<br />

<strong>der</strong> <strong>SIX</strong> in eine AG noch valabel sind. Denn eine selbstregulierte Organisation –<br />

wie die Börse – zeichnet sich dadurch aus, dass die von <strong>der</strong> Ordnung Betroffenen selbst an <strong>der</strong><br />

Verwaltung <strong>der</strong> Regelungen teilhaben. 579 Deswegen sollte meiner Meinung nach weiterhin<br />

die Börse zunächst versuchen, Beschwerden <strong>der</strong> Emittenten <strong>und</strong> Effektenhändler gegen ihre<br />

Entscheide intern zu klären. Darüber hinaus erfüllt die börseninterne Überprüfung einer Klage<br />

die Funktionen eines "selbstentlastenden Selbstregulierungsmechanismus" 580 , denn eine unnütze<br />

Behelligung <strong>der</strong> Gerichte wird vermieden; darüber hinaus hat <strong>der</strong> Gesetzgeber beim<br />

Erlass des B<strong>und</strong>esgesetzes den erstinstanzlichen Entscheid mit Absicht qualifizierten Fachpersonen<br />

überlassen wollen. 581 So wird auch bei <strong>der</strong> verwaltungsinternen Rechtspflege ein<br />

Instanzenzug durch eine hierarchisch aufgebaute Verwaltungsorganisation mit <strong>der</strong> Begründung<br />

vorgesehen, dass die Verwaltungsbehörden aufgr<strong>und</strong> ihres Fachwissens <strong>und</strong> ihrer Vollzugserfahrung<br />

besser geeignet sind, mit den am Verfahren Beteiligten einvernehmliche Lösungen<br />

zu suchen <strong>und</strong> damit das Verfahren zu einem raschen Abschluss zu bringen. 582<br />

bb) Zusammenlegung <strong>der</strong> börseninternen Rechtsmittelinstanzen<br />

In Abschnitt C.1b) wurde bereits auf die verfahrensverlängernde Doppelspurigkeit im Börsenverfahren<br />

583 eingegangen. Die Tatsache, dass die Beschwerdeinstanz seit ihrem Bestehen<br />

lediglich ca 4 Fälle behandelt hat, zeigt, dass sich die Existenz zweier Instanzen in <strong>der</strong> Praxis<br />

nicht bewährt hat. Da im Lichte <strong>der</strong> Anfor<strong>der</strong>ungen von Art. 6 EMRK ein zweistufiger Instanzenzug<br />

nicht erfor<strong>der</strong>lich ist 584 , wird in <strong>der</strong> Lehre teilweise eine Zusammenlegung dieser<br />

beiden Instanzen zu einer Rechtsmittelinstanz angeregt. 585<br />

Dies ist ein überlegenswerter Vorschlag; allerdings sollte bei solchen Konsolidierungsüberlegungen<br />

auch berücksichtigt werden, dass zur Verstärkung <strong>der</strong> Glaubwürdigkeit des Börsen-<br />

578 gl. M. BODMER, S. 155 f.<br />

579 MORSCHER, S. 134.<br />

580 Diesen Begriff prägte bereits OSCHÜTZ, S. 6, im Zusammenhang mit Verfahren im Bereich des Sports.<br />

581 BAUMGARTEN/LANZ, S. 143 f.<br />

582 HÄFELIN/MÜLLER/UHLMANN, S. 402.<br />

583 Bei schwerwiegenden Sanktionen müssen zunächst sowohl Sanktionskommission als auch Beschwerdeinstanz<br />

entscheiden, bevor das Verfahren ans <strong>Schiedsgericht</strong> weitergezogen werden kann.<br />

584 vgl. WEBER, Neuordnung, S. 591; dies hat auch das B<strong>und</strong>esverwaltungsgericht bestätigt: Urteil des B<strong>und</strong>esverwaltungsgerichts<br />

vom 24. Februar 2010, B-2050/2007, E. 5.4 <strong>und</strong> 5.5.<br />

585 WEBER, Neuordnung, S. 592 f.<br />

- 89 -


Kapitel II: Verfahrensrechtliche Aspekte<br />

sanktionsverfahrens eine strengere Aufgabenverteilung zwischen SER <strong>und</strong> den bzw. <strong>der</strong><br />

Rechtsprechungsinstanz(en) wünschenswert ist. 586 Wenn dementsprechend die einzige<br />

Rechtsmittelinstanz künftig alle Sanktionen ausfällen soll, muss eine ausreichende (<strong>und</strong> erkennbare)<br />

Unabhängigkeit zwingend gewährleistet werden. In diesem Sinne sind die von <strong>der</strong><br />

Parlamentarier-Gruppe r<strong>und</strong> um Otto Stich geäusserten Bedenken 587 angemessen zu berücksichtigen.<br />

Denn die vornehmliche Durchsetzung eigener Interessen wird als eine <strong>der</strong> Hauptschwachstellen<br />

<strong>der</strong> Selbstregulierung angesehen 588 , <strong>und</strong> auch bei <strong>der</strong> Börse wird die Gefahr<br />

gesehen, dass ohne eine saubere Aufsicht durch eine staatlich eingesetzte Stelle „zünftlerische<br />

Eigeninteressen“ zu stark berücksichtigt werden. 589 Eine intern geschaffene <strong>und</strong> bestellte Instanz<br />

wirkt wenig vertrauenswürdig. 590 Zugleich sollte m.E. aber auch dem historischen Willen<br />

des Gesetzgebers ein möglichst grosser Raum eingeräumt werden. Für eine börseninterne<br />

Instanz – wie die heutige Sanktionskommission – spricht namentlich die Effizienz <strong>der</strong> selbstregulierten<br />

Aufsicht: Durch das Fachwissen, das die Regulatoren mitbringen, können die Entscheide<br />

von SER sehr sachbezogen überprüft <strong>und</strong> kann den Betroffenen die Problematik klar<br />

aufgezeigt werden, mit <strong>der</strong> Folge, dass auch negative Entscheide grössere Akzeptanz bei den<br />

Regulierten finden. 591 Darüber hinaus kann sehr viel flexibler auf sich wandelnde schweizerische<br />

o<strong>der</strong> internationale Regulierungsbedürfnisse reagiert werden 592 , <strong>und</strong> die Verfahren werden<br />

insgesamt als weniger schwerfällig <strong>und</strong> langwierig angesehen. Wie auch in den parlamentarischen<br />

Beratungen hervorgehoben wurde, geht es bei den Beschwerden v.a. um spezifische<br />

Betrachtungsweisen, die in einer privaten Auseinan<strong>der</strong>setzung vorkommen <strong>und</strong> die am besten<br />

durch private Behörden beurteilt werden können. Die Sanktionskommission hat sich in <strong>der</strong><br />

Praxis auch tatsächlich bewährt <strong>und</strong> wird als kompetente Behörde angesehen. Als internes<br />

Organ ist sie nah dran am Börsengeschehen <strong>und</strong> kann so zugleich sachgerechte <strong>und</strong> faire Urteile<br />

fällen. Weltweite Tendenzen in <strong>der</strong> Börsenregulierung kann sie schnell in ihre Praxis<br />

integrieren, <strong>und</strong> ihre Entscheidungen können durchaus auch Einfluss auf die Handhabung <strong>der</strong><br />

Emittenten- <strong>und</strong> Teilnehmerpflichten haben.<br />

Die Lösung ist m.E. eine unabhängige Rechtsprechungsinstanz, <strong>der</strong>en Mitglie<strong>der</strong> offiziell<br />

durch die FINMA berufen werden. Sinnvoll wäre hier eine personelle Zusammenführung von<br />

586 vgl. dazu die Ausführungen in Abschnitt F.2.<br />

587 vgl. Abschnitt C.1b.<br />

588 MORSCHER, S. 139; es wird befürchtet, dass durch eine weitgehende Personalunion von Regulatoren <strong>und</strong><br />

Regulierten die Selbstregulierung rasch zu einem privaten Kartell degenerieren kann.<br />

589 vgl. BÖCKLI, Börsengesetz, S. 232.<br />

590 Dies zeigte sich auch in den Interviews, wo viele Emittenten hervorhoben, dass die "hauseigenen" Beschwerdeinstanzen<br />

niemals zu Ungunsten <strong>der</strong> Börse entscheiden würden, weswegen sich die Erhebung einer Beschwerde<br />

gar nicht lohne.<br />

591 gl. M. WEBER, Neuordnung, S. 591.<br />

592 vgl. KEIST/MORARD/MAURHOFER, S. 39.<br />

- 90 -


Kapitel II: Verfahrensrechtliche Aspekte<br />

Sanktionskommission <strong>und</strong> Beschwerdeinstanz, da auf diese Weise auf ein umfangreiches<br />

Know-how zurückgegriffen werden kann. 593 Insgesamt würde meiner Meinung nach ein<br />

transparenteres <strong>und</strong> verlässlicheres Sanktionsverfahren entstehen, was die Unsicherheit bei<br />

den Emittenten verringern würde <strong>und</strong> sich darüber hinaus positiv für die Börse auswirken<br />

könnte.<br />

cc) Ergebnis<br />

Angesichts des allgemein als zu lang empf<strong>und</strong>enen Börsen-Sanktionsverfahrens 594 empfiehlt<br />

sich m.E. eine Vereinfachung des Verfahrens. Sinnvollerweise sollte das Rechtsprechungsverfahren<br />

verschlankt <strong>und</strong> Sanktionskommission <strong>und</strong> Beschwerdeinstanz zu einer Instanz verschmolzen<br />

werden, die dann für die Verhängung sämtlicher Sanktionen zuständig ist, während<br />

SER nur Untersuchungen ausführt <strong>und</strong> Sanktionen beantragt. 595 Bei einer solchen Gesamt-Rechtsprechungsinstanz<br />

müssen zwar auch einige Bedingungen erfüllt werden, damit<br />

diese sowohl in Bezug auf Unabhängigkeit als auch Fachkompetenz geeignet ist, diese dürften<br />

aber keine grossen Probleme bereiten. Zweckmässig wäre, <strong>der</strong> Börse das Recht einzuräumen,<br />

geeignete Kandidaten vorzuschlagen, die dann durch die FINMA offiziell gewählt werden.<br />

3. Schiedsverfahren<br />

Im Anschluss an das verschlankte börseninterne Verfahren stünde das Börsenschiedsgericht<br />

als Beschwerdeinstanz. Dieses entscheidet gr<strong>und</strong>sätzlich endgültig <strong>und</strong> abschliessend, <strong>und</strong><br />

eine Weiterzugsmöglichkeit an ein staatliches Gericht besteht nur bei schwer wiegenden<br />

Mängeln des Entscheids. 596 Eine solche Beschränkung <strong>der</strong> Klagemöglichkeiten ist sinnvoll im<br />

Hinblick auf die Gesamtverfahrensdauer, denn je mehr Instanzen ein Verfahren durchläuft,<br />

desto länger wird es notwendigerweise dauern. 597 Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> wird das Fehlen<br />

<strong>der</strong> Beschwerdemöglichkeiten auch immer als Vorteil <strong>der</strong> Streitbeilegung durch ein <strong>Schiedsgericht</strong><br />

genannt. 598<br />

593 Eine interessante Anregung stellen in diesem Zusammenhang auch die Ausführungen von WEBER dar, <strong>der</strong><br />

darauf hinweist, dass die Revision <strong>der</strong> Reglemente im Jahr 2006 den Know how-Pool <strong>der</strong> börseninternen Rechtsprechungsinstanzen<br />

tendenziell verkleinerte, da die Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Instanzen nicht länger als Ersatzmitglie<strong>der</strong><br />

fungieren konnten: vgl. WEBER, Neuordnung, S. 592.<br />

594 Dieser Kritikpunkt wurde verschiedentlich von den Emittenten <strong>und</strong> wird auch immer wie<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Presse<br />

aufgegriffen.<br />

595 Diese Regelung ist auch erstrebenswert im Hinblick auf die Signalisierung <strong>der</strong> Unabhängigkeit <strong>der</strong> Börseninstanzen;<br />

vgl. auch die Ausführungen in Abschnitt F.<br />

596 vgl. Abschnitt F.5.<br />

597 vgl. Bock gegen Deutschland, Urteil des EGMR vom 29. März 1989, Série A: Vol. 37.<br />

598 EBBING, S. 82.<br />

- 91 -


Kapitel II: Verfahrensrechtliche Aspekte<br />

4. Fazit<br />

Eine lange Dauer <strong>der</strong> Verfahren wird in vielen Län<strong>der</strong>n als wesentliches Hin<strong>der</strong>nis für einen<br />

effektiven Rechtsschutz gesehen. 599 Auch das Verfahren <strong>der</strong> Schweizer Börse gilt als langwierig<br />

600 , was in den Interviews bestätigt wurde. Dies kann gr<strong>und</strong>sätzlich ein Problem darstellen:<br />

So kann bspw. ein Emittent durch Anrufung <strong>der</strong> Beschwerdeinstanzen ein Verfahren so<br />

in die Länge ziehen, dass eine Sanktionierung sinnlos geworden ist. 601 Meiner Meinung nach<br />

ist jedoch die in den Interviews gewonnene Erkenntnis, dass die Verfahrenslänge effektiv die<br />

Emittenten davon abhält, Beschwerde zu ergreifen, problematischer. Deswegen besteht hier<br />

m.E. Handlungsbedarf. Dies darf aber nicht zulasten des Rechtsschutzes gehen: Wie in Kap.<br />

III Abschnitt B.8 gezeigt wird, wurde die Praxis <strong>der</strong> Börse insofern angepasst, als neu eine<br />

Mitteilung, die sich auf die wirklich sanktionswürdigen Punkte bezieht, erst veröffentlicht<br />

wird, nachdem den Emittenten ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wurde.<br />

Diese Praxisän<strong>der</strong>ung dürfte zwar das Verfahren tendenziell verlängern, ist aber angesichts<br />

des Gr<strong>und</strong>satzes <strong>der</strong> Unschuldsvermutung 602 zu begrüssen.<br />

Gr<strong>und</strong>sätzlich sollte aber an einer Straffung des Verfahrens gearbeitet werden. Die Schaffung<br />

einer einzigen Rechtsmittelinstanz, <strong>der</strong>en Entscheid direkt ans Börsenschiedsgericht als zuständige<br />

Beschwerdeinstanz weitergezogen werden kann, könnte hier m.E. einen wertvollen<br />

Beitrag leisten, da dadurch auch die Möglichkeit, ein Verfahren bewusst in die Länge zu ziehen,<br />

reduziert würde.<br />

K) Kosten des Beschwerdeverfahrens<br />

Neben <strong>der</strong> Rechtsstaatlichkeit spielt auch die Effizienz eines Verfahrens eine wichtige Rolle<br />

603 : Dazu gehört neben <strong>der</strong> im letzten Abschnitt erörterten Zügigkeit des Verfahrens auch<br />

die Kostenminimierung. Insbeson<strong>der</strong>e die für die Parteien anfallenden Kosten (Parteikosten)<br />

dürfen nicht so hoch sein, dass sie den Einzelnen von <strong>der</strong> Rechtsverfolgung abschrecken. Dabei<br />

umfassen die Parteikosten neben den finanziellen Aufwendungen für das Verfahren auch<br />

die nicht erstattungsfähigen Aufwendungen von Zeit <strong>und</strong> Arbeitskraft. 604<br />

599 SCHWAB/GOTTWALD, S. 63.<br />

600 NZZ vom 13.03.2003, Langwierige Sanktionsverfahren <strong>der</strong> SWX, S. 27.<br />

601 z.B. weil das Unternehmen mittlerweile aufgelöst wurde wie die Swissair; vgl. NZZ vom 8.2.2003, Verstoss<br />

von SAir-Managern gegen Meldepflicht <strong>der</strong> Börse, S. 1, die pointiert feststellt: „Sanktionen sollen ja nach Möglichkeit<br />

nicht Jahre nach dem Kollaps eines börsenkotierten Unternehmens zu greifen beginnen.“<br />

602 vgl. Abschnitt H.<br />

603 vgl. auch EBBING, S. 81 ff.<br />

604 STREMPEL, S. 322, spricht in diesem Zusammenhang von „nichtmonetisierbaren Kosten <strong>der</strong> Konfliktlösung“.<br />

- 92 -


Kapitel II: Verfahrensrechtliche Aspekte<br />

Auch in den Emittenteninterviews wurde gelegentlich als Gr<strong>und</strong> für den Verzicht auf ein Beschwerdeverfahren<br />

angeführt, aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> hohen Kosten, die insbeson<strong>der</strong>e mit einem<br />

Schiedsverfahren verb<strong>und</strong>en seien, sei davon auszugehen, dass Kosten <strong>und</strong> Ertrag sich nicht<br />

rechnen würden. 605 Neben den hohen monetären Kosten wurde auch <strong>der</strong> hohe Zeitaufwand<br />

angeführt, <strong>der</strong> für die Führung eines Beschwerdeverfahrens erfor<strong>der</strong>lich sei. Namentlich für<br />

kleine Unternehmen, die bei <strong>der</strong> Erledigung <strong>der</strong> Emittentenpflichten ohnehin an ihre Kapazitätsgrenzen<br />

stossen, wirke dieser als Schranke. Angesichts des Gr<strong>und</strong>satzes <strong>der</strong> Kostenminimierung<br />

ist daher das Verfahrenssystem so auszugestalten, dass den Parteien die geringstmöglichen<br />

Aufwendungen entstehen. <strong>Schiedsgericht</strong>sverfahren gelten allgemein als weniger kostenverursachend:<br />

Zwar übersteigt für gewöhnlich das Honorar <strong>der</strong> Schiedsrichter die Gerichtskosten<br />

des Zivilgerichts, das Schiedsverfahren ist jedoch regelmässig nach einer Instanz<br />

beendet, <strong>und</strong> es fallen keine Kosten für ein Berufungsverfahren an. 606 Vor diesem Hintergr<strong>und</strong><br />

ist festzustellen, dass ein ordentlicher gerichtlicher Instanzenzug den Emittenten aufgr<strong>und</strong><br />

des verzweigten Rechtsmittelwegs mit vielen Instanzen noch viel mehr Kosten verursachen<br />

<strong>und</strong> überdies mehr Zeit beanspruchen würde. 607 Denn wie schon KILGUS konstatiert hat,<br />

ist Regulierung kein umfassendes Heilmittel, son<strong>der</strong>n verursacht, selbst wenn sie erfolgreich<br />

ist <strong>und</strong> ihre Ziele erreicht, Kosten. 608<br />

Auch wenn demzufolge ein Schiedsverfahren als kostengünstiger als ein normales staatliches<br />

Gerichtsverfahren anzusehen ist, sind die Kosten des Börsensanktionsverfahrens zu hoch, wie<br />

WEBER aufzeigt. In Bezug auf die internen Rechtsprechungsorgane sind die Kosten zwar in<br />

<strong>der</strong> Regel noch überschaubar sind, können aber doch bereits einen fünfstelligen Betrag in<br />

Schweizer Franken erreichen. Eine kritische Grösse sieht er jedoch insbeson<strong>der</strong>e dann erreicht,<br />

wenn es zu einem Schiedsverfahren <strong>und</strong> wohlmöglich danach noch zu einem Verfahren<br />

vor staatlichen Gerichten kommt. 609 Um angesichts dieser Ausgangslage auch weniger<br />

vermögenden Teilnehmern o<strong>der</strong> Emittenten die Möglichkeit zu geben, ein Verfahren einzuleiten,<br />

schlägt er eine Kostenvorschussregelung bzw. die Einrichtung eines Fonds vor, <strong>der</strong> von<br />

den Börsenteilnehmern gespeist <strong>und</strong> dann wie<strong>der</strong> angezapft werden kann. 610 Diese Anregung<br />

ist m.E. begrüssenswert, denn die Kosten, die bei einem Schiedsverfahren anfallen, sind tatsächlich<br />

beachtlich <strong>und</strong> können durchaus eine abschreckende Wirkung haben. In Bezug auf<br />

605 So führte ein Emittent aus, dass man die Busse vielleicht hätte reduzieren können, dass das aber mit Anwaltskosten<br />

verb<strong>und</strong>en gewesen wäre.<br />

606 vgl. auch: MANDELKOW, S. 84 ff.<br />

607 vgl.: dazu auch STERN, S. 97 ff.<br />

608 KILGUS, S. 271 ff.<br />

609 WEBER, Neuordnung, S. 594. Hierzu ist allerdings festzuhalten, dass WEBERS Ansatz eines Instanzenzugs, <strong>der</strong><br />

fast zwangsläufig zu staatlichen Gerichten führt, m.E. nicht korrekt ist (vgl. Abschnitt F).<br />

610 WEBER, Neuordnung, S. 595.<br />

- 93 -


Kapitel II: Verfahrensrechtliche Aspekte<br />

die aufzuwendende Zeit für die Führung eines Beschwerdeverfahrens hingegen ist festzustellen,<br />

dass diese wohl eine notwendige Investition bei einer Kotierung ist. 611 Wenn sich ein<br />

gewissenhafter Emittent wirklich ungerecht behandelt fühlt, wird er bereit sein, die Zeit aufzubringen.<br />

Trotzdem sollte die Optimierung <strong>der</strong> Verfahrenslänge weiterhin ein Ziel bleiben.<br />

L) Zusammenfassende Würdigung<br />

Wie die Schweizerische Bankiervereinigung bereits 1988 konstatierte, muss sich je<strong>der</strong> im<br />

internationalen Geschäft stehende Finanzplatz, wenn er konkurrenzfähig bleiben will, an internationalen<br />

Standards messen lassen. 612 Diese allgemeine Aussage trifft im beson<strong>der</strong>en<br />

Masse auf die Schweiz zu, da dem Finanzsektor hier eine zentrale Bedeutung zukommt 613 <strong>und</strong><br />

die Schweiz ausserdem im grenzüberschreitenden Vermögensverwaltungsgeschäft eine führende<br />

Stellung einnimmt. 614 Um diese Wettbewerbsposition zu erhalten, müssen die nötigen<br />

Rahmenbedingungen bestehen; insbeson<strong>der</strong>e ist eine kompetente, wirksame <strong>und</strong> effiziente<br />

Marktaufsicht heute unabdingbar. Denn nachdem das Vertrauen in die Stabilität <strong>der</strong> Finanzmärkte<br />

<strong>und</strong> in die Wirksamkeit <strong>der</strong> Aufsicht durch die Finanzkrise 2007/08 erschüttert wurde,<br />

kann ein Finanzplatz seine Reputation nur verteidigen, wenn Fehlverhalten am Markt stetig<br />

aufgedeckt <strong>und</strong> konsequent bestraft wird. 615 Während die Regulierung eines Finanzmarktes<br />

folglich unbedingt notwendig ist, besteht jedoch kein zwingen<strong>der</strong> Gr<strong>und</strong>, dass es eine staatliche<br />

Behörde tun muss, wie STRINGHAM zutreffend festgehalten hat. 616 In <strong>der</strong> Schweiz wurde<br />

infolgedessen mit <strong>der</strong> privatrechtlich ausgestalteten selbstregulierten Börse eine Aufsichtsstruktur<br />

geschaffen, die - international gesehen - einen Son<strong>der</strong>fall darstellt. 617 Es wird davon<br />

ausgegangen, dass bei einer komplexen Materie wie dem Börsenwesen die individuellen Bedürfnisse<br />

am besten befriedigt werden, wenn die Rechtssubjekte ihre Beziehungen selbst re-<br />

611 Ein Emittent, <strong>der</strong> zur Aufbringung <strong>der</strong> erfor<strong>der</strong>lichen Zeit nicht bereit ist, müsste sich evtl. überlegen, ob eine<br />

Börsenkotierung für ihn geeignet ist; vgl. zu dieser Problematik auch die Ausführungen in Kap. III Abschnitt<br />

H.2.<br />

612 Schweizerische Bankiervereinigung, S. 22.<br />

613 Mit r<strong>und</strong> 11% trägt er massgeblich zur Wertschöpfung <strong>der</strong> Schweizer Wirtschaft bei.<br />

614 Botschaft FINMAG, S. 2833.<br />

615 vgl. auch: EFD, Erläutern<strong>der</strong> Bericht. In diesem Sinne ist auch <strong>der</strong> Beschluss des Stän<strong>der</strong>ats in <strong>der</strong> Wintersession<br />

2011 zu verstehen, die Massnahmen gegen Börsendelikte (Insi<strong>der</strong>handel <strong>und</strong> Kursmanipulation) zu verschärfen<br />

(NZZ vom 21.12.2011, Für strengere Börsenregeln, S. 12).<br />

616 STRINGHAM, S. 1 ff. Bemerkenswerterweise zeichnet sich the London Stock Exchange jedoch trotz dieser<br />

Meinung heute durch eine stärkere staatliche Regulierung als die <strong>SIX</strong> aus.<br />

617 In den bedeutenden ausländischen (Konkurrenz-)Finanzmärkten (USA, Grossbritannien, Deutschland, Frankreich<br />

etc.) erfolgen die Marktaufsicht <strong>und</strong> somit auch die Sanktionierung von Fehlverhaltem durch staatliche<br />

Behörden. In <strong>der</strong> Folge sind die Sanktionsverfahren als Verwaltungsverfahren ausgestaltet <strong>und</strong> die Entscheidungen<br />

sind Verwaltungsakte, gegen die <strong>der</strong> Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist (z.B. zur deutschen Regelung vgl.<br />

SCHWARK, Kommentar, S. 172 f.).<br />

- 94 -


Kapitel II: Verfahrensrechtliche Aspekte<br />

geln können. 618 Ferner besteht bei einer öffentlich-rechtlichen Ausrichtung des Börsenwesens<br />

die Gefahr, dass Emittenten für Pflichtverletzungen haftbar gemacht werden können. 619 Dies<br />

ist aber nicht unproblematisch; denn wie in den Emittentengesprächen deutlich wurde, sind<br />

viele Verstösse auf Fehleinschätzungen <strong>der</strong> Situation zurückzuführen. Solche mangelhaften<br />

Lagebeurteilungen werden aber im Nachhinein oft als Pflichtverletzung gewertet. 620 Eine<br />

Verstärkung <strong>der</strong> Haftung würde folglich die Arbeit <strong>der</strong> Emittenten erschweren <strong>und</strong> das Verhältnis<br />

zu den Regulatoren wohl nachhaltig beeinträchtigen.<br />

Die starke Betonung <strong>der</strong> Selbstregulierung war jedoch von Beginn an umstritten 621 <strong>und</strong> gibt<br />

auch heute noch Anlass zu Diskussionen. 622 Dabei steht insbeson<strong>der</strong>e die Frage <strong>der</strong> Rechtsstaatlichkeit<br />

eines solchen selbstregulierten Verfahrens im Vor<strong>der</strong>gr<strong>und</strong>. Denn wenn <strong>der</strong> Eindruck<br />

entsteht, dass die Marktteilnehmer <strong>der</strong> Willkür privater Selbstregulierungsträger ausgeliefert<br />

sind, könnte dies das Vertrauen in den Schweizer Finanzplatz nachhaltig beeinträchtigen.<br />

623<br />

Wie in diesem Kapitel gezeigt wurde, kann die Befürchtung, <strong>der</strong> Rechtsschutz werde markant<br />

eingeschränkt, nicht bestätigt werden; vielmehr entspricht das Börsensanktionsverfahren für<br />

Teilnehmer <strong>und</strong> Emittenten weitgehend den Anfor<strong>der</strong>ungen von Art. 6 EMRK: Wie in Abschnitt<br />

F.3 erörtert wurde, handelt es sich beim Börsenschiedsgericht um eine anzuerkennende<br />

gerichtliche Instanz; zudem üben die mit Experten besetzten Beschwerdeinstanzen die ihnen<br />

zugewiesene Kontroll- <strong>und</strong> Korrekturfunktion tatsächlich aus 624 , so dass gesamthaft m.E. davon<br />

ausgegangen werden kann, dass den Emittenten, Teilnehmern <strong>und</strong> Händlern ausreichende<br />

<strong>und</strong> unabhängige Überprüfungsmöglichkeiten <strong>der</strong> Entscheide zur Verfügung stehen. Der<br />

B<strong>und</strong>esgerichtsentscheid Bergbahnen Lenzerheide AG hat allerdings gezeigt, dass dieser<br />

Schutz nicht auf die Anleger ausgeweitet wird; auch wenn die erlittenen Schäden überschaubar<br />

sind 625 <strong>und</strong> <strong>der</strong> Grossteil <strong>der</strong> Aktionäre überdies als gänzlich indifferent, passiv <strong>und</strong> jeden<br />

Aufwand scheuend beschrieben werden kann 626 , ist dieses Ergebnis m.E. unbefriedigend.<br />

618 BUCHANAN, S. 1 ff.<br />

619 In Deutschland bspw. werden die Börsenregeln als Schutznormen angesehen, <strong>der</strong>en Verletzung Schadenersatzpflicht<br />

auslösen kann; vgl. MAIER-REIMER/WEBER, S. 1854 ff.<br />

620 EASTERBROOK/FISCHEL, S. 99 f. sprechen vom sog. hindsight bias.<br />

621 vgl. die einleitenden Ausführungen in Kap. I Abschnitt A.<br />

622 So halten Experten es für möglich, dass heute unter dem Eindruck <strong>der</strong> Finanzkrise für eine stärkere Beaufsichtigung<br />

<strong>der</strong> Börse plädiert würde.<br />

623 In diesem Sinne warnte auch bereits NOBEL, dass die internationale Stellung <strong>und</strong> das Image des Finanzplatzes<br />

Schweiz ein so wichtiges Thema ist, dass es nicht leichthin zu privater Verwaltung freigegeben werden sollte<br />

(NOBEL, Kolloquium, S. 457).<br />

624 In diesem Sinne haben die Vertreter <strong>der</strong> Sanktionskommission auch darauf hingewiesen, dass es gelegentlich<br />

sogar zu "hausinternen" Beschwerden von SER kommt.<br />

625 umfassen nur das „normale“ Verlustrisiko bei Investitionen <strong>und</strong> erstrecken sich insb. nicht auf reputationsschädigendes<br />

naming and shaming.<br />

626 zur Passivität <strong>der</strong> Aktionäre vgl. auch z.B.: RUFFNER, Publikumsgesellschaft, S. 493.<br />

- 95 -


Kapitel II: Verfahrensrechtliche Aspekte<br />

Abhilfe könnte hier das Aktienrecht schaffen, das dem Aktionär bestimmte Rechte gegenüber<br />

GV <strong>und</strong> VR/GL einräumt.<br />

In Bezug auf die übrigen Garantien von Art. 6 EMRK wird <strong>der</strong> am 1. Januar 2007 in Kraft<br />

getretenen Verfahrensordnung gr<strong>und</strong>sätzlich die Umsetzung <strong>der</strong> rechtsstaatlichen Gr<strong>und</strong>sätze<br />

bescheinigt. 627 Diese Feststellung kann auch auf den festgelegten Beschwerdeweg, <strong>der</strong> beim<br />

Börsenschiedsgericht endet, ausgeweitet werden, denn dieses ist wie alle <strong>Schiedsgericht</strong>e als<br />

Teil <strong>der</strong> staatlichen Gerichtsorganisation <strong>der</strong> Rechtsstaatlichkeit verpflichtet <strong>und</strong> muss daher<br />

einen rechtsstaatlichen Verfahrensablauf gewährleisten. 628 Häufig - <strong>und</strong> das ist auch bei <strong>der</strong><br />

Börse <strong>der</strong> Fall - werden Schiedsverfahren sogar aufwendiger als normale Gerichtsverfahren<br />

geführt: Denn es wird eine Qualität erwartet, die im Massengeschäft tätige staatliche Gerichte<br />

nicht leisten können. 629 Insbeson<strong>der</strong>e Verfahren bezüglich Verletzung <strong>der</strong> Börsenpflichten<br />

sind naturgemäss aufwendig <strong>und</strong> komplex <strong>und</strong> bedürfen daher einer beson<strong>der</strong>en ökonomischen<br />

<strong>und</strong> wirtschaftsrechtlichen Expertise. 630<br />

Aus diesen Darlegungen ergibt sich, dass die Rechtsstaatlichkeit beim Börsensanktionsverfahren<br />

gewährleistet ist, weswegen m.E. nichts für eine Überführung <strong>der</strong> Börsenreglemente ins<br />

öffentliche Recht spricht. Trotzdem ist festzustellen, dass das Beschwerdeverfahren sehr wenig<br />

in Anspruch genommen wird. Als Begründung wird dabei namentlich auf das komplizierte,<br />

zeitraubende Verfahren sowie die als zu wenig unabhängig empf<strong>und</strong>enen Instanzen verwiesen.<br />

Da die Gewährleistung von Rechtsschutz aber ein elementares Anrecht in einem<br />

rechtsstaatlichen Verfahren ist, besteht meiner Meinung nach hier Handlungsbedarf: Das Verfahren<br />

sollte vereinfacht <strong>und</strong> insbeson<strong>der</strong>e auch verschlankt werden, indem künftig Sanktionskommission<br />

<strong>und</strong> Beschwerdeinstanz in einer Rechtsprechungsinstanz zusammengeführt<br />

werden, <strong>der</strong>en Entscheide dann unmittelbar ans Börsenschiedsgericht weitergezogen werden<br />

können. Um die Akzeptanz dieser neuen Instanz zu erhöhen, sollte es sich um eine unabhängige<br />

von aussen bestimmte Behörde handeln. Zudem ist die mit <strong>der</strong> Schaffung des Regulatory<br />

Boards begonnene Gewaltentrennung konsequent fortzusetzen, indem auch die Aufgaben <strong>der</strong><br />

Exekutive (SER) <strong>und</strong> <strong>der</strong> Judikative (Beschwerdeinstanz(en) <strong>und</strong> <strong>Schiedsgericht</strong>) klarer getrennt<br />

werden. Sinnvollerweise sollte künftig SER nur noch Untersuchungen durchführen <strong>und</strong><br />

Sanktionen beantragen, die dann durch die Rechtsprechungsinstanz verhängt werden.<br />

627 KILGUS, S. 396.<br />

628 RÜEDE/HADENFELDT, S. 5 m.w.H.<br />

629 KARRER, S. 467.<br />

630 EFD, Erläutern<strong>der</strong> Bericht, S. 20.<br />

- 96 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

Kapitel III<br />

Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

A) Einleitung<br />

Die selbstregulierte Börse gibt aber nicht nur in verfahrensrechtlicher Hinsicht Anlass zu Diskussionen.<br />

So stehen bspw. für die Medien <strong>und</strong> für die Emittenten an<strong>der</strong>e Aspekte im Fokus,<br />

die in diesem Kapitel behandelt werden sollen: Die Medien konzentrieren sich insbeson<strong>der</strong>e<br />

auf die Wirksamkeit <strong>der</strong> Börsensanktionen sowie den Sanktionenkatalog an sich <strong>und</strong> hinterfragen,<br />

ob die <strong>SIX</strong> ihr Instrumentarium wirklich ausreizt. 631 Bei den Emittenten hingegen ist<br />

eine gewisse allgemeine Unzufriedenheit mit <strong>der</strong> Sanktionspraxis <strong>der</strong> <strong>SIX</strong> Swiss Exchange zu<br />

beobachten, die als übertrieben formalistisch empf<strong>und</strong>en wird. 632 Zwar ist zu beachten, dass<br />

die Kritik hauptsächlich von den Emittenten geäussert wird, die in den letzten Jahren von <strong>der</strong><br />

Börse bestraft wurden, <strong>und</strong> solche Aussagen daher wohl mindestens zum Teil darauf zurückzuführen<br />

sind, dass es den Emittenten naturgemäss nicht gefällt, von <strong>der</strong> Börse bei einem Regelverstoss<br />

o<strong>der</strong> auch nur einer "Schlamperei" erwischt zu werden, weswegen sie versuchen,<br />

ihr Fehlverhalten zu beschönigen, indem sie <strong>SIX</strong> Exchange Regulation zu strenges Vorgehen<br />

vorwerfen <strong>und</strong> ihr auf diese Weise die Schuld zuschieben; es muss jedoch festgestellt werden,<br />

dass auch nicht betroffene Parteien auf problematische Aspekte hinweisen. 633<br />

Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> wird in <strong>der</strong> Lehre gelegentlich für die Einführung einer zivilrechtlichen<br />

Schadensersatzhaftung nach amerikanischem Vorbild plädiert, um allfälligen Problemen<br />

<strong>der</strong> Sanktionierung entgegenzuwirken. 634 Wie aber bereits in Abschnitt L des letzten Kapitels<br />

erwähnt wurde, ist eine umfassende Haftungsregelung mit unerwünschten Nebeneffekten verb<strong>und</strong>en:<br />

So würde bspw. bei <strong>der</strong> Emittentenregulierung eine stärkere Verantwortung <strong>der</strong><br />

Emittenten für unterlassene Ad hoc-Publizität dazu führen, dass diese sich gezwungen sähen,<br />

zur Vermeidung von allfälligen Haftungsrisiken so früh wie möglich zu informieren, <strong>und</strong> es in<br />

<strong>der</strong> Folge zu einer Yo-Yo-Entwicklung des Börsenkurses kommen könnte, da schlechte Nachrichten<br />

bald durch gute relativiert bzw. aufgehoben würden. Dadurch würde Unsicherheit statt<br />

631 vgl. u.a. NZZ Online vom 20. Juli 2009, Mo<strong>der</strong>ate Sanktionen bei <strong>der</strong> <strong>SIX</strong> haben System; Finanz <strong>und</strong> Wirtschaft<br />

vom 29. Juni 2011, <strong>SIX</strong> zwischen Aufsicht <strong>und</strong> Regulierung, S. 16.<br />

632 Dies hat auch eine im Herbst 2010 durchgeführte Umfrage von SwissHoldings unter ihren Mitglie<strong>der</strong>n aufgezeigt.<br />

633 So beurteilen z.B. auch Herr Abt, Herr Nie<strong>der</strong>hauser sowie Herr Dr. Loser die Sanktionspraxis <strong>der</strong> Börse als<br />

z.T. sehr „pingelig“ <strong>und</strong> formalistisch, <strong>und</strong> auch die Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Sanktionskommission verweisen auf übertriebene<br />

Anschuldigungen in Sanktionsanträgen.<br />

634 vgl. z.B.: KÖNDGEN, S. 803; TAUFER, S. 1120 m.w.H.<br />

- 97 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

Vertrauen bei den Anlegern geschaffen, was dem Zweck des Börsengesetzes – Schaffung von<br />

Transparenz – gar entgegenwirken würde. Bei <strong>der</strong> Teilnehmer-Regulierung lässt sich aufgr<strong>und</strong><br />

<strong>der</strong> klaren vertraglichen Gr<strong>und</strong>lage zwar leichter eine Haftungsgr<strong>und</strong>lage konstruieren,<br />

so dass man hier von einer grösseren Korrektur- <strong>und</strong> auch Präventivwirkung durch ein gut<br />

ausgebautes Zivilhaftungssystem ausgehen kann; nichtsdestotrotz können auch hier nicht alle<br />

Verfehlungen abgedeckt werden 635 , so dass es auch hier zur wirkungsvollen Gewährleistung<br />

eines funktionstauglichen Kapitalmarktes eines (ergänzenden) effektiven Sanktionssystems<br />

bedarf. Deswegen ist m.E. DAENIKER zuzustimmen, dass bei <strong>der</strong> Börsenregulierung auf eine<br />

Ausweitung <strong>der</strong> Haftung verzichtet <strong>und</strong> stattdessen durch an<strong>der</strong>e regulatorische Massnahmen<br />

(u.a. Sanktionen) ein grosser Anreiz zur Produktion von ausreichenden Informationen im<br />

Markt geschaffen werden sollte. 636 Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> kommt <strong>der</strong> <strong>Sanktionsordnung</strong> <strong>der</strong><br />

Börse eine wesentliche Bedeutung zu, <strong>und</strong> es erscheint gerechtfertigt, die einzelnen Aspekte<br />

vertieft zu analysieren.<br />

Auffallend ist, dass Kritik auf Seiten <strong>der</strong> Regulierten fast ausschliesslich von Emittenten <strong>und</strong><br />

nicht von Teilnehmern geäussert wird. Dies dürfte m.E. auf zwei wesentliche Punkte zurückzuführen<br />

sein: Erstens ist nach Aussage <strong>der</strong> Börsenorgane die Zusammenarbeit mit den Teilnehmern<br />

enger <strong>und</strong> direkter; diese sind durch ihre Stellung als Bank, Broker, Hedge F<strong>und</strong> etc.<br />

wohl auch näher am Börsengeschehen. Zweitens sind die Teilnehmer auch weniger stark betroffen,<br />

insbeson<strong>der</strong>e da auf eine namentliche Nennung zumeist verzichtet wird. 637<br />

Die Kritikpunkte <strong>der</strong> Emittenten stellen jedoch eine gute Basis für eine gr<strong>und</strong>sätzliche Beurteilung<br />

des Börsensanktionsverfahrens dar, weswegen sie auch – einschliesslich <strong>der</strong> 2011 beschlossenen<br />

Praxisän<strong>der</strong>ungen bei <strong>der</strong> Emittentensanktionierung - in Abschnitt B vorgestellt<br />

werden sollen, bevor dann darauf aufbauend in den weiteren Abschnitten einzelne Aspekte<br />

vertiefter betrachtet werden.<br />

B) Kritikpunkte <strong>der</strong> Emittenten <strong>und</strong> Reaktion <strong>der</strong> Börse<br />

Die von <strong>der</strong> Emittentenseite vorgebrachten Kritikpunkte lassen sich in sieben Kategorien einteilen,<br />

die im Folgenden näher betrachtet werden sollen. Zudem sollen in Abschnitt 8 die Mo-<br />

635 Namentlich im Fall <strong>der</strong> persönlichen Verantwortlichkeit eines Mitarbeiters des Effektenhändlers steht keine<br />

vertragliche Rechtsgr<strong>und</strong>lage zur Verfügung, da <strong>der</strong> Mitarbeiter nicht Vertragspartner des K<strong>und</strong>en ist <strong>und</strong> eine<br />

Inanspruchnahme gestützt auf die Vertrauenshaftung nur in Frage kommt, wenn <strong>der</strong> Mitarbeiter persönliches<br />

Vertrauen in Anspruch genommen hat (HORN, Anlageberatung, S. 5).<br />

636 gl. M. DAENIKER, Thesen, S. 149.<br />

637 vgl. auch die Ausführungen in Kapitel II Abschnitt I.2.<br />

- 98 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

difikationen vorgestellt werden, die die <strong>SIX</strong> teilweise auch als Reaktion auf vorgebrachte<br />

Einwände vorgenommen hat.<br />

1. Verhalten gegenüber den Emittenten<br />

Allgemein wird das Verhalten von SER gegenüber den Emittenten beanstandet, das als teilweise<br />

sehr herablassend empf<strong>und</strong>en wird. 638 Die Emittenten empfinden sich als K<strong>und</strong>en <strong>der</strong><br />

<strong>SIX</strong> <strong>und</strong> es wird hervorgehoben, die Unternehmen <strong>und</strong> die Börse hätten gr<strong>und</strong>sätzlich gleiche<br />

Ziele: Beide wären an einem transparenten <strong>und</strong> fairen Kapitalmarkt interessiert <strong>und</strong> daher<br />

wäre eine partnerschaftlichere Struktur wünschenswert, bei <strong>der</strong> <strong>der</strong> konstruktive Dialog zwischen<br />

Emittenten <strong>und</strong> Börse über allfällige Probleme stärker im Vor<strong>der</strong>gr<strong>und</strong> stünde. Der<br />

Versuch, im Gespräch allfällige Differenzen zu bereinigen 639 , wird jedoch von einigen Emittentenvertretern<br />

als frustrierend beschrieben. Beispielhaft sei hier die Schil<strong>der</strong>ung eines Unternehmens<br />

erwähnt, dem Fehler bei <strong>der</strong> Erstellung des Jahresabschlusses vorgeworfen wurden<br />

<strong>und</strong> das deswegen zusammen mit <strong>der</strong> Revisionsgesellschaft das Gespräch mit SER gesucht<br />

hatte. Das Unternehmen hatte die Hoffnung, dass sie eine vernünftige Diskussion führen<br />

<strong>und</strong> durch Argumente überzeugen könnten, aber die Börse agierte nach dem Motto "Wir haben<br />

uns unsere Meinung gebildet". Insbeson<strong>der</strong>e war es nicht möglich, nur einzelne heikle<br />

Punkte zu berichtigen. Die Börse stellte sich auf den Standpunkt: "Alles als Fehler eingestehen<br />

o<strong>der</strong> eine Busse kassieren". Die fehlende Bereitschaft zur Kooperation wird <strong>der</strong> Börse<br />

auch von an<strong>der</strong>en Emittenten vorgeworfen; auch wenn man selbst Verfehlungen anzeige,<br />

werde man mit <strong>der</strong> gleichen Härte bestraft wie "uneinsichtige" Firmen.<br />

2. Mangelnde Hilfe bei Problemen<br />

Ein weiteres heikles Gebiet sind die Auskünfte <strong>der</strong> Börse zu Fragen bei <strong>der</strong> Erfüllung <strong>der</strong><br />

Emittentenpflichten. Gr<strong>und</strong>sätzlich gilt, dass man sich bei Fragen an die Börse wenden kann;<br />

auf ihrer Homepage sind zu diesem Zweck die Ansprechpersonen zu den einzelnen Gebieten<br />

mit Telefonnummern veröffentlicht. 640 Der Nutzen dieser Dienstleistung wird jedoch von<br />

Unternehmensseite sehr unterschiedlich bewertet: Während die einen hervorheben, dass die<br />

Börse gr<strong>und</strong>sätzlich zur Zusammenarbeit bereit ist <strong>und</strong> man bei Anfragen auch verwertbare<br />

638 Ein Emittent verglich es mit "einer Königin auf ihrem Thron".<br />

639 "Man denkt doch, in <strong>der</strong> Schweiz könne man über alles sprechen" (Aussage eines Emittenten, <strong>der</strong> den Versuch<br />

als gescheitert betrachtet).<br />

640 vgl.: www.six-exchange-regulation.com/obligations/contacts_de.html.<br />

- 99 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

Antworten bekommt, so dass man z.B. bei Fragen zur Ad hoc-Publizität keinen externen Berater<br />

benötigt, beklagen sich die an<strong>der</strong>en, bei Nachfragen zu CG-Berichten nur die vage Auskunft<br />

bekommen zu haben, man müsse selber entscheiden, wie ausführlich man die Berichte<br />

abfassen wolle. Im Nachhinein wäre <strong>der</strong> nach eigenem Ermessen erstellte Bericht aber von<br />

SER als zu wenig aussagekräftig beurteilt <strong>und</strong> ein Verfahren eingeleitet worden.<br />

Insgesamt wurde in den Emittenten-Gesprächen <strong>der</strong> Wunsch nach einem Consulting seitens<br />

<strong>der</strong> Börse laut, d.h. nach einer Stelle, mit <strong>der</strong> man sich austauschen <strong>und</strong> seine Meinungen absichern<br />

könne. Denn man könne aus guten Gründen „daneben liegen“.<br />

3. Rechtsquellen<br />

Die wichtigste Quelle für Emittenten in Bezug auf die einzuhaltenden Pflichten sind die Reglemente.<br />

Darüber hinaus verweist die <strong>SIX</strong> regelmässig auf ihre Sanktionspraxis als Orientierungshilfe.<br />

641 Auch hier setzt die Kritik <strong>der</strong> Emittenten ein: Die <strong>SIX</strong> veröffentliche ihre Regeln<br />

nicht in einer akzeptablen Form; als Emittent sei man vielfach gezwungen, sich die Informationen<br />

"zusammenzuklauben". Dadurch komme es leicht zu <strong>der</strong> unerfreulichen Situation,<br />

dass man im Sanktionsentscheid die beanstandeten Fehler lese <strong>und</strong> sagen müsse: "Hätte<br />

man es gewusst, hätte man das Problem leicht vermeiden können.“ Namentlich wird die Verwendung<br />

von schwammigen Begriffen in den Richtlinien <strong>und</strong> Kommentaren 642 sowie die Unübersichtlichkeit<br />

des Regelwerks beanstandet: Die komplexe Hierarchie bestehend aus Kotierungsreglement,<br />

Zusatzreglement, Richtlinien <strong>und</strong> R<strong>und</strong>schreiben führe dazu, dass man sich<br />

bei einem Problem durch einen "Regelungsdschungel" durchkämpfen müsse, was dazu führen<br />

könne, dass man eine signifikante Anordnung in einer Unter-Unter-Verordnung überlese. Im<br />

Weiteren bestünde teilweise ein Missverhältnis zwischen Richtlinien <strong>und</strong> Kommentaren, indem<br />

essentielle Inhalte in den Kommentaren statt in <strong>der</strong> Richtlinie enthalten seien. Die Kommentare<br />

wären überdies veraltet, was ihre Nützlichkeit beschränke. Um den Emittenten das<br />

nötige Rüstzeug für die ordnungsgemässe Erfüllung ihrer Pflichten zu gewähren, wird für die<br />

Publikation <strong>der</strong> Regeln in einer gut strukturierten <strong>und</strong> einfach zu verstehenden Form plädiert.<br />

641 vgl.: www.six-exchange-regulation.com/regulation/legal_precedents_de.html; in den Entscheiden wird es<br />

auch berücksichtigt, wenn ein Verstoss bereits früher bei an<strong>der</strong>en Emittenten sanktioniert worden war <strong>und</strong> deswegen<br />

hätte bekannt sein müssen (z.B. Entscheid <strong>der</strong> Zulassungsstelle vom 10.4.2006 (ZUL-RLE-X/05), Rz.<br />

14).<br />

642 Als Beispiel wird auf Ziff. 5.1 des Kommentars zur RLCG verwiesen: " Die Bestimmung bezweckt, die Verantwortlichkeiten,<br />

die Kriterien sowie das Verfahren zur Festsetzung <strong>der</strong> Entschädigungen <strong>und</strong> <strong>der</strong> Beteiligungsprogramme<br />

von Mitglie<strong>der</strong>n <strong>und</strong> ehemaligen Mitglie<strong>der</strong>n des Verwaltungsrates <strong>und</strong> <strong>der</strong> Geschäftsleitung in<br />

möglichst nachvollziehbarer Weise aufzuzeigen."<br />

- 100 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

So würde ein Handbuch die Sicherheit <strong>der</strong> Emittenten erhöhen <strong>und</strong> Neu-Kotierungen den Einstieg<br />

erleichtern.<br />

Die Sanktionsentscheide werden ebenfalls als unzureichend aufbereitete Rechtsquelle bezeichnet:<br />

So ist es oft nicht einfach, herauszufinden, welche die wirklich entscheidenden Sätze<br />

sind. Ausserdem ist die Redaktion <strong>der</strong> Entscheide nicht immer glücklich: Ein prägnantes<br />

oft genanntes Beispiel ist hier <strong>der</strong> Vontobel-Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission 643 , <strong>der</strong> die<br />

Problematik <strong>der</strong> Offenlegung von Inhalt <strong>der</strong> Festsetzungsverfahren <strong>der</strong> Entschädigungen so<br />

generell umschrieb, dass gegen fast alle Börsengesellschaften ein Verfahren hätte eröffnet<br />

werden können. Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> wird angeregt, dass die Börse eine Analyse <strong>der</strong><br />

Rechtsprechung vornimmt <strong>und</strong> anschliessend in den Kommentaren klar darauf eingeht, was<br />

ihr nicht gefällt. Es wird sogar vorgeschlagen, die Comment Letters 644 (anonymisiert) zu veröffentlichen<br />

<strong>und</strong> so allgemeine Aussagen zu CG, Management Transaktionen <strong>und</strong> <strong>der</strong> Ad hoc-<br />

Publizität zu machen.<br />

4. Anwendung <strong>der</strong> Reglemente <strong>und</strong> Sanktionierung<br />

Als das eigentliche Problem werden jedoch nicht die Regularien an sich, son<strong>der</strong>n ihre Anwendung<br />

in <strong>der</strong> Praxis empf<strong>und</strong>en. Hier wird die <strong>SIX</strong> als sehr formalistisch beschrieben: Sie<br />

lege die einzelnen Bestimmungen extensiv aus <strong>und</strong> erschwere damit den Emittenten die Erfüllung<br />

ihrer Pflichten. Zwar wäre ihre Strenge zum Teil verständlich, denn um einen transparenten<br />

<strong>und</strong> vertrauenswürdigen Finanzplatz zu gewährleisten, müsse die Einhaltung <strong>der</strong> Regeln<br />

gewissenhaft überprüft werden, die Börse schiesse jedoch über das Ziel hinaus <strong>und</strong> liste in<br />

ihren Sanktionsanträgen auch völlig belanglose Punkte auf, wodurch <strong>der</strong> Eindruck einer unverhältnismässigen<br />

<strong>und</strong> klein-karierten Praxis entstehe. Die extensive Interpretation <strong>der</strong> Reglemente<br />

gehe auch teilweise über <strong>der</strong>en Zweck hinaus <strong>und</strong> schaffe neue Bestimmungen, die<br />

sich so aus den entsprechenden Reglementen nicht ergäben. Beispiele für solche "Überregulierungen"<br />

liessen sich in fast allen Regulierungsbereichen finden: Bei <strong>der</strong> Ad hoc-Publizität<br />

sorgt die im Lonza-Entscheid aufgestellte Regel, dass je<strong>der</strong> Wechsel in <strong>der</strong> Konzernleitung<br />

als ad hoc-relevant zu beurteilen ist, egal ob es sich um den CEO o<strong>der</strong> den Leiter Human Resources<br />

handelt, für Diskussionen; während es bei <strong>der</strong> Corporate-Governance namentlich um<br />

die Frage geht, wie ausführlich das Verfahren für die Festlegung <strong>der</strong> Entschädigung beschrieben<br />

werden muss. Im Bereich Rechnungslegung schliesslich besteht bei einem principle-<br />

643 Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission vom 11.6.2010 (SaKo 2010-CG-I/10).<br />

644 Dabei handelt es sich um Mahnbriefe von SER, mit denen Emittenten auf weniger gravierende Verstösse<br />

aufmerksam gemacht werden.<br />

- 101 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

based Standard wie IFRS ein grosser Graubereich, <strong>der</strong> Raum für Auslegung lässt. Daraus<br />

ergibt sich die Frage, ob es die Aufgabe <strong>der</strong> Börse ist, hier Interpretationen anzustellen. Daher<br />

vertreten auch Rechnungslegungsexperten 645 die Meinung, dass die Börse hier nur sehr zurückhaltend<br />

Untersuchungen einleiten sollte, denn für ein Unternehmen, das nichts falsch gemacht<br />

hat, ist eine solche Untersuchung inklusive reputationsschädigen<strong>der</strong> Veröffentlichung<br />

646 nur ärgerlich.<br />

SER wird insgesamt auch fehlende Praxisnähe vorgeworfen: Die Verantwortlichen schienen<br />

oft nicht in <strong>der</strong> Lage, die Bedingungen in Unternehmen richtig einzuschätzen, was zu unverhältnismässig<br />

harten Strafen für geringfügige Verstösse führe. Ein Indiz für die übertriebene<br />

Handhabung durch SER sei auch, dass viele Entscheide von <strong>der</strong> Sanktionskommission "zurückgeholt"<br />

bzw. relativiert würden. 647 Die Sanktionskommission wende viel mehr Common<br />

Sense an <strong>und</strong> beharre nicht auf dem Buchstaben des Gesetzes.<br />

5. Zu scharfe Behandlung kleinerer Emittenten<br />

Sehr eng mit <strong>der</strong> Sanktionspraxis <strong>der</strong> <strong>SIX</strong> allgemein ist auch die Frage verb<strong>und</strong>en, ob sie kleineren<br />

Unternehmen gegenüber die richtigen Massstäbe anwendet: Gr<strong>und</strong>sätzlich ist festzuhalten,<br />

dass grosse Firmen wie z.B. Novartis <strong>und</strong> Nestlé sicher nicht schlechter behandelt werden<br />

<strong>und</strong> wohl weniger Probleme haben, die Emittentenpflichten zu erfüllen, als kleinere Firmen.<br />

Denn bei grossen Konzernen wie Novartis <strong>und</strong> Nestlé sind ganze Abteilungen das gesamte<br />

Jahr über mit <strong>der</strong> Erstellung des Jahresberichts beschäftigt, <strong>und</strong> sie verfügen über ausgeklügelte<br />

Meldesysteme sowohl für Management-Transaktionen als auch für ad hoc-relevante<br />

Ereignisse, während bei kleinen Unternehmen, die z.T. nicht einmal über eine eigene Rechtsabteilung<br />

verfügen, die Erfüllung <strong>der</strong> Börsenpflichten als Stress empf<strong>und</strong>en wird. Hier besteht<br />

eine viel grössere Gefahr, dass nur 1 o<strong>der</strong> 2 Personen (<strong>der</strong> CEO <strong>und</strong>/o<strong>der</strong> <strong>der</strong> CFO) die Fristen<br />

für die Meldung von Management-Transaktionen o<strong>der</strong> kursrelevanten Ereignissen kennen, so<br />

dass bei (Urlaubs-) Abwesenheit niemand Bescheid weiss <strong>und</strong> es in <strong>der</strong> Folge zu Regelverstössen<br />

kommt. Als Konsequenz beklagen sich Vertreter kleinerer Börsengesellschaften<br />

darüber, dass die kleinen Firmen Regeln einhalten müssten, die für die grossen gemacht wurden.<br />

Damit die soeben beschriebenen Pannen vermieden werden könnten, müsste ein Auf-<br />

645 wie Vertreter von Revisionsgesellschaften.<br />

646 siehe dazu Abschnitt G.2e.<br />

647 ein gutes Beispiel ist hier <strong>der</strong> "Sulzer"-Entscheid (Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission vom 30.7.2010 (SaKo<br />

201-CG-II/10, SaKo 2010-MP-I/10), in dem die Sanktionskommission feststellte: "Die von <strong>SIX</strong> Exchange Regulation<br />

vorgenommene Qualifizierung war teilweise zu streng <strong>und</strong> legte einen zu engen Massstab an die Umsetzung<br />

dessen an, was unter Wesentlichkeit <strong>der</strong> von einem Emittenten zu liefernden Informationen zu verstehen<br />

ist." (Rz. 16).<br />

- 102 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

wand betrieben werden, <strong>der</strong> unternehmerisch keinen Sinn mache, denn es müssten personelle<br />

Kapazitäten freigesetzt werden, die dem Unternehmen keinen Franken Mehrwert brächten.<br />

Die Möglichkeit, 5-10 Leute einzustellen, die sich nur mit den Börsennormen beschäftigen,<br />

haben kleinere Gesellschaften einfach nicht, weswegen hier eine differenziertere Behandlung<br />

in Betracht zu ziehen wäre.<br />

Die momentane strenge Regulierung führt auch dazu, dass viele kleinere Gesellschaften die<br />

Dekotierung in Erwägung ziehen <strong>und</strong> z.T. auch vollziehen. 648<br />

6. Sanktionen<br />

Die als mangelhaft empf<strong>und</strong>ene Kooperationsbereitschaft, die bereits in Abschnitt 1 thematisiert<br />

wurde in Verbindung mit <strong>der</strong> sehr strengen Auslegung <strong>der</strong> Reglemente, führt nach Ansicht<br />

<strong>der</strong> Emittenten im Weiteren dazu, dass nur ein kleiner Teil <strong>der</strong> Verfahren auf Vorstufe<br />

endet. Hier wurde in den Gesprächen <strong>der</strong> Wunsch nach Mahnverfahren laut, bei denen einsichtige<br />

Unternehmen eine zweite Chance erhalten.<br />

Ferner wurde von Emittentenseite auch beanstandet, dass die Sanktionen (insbeson<strong>der</strong>e Bussenhöhe)<br />

z.T. in keinem Verhältnis zu den Verstössen bzw. <strong>der</strong> Schwere <strong>der</strong> Regelverletzung<br />

stehen. Insbeson<strong>der</strong>e wenn we<strong>der</strong> Absicht vorgelegen hätte noch ein Schaden entstanden sei,<br />

könnten die verhängten Sanktionen unverhältnismässig sein. Diese Auffassung schliesst an<br />

die im Vernehmlassungsverfahren zum revidierten Kotierungsreglement von Unternehmensseite<br />

geäusserte Meinung an 649 , kollidiert jedoch mit <strong>der</strong> Meinung, die immer mal wie<strong>der</strong> in<br />

<strong>der</strong> Presse vertreten wird, dass die Sanktionspraxis <strong>der</strong> <strong>SIX</strong> zu large sei. 650<br />

Eine Möglichkeit, die Sanktionierung zu vermeiden, ist die Einigung. Jedoch kann es auch<br />

hier zu Enttäuschungen kommen: Kritisiert wird insbeson<strong>der</strong>e, dass die Unternehmen keinerlei<br />

Möglichkeit haben, beim Wording <strong>der</strong> Pressemitteilung mitzusprechen. Wie ein Unternehmensvertreter<br />

mir gegenüber äusserte, kann das Ergebnis ein als erniedrigend empf<strong>und</strong>ener<br />

Text sein, <strong>der</strong> die Verantwortlichen im Unternehmen wie "dumme Schuljungen" aussehen<br />

lässt. Erschwerend kommt hinzu, dass bei <strong>der</strong> Einigung <strong>der</strong> Verwaltungsrat gegenüber <strong>der</strong><br />

Börse eine Stillschweigevereinbarung unterzeichnen muss, die es ihm erschwert, an <strong>der</strong><br />

nächsten Generalversammlung Stellung zu beziehen.<br />

648 Bei dem Dekotierungsentscheid <strong>der</strong> Bergbahnen Lenzerheide AG 2009 spielte u.a. auch die Sanktionierung<br />

durch die <strong>SIX</strong> (Entscheid von SER vom 24.4.2009 (SER/RLE/III/09)) Anfang 2009 eine Rolle.<br />

649 Siehe dazu: Konsolidierte Stellungnahmen zum Kotierungsreglement unter: www.six-swiss-exchangeregulation.ch/regulation/news_de.html.;<br />

vgl auch Abschnitt G.2c.<br />

650 vgl. dazu z.B.: NZZ Online vom 20. Juli 2009, Mo<strong>der</strong>ate Sanktionen bei <strong>der</strong> <strong>SIX</strong> haben System; Finanz <strong>und</strong><br />

Wirtschaft vom 29. Juni 2011, <strong>SIX</strong> zwischen Aufsicht <strong>und</strong> Regulierung, S. 16.<br />

- 103 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

7. Veröffentlichungspraxis<br />

Durch alle Gespräche mit den Emittenten hindurch zieht sich jedoch die Feststellung, dass die<br />

Sanktion an sich eigentlich nicht das Problem ist. Als viel schlimmer wird generell die Wirkung<br />

<strong>der</strong> Veröffentlichung <strong>der</strong> Sanktionierung durch die Börse eingeordnet. 651 Die Möglichkeit,<br />

öffentlich an den Pranger gestellt zu werden, ist für alle ein solcher Horror, dass auch<br />

grosse Unternehmen wie eine Novartis allen Effort in die Bemühungen legen, allfällige Meinungsverschiedenheiten<br />

schnell aus <strong>der</strong> Welt zu schaffen. Auch wenn angesichts <strong>der</strong> Vielzahl<br />

<strong>der</strong> bereits veröffentlichten Sanktionsentscheide eine gewisse Abnutzungserscheinung zu beobachten<br />

ist 652 , so berichtet die Mehrheit <strong>der</strong> Emittenten doch von unangenehmen Konsequenzen.<br />

653 Beson<strong>der</strong>s störend sei dabei, dass bereits die Eröffnung einer Untersuchung publiziert<br />

wird, denn ein normaler Mensch könne nicht unterscheiden, ob das schon einer Bestrafung<br />

gleichkommt.<br />

8. Praxisän<strong>der</strong>ung von Seiten <strong>der</strong> <strong>SIX</strong><br />

Die von <strong>der</strong> <strong>SIX</strong> 2010 angestossenen Modifikationen haben das Ziel, das Verhältnis von Börse<br />

<strong>und</strong> Emittenten zu verbessern: So soll es zuerst einen Mahnletter (sog. Comment letter)<br />

geben, in dem die Emittenten darauf aufmerksam gemacht werden, dass sie gegen die Börsenpflichten<br />

verstossen haben. Erst wenn die Emittenten darauf nicht angemessen reagieren -<br />

d.h. sich nicht einsichtig zeigen <strong>und</strong> keine allfälligen organisatorischen Vorkehrungen für die<br />

Zukunft treffen - soll es zu einer Sanktionierung kommen. Dieser Mahnbrief soll auch dazu<br />

genutzt werden, problematische, aber nicht sanktionswürdige Verhaltensweisen anzusprechen.<br />

Diese sollen dann nicht mehr im Sanktionsantrag aufgeführt werden. Im Weiteren soll<br />

auch das rechtliche Gehör <strong>der</strong> Emittenten verbessert werden: Sie erfahren durch den Mahnbrief,<br />

dass SER eine Voruntersuchung durchführt, <strong>und</strong> erhalten ausreichend Gelegenheit, sich<br />

zu den Vorwürfen zu äussern. Dafür wird auch die Zeitspanne zwischen Voruntersuchung/Versand<br />

des Mahnbriefes <strong>und</strong> <strong>der</strong> endgültigen Untersuchungseröffnung verlängert;<br />

eine Untersuchung mit entsprechen<strong>der</strong> Publizitätswirkung soll nur noch eingeleitet werden,<br />

wenn SER davon ausgehen kann, dass eine Sanktion verhängt wird. Ausserdem sollen künftig<br />

auch die Texte <strong>der</strong> Medienmitteilungen (Untersuchungseröffnung, Sanktionierung) sowie <strong>der</strong><br />

651 Diese Tatsache ist auch in <strong>der</strong> Wissenschaft akzeptiert; vgl. die Ausführungen in Abschnitt G.2e.<br />

652 Einige Emittenten äusserten sich auch dahingehend, dass man mittlerweile eher sagt: "Ach, ihr seid auch<br />

sanktioniert worden? Welcome to the club."<br />

653 Es gibt Meldungen im Radio, in <strong>der</strong> Zeitung <strong>und</strong> auf Bloomberg, <strong>und</strong> man wird von Investoren, aber auch<br />

Bekannten angesprochen.<br />

- 104 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

Text von Einigungen mit den Emittenten besprochen werden. Ebenfalls positiv zu bewerten<br />

ist m.E., dass neuerdings in den Sanktionsentscheiden zwischen Haupt- <strong>und</strong> Nebenpunkten<br />

unterschieden wird. 654 Die Qualität <strong>der</strong> Information für die Anleger wird dadurch verbessert,<br />

<strong>und</strong> zugleich werden die negativen Imageeffekte für die Emittenten verringert.<br />

C) Pflichten <strong>der</strong> Emittenten<br />

Jede Deregulierung findet ihre Grenzen in den allgemein akzeptierten Polizeigütern von Treu<br />

<strong>und</strong> Glauben im Geschäftsverkehr <strong>und</strong> Anlegerschutz. 655 Das Festlegen von verbindlich einzuhaltenden<br />

Normen in den Börsenregularien ist somit kein Selbstzweck, son<strong>der</strong>n dient <strong>der</strong><br />

Schaffung eines integeren, transparenten <strong>und</strong> fairen Kapitalmarkts. Um die Einhaltung <strong>der</strong><br />

Regularien zu gewährleisten, muss eine <strong>Sanktionsordnung</strong> festgelegt werden. 656 Vor diesem<br />

Hintergr<strong>und</strong> rechtfertigt es sich m.E., die Analyse <strong>der</strong> Börsensanktionspraxis mit <strong>der</strong> Betrachtung<br />

<strong>der</strong> zu garantierenden Schutzziele zu beginnen.<br />

1. Zielsetzung<br />

a) Allgemein<br />

In Kapitel II Abschnitt A wurde bereits auf das volkswirtschaftliche Interesse an funktionierenden<br />

Effektenbörsen eingegangen <strong>und</strong> die drei Effizienzkriterien wurden aufgezeigt. Optimale<br />

Investitionsentscheide im Sinne allokativer Effizienz können gewährleistet werden,<br />

wenn <strong>der</strong> Börsenkurs je<strong>der</strong>zeit vollständig die vorhandenen Informationen reflektiert. 657 In<br />

einem informierten Markt pendeln sich die Preise von selbst auf dem „richtigen“, alle Informationen<br />

wi<strong>der</strong>spiegelnden Niveau ein. 658 Dafür muss die Parität <strong>der</strong> Marktteilnehmer gewährleistet<br />

werden. Die Unternehmen verfügen jedoch häufig über einen Informationsvorsprung<br />

gegenüber den Investoren, was zu Störungen <strong>der</strong> allokativen Effizienz führen kann.<br />

Dieser Informationsasymmetrie soll durch Publizitätspflichten begegnet werden, weswegen<br />

<strong>der</strong> Umfang <strong>und</strong> die Qualität <strong>der</strong> Informationen, die eine Gesellschaft allen Kapitalmarktteil-<br />

654 vgl. z.B. Entscheid von SER vom 10.11.2011 (SER 2011-MP-II/11, SER 2011-CG-I/11).<br />

655 so auch: NOBEL, Börsengesetz, S. 442.<br />

656 WEBER, Börsenrecht, S. 141.<br />

657 RUFFNER, Publikumsgesellschaft, S. 369.<br />

658 KOENIG, S. 9.<br />

- 105 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

nehmern mitzuteilen hat, mit <strong>der</strong> Kotierung an <strong>der</strong> Börse markant ansteigt. 659 Dabei ist zu<br />

beachten, dass sich das Kotierungsreglement gr<strong>und</strong>sätzlich an die professionellen Marktteilnehmer<br />

<strong>und</strong> institutionellen Investoren als Adressaten richtet. 660 Diese profitieren auch hauptsächlich<br />

davon, da Kleinanleger entwe<strong>der</strong> keine Zeit haben, die gebotenen Informationen zu<br />

verarbeiten o<strong>der</strong> sie sie nicht verstehen. 661 Sie sind somit lediglich "price takers". 662 Ihr Interesse<br />

an einer sachgerechten Anlageentscheidung, <strong>der</strong> Erhaltung ihrer Vermögensanlage sowie<br />

einem angemessenen Ertrag ist aber genügend gewährleistet, solange sie sich darauf verlassen<br />

können, dass <strong>der</strong> Preis die von den institutionellen Anlegern verarbeiteten Marktinformationen<br />

richtig wi<strong>der</strong>spiegelt. 663 Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> ist die möglichst vollständige Orientierung<br />

<strong>der</strong> professionellen Marktteilnehmer über sämtliche Umstände, welche ihren Transaktionsentscheid<br />

beeinflussen können, wesentlich für das effiziente Funktionieren des Kapitalmarktes<br />

<strong>und</strong> muss von <strong>der</strong> Börse sowohl bei <strong>der</strong> Regelsetzung als auch bei <strong>der</strong> Regulierung<br />

berücksichtigt werden. 664<br />

Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> hat die <strong>SIX</strong> fünf Emittentenpflichten definiert, <strong>der</strong>en Durchsetzung<br />

sowohl dem Funktionsschutz als auch dem Anlegervertrauensschutz dienen.<br />

b) im internationalen Vergleich<br />

Die zunehmend international agierende Anlegerschaft hat die Transparenz- <strong>und</strong> Sicherheitsbedürfnisse<br />

auf Investorenseite merklich gesteigert, so dass auch die Börse ein starkes Interesse<br />

an einer effektiven Regulierung hat, da sie nur so ihre starke Position im internationalen<br />

Wettbewerb halten kann. 665 Die Bedeutung des internationalen Rufs <strong>der</strong> Schweizer Börse ist<br />

seit <strong>der</strong> Schliessung <strong>der</strong> Börsenplattform virt-x in London 2009 <strong>und</strong> <strong>der</strong> folgenden Rückführung<br />

des Handels nach Zürich 666 noch gestiegen: Denn es hat eine Zentralisierung des Börsenhandels<br />

in <strong>der</strong> Schweiz stattgef<strong>und</strong>en, <strong>und</strong> viele Zweitkotierungen in einem an<strong>der</strong>en Land<br />

wurden aufgegeben. Ausserdem kommen bei den grossen Börsenunternehmen viele institutionelle<br />

Investoren aus dem Ausland. In diesem Umfeld ist es extrem wichtig, dass die Regulierung<br />

internationalen Standards entspricht. 667 Wie in Kapitel II Abschnitt A.3 dargestellt wur-<br />

659 NOBEL, Unternehmenskommunikation, S. 55. Auch <strong>der</strong> Rechtsstreit i.S. Bergbahnen Lenzerheide AG entstand,<br />

weil sich <strong>der</strong> Aktionär gegen den mit <strong>der</strong> Dekotierung verb<strong>und</strong>enen Rückgang an Transparenz wehrte.<br />

660 WERLEN, Kapitalmarktrecht, S. 274.<br />

661 WATTER, S. 280.<br />

662 VON DER CRONE, Regeln, S. 114.<br />

663 WATTER, S. 281.<br />

664 so auch: LÜCHINGER, S. 235.<br />

665 KEIST/MORARD/MAURHOFER, S. 39 f.<br />

666 vgl. dazu ausführlicher: NOBEL, Transnationales Recht, S. 314.<br />

667 In diesem Sinne ist auch <strong>der</strong> Verweis auf internationale Standards in Art. 8 Abs. 3 BEHG zu verstehen.<br />

- 106 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

de, wird im Ausland eine selbstregulierte Börse kritisch betrachtet, weswegen im Interesse<br />

des Finanzplatzes Schweiz zu gewährleisten ist, dass <strong>der</strong> Börsenhandel transparent <strong>und</strong> integer<br />

verläuft. Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> ist es m.E. nur zu begrüssen, dass die <strong>SIX</strong> heute die<br />

Einhaltung <strong>der</strong> Emittentenpflichten streng überwacht.<br />

2. Regelmeldepflichten<br />

Hierbei handelt es sich sozusagen um die Basispflicht. Wie die <strong>SIX</strong> im Internet ausführt 668 ,<br />

sind damit die Meldepflichten gemeint, die eine Gr<strong>und</strong>voraussetzung für die Aufrechterhaltung<br />

<strong>der</strong> Kotierung darstellen. Ziel ist es, den Marktteilnehmern technische <strong>und</strong> administrative<br />

Informationen über die gehandelten Effekten zeitgerecht <strong>und</strong> in geeigneter Form zur Verfügung<br />

zu stellen. Bei den in R<strong>und</strong>schreiben Nr. 1 näher umschriebenen meldepflichtigen Sachverhalten<br />

handelt es sich um allgemeine Tatbestände (Namensän<strong>der</strong>ung, Adressän<strong>der</strong>ung des<br />

Hauptsitzes etc.), Angaben zur Generalversammlung (Datum <strong>der</strong> nächsten GV, Datum <strong>der</strong><br />

Schliessung des Aktienregisters, Beschlüsse <strong>der</strong> GV etc.), Än<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Kapitalstruktur<br />

(Schaffung/Streichung bedingten o<strong>der</strong> genehmigten Kapitals, Meldung des bedingten Kapitals,<br />

Eintrag <strong>der</strong> neu geschaffenen Effekten aus bedingtem Kapital im Handelsregister etc.).<br />

Da es sich um eine gr<strong>und</strong>legende Kotierungsvoraussetzung handelt, wird sie kaum isoliert<br />

sanktioniert, vielmehr wird die <strong>SIX</strong> zumeist im Rahmen <strong>der</strong> Untersuchung einer <strong>der</strong> vier<br />

nachfolgend aufgeführten Emittentenpflichten auf eine Verletzung <strong>der</strong> Regelmeldepflichten<br />

aufmerksam. 669<br />

3. Ad hoc-Publizität<br />

Art. 53 KR verpflichtet den Emittenten, den Markt über kursrelevante Tatsachen, welche in<br />

seinem Tätigkeitsbereich eingetreten sind, zu informieren, sobald er von <strong>der</strong> Tatsache in ihren<br />

wesentlichen Punkten Kenntnis hat. Mit dieser Bestimmung soll zum einen <strong>der</strong> Anleger, <strong>der</strong><br />

sich gegenüber den Emittenten <strong>und</strong> Effektenhändlern aufgr<strong>und</strong> eines Informationsdefizits in<br />

einer schwächeren Position befindet, geschützt 670 <strong>und</strong> ein level playing field für alle Kapitalanleger<br />

geschaffen werden 671 ; darüber hinaus dient <strong>der</strong> Abbau von Informationsvorsprüngen<br />

im Markt auch <strong>der</strong> Insi<strong>der</strong>prävention, indem ein Insi<strong>der</strong> seine erlangten Kenntnisse nicht aus-<br />

668 www.six-exchange-regulation.com/obligations/reporting_de.html.<br />

669 So wurden auch im Entscheid von SER vom 10.11.2011 (SER 2011-MP-II/11, SER 2011-CG-I/11) zusätzlich<br />

Verletzungen gegen die Corporate Governance-Regeln festgestellt.<br />

670 vgl. VON FISCHER, S. 34 ff.<br />

671 Vgl. BÖCKLI, Schweizer Aktienrecht, S. 798.<br />

- 107 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

nützen kann. 672 Schon vor diesem Hintergr<strong>und</strong> ist eine strenge Handhabung <strong>der</strong> Regeln unerlässlich,<br />

denn wie auch <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esrat in <strong>der</strong> Botschaft zur Än<strong>der</strong>ung des Börsengesetzes festgehalten<br />

hat 673 , kennt die EU ein strenges Insi<strong>der</strong>-Verbot, <strong>und</strong> eine Diskrepanz zum Recht <strong>der</strong><br />

EU kann sich negativ auf den Ruf des Finanzplatzes Schweiz auswirken <strong>und</strong> einen Standortnachteil<br />

zur Folge haben.<br />

Die Bekanntmachung ist gr<strong>und</strong>sätzlich so vorzunehmen, dass die Gleichbehandlung <strong>der</strong><br />

Marktteilnehmer gewährleistet ist. Selektive Informationen an bestimmte Personengruppen<br />

sind gr<strong>und</strong>sätzlich verpönt. 674 Daher hat die Disziplinarkommission im Juni 2007 OC Oerlikon<br />

zu Recht einen Verweis erteilt 675 , als CEO <strong>und</strong> CFO im Januar 2006 während eines Investorenmeetings<br />

gegenüber 25 Analysten bereits Angaben zu den Unternehmenszahlen<br />

machten, die <strong>der</strong> breiten Öffentlichkeit erst im Februar 2006 bekannt gegeben wurden. Denn<br />

dieser Wissensvorsprung, den dieser enge Kreis von Analysten während r<strong>und</strong> eines Monats<br />

hatte, wi<strong>der</strong>spricht dem Gleichheitsgr<strong>und</strong>satz von Art. 1 BEHG.<br />

Die Einführung einer Ad hoc-Publizitäts-Norm bedeutete einen Bruch mit <strong>der</strong> früheren<br />

Schweizer Tradition <strong>der</strong> Informationszurückhaltung. 676 Nicht zuletzt deswegen pflegten die<br />

Börsenorgane zunächst eine eher zurückhaltende Praxis bezüglich <strong>der</strong> Einhaltung <strong>der</strong> Bestimmung.<br />

677 Mittlerweile haben jedoch - auch unter Einfluss des verstärkten Bewusstseins<br />

<strong>der</strong> Insi<strong>der</strong>problematik 678 sowie dem wachsenden Konkurrenzdruck aus <strong>der</strong> EU auf den Finanzplatz<br />

Schweiz - die Untersuchungen <strong>und</strong> Verurteilungen zugenommen, was auf Emittentenseite<br />

naturgemäss nicht unkritisiert geblieben ist. Im Folgenden sollen deswegen die wichtigsten<br />

umstrittenen Aspekte einer sachlichen Analyse unterzogen werden.<br />

a) Kursrelevante Tatsache<br />

Den grössten Diskussionsstoff in Bezug auf die Sanktionierung <strong>der</strong> <strong>SIX</strong> von Verstössen gegen<br />

die Ad hoc-Publizität bietet wohl die Frage: Was sind kursrelevante Tatsachen? Gemäss Art.<br />

3 RLAhP handelt es sich dabei um Ereignisse von erheblicher Kursrelevanz, die geeignet<br />

672 NOBEL, Unternehmenskommunikation, S. 130; NOBEL, Finanzmarktrecht, S. 876; HUBER/GRUBER, S. 2.<br />

673 vgl. Botschaft Marktmissbrauch, S. 10.<br />

674 Eine Min<strong>der</strong>heitenmeinung vertritt hier HOFSTETTER (Gleichbehandlung, S. 222 ff.): Eine effiziente Ungleichbehandlung<br />

ist seiner Meinung nach zuzulassen, wenn sie plausibel eine Mehrung des langfristigen Unternehmenswertes<br />

verspräche <strong>und</strong> die anvisierte Unternehmenswertsteigerung nicht ebenso mittels einer Gleichbehandlung<br />

aller Aktionäre realisiert werden kann. Eine Intensivierung <strong>der</strong> Kommunikation mit einem konstruktiven<br />

Grossaktionär hat gemäss HOFSTETTER das Potential, zur langfristigen Unternehmenswertsteigerung beizutragen.<br />

675 Entscheid <strong>der</strong> Disziplinarkommission vom 18.6.2007 (DK/AHP/III/06).<br />

676 BÖCKLI, Schweizer Aktienrecht, S. 799.<br />

677 so auch: WEBER, Ad-hoc-Publizität, S. 297.<br />

678 vgl. z.B. Handelszeitung vom 7. April 2011, Das Ende <strong>der</strong> Schonzeit.<br />

- 108 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

sind, den durchschnittlichen Marktteilnehmer in seinem Anlageentscheid zu beeinflussen. Die<br />

Abwägung, ob eine Nachricht signifikanten Einfluss auf die Börsenkurse hat, ist aber wohl<br />

das in <strong>der</strong> Praxis am schwierigsten festzustellende Tatbestandsmerkmal 679 : Eine rein wirtschaftswissenschaftliche<br />

Erfassung entfällt, da keine rechtssicheren quantitativen Aussagen<br />

über die Wirkung von Unternehmensinformationen auf den Börsenkurs bestehen. 680 Die<br />

Rechtsprechungsinstanzen <strong>der</strong> Börse haben den Tatsachenbegriff seit jeher extensiv ausgelegt<br />

681 ; die von <strong>der</strong> SaKo in Sachen Lonza aufgestellte Regel, dass je<strong>der</strong> Wechsel in <strong>der</strong> Konzernleitung<br />

als ad hoc-relevant zu beurteilen ist, unabhängig davon, ob es sich um den CEO<br />

o<strong>der</strong> um den Leiter Human Resources handelt, hat jedoch nicht nur bei den Emittenten, son<strong>der</strong>n<br />

auch in <strong>der</strong> Lehre Kritik hervorgerufen. 682 Insbeson<strong>der</strong>e wird hervorgehoben, dass es<br />

praxisfremd sei, anzunehmen, aus <strong>der</strong> Kenntnis des Wechsels eines HR-Verantwortlichen<br />

könne einer einen Insi<strong>der</strong>profit ziehen. Die Praxis habe sich folglich von <strong>der</strong> Idee des Kursausschlags<br />

als relevantem Entscheidungskriterium losgelöst.<br />

Zweifellos handelt es sich bei <strong>der</strong> Beurteilung <strong>der</strong> Kursrelevanz von Personalwechseln um<br />

eine komplexe Materie, die auch in an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n, wie z.B. Deutschland - grosse Verunsicherung<br />

hervorgerufen hat. 683 Wie <strong>der</strong> Ausschuss <strong>der</strong> Zulassungsstelle explizit festgehalten<br />

hat 684 , weisen personelle Wechsel nur dann erhebliche Kursrelevanz auf, wenn sie von einem<br />

durchschnittlichen Anleger (<strong>und</strong> nicht etwa nur von institutionellen Anlegern) wahrgenommen<br />

werden. Daraus ergibt sich meiner Meinung nach eine Ad hoc-Publizitätspflicht in all<br />

den Fällen, in denen ein <strong>der</strong> Öffentlichkeit hinlänglich bekanntes Mitglied von Verwaltungsrat<br />

o<strong>der</strong> Geschäftsleitung, dessen Persönlichkeit bzw. Kompetenz den Investitionsentscheid<br />

eines Anlegers massgeblich beeinflussen kann 685 , unerwartet zurücktritt. 686 GL-Mitglie<strong>der</strong> aus<br />

den Bereichen Controlling, Recht, Entwicklung o<strong>der</strong> eben Personal sind dem Anlegerpublikum<br />

meistens gar nicht namentlich bekannt, so dass ein Wechsel hier kein Kursbeeinflussungspotential<br />

hat. 687 In den Gesprächen mit den Börsenorganen wurde jedoch darauf hingewiesen,<br />

dass es Umstände geben kann, unter denen für einen Investor auch <strong>der</strong> Wechsel eines<br />

679 HSU, S. 192.<br />

680 So auch HOPT, Ad-hoc-Publizität, S. 154, mit Bezug auf die deutsche Regelung.<br />

681 So hat die Disziplinarkommission bereits 2002 im Fall "Think Tools AG" (Entscheid <strong>der</strong> Disziplinarkommission<br />

vom 15.5.2002 (DK/AHP/I/02)) entschieden, dass auch eine gr<strong>und</strong>legende Strategieän<strong>der</strong>ung als Tatsache<br />

zu qualifizieren ist. vgl. auch HUBER/GRUBER, S. 2.<br />

682 DALLA TORRE/HASLER, S. 186 ff. m.w.H.<br />

683 vgl. auch MÖLLERS, Wechsel, S. 459.<br />

684 Entscheid des Ausschusses <strong>der</strong> Zulassungsstelle vom 7.1.2005 (ZUL/AHP/IV/049), E. 12.<br />

685 Ein prägnantes Beispiel wäre hier sicherlich <strong>der</strong> CEO <strong>der</strong> UBS Sergio Ermotti.<br />

686 gl. M.: VON FISCHER, S. 95.<br />

687 so auch: MÖLLERS, Wechsel, S. 461.<br />

- 109 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

"unwichtigen" GL-Mitglieds relevant ist. 688 Dem ist zuzustimmen; auch MÖLLERS weist darauf<br />

hin, dass das zeitgleiche Ausscheiden mehrerer Vorstandsmitglie<strong>der</strong> theoretisch kursrelevant<br />

sein kann. 689 Denn wenn gleichzeitig - zumindest innerhalb einer kurzen Zeitperiode -<br />

ein signifikanter Teil <strong>der</strong> Unternehmensführung geht o<strong>der</strong> „gegangen wird“, deutet dies<br />

durchwegs auf einen markanten Strategiewechsel des Unternehmens hin, <strong>der</strong> positiv o<strong>der</strong> negativ<br />

sein kann, auf jeden Fall aber relevant für die Anleger ist. 690<br />

Gesamthaft betrachtet ist die SaKo nach meiner Meinung mit ihrer Generalklausel zu weit<br />

gegangen. Durch die Beschränkung auf Tatsachen mit erheblichem Kursbeeinflussungspotenzial<br />

soll die ausserordentliche Publizitätspflicht auf Informationen beschränkt werden, "die so<br />

erheblich sind, dass mit ihrer öffentlichen Bekanntgabe nicht bis zur nächsten periodischen<br />

Veröffentlichung zugewartet werden kann" 691 . Das ist aber nicht generell, son<strong>der</strong>n nur in<br />

Ausnahmesituationen, <strong>der</strong> Fall. Dem Emittenten muss hier ein gewisser Beurteilungsspielraum<br />

eingeräumt werden. Genau das wollte die SaKo aber nach eigenen Angaben vermeiden:<br />

Sie wollte Rechtssicherheit schaffen <strong>und</strong> den Emittenten die Ermessensentscheide bei <strong>der</strong><br />

Beurteilung <strong>der</strong> Kursrelevanz von personellen Än<strong>der</strong>ungen in VR <strong>und</strong> GL abnehmen. 692 Dabei<br />

ist die SaKo aber m.E. über das Ziel hinaus geschossen <strong>und</strong> bietet darüber hinaus genau<br />

jene "kochbuchmässige" Anleitung, die eigentlich nicht gewollt ist. 693 Zielgerechter wäre eine<br />

differenziertere Auslegung, die neben dem Wechsel von "key players" das zeitnahe Ausscheiden<br />

mehrerer Führungspersonen eines Unternehmens aufführt.<br />

b) Zeitpunkt<br />

Auch wenn die Kursrelevanz des Rücktritts eines bestimmten VR-Mitglieds unumstritten ist,<br />

kann <strong>der</strong> Zeitpunkt <strong>der</strong> Meldung zu einem Problem werden: So wurde die Leclanché SA gebüsst,<br />

weil sie den Rücktritt eines Verwaltungsrats, von dem sie am 23. Juni 2009 Kenntnis<br />

erhielt, nicht sofort als Ad hoc-Mitteilung, son<strong>der</strong>n erst auf <strong>der</strong> Generalversammlung am 26.<br />

Juni 2009 (<strong>und</strong> somit 3 Tage zu spät) den Anlegern mitteilte. 694 Diese Entscheidung wurde<br />

vom Emittenten als hart empf<strong>und</strong>en. Die Zeitspanne wäre vergleichsweise kurz gewesen <strong>und</strong><br />

man hätte gleich einen Nachfolger präsentieren wollen.<br />

688 Namentlich wenn innerhalb kurzer Zeit das 4. Geschäftsleitungsmitglied wechselt.<br />

689 MÖLLERS, Wechsel, S. 461.<br />

690 <strong>und</strong> sich daher auch in Kursausschlägen manifestieren kann.<br />

691 HSU, S. 193.<br />

692 vgl. auch Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission vom 18.12.2009 (SaKo 2009 - AHP III/09), E. 4.<br />

693 vgl. Abschnitt E.3b.<br />

694 Entscheid von <strong>SIX</strong> Exchange Regulation vom 22.12.2010 (SER 2010-AHP-I/10, SER 2010-MP-I/10).<br />

- 110 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

Aus diesem Sachverhalt lässt sich ein weiteres wichtiges Element <strong>der</strong> Ad hoc-Publizität ableiten:<br />

Die Gleichbehandlung <strong>der</strong> Marktteilnehmer enthält praktisch immer ein zeitliches Element.<br />

695 Es ist essentiell, dass die Anleger die Informationen, die sie ihrer Anlageentscheidung<br />

zugr<strong>und</strong>e legen, rechtzeitig erhalten. 696 Auch 20 Minuten können zu spät sein. Deswegen<br />

wird zur Verhin<strong>der</strong>ung eines kritischen Zeitvorsprungs für mögliche Insi<strong>der</strong>geschäfte bei<br />

einem Ad hoc-Fall die Zeit sofort relevant. Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> sind auch wenige St<strong>und</strong>en<br />

schon erheblich <strong>und</strong> können markante Bussen auslösen. 697 Aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> langen Handelszeiten<br />

<strong>der</strong> Schweizer Börse ist darüber hinaus ein enger Zeitrahmen einzuhalten: Werktags<br />

zwischen 07.30 Uhr <strong>und</strong> 17.30 Uhr gilt ein Ad hoc-Stopp, d.h. dass während des Arbeitstags<br />

eine spontane Ad hoc-Meldung nicht erlaubt ist. In Krisenfällen, wenn eine Bekanntgabe<br />

während <strong>der</strong> Handelszeit unumgänglich ist, ist die <strong>SIX</strong> 90 Minuten vor <strong>der</strong> Bekanntgabe zu<br />

informieren, damit sie über die Aussetzung des Handels entscheiden kann. Diese strenge Regelung<br />

wird zwar verschiedentlich von den Emittenten kritisiert 698 , ist aber meines Erachtens<br />

zur Erreichung <strong>der</strong> notwendigen Transparenz <strong>und</strong> Gleichbehandlung <strong>der</strong> Marktteilnehmer<br />

unerlässlich. 699<br />

Fraglich ist jedoch, ob bei Lelanché evtl. ein erlaubter Bekanntgabeaufschub vorlag. Dabei<br />

handelt es sich um ein Korrektiv zur weitreichenden Ad hoc-Publizitätspflicht. 700 Der Emittent<br />

kann die Bekanntgabe einer kursrelevanten Tatsache aufschieben, wenn die Tatsache auf<br />

einem Plan o<strong>der</strong> Entschluss des Emittenten beruht <strong>und</strong> die Verbreitung geeignet ist, die berechtigten<br />

Interessen des Emittenten zu beeinträchtigen. 701 Ziel ist, dem Unternehmen zu ermöglichen,<br />

Verhandlungen in ungestörter Vertrauenssphäre durchzuführen. 702 Vor diesem<br />

Hintergr<strong>und</strong> sollte m.E. ein Bekanntgabeaufschub auch betreffend Rücktrittserklärung eines<br />

VR-Mitglieds bis zur Nomination des Nachfolgers möglich sein 703 <strong>und</strong> Leclanché hätte<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich die 3 Tage abwarten dürfen. Allerdings müssen bei einem Bekanntgabeaufschub<br />

die Voraussetzungen von Art. 54 Abs. 2 KR beachtet werden, d.h. es müssen klare organisatorische<br />

Vorkehrungen getroffen werden, um die Vertraulichkeit <strong>der</strong> kursrelevanten<br />

Tatsache während <strong>der</strong> gesamten Dauer des Bekanntgabeaufschubs zu gewährleisten. Bei Lec-<br />

695 BÖCKLI, Ad hoc-Publizität, S. 91.<br />

696 LÜCHINGER, S. 235.<br />

697 vgl. z.B. Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission vom 30.7.2007 (SaKo/AHP/II/07).<br />

698 Die Signalwirkung, die von einer Handelseinstellung ausgehe, könne enorm sein.<br />

699 Dies ergaben auch die Gespräche mit den Handelsvertretern <strong>der</strong> Banken.<br />

700 so auch DALLA TORRE/HASLER, S. 194.<br />

701 Art. 54 Abs. 1 KR.<br />

702 vgl. MARTINEZ, S. 324.<br />

703 gl.M. DALLA TORRE/HASLER, S. 195; a. M. DAENIKER, Thesen, S. 142, sowie FELLER, S. 1098, die beide davon<br />

ausgehen, eine selbsteingereichte Kündigung stelle keinen Entschluss des Unternehmens dar <strong>und</strong> müsse<br />

deswegen sofort bekannt gegeben werden.<br />

- 111 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

lanché ergibt sich aus den Umständen, dass den Verantwortlichen gar nicht bewusst war, dass<br />

sie eine meldepflichtige Tatsache aufschoben <strong>und</strong> daher Vertraulichkeitsbedingungen erfüllen<br />

mussten. 704 Darüber hinaus erfolgte die Bekanntgabe an <strong>der</strong> Generalversammlung, d.h. sie<br />

wurde nur einem begrenzten Personenkreis mitgeteilt, eine spätestens jetzt zwingend erfor<strong>der</strong>liche<br />

Ad hoc-Meldung unterblieb erneut. Aus all dem ergibt sich, dass die Sanktionierung zu<br />

Recht erfolgte.<br />

c) Umgang mit Gerüchten<br />

Im Zusammenhang mit dem "richtigen" Zeitpunkt ergibt sich auch die Problematik des Umgangs<br />

mit Gerüchten. Laut Duden ist ein Gerücht "etwas, was allgemein gesagt, weitererzählt<br />

wird, ohne dass bekannt ist, ob es auch wirklich zutrifft" 705 . Es handelt sich dabei zumeist um<br />

Vermutungen <strong>und</strong> nicht um Tatsachen, so dass keine Meldepflicht gemäss Art. 53 KR vorliegt.<br />

706 Daher gilt wohl auch in <strong>der</strong> Schweiz die von <strong>der</strong> deutschen Lehre entwickelte Regel,<br />

dass von Dritten gestreute Gerüchte nicht ausreichen, um aktiv an die Öffentlichkeit gehen zu<br />

müssen. 707 Denn durch frühzeitige Informationen können sowohl Fusionsgespräche als auch<br />

Sanierungsbemühungen ernsthaft gefährdet werden, weswegen in solchen Situationen ein<br />

Bekanntgabeaufschub gr<strong>und</strong>sätzlich möglich ist. 708 Als Reaktion empfiehlt sich hier Schweigen<br />

bzw. eine absolute No-comment-policy. 709 Problematisch sind hingegen Dementi, da hier<br />

das Unternehmen selektiven Marktteilnehmern gegenüber eine Aussage macht, die sich verhaltenssteuernd<br />

auswirken kann. 710 Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> hat auch SER zu Recht ein Unternehmen<br />

ermahnt, das in einer Phase von finanziellen Schwierigkeiten regelmässig Anrufe<br />

von Journalisten , ob sie ihre Verpflichtungen aus Kreditverträgen noch erfüllen könnten, erhielt<br />

<strong>und</strong> diese beantwortete, ohne eine entsprechende Ad hoc-Meldung herauszugeben. Auch<br />

das Dementi eines Gerüchts war in diesem Fall eine Aussage <strong>und</strong> konnte zu einer Ungleichbehandlung<br />

im Markt führen.<br />

704 Es handelt sich hier wohl um einen typischen Fall von Organisationsversagen, vgl. auch Abschnitt H.3c.<br />

705 Duden : deutsches Universalwörterbuch, 6. Auflage, Mannheim Dudenverlag 2007.<br />

706 Kommentar RLAhP, Rz 3 N 3; vgl. auch: VON FISCHER, S. 80, HSU, S. 128.<br />

707 vgl. MÖLLERS, Insi<strong>der</strong>information, S. 1397 m.w.H.<br />

708 vgl. auch: NOBEL, Unternehmenskommunikation, S. 138 ff.<br />

709 gl. M. MÖLLERS/ROTTER, S. 303.<br />

710 vgl. auch: BAETGE, S. 144 ff.<br />

- 112 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

d) Fazit<br />

Die Pflicht zur Ad hoc-Publizität gehört sowohl in den europäischen Län<strong>der</strong>n als auch in den<br />

USA seit Jahren zu einem fest etablierten Institut des Kapitalmarktrechts 711 , das die Wettbewerbsfähigkeit<br />

eines Finanzmarkts massgeblich beeinflusst. In <strong>der</strong> Schweiz führten die frühere<br />

"Alle Luken dicht"-Politik sowie das liberale Regulierungsprinzip <strong>der</strong> "regulierten Selbstregulierung",<br />

das dem Emittenten einen grossen selbstverantwortlichen Entscheidungsspielraum<br />

lässt, dazu, dass die Mechanismen für eine aktive <strong>und</strong> wirksame Aufsicht als schwach<br />

<strong>und</strong> unzureichend angesehen wurden. 712 Spätestens mit Einführung <strong>der</strong> neuen Verfahrensordnung<br />

zum 1.1.2007 än<strong>der</strong>te sich das aber insofern, als die Börse die Überwachung <strong>der</strong> Ad<br />

hoc-Publizität merklich verstärkte. 713 Dies ist gr<strong>und</strong>sätzlich zu begrüssen, da ein effizientes<br />

Aufsichtsregime mit entsprechenden Sanktionen entscheidend für die wirkungsvolle Umsetzung<br />

<strong>der</strong> Ad hoc-Publizität ist. 714 Der Nachweis eines Verstosses gegen die Ad hoc-Publizität<br />

fällt jedoch im Allgemeinen sehr schwer, da in <strong>der</strong> Praxis zu beweisen ist, dass ein Emittent<br />

die Meldung einer veröffentlichungspflichtigen Tatsache unterliess, obwohl er bei Anwendung<br />

<strong>der</strong> gebotenen Sorgfalt die Kursrelevanz hätte erkennen müssen 715 : Auf die nachträglich<br />

objektiv feststellbare tatsächlich eingetretene Kursentwicklung darf hier nicht abgestellt werden.<br />

Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> stehen <strong>der</strong> Aufsichtsbehörde prinzipiell zwei Vorgehensweisen<br />

offen: eine strenge Regulierung, bei <strong>der</strong> hohe Anfor<strong>der</strong>ungen an die Wachsamkeit <strong>der</strong> Emittenten<br />

gestellt werden, o<strong>der</strong> ein Enforcement mit Augenmass, wo in unklaren Situationen<br />

Verständnis für Fehlverhalten aufgebracht wird. Angesichts <strong>der</strong> Bedeutung <strong>der</strong> Ad hoc-<br />

Publizitätsnorm für einen effizienten Kapitalmarkt sollte keinesfalls zu stark "Gnade vor<br />

Recht" gewährt werden, aber die soeben beschriebene Ambivalenz rechtfertigt m.E. doch einen<br />

gewissen Pragmatismus in <strong>der</strong> Regulierung; übertriebene Anfor<strong>der</strong>ungen (Meldung von<br />

HR-Verantwortlichen etc.) sind in jedem Fall zu vermeiden.<br />

4. Corporate Governance<br />

Neben <strong>der</strong> Ad hoc-Publizität wird auch die Praxis <strong>der</strong> <strong>SIX</strong> zur Corporate Governance-<br />

Berichterstattung teilweise kritisch betrachtet.<br />

711 zu <strong>der</strong> Entwicklung <strong>der</strong> Ad hoc-Publizität in den verschiedenen Län<strong>der</strong>n vgl. HSU.<br />

712 In diesem Sinne äusserte sich KÖNDGEN, S. 815, noch 2000.<br />

713 Diese Tatsache wurde übereinstimmend in den Interviews bestätigt.<br />

714 so auch: DE BEER, S. 38.<br />

715 HSU, S. 262.<br />

- 113 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

Gr<strong>und</strong>lage für die Regulierung ist die Corporate Governance Richtlinie <strong>der</strong> Börse (RLCG),<br />

die formell eine grosse Anzahl von Aussagen über die Führung <strong>und</strong> Kontrolle auf oberster<br />

Unternehmensebene des Emittenten verlangt. 716 Namentlich sind im jährlichen Geschäftsbericht<br />

in einem geson<strong>der</strong>ten Kapitel folgende Informationen zu veröffentlichen: die Konzernstruktur<br />

<strong>und</strong> das Aktionariat, <strong>der</strong> Verwaltungsrat, die Geschäftsleitung, die Entschädigungen<br />

<strong>und</strong> Beteiligungen <strong>der</strong> Verwaltungsratsmitglie<strong>der</strong>, die Mitwirkungsrechte <strong>der</strong> Aktionäre, die<br />

Besetzung <strong>und</strong> Honorierung <strong>der</strong> Revisionsstelle sowie die Informationspolitik des Emittenten.<br />

Aus den Interviews ergibt sich, dass hauptsächlich die Offenlegung von Löhnen <strong>und</strong> Entschädigungen<br />

Anlass zu Diskussionen gibt, weswegen sich hier eine vertieftere Behandlung rechtfertigt.<br />

Allgemein sei aber schon darauf hingewiesen, dass von den Gesellschaften viel mehr<br />

Informationen verlangt werden, "als man sich einige Jahre zuvor auch nur hätte erträumen<br />

können." 717<br />

a) Offenlegung von Entschädigungen<br />

Gemäss Ziff. 5.1 RLCG muss ein Emittent Inhalt <strong>und</strong> Festsetzungsverfahren <strong>der</strong> Entschädigungen<br />

<strong>und</strong> <strong>der</strong> Beteiligungsprogramme in seinem Geschäftsbericht offen legen. Wie die<br />

SaKo in verschiedenen Entscheiden ausgeführt hat, sollen die Ausführungen dem Investor<br />

ermöglichen, das Vergütungssystem des obersten Managements zu beurteilen. Deswegen ist<br />

<strong>der</strong> Festsetzungsmechanismus so zu beschreiben, dass sich <strong>der</strong> durchschnittliche Leser ein<br />

eindeutiges Bild darüber machen kann. 718 So wurde <strong>der</strong> Hinweis eines Emittenten, dass sich<br />

die Entschädigung <strong>der</strong> Geschäftsleitungsmitglie<strong>der</strong> aus einem Bonus <strong>und</strong> einem "marktkonformen"<br />

Basissalär zusammensetzt, als zu wenig aussagekräftig angesehen, da insbeson<strong>der</strong>e<br />

<strong>der</strong> Hinweis auf ein marktkonformes Basissalär zu allgemein sei. 719 Die Bestimmung <strong>und</strong> ihre<br />

Handhabung stossen aber z.T. auf Ablehnung bei den Emittenten; die es als störend empfinden,<br />

wenn je<strong>der</strong> Einblick in je<strong>der</strong>manns Lohn erhält.<br />

aa) Umfeld<br />

Um diese Beanstandungen angemessen würdigen zu können, ist es sinnvoll, kurz das politische<br />

bzw. gesellschaftliche Umfeld, in dem diese Offenlegungsnormen im Bereich "Entschädigungen"<br />

entstanden sind, zu betrachten. Die bereits eingangs beschriebene helvetische In-<br />

716 vgl. dazu auch: NOBEL, Unternehmenskommunikation, S. 63 ff.<br />

717 BÖCKLI, Schweizer Aktienrecht, S. 1988.<br />

718 Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission vom 30.11.2010 (SaKo 2010-AHP-II/10, SaKo 2010-CG-IV/10), Rz. 26.<br />

719 Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission vom 11.6.2010 (SaKo 2010-CG-I/10), Rz. 8.2.<br />

- 114 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

formationszurückhaltung 720 zeigt sich auch darin, dass viele Gesellschaften die Entschädigungen<br />

<strong>der</strong> Unternehmensführung streng vertraulich behandeln möchten. 721 We<strong>der</strong> das Börsengesetz<br />

von 1995 noch das gestützt auf dieses im Jahre 1996 erlassene Kotierungsreglement<br />

<strong>der</strong> schweizerischen Börse enthielten dementsprechend eine konkrete Pflicht zur Offenlegung<br />

von an VR- o<strong>der</strong> GL-Mitglie<strong>der</strong> ausgerichteten Entschädigungen. Diese "vornehme Zurückhaltung"<br />

liess sich aber Anfang des neuen Jahrtausends nicht länger aufrecht halten, als unerfreuliche<br />

Ereignisse (wie ABB 722 , das Gro<strong>und</strong>ing von Swissair, etc.) sowie die zunehmende<br />

Unzufriedenheit mit als zu hoch empf<strong>und</strong>enen Lohn- <strong>und</strong> Bonuszahlungen im Bereich des<br />

obersten Unternehmenska<strong>der</strong>s dazu führten, dass Vertreter verschiedener politischer Lager die<br />

Schaffung gesetzlicher Gr<strong>und</strong>lagen für volle Transparenz bei den Löhnen von VR- <strong>und</strong> GL-<br />

Mitglie<strong>der</strong>n for<strong>der</strong>ten. 723 Als Folge wurden zunächst im Rahmen des Börsengesetzes <strong>und</strong> später<br />

auch im Rahmen des Aktienrechts Normen aufgestellt, mit denen die Gesellschaften verpflichtet<br />

wurden, ihre Entschädigungsgr<strong>und</strong>sätze öffentlich bekannt zu machen. 724 Dabei ist<br />

in Art. 663b bis Abs. 4 OR eine Individualoffenlegung auf <strong>der</strong> Stufe Verwaltungsrat 725 <strong>und</strong> eine<br />

kollektive Transparenz unter Einzeloffenlegung des Höchstverdienenden auf <strong>der</strong> Ebene <strong>der</strong><br />

Geschäftsleitung 726 vorgesehen. Mit dieser Bestimmung geht das Aktienrecht über das hinaus,<br />

was noch in den 1990er Jahren teilweise von Aktienrechtsexperten als notwendig angesehen<br />

wurde. 727 Seit Einführung dieser bereits sehr detaillierten Informationspflichten zum 1. Januar<br />

2007 hat das Misstrauen gegenüber <strong>der</strong> Lohnpolitik <strong>der</strong> Börsengesellschaften eher noch zugenommen:<br />

Zum einen wurden in einer ersten Phase nach Ausbruch <strong>der</strong> Finanzkrise im Jahre<br />

2007 übermässige Vergütungen als eigentlicher Herd <strong>und</strong> Ursache <strong>der</strong> Verwerfungen auf den<br />

Finanzmärkten gebrandmarkt, was weltweit zu entsprechenden Verschärfungen in <strong>der</strong> Regulierung<br />

führte. 728 Zum an<strong>der</strong>en führen in <strong>der</strong> Schweiz die Diskussionen um die bereits 2006 -<br />

720 auf die wohl auch die beobachtete ablehnende Haltung <strong>der</strong> Schweizer Unternehmen zurückzuführen ist.<br />

721 vgl. auch MÜLLER/LIPP/PLÜSS, S. 109 m.w.H.<br />

722 Als <strong>der</strong> Chef des schweizerisch-schwedischen Maschinenkonzerns Percy Barnevik im Jahre 2001 abtrat,<br />

befand sich das Unternehmen nach Jahren <strong>der</strong> Misswirtschaft <strong>und</strong> zahlreichen Skandalen am Abgr<strong>und</strong>; Barnevik<br />

hingegen erhielt einen 148 Millionen schweren Pensionsrucksack <strong>und</strong> wurde damit zum Symbol eines schamlosen<br />

Abzockers, dem nur <strong>der</strong> persönliche Gewinn am Herzen liegt.<br />

723 Motion 01.3153 Leutenegger Oberholzer (SP) "Transparenz <strong>der</strong> Ka<strong>der</strong>löhne <strong>und</strong> Verwaltungsratsentschädigungen";<br />

Motion 01.3329 Walker (CVP) "Corporate Governance in <strong>der</strong> Aktiengesellschaft", Parlamentarische<br />

Initiative Chiffele (SP) "Transparenz bei börsenkotierten Firmen"; Parlamentarische Initiative 02.406 Fraktion<br />

<strong>der</strong> Schweizerischen Volkspartei "Offenlegung <strong>der</strong> Entschädigungen <strong>und</strong> <strong>der</strong> Beteiligungen <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> des<br />

Verwaltungsrates <strong>und</strong> <strong>der</strong> Geschäftsleitung".<br />

724 vgl. zum Ganzen auch: NOBEL, Board <strong>und</strong> Management Compensation.<br />

725 Der auf jedes Mitglied entfallende Betrag ist unter Nennung des Namens <strong>und</strong> <strong>der</strong> Funktion anzugeben.<br />

726 Der Gesamtbetrag sowie <strong>der</strong> höchstens auf ein Mitglied entfallende Betrag unter Nennung des Namens <strong>und</strong><br />

<strong>der</strong> Funktion des betreffenden Mitglieds ist anzugeben.<br />

727 So sah FORSTMOSER 1997 das Informationsinteresse <strong>der</strong> Aktionäre noch dann ausreichend befriedigt, wenn<br />

die Gesamtzahl <strong>der</strong> Honorare angegeben wird (FORSTMOSER, S. 105).<br />

728 vgl. dazu auch die Ausführungen bei NOBEL, Finanzmarktrecht, S. 807 ff.<br />

- 115 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

also noch vor <strong>der</strong> Finanzkrise - lancierte Volksinitiative "gegen die Abzockerei" 729 dazu, dass<br />

die Lohnproblematik im Bewusstsein <strong>der</strong> Öffentlichkeit präsent bleibt. Als Konsequenz<br />

"schlagen 90% <strong>der</strong> Empfänger eines Geschäftsberichts sofort die Seite mit den Löhnen<br />

auf." 730<br />

bb) Betrachtung <strong>der</strong> Börsensanktionspraxis<br />

Analog dem von FELDER beschriebenen Unterschied zwischen den z.T. exorbitant hohen VR-<br />

Honoraren in börsenkotierten Unternehmen <strong>und</strong> mo<strong>der</strong>aten monetären Auszahlungen in<br />

KMU 731 kann m.E. eine solche Differenzierung auch zwischen den verschiedenen Börsengesellschaften<br />

gemacht werden, denn auch hier halten sich die Löhne bei den kleineren Emittenten<br />

eher im Rahmen <strong>und</strong> die Gefahr von Exzessen besteht nur bei ca 5 grossen Börsengesellschaften.<br />

Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> erstaunt es nicht, dass sich kleinere Emittenten über die<br />

sehr strengen Regeln <strong>der</strong> Börse auf diesem Gebiet beschweren. Wie aber in Abschnitt H.2<br />

dargelegt wird, ist eine differenzierte Behandlung <strong>der</strong> Emittenten nicht sinnvoll, so dass immer<br />

eine - vom Einzelfall losgelöste - Gesamtbetrachtung <strong>der</strong> Börsenregeln vonnöten ist, <strong>und</strong><br />

hier ist m.E. festzustellen, dass die kategorische Regulierung <strong>der</strong> Offenlegungspraxis in Bezug<br />

auf die Entschädigungen <strong>der</strong> Unternehmensleitung aus Corporate Governance-<br />

Perspektive gerechtfertigt ist. 732 Denn bei Aktiengesellschaften, <strong>der</strong>en Anteile an <strong>der</strong> Börse<br />

gehandelt werden, ist gr<strong>und</strong>sätzlich von einer principal-agent-Situation mit entsprechendem<br />

Machtgefälle auszugehen. Beson<strong>der</strong>s deutlich wird dies bei <strong>der</strong> Festlegung <strong>der</strong> Bezüge des<br />

Verwaltungsrats, die dieser bisher selbst bestimmte. Bereits bei dieser Regelung, die durch die<br />

Annahme <strong>der</strong> Abzocker-Initiative revidiert werden muss, stellte die Offenlegung sowohl <strong>der</strong><br />

Zahlen als auch <strong>der</strong> Struktur <strong>der</strong> Entschädigung ein notwendiges Mittel dar, damit die Aktionäre<br />

ihre Kontrollrechte auch wirklich ausüben konnten. Denn im Sinne des von BRANDEIS<br />

geprägten Satzes "Sunlight is said to be the best of disinfectants" 733 konnten so hohe Entschädigungen<br />

entdeckt <strong>und</strong> ihre Legitimität überprüft werden. 734 Ausserdem konnte nur so die<br />

notwendige Klarheit über die Interessenlage <strong>der</strong> VR- <strong>und</strong> GL-Mitglie<strong>der</strong>, die sich aus ihren<br />

Beteiligungen an <strong>der</strong> Gesellschaft ergibt, geschaffen werden. 735 Mit Annahme <strong>der</strong> Eidgenös-<br />

729 vgl. Homepage <strong>der</strong> Initianten <strong>der</strong> Abzocker-Initiative www.abzockerei.ch, Seite "Informationsmappe", das<br />

Dokument "Initiativtext gegen die Abzockerei".<br />

730 Aussage eines Emittenten im Interview.<br />

731 FELDER, S. 1010.<br />

732 gl. M. HOFSTETTER, Corporate Governance, S. 30.<br />

733 BRANDEIS, S. 92.<br />

734 vgl. auch das Interview in <strong>der</strong> Handelszeitung vom 13.3.2002 mit dem damaligen Präsident <strong>der</strong> Zulassungsstelle<br />

<strong>der</strong> SWX Peter Merian ("Verbesserungen sind notwendig", Handelszeitung vom 13.3.2002).-<br />

735 so auch bereits: Botschaft Vergütungen, S. 4472.<br />

- 116 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

sischen Volksinitiative „gegen die Abzockerei“ am 3. März 2013 ist die Lohnfestsetzungskompetenz<br />

auf die Generalversammlung übergegangen. 736 Die Offenlegungspflicht im Geschäftsbericht<br />

wird dadurch m.E. aber noch verstärkt: Sowohl neue Aktionäre als auch Aktionäre,<br />

die an <strong>der</strong> GV verhin<strong>der</strong>t waren, sollen die Möglichkeit erhalten, sich auf einfache Weise<br />

über die festgelegten Löhne zu informieren. Darüber hinaus reicht das Interesse an den<br />

Löhnen eines Unternehmens über den Aktionärskreis hinaus 737 , auch in Zukunft ist davon<br />

auszugehen, dass die Öffentlichkeit kontrollieren möchte, ob die Generalversammlung besser<br />

in <strong>der</strong> Lage ist, den beanstandeten Lohnexzessen Einhalt zu gebieten.<br />

Für die Offenlegung dürfte weiterhin gelten, dass sie über die "nackten Fakten" hinausgehen<br />

<strong>und</strong> auch die Kriterien zur Bemessung des Lohnes erfassen sollte. Dabei ist es nach Aussage<br />

<strong>der</strong> befragten Vertreter <strong>der</strong> Sanktionskommission auch möglich, anzugeben, man habe gar<br />

kein System. 738<br />

cc) Ergebnis<br />

Wie betriebswirtschaftliche Studien gezeigt haben, können sich hohe Löhne <strong>der</strong> Unternehmensleitung<br />

auch kontraproduktiv auswirken <strong>und</strong> falsche Anreize setzen. 739 Diese Erkenntnis<br />

hat den Schaffhauser Unternehmer Thomas Min<strong>der</strong> veranlasst, bereits 2005 seine Volksinitiative<br />

„gegen die Abzockerei“ zu lancieren, die am 3. März 2013 mit einer bemerkenswerten<br />

Mehrheit angenommen wurde. Neuerdings ist es Aufgabe <strong>der</strong> GV die Gesamtsumme <strong>der</strong> Vergütungen<br />

festzulegen. Trotz dieser Entschärfung <strong>der</strong> principal-agent-Problematik haben die<br />

Offenlegungsvorschriften im Bereich Entschädigung nicht an Bedeutung verloren. Denn die<br />

in Abschnitt aa) beschriebenen unerfreulichen Ereignisse haben dazu geführt, dass auch die<br />

breite Öffentlichkeit wissen möchte, wie das Lohn-/Anreiz-System eines Unternehmens ausgestaltet<br />

ist. Daher ist eine weitergehende Offenlegung – auch wenn bei den Emittenten unbeliebt<br />

– meiner Meinung nach weiterhin unvermeidlich.<br />

736 Gemäss Initiativtext soll Art. 95 BV ein dritter Absatz beigefügt werden, <strong>der</strong> in lit. a besagt: „Die Generalversammlung<br />

stimmt jährlich über die Gesamtsumme aller Vergütungen (Geld <strong>und</strong> Wert <strong>der</strong> Sachleistungen) des<br />

Verwaltungsrates, <strong>der</strong> Geschaftsleitung <strong>und</strong> des Beirates ab.<br />

737 So löste bspw. die Abgangsentschädigung von Daniel Vasella nicht nur bei den Novartis-Aktionären, son<strong>der</strong>n<br />

in <strong>der</strong> breiten Bevölkerung Emotionen aus (vgl. auch NZZ vom 16.2.2013, Economiesuisse-Präsident empört<br />

über Vasellas Lohn).<br />

738 In diesem Sinne ist m.E. auch die Aussage <strong>der</strong> Sanktionskommission zu interpretieren, dass auch eine Beurteilung<br />

basierend auf freiem Ermessen explizit offenzulegen ist (Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission vom<br />

8.12.2011, SaKo 2011-AHP-I/11, SaKo 2011-CG-I/11, Rz. 14).<br />

739 vgl. statt vieler FREY, S. 55 ff.<br />

- 117 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

b) Sonstige Offenlegungspflichten<br />

Auch wenn die Offenlegung <strong>der</strong> Entschädigungen deutlich den meisten Diskussionsstoff liefert,<br />

darf nicht übersehen werden, dass auch auf an<strong>der</strong>en Gebieten weitgehende - <strong>und</strong> teilweise<br />

umstrittene - Transparenzvorschriften bestehen: Erwähnenswert ist hier insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong><br />

"Fall UBS", bei dem die Sanktionskommission von SER festgestellte Verstösse gegen Corporate<br />

Governance-Normen als nicht sanktionswürdig bewertete. 740 Dabei handelte es sich um<br />

die Angaben zur Ausbildung <strong>der</strong> VR-Mitglie<strong>der</strong>, die nach Meinung von SER unzureichend<br />

war; diese Einstellung wäre nach Aussage <strong>der</strong> befragten SaKo-Mitglie<strong>der</strong> auch vom Ausland<br />

als übertrieben <strong>und</strong> lächerlich empf<strong>und</strong>en worden.<br />

Der Vorwurf bezog sich auf Ziff. 3.1 lit. b aRLCG, die dem Wortlaut nach Ziff. 3.1 lit. b<br />

RLCG entsprach. Dementsprechend sind im Anhang für jedes VR-Mitglied Angaben über<br />

seine Ausbildung <strong>und</strong> seinen beruflichen Hintergr<strong>und</strong> zu machen. Im Kommentar zur RLCG<br />

wird diesbezüglich ausgeführt, dass zur Ausbildung zumindest die letzte abgeschlossene Ausbildungsstufe<br />

gehört. In dem Sinne hat SER zu Recht ein Versäumnis im Geschäftsbericht<br />

moniert. Es stellt sich jedoch die Frage, ob diese Unterlassung schwer genug ist, um eine<br />

Sanktionierung zu rechtfertigen. 741 Gr<strong>und</strong>sätzlich werden neben Unabhängigkeit Fachkompetenz<br />

<strong>und</strong> Führungskompetenz als wichtige Auswahlkriterien für einen VR-Posten genannt. 742<br />

Da aber die wohl wichtigste Aufgabe des VR in <strong>der</strong> strategischen Führung besteht, ist entscheidend,<br />

dass <strong>der</strong> VR aus Personen besteht, die einer solche Aufgabe gewachsen sind. 743 In<br />

diesem Sinne wünschte sich DUBS bereits 1993 eine Mischung aus kompetenten Generalisten<br />

mit grossem Wissen <strong>und</strong> Können sowie viel Erfahrung <strong>und</strong> unterstützenden Spezialisten. 744<br />

Bei <strong>der</strong> Zusammensetzung des Gesamtverwaltungsrats soll daher sinnvollerweise darauf geachtet<br />

werden, dass verschiedene fachliche Kompetenzbereiche vertreten sind, damit die Gestaltungs-<br />

<strong>und</strong> Controllingfunktionen erfolgreich erfüllt werden können. 745 Im Ergebnis findet<br />

sich in Verwaltungsräten für gewöhnlich eine bunte Mischung aus Spezialisten (Branchenkenner,<br />

Juristen, Politiker, Unternehmensberater, etc.). 746 Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> stellen die<br />

Ausbildungen <strong>der</strong> VR-Mitglie<strong>der</strong> ein wichtiges Kriterium dar, das dem Aktionär ermöglicht,<br />

die (richtige) Zusammensetzung des VRs zu beurteilen; es handelt sich m.E. dabei aber mit-<br />

740 vgl. Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission vom 30. November 2010 (SaKo 2010-AHP-II/10, SaKo 2010-CG-<br />

IV/10), Rz. 34.<br />

741 Die Sanktionskommission jedenfalls geht davon aus, dass SER einen zu engen Massstab an das anlegt, was<br />

unter Wesentlichkeit <strong>der</strong> von einem Emittenten zu liefernden Informationen zu verstehen ist (Rz. 34).<br />

742 vgl. MÜLLER/LIPP/PLÜSS, S. 7, die sich auch auf eine Studie <strong>der</strong> Hochschule für Wirtschaft, Luzern beziehen.<br />

743 so auch KRNETA, S. 19 f.<br />

744 DUBS, S. 138.<br />

745 HILB, S. 81.<br />

746 vgl. auch BERTSCHINGER, S. 126.<br />

- 118 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

nichten um das einzige o<strong>der</strong> auch nur das ausschlaggebende Merkmal. Mindestens einen genauso<br />

grossen Einfluss auf die Kompetenz eines Verwaltungsrats haben die einzelnen Stationen<br />

seiner beruflichen Laufbahn, da m.E. wertvolle Erkenntnisse, die sich positiv auf die VR-<br />

Arbeit auswirken, erst nach Abschluss <strong>der</strong> Ausbildung im Berufsleben gewonnen werden.<br />

Wie ein Blick in den Geschäftsbericht 2008 <strong>der</strong> UBS zeigt, wurde für jeden Verwaltungsrat<br />

die berufliche Laufbahn aufgezeigt, so dass ich <strong>der</strong> SaKo dahin gehend zustimme, dass die<br />

ungenügende Angabe <strong>der</strong> Ausbildung einen untergeordneten Formfehler darstellt, <strong>der</strong> die Anlegerinteressen<br />

nicht so schwer beeinträchtigt, dass eine Sanktionierung angebracht wäre.<br />

c) Fazit<br />

Gesamthaft ist festzuhalten, dass die Offenlegungsvorschriften im Rahmen <strong>der</strong> Corporate<br />

Governance seit Beginn des Jahrtausends <strong>und</strong> insbeson<strong>der</strong>e seit <strong>der</strong> Finanzkrise 2007/08 auch<br />

international stark an Bedeutung gewonnen haben. 747 Insbeson<strong>der</strong>e das amerikanische <strong>und</strong> das<br />

englische Investorenpublikum achtet bei seinen Auslandsinvestitionen vermehrt auf angemessene<br />

Corporate Governance Systeme. 748 Damit die Schweiz auch künftig als einer <strong>der</strong> führenden<br />

Finanzplätze <strong>der</strong> Welt wahrgenommen wird, ist es unerlässlich, dass sie eine glaubwürdige<br />

Finanzmarktregulierung hat, die nicht hinter den internationalen bzw. europäischen Standards<br />

zurückbleiben darf. 749 Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> ist die unnachgiebige Haltung <strong>der</strong> Börse<br />

nur zu begrüssen. Dies gilt beson<strong>der</strong>s im Bereich Löhne, wo weltweit Verschärfungsbemühungen<br />

zu beobachten sind. Trotzdem darf das vernünftige Augenmass bei <strong>der</strong> Regulierung<br />

nicht verloren gehen, weswegen bei <strong>der</strong> Bewertung <strong>der</strong> Sanktionswürdigkeit von Unterlassungen<br />

immer auch die Wesentlichkeit <strong>der</strong> Informationen zu berücksichtigen ist.<br />

747 Hier sind insbeson<strong>der</strong>e die Entwicklungen in <strong>der</strong> EU hervorzuheben: vgl. NOBEL, Transnationales Recht, Bd.<br />

II S. 293 ff.<br />

748 MARTINSON, S. 1: "As institutional investors from the US and the UK spend more money outside their home<br />

market, the issue of good governance is likely to spread. Few countries in the world which wish to attract such<br />

investment can afford to ignore good governance, for whatever reason."<br />

749 FRITSCHI, S. 265.<br />

- 119 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

5. Rechnungslegung<br />

a) Einleitung<br />

Ein weiterer Bereich, <strong>der</strong> schon des Öfteren zu Untersuchungen <strong>und</strong> auch Sanktionen geführt<br />

hat, betrifft Verstösse gegen die Rechnungslegungsvorschriften. 750 Die Veröffentlichung <strong>der</strong><br />

Unternehmenszahlen, zu <strong>der</strong> die Gesellschaften im Rahmen <strong>der</strong> Regelpublizität periodisch<br />

(jährlich, halb- o<strong>der</strong> vierteljährlich) gesetzlich verpflichtet sind, gehört generell zu den bedeutendsten<br />

Kommunikationsmitteln eines Unternehmens mit seinen Stakehol<strong>der</strong>n. 751 Auch für<br />

die Börse ist die periodische Finanzberichterstattung unter Einhaltung <strong>der</strong> anwendbaren<br />

Rechnungslegungsvorschriften Bestandteil <strong>der</strong> Informationen, die zu einem funktionsfähigen<br />

Markt nach den Anfor<strong>der</strong>ungen des Börsengesetzes <strong>und</strong> des Kotierungsreglements beitragen.<br />

752 Dabei gehören gemäss Verständnis <strong>der</strong> Börse nicht nur die Aktionäre zu den Empfängern<br />

<strong>der</strong> finanziellen Berichterstattung, son<strong>der</strong>n auch an<strong>der</strong>e Anspruchsgruppen (potentielle<br />

Investoren, Arbeitnehmer, Kreditgeber, staatliche Institutionen, Öffentlichkeit, etc.). 753 Damit<br />

sich diese Zielgruppen ein zutreffendes Bild über die finanzielle Lage des Unternehmens machen<br />

können, haben börsenkotierte Gesellschaften strengere <strong>und</strong> umfangreichere Rechnungslegungsstandards<br />

einzuhalten: Emittenten von Beteiligungsrechten, die im Hauptsegment <strong>der</strong><br />

<strong>SIX</strong> kotiert sind, müssen gemäss Art. 6 RLR entwe<strong>der</strong> IFRS o<strong>der</strong> US-GAAP als Rechnungslegungsstandards<br />

anwenden.<br />

b) zu strenge Rechnungslegungsstandards?<br />

Aus den Aussagen <strong>der</strong> Emittenten <strong>und</strong> von SwissHoldings ergibt sich, dass die Rechnungslegung<br />

ebenfalls zu den kritisch betrachteten sanktionsbewehrten Aufrechterhaltungspflichten<br />

zählt. Auch hier sind es wie<strong>der</strong> insbeson<strong>der</strong>e kleinere Emittenten, die beanstanden, die Anwendung<br />

von IFRS koste unheimlich viel Geld <strong>und</strong> sei daher für eine kleine Firma zu aufwendig.<br />

Diese Aussagen zeigen eine Schwachstelle <strong>der</strong> internationalen Rechnungslegungsnormen<br />

auf, die auch in <strong>der</strong> Lehre bereits erkannt wurde: Sie sind für kleinere Unternehmen<br />

nicht unbedingt geeignet, <strong>und</strong> dem Inhaber eines kleineren <strong>und</strong> oft auch mittleren Unternehmens<br />

ist das Geflecht von Normen, Unterteilungen <strong>und</strong> Ausnahmen <strong>der</strong> zahlreichen Standards<br />

750 vgl. dazu auch die Statistik in NZZ vom 16. Juli 2009, Mo<strong>der</strong>ate Sanktionen bei <strong>der</strong> <strong>SIX</strong> haben System.<br />

751 NOBEL, Unternehmenskommunikation, S. 43.<br />

752 statt vieler: Medienmitteilung <strong>SIX</strong> Exchange Regulation vom 7. Januar 2010, Sanktionskommission von <strong>SIX</strong><br />

Group AG büsst Global Natural Resources Holding AG.<br />

753 Entscheid des Ausschusses <strong>der</strong> Zulassungsstelle vom 11. März 2004 (ZUL/RLE/I/04), Rz. 6.<br />

- 120 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

nur schwer zu vermitteln. 754 Aus diesem Gr<strong>und</strong> hat das IASB am 9. Juli 2009 einen IFRS-<br />

Standard für KMUs herausgebracht, <strong>der</strong> an die beson<strong>der</strong>en Wünsche <strong>und</strong> Bedürfnisse <strong>der</strong><br />

KMUs angepasst wurde <strong>und</strong> im Vergleich zum vollständigen Standard weniger komplex<br />

ist. 755 Dieser gilt jedoch nur für Unternehmen, die keine public accountability haben (Ziff. 1.2<br />

lit. a), d.h. they are not traded in a public market (Ziff. 1.3). Damit sind börsenkotierte Gesellschaften<br />

ausgeschlossen. In diesem Zusammenhang ist aber darauf hinzuweisen, dass ein<br />

Unternehmen nicht mehr klein ist, wenn es sich im Hauptsegment kotieren lässt. 756 Es steht<br />

einer Gesellschaft frei, sich im Domestic Standard-Segment zu kotieren, wo gemäss Art. 6<br />

Abs. 3 RLR auch <strong>der</strong> weniger strenge Swiss GAP FER-Standard zugelassen ist. 757 Für eine<br />

Kotierung im Main Standard verlangt die <strong>SIX</strong> m.E. zu Recht die Einhaltung strengerer Normen<br />

(IFRS o<strong>der</strong> US-GAAP). Diese international anerkannten Regelwerke verlangen eine<br />

"true and fair view" <strong>der</strong> Vermögens-, Finanz- <strong>und</strong> Ertragslage <strong>und</strong> decken alle wichtigen Fragen<br />

<strong>der</strong> Konzernrechnungslegung ab. Sowohl IFRS als auch US-GAAP sind sehr detailliert<br />

<strong>und</strong> von hoher inhaltlicher Qualität. 758 Durch die weltweite Akzeptanz wird darüber hinaus<br />

erheblich zur Schaffung eines transparenten, effizienten <strong>und</strong> kostengünstigen Kapitalmarkts<br />

beigetragen, <strong>der</strong> auch für internationale Investoren attraktiv ist. 759 Eine wichtige Voraussetzung<br />

ist dabei, dass sich die Investoren auf die Unternehmensabschlüsse verlassen können. 760<br />

Um dies sicherzustellen, ist eine strenge Aufsicht über die Anwendung <strong>der</strong> Regeln durch die<br />

Unternehmen notwendig. Von daher ist es m.E. gerechtfertigt, wenn die Börse z.B. Emittenten<br />

sanktioniert, wenn sie durch die mangelhaften Offenlegungen im Halbjahresbericht den<br />

Anlegern <strong>und</strong> an<strong>der</strong>en Anspruchsgruppen wichtige Informationen zur Ertrags-, Vermögens<strong>und</strong><br />

Finanzlage vorenthalten 761 o<strong>der</strong> durch eine mangelhafte Segmentberichterstattung verhin<strong>der</strong>n,<br />

dass professionelle Anleger <strong>und</strong> Analysten sich ein korrektes Bild <strong>der</strong> zu erwartenden<br />

Ertragslage eines Unternehmens machen können. 762<br />

Abschliessend sei noch auf eine Schweizer Beson<strong>der</strong>heit eingegangen, die ebenfalls Auslöser<br />

für Kritik ist: die Zulässigkeit <strong>der</strong> Bildung stiller Reserven, d.h. von Reserven, die nicht sichtbar<br />

sind in <strong>der</strong> Jahresrechnung. Art. 669 Abs. 3 OR erlaubt die Bildung, "soweit die Rücksicht<br />

754 BÖCKLI, IFRS/IAS, S. 13.<br />

755 vgl: www.ifrs.org/IFRS+for+SMEs/IFRS+for+SMEs.htm.<br />

756 vgl. auch die Ausführungen in Abschnitt H.2.<br />

757 vgl. dazu auch den Entscheid des Ausschusses <strong>der</strong> Zulassungsstelle vom 10. April 2006 (ZUL/RLE/X/05),<br />

<strong>der</strong> festhält, dass eine Gesellschaft im regulatorisch gesteckten Rahmen wählen kann, nach welchem Standard<br />

sie den Jahres- <strong>und</strong> Zwischenabschluss präsentieren will (Rz. 4).<br />

758 BÖCKLI, IFRS/IAS, S. 10.<br />

759 vgl. SCHREIBER, S. 25.<br />

760 vgl. SCHREIBER, S. 25.<br />

761 Entscheid des Ausschusses <strong>der</strong> Zulassungsstelle vom 11. März 2004.<br />

762 Entscheid des Ausschusses <strong>der</strong> Zulassungsstelle vom 7. Januar 2005.<br />

- 121 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

auf das dauernde Gedeihen des Unternehmens o<strong>der</strong> auf die Ausrichtung einer möglichst<br />

gleichmässigen Dividende es unter Berücksichtigung <strong>der</strong> Interessen <strong>der</strong> Aktionäre rechtfertigt."<br />

Auch nach <strong>der</strong> Aktienrechtsreform sollen stille Reserven weiterhin handelsrechtlich<br />

erlaubt sein. 763 Dieses Zugeständnis ist ein Indiz dafür, wie stark die Bildung stiller Reserven<br />

in <strong>der</strong> Vorstellungswelt Schweizer Unternehmer verankert ist. 764 Sie stellt jedoch ein informationsrechtliches<br />

Problem dar <strong>und</strong> wi<strong>der</strong>spricht folglich dem "true and fair view"-Gr<strong>und</strong>satz<br />

<strong>der</strong> internationalen Standards. 765 Diese sehen in <strong>der</strong> Bildung hidden reserves einen unentschuldbaren<br />

Verstoss gegen die Neutralität 766 <strong>und</strong> die Verlässlichkeit 767 Denn "chronische<br />

Ertragsschwächen können durch ständige Auflösung stiller Reserven während längerer Zeit<br />

vertuscht werden." 768 Die in Fn. 733 beschriebene Praxis kann mit an<strong>der</strong>en Worten auch so<br />

verstanden werden, dass durch die Auflösung stiller Reserven Rückschläge im Geschäftsgang<br />

"vertuscht" werden, wodurch den Anlegern ein falsches Bild <strong>der</strong> tatsächlichen Vermögens-,<br />

Finanz- <strong>und</strong> Ertragslage vermittelt würde.<br />

c) Graubereich bei IFRS<br />

Während die in Abschnitt b behandelten Probleme v.a. von kleineren Emittenten vorgebracht<br />

werden, wird ein an<strong>der</strong>es Thema auch allgemeiner von Vertretern grösserer Unternehmen<br />

sowie Wirtschaftsprüfern angesprochen: Wie <strong>der</strong> Fall Barry Callebaut gezeigt hat 769 , können<br />

Meinungsverschiedenheiten in Bezug auf die richtige Anwendung <strong>der</strong> IFRS-Normen bestehen.<br />

Hintergr<strong>und</strong> ist, dass es sich bei IFRS um einen principle-based Standard handelt, <strong>der</strong><br />

definitionsgemäss viel Spielraum für judgements (Ermessensentscheide) lässt. So kommt <strong>der</strong><br />

prudence (Vorsicht) in den IFRS eine wesentlich geringere Bedeutung zu als in <strong>der</strong> klassischen<br />

kontinentaleuropäischen Rechnungslegung. 770<br />

Insbeson<strong>der</strong>e zielen IFRS-Standards<br />

nicht auf das im herkömmlichen Rechnungslegungswesen bekannte "Imparitätsprinzip" 771 ab.<br />

Vielmehr führt das in den IFRS verankerte Gebot <strong>der</strong> Vorsicht zu erhöhter Offenlegung hin-<br />

763 Botschaft Obligationenrecht, S. 1714.<br />

764 Nach Aussage eines Interviewpartners entspricht es "gutem Unternehmertum", in guten Zeiten solche Rücklagen<br />

zu bilden, um in Zeiten schlechten Geschäftsgangs Reserven zu haben.<br />

765 vgl. NOBEL, Unternehmenskommunikation, S. 50 f.<br />

766 Die Rechnungslegung darf nicht manipulativ <strong>und</strong> nicht darauf angelegt sein, den Benützer in eine vorbestimmte<br />

Richtung zu lenken.<br />

767 Eine Information ist nur dann verlässlich, wenn sie frei ist von wesentlichen Fehlern <strong>und</strong> Vorurteilen <strong>und</strong> v.a.<br />

nicht potenziell irreführend ist; vgl. auch: BÖCKLI, IFRS/IAS, S. 23.<br />

768 Amtl. Bull. NR (1985) 1662.<br />

769 Medienmitteilung vom 20. Juli 2010, Sanktionskommission <strong>SIX</strong> Swiss Exchange – Keine Sanktion gegen<br />

Barry Callebaut wegen unterschiedlichen Auffassungen zur Rechnungslegung.<br />

770 BÖCKLI, IFRS/IAS, S. 23.<br />

771 Gewinne dürfen erst ausgewiesen werden, wenn sie sich realisiert haben, Aufwände dagegen schon dann,<br />

wenn sie sich nach dem Ermessen des sorgsamen Kaufmanns für die Rechnungsperiode aktualisieren.<br />

- 122 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

sichtlich <strong>der</strong> Natur <strong>und</strong> des Ausmasses von Ungewissheiten, einer gewissen Zurückhaltung<br />

bei Schätzungen <strong>und</strong> <strong>der</strong> Einführung einer ausgeklügelten Methode zur Ermittlung von ausserordentlichem<br />

Wertberichtigungsbedarf wegen Wertbeeinträchtigung (impairment). Auf<br />

diese Weise wurde <strong>der</strong> Ermessensspielraum <strong>der</strong> Emittenten signifikant vergrössert. Das Ergebnis<br />

ist, dass bei IFRS-Experten verschiedene Meinungen bestehen können. Vor diesem<br />

Hintergr<strong>und</strong> wird daher gelegentlich auch die Frage aufgeworfen, ob es überhaupt sinnvoll ist,<br />

die Aufsicht im Bereich Rechnungslegung <strong>der</strong> Börse zu übertragen, o<strong>der</strong> ob es besser wäre,<br />

diese Aufgabe bspw. an die RAB zu übertragen.<br />

Hier ist jedoch festzustellen, dass es zweckmässig ist, die gesamte Kontrolle <strong>der</strong> Emittentenpflichten<br />

bei SER zu belassen <strong>und</strong> nicht die Überwachung einer einzelnen Pflicht an eine an<strong>der</strong>e<br />

Behörde zu übertragen. Denn wie in Abschnitt 2 erwähnt wurde, werden oft Fehler im<br />

Zuge einer Untersuchung entdeckt, die SER wegen eines an<strong>der</strong>en Verstosses gegen ein Unternehmen<br />

eingeleitet hat. Diese erfreulichen Nebeneffekte erhöhen die Transparenz signifikant,<br />

weswegen die Gesamtaufsicht durch die Börse nur zu begrüssen ist. Allerdings sollte in<br />

Anbetracht <strong>der</strong> eingangs beschriebenen Probleme mit IFRS nicht zu hart durchgegriffen werden:<br />

Mit an<strong>der</strong>en Worten ist es nicht die Aufgabe von SER, die IFRS zu interpretieren, <strong>und</strong><br />

SER sollte auch nicht das Judgement des K<strong>und</strong>en ausüben. Vielmehr sollte überprüft werden,<br />

ob eine klare Regelverletzung vorliegt, <strong>und</strong> falls hier berechtigte Zweifel (bzw. verschiedene<br />

Expertenmeinungen) nachgewiesen werden können, sollte von einer Sanktionierung <strong>und</strong> evtl.<br />

sogar schon von einer Untersuchung abgesehen werden. Insbeson<strong>der</strong>e aber sollte in diesen<br />

unklaren Fällen eine rufschädigende Veröffentlichung des Untersuchungsverfahrens vermieden<br />

werden. 772<br />

d) Fazit<br />

Das Vertrauen <strong>der</strong> (internationalen) Anlegergemeinschaft in die Ordnungsmässigkeit <strong>der</strong><br />

Rechnungslegung gehört zu den unabdingbaren Voraussetzungen eines effizienten Kapitalmarktes.<br />

Die Qualität <strong>der</strong> Schweizer Rechnungslegung wurde noch in den 1980er Jahren von<br />

internationalen Finanzexperten äusserst kritisch betrachtet. So stellte <strong>der</strong> bekannte britische<br />

Investmentfondmanager Antony Bolton 1989 fest: "As a general rule, in Europe, the closer<br />

you get to Switzerland, the worse financial accounting becomes." 773 Hier konnte jedoch -<br />

nicht zuletzt aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> Bemühungen von SER - ein wichtiger Beitrag zur Schliessung <strong>der</strong><br />

772 vgl. dazu auch Kap. II Abschnitt I.2.<br />

773 MEIXNER, S. 25.<br />

- 123 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

Lücke zwischen <strong>der</strong> Schweiz <strong>und</strong> den an<strong>der</strong>en Industrienationen geleistet werden. 774 Durch<br />

die Verschärfung <strong>der</strong> Sanktionspraxis wurde insgesamt die Qualität <strong>der</strong> Rechnungslegung <strong>der</strong><br />

Emittenten verbessert. In den Interviews wurde verschiedentlich herausgestellt, dass bereits<br />

eine Anfrage durch SER eine präventive Wirkung haben kann, da sie wie ein „Schuss vor den<br />

Bug“ wirkt <strong>und</strong> die Gesellschaft zu sorgfältigerer Beachtung <strong>der</strong> Rechnungslegungsnormen<br />

bewegt. Dieses Ergebnis wurde teilweise auch durch die Studie <strong>der</strong> Universität St. Gallen<br />

bestätigt, die ebenfalls aufzeigt, dass es in <strong>der</strong> Folge von Sanktionierungen zu vermehrten<br />

Personalwechseln auf Managementebene 775 sowie zu Auswechslungen <strong>der</strong> Revisoren 776<br />

kommt. Die Studie weist darüber hinaus jedoch auf den kurzfristigen Effekt <strong>der</strong> Sanktionen<br />

hin, <strong>der</strong> sich darin zeigt, dass die vorgeschriebenen Korrekturen unterlassen werden. 777 Zur<br />

Behebung dieses Mangels empfiehlt sich eine Nachkontrolle durch SER.<br />

Die Anordnung, dass die Emittenten im Hauptsegment gr<strong>und</strong>sätzlich einen international anerkannten<br />

Rechnungslegungsstandard verwenden müssen, erhöht die Attraktivität des Finanzplatzes<br />

Schweiz für ausländische Investoren, allerdings vergrössert sie den den Rechnungslegungsstandards<br />

inhärenten Interpretationsspielraum, so dass die Börse zu einem an<strong>der</strong>en Ergebnis<br />

kommen kann als <strong>der</strong> Emittent (<strong>und</strong> sein Wirtschaftsprüfer). Da die Sanktionierung<br />

von ebenfalls vertretbaren Lösungen zu Frustration <strong>und</strong> Ablehnung bei den Unternehmen führen<br />

kann, sollte die Börse hier gr<strong>und</strong>sätzlich Zurückhaltung üben <strong>und</strong> nur sanktionieren, wenn<br />

wirklich eine klare Rechtswidrigkeit vorliegt.<br />

6. Management Transaktionen<br />

Schliesslich ist noch auf die vierte Emittentenpflicht einzugehen: die Offenlegung von Management-Transaktionen.<br />

Gemäss Art. 56 KR müssen bei kotierten Gesellschaften die Transaktionen<br />

von Mitglie<strong>der</strong>n des Verwaltungsrats, <strong>der</strong> Geschäftsleitung <strong>und</strong> diesen nahestehenden<br />

Personen in Titeln des eigenen Unternehmens innerhalb kurzer Frist bekannt gegeben<br />

werden. Die Einzelheiten <strong>der</strong> Meldepflicht werden dabei erneut in einer Richtlinie (RLMT)<br />

geregelt.<br />

Auch bei dieser Pflicht lässt sich wie<strong>der</strong> die helvetische Informationszurückhaltung beobachten,<br />

denn während die SEC diesbezügliche Vorschriften bereits 1934 einführte, blieben in <strong>der</strong><br />

Schweiz die Eigengeschäfte <strong>der</strong> Führungsorgane bis Anfang des neuen Jahrtausends Privatsa-<br />

774 ACA-HSG, S. 1.<br />

775 ACA-HSG, S. 12.<br />

776 ACA-HSG, S. 40.<br />

777 ACA-HSG, S. 14.<br />

- 124 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

che. 778 Entsprechend stiess die Vorschrift bei <strong>der</strong> Vernehmlassung z.T. auch auf erbitterten<br />

Wi<strong>der</strong>stand. 779 Bemängelt wurde insbeson<strong>der</strong>e: Die Meldeschwelle von CHF 100'000 sei zu<br />

niedrig, die Veröffentlichungsfrist bis spätestens am zweiten Börsentag sei zu kurz, <strong>und</strong> <strong>der</strong><br />

erfasste Personenkreis (auch nahestehende Personen wie Ehepartner, Eltern <strong>und</strong> Kin<strong>der</strong>) sei<br />

zu breit. Diese Meinung wurde auch in den Interviews deutlich, wo einige Emittenten die<br />

Komplexität <strong>der</strong> Regeln <strong>und</strong> den damit verb<strong>und</strong>enen Stress beklagten. Zusammenfassend ist<br />

den Interviews zu entnehmen, dass die Einhaltung <strong>der</strong> Normen zur Offenlegung von Management-Transaktionen<br />

anspruchsvoll ist. Denn wie schon FRITSCHI in seiner Dissertation<br />

festgehalten hat 780 , ist die Offenlegung <strong>der</strong> Management-Transaktionen für Emittenten mit<br />

einem nicht zu unterschätzenden Aufwand 781 sowie Kosten verb<strong>und</strong>en. Letztere fallen insbeson<strong>der</strong>e<br />

für kleinere Emittenten, die nicht über eine ausgebaute Compliance-Abteilung verfügen<br />

782 , stärker ins Gewicht. Diese Mehrbelastung ist m.E. jedoch zumutbar, da sie nicht in das<br />

unternehmerische Geschick eingreift, son<strong>der</strong>n nur auf ein ethisches Verhalten <strong>der</strong> Führungspersonen<br />

hinwirkt 783 <strong>und</strong> lediglich eine Frage <strong>der</strong> Organisation ist. Zudem ist dem Zusatzaufwand<br />

<strong>der</strong> Nutzen <strong>der</strong> verschärften Offenlegungsvorschriften entgegenzusetzen. Ausgangspunkt<br />

ist wie<strong>der</strong> <strong>der</strong> zu vermeidende Informationsvorsprung <strong>der</strong> Manager gegenüber (potenziellen<br />

<strong>und</strong> tatsächlichen) Aktionären, <strong>der</strong> Management-Transaktionen mit Finanzinstrumenten<br />

des eigenen Unternehmens immer den Anschein des Insi<strong>der</strong>wissens verleiht 784 ; zugleich wird<br />

die allokative Effizienz im Markt erhöht, denn die Geschäfte <strong>der</strong> Unternehmensleitung sind<br />

ein Anhaltspunkt, wie die Manager ihre eigenen Geschäfte einschätzen, <strong>und</strong> stellen für den<br />

Anleger im Hinblick auf seinen Anlageentscheid eine weitere Informationsquelle dar. 785 Diese<br />

Indikatorwirkung ist auch empirisch durch Untersuchungen an den Kapitalmärkten belegt<br />

worden. 786 Der Zweck <strong>der</strong> Offenlegung von Management-Transaktionen, die Informationsversorgung<br />

<strong>der</strong> Anleger, kann aber nur erreicht werden, wenn <strong>der</strong> Markt innerhalb <strong>der</strong> vorgeschriebenen<br />

Meldefristen über die offenlegungspflichtigen Transaktionen informiert wird. 787<br />

778 FRITSCHI, S. 9.<br />

779 NZZ vom 3. Juli 2003, Wi<strong>der</strong>stand gegen die Offenlegungspflicht - Wirtschaft <strong>und</strong> Manager üben Kritik, S.<br />

25; WEBER/HUBER, S. 116.<br />

780 vgl. FRITSCHI, S. 10 sowie insb. S. 260 f.<br />

781 Gemäss Aussage eines Emittenten ist die Bestellung von 2-3 Stellvertretungen zwingend erfor<strong>der</strong>lich.<br />

782 vgl. Abschnitt H.2.<br />

783 gl. M. FRITSCHI, S. 260.<br />

784 NOBEL, Unternehmenskommunikation, S. 70.<br />

785 vgl. Transparenz als Voraussetzung für die allokative Effizienz auch: ZOBL/BLÖCHLINGER, S. 65.<br />

786 So beobachteten bspw. RAU/PFAFF, S. 287, dass die auf <strong>der</strong> <strong>SIX</strong>-Internetseite veröffentlichten Verkäufe vom<br />

Publikum als "Warnsignale" für verschlechterte Unternehmenssituationen aufgefasst wurden.<br />

787 Entscheid des Ausschusses <strong>der</strong> Zulassungsstelle vom 2.7.2006 (ZUL/MT/III/06), Rz. 41.<br />

- 125 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

Eine verspätete Meldung ist wertlos 788 o<strong>der</strong> in ihrem Informationswert zumindest erheblich<br />

vermin<strong>der</strong>t. 789<br />

Alles in allem ergibt sich, dass die organisatorischen Vorkehrungen, die die Emittenten treffen<br />

müssen, um die Vorgaben bzgl. Offenlegung <strong>der</strong> Management-Transaktionen zu erfüllen,<br />

in Anbetracht des Gewinns an Transparenz <strong>und</strong> Anlegerschutz statthaft sind.<br />

Ferner ist davon auszugehen, dass sanktionswürdige Fehler künftig wohl abnehmen werden,<br />

da die Bagatellgrenze (Schwellenwerte) gänzlich gestrichen wurde <strong>und</strong> nun alle Transaktionen<br />

zu melden sind. Diese Än<strong>der</strong>ung ist aus Praktikabilitätsgründen zu begrüssen; darüber<br />

hinaus wird die Markttransparenz <strong>und</strong> -effizienz zusätzlich gesteigert, da empirische Studien<br />

gezeigt haben, dass die Veröffentlichung von kleinen Transaktionen z.T. sogar eine stärkere<br />

Indikatorwirkung erzeugen können als Transaktionen mit grösserem Volumen. 790 Die vermehrte<br />

Anzahl <strong>der</strong> Meldungen im Markt ist jedoch nicht nur positiv zu bewerten. Die grosse<br />

Datenmenge wird noch dadurch erhöht, dass viele Emittenten aus Sorge, gegen die Offenlegungsnormen<br />

zu verstossen, auch Transaktionen melden, die nicht offen gelegt werden müssten<br />

(z.B. Optionen aus einem Arbeitsverhältnis). 791 Angesichts dieser Situation kann man sich<br />

die Frage stellen, ob es hier gar zu einem Information-Overflow kommt. Dies soll im nächsten<br />

Abschnitt behandelt werden.<br />

7. Information Overflow(?)<br />

"Everybody gets so much information all day long that they lose their common sense."<br />

Gertrude Stein, Reflections on the Atomic Bomb<br />

Wie in den letzten Abschnitten veranschaulicht wurde, führen die Emittentenpflichten dazu,<br />

dass <strong>der</strong> Investor mit einer grossen Menge an Informationen konfrontiert wird. Für den<br />

Durchschnittsaktionär ist es oft gar nicht mehr möglich, sich in <strong>der</strong> Informationsflut zurecht<br />

zu finden, zum einen weil er oft keine Zeit hat, einen Prospekt detailliert zu studieren, zum<br />

an<strong>der</strong>en weil er das oft sehr komplexe Material gar nicht versteht. 792 Denn wie DRUEY zutreffend<br />

beschrieben hat, muss ein Aktionär, um die Abnahme <strong>der</strong> Jahresrechnung zuverlässig<br />

beschliessen zu können, eine vertiefte Kenntnis nicht nur aller Umstände <strong>der</strong> Erstellung, son-<br />

788 Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission vom 30.11.2007 (SaKo/MT/III/07), Rz. 10.<br />

789 Entscheid von SER vom 1.11.2011 (SER-MT I/11), Rz. 91.<br />

790 RAU, S. 160 ff.<br />

791 So auch die Aussagen einiger Emittenten im Interview.<br />

792 WATTER, Art. 1 BEHG; S. 476.<br />

- 126 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

<strong>der</strong>n auch aller darin abgebildeten Fakten haben. 793 Mit dem wachsenden Datenangebot steigt<br />

daher die Gefahr, dass die Empfänger - d.h. die Investoren - unwichtige Daten überbewerten<br />

<strong>und</strong> relevante Daten vernachlässigen. 794 Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> kann argumentiert werden,<br />

dass durch allzu grosse Transparenz im Markt nur Verwirrung entsteht. Diesem Argument<br />

wird aber entgegengesetzt, dass im Finanzmarktrecht von mündigen Investoren ausgegangen<br />

wird, die die ihnen zustehenden Informationen richtig einordnen <strong>und</strong> daraus die korrekten<br />

Schlüsse ziehen können. 795<br />

Meiner Meinung nach ist dieser letzten Auffassung gr<strong>und</strong>sätzlich zuzustimmen. Transparenz<br />

för<strong>der</strong>t das Vertrauen in die Funktion des Marktes <strong>und</strong> hilft so allen Anlegern indirekt, denn<br />

in einem informierten Markt pendeln sich die Preise von selbst auf dem "richtigen", alle Informationen<br />

wi<strong>der</strong>spiegelnden Niveau ein 796 , was bedeutet, dass <strong>der</strong> Anleger darauf vertrauen<br />

kann, seine Investitionen zu einem fairen Preis erwerben <strong>und</strong> wie<strong>der</strong> veräussern zu können. 797<br />

Darüber hinaus werden die Informationspflichten demjenigen auferlegt, <strong>der</strong> sie am günstigsten<br />

beschaffen kann, was zu einer Senkung <strong>der</strong> Transaktionskosten <strong>und</strong> damit einer höheren<br />

Effizienz führt, da die Anleger auf diese Informationen zurückgreifen können <strong>und</strong> sie nicht<br />

selber aufbereiten müssen. 798 Deswegen ist es wichtig, dass ihnen neben <strong>der</strong> reinen Informationsversorgung<br />

auch die Gr<strong>und</strong>lagen zur Beurteilung <strong>der</strong> Dokumente gegeben werden. 799 Daraus<br />

ergibt sich die Notwendigkeit <strong>der</strong> Veröffentlichung von periodischen Berichten, die auch<br />

eine hinreichende Vielzahl von Informationen aufweisen. Somit ergibt sich, dass die gesetzlich<br />

vorgegebene Transparenz unweigerlich mit einer hohen Publikationsdichte einhergeht<br />

<strong>und</strong> es ist m.E. dem Investor durchaus zuzumuten, aus <strong>der</strong> Flut von Bekanntmachungen die<br />

für ihn relevanten herauszufiltern.<br />

8. Würdigung<br />

Transparenz ist <strong>der</strong> Schlüssel zur Erreichung eines sicheren, lauteren <strong>und</strong> funktionsfähigen<br />

Kapitalmarktes. 800 Denn nur eine ausreichende Versorgung <strong>der</strong> Anleger mit vollständigen <strong>und</strong><br />

korrekten Informationen kann eine allokativ effiziente Verteilung des Kapitals im Markt ga-<br />

793 DRUEY, Outsi<strong>der</strong>, S. 75.<br />

794 DRUEY, Information, S. 69; KIESER, S. 134.<br />

795 LÜCHINGER, S. 263.<br />

796 Ein Markt, in dem sich die Informationen über den Wert des gehandelten Produkts, unverzüglich in den Preisen<br />

nie<strong>der</strong>schlagen, wird dann auch als informationseffizient bezeichnet; vgl. auch: BEAVER, S. 345.<br />

797 WATTER, Art. 1 BEHG; S. 476.<br />

798 RUFFNER, Publikumsgesellschaft, S. 429 ff.<br />

799 DRUEY, Outsi<strong>der</strong>, S. 81 f.<br />

800 Botschaft BEHG, S. 1395.<br />

- 127 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

rantieren. Da das Risiko falscher o<strong>der</strong> betrügerischer Informationen zu einer systematischen<br />

Erosion <strong>der</strong> Anlegerrenditen führen kann, muss die Qualität <strong>der</strong> Informationen durch Überwachung<br />

<strong>und</strong> Sanktionierung von Fehlverhalten sichergestellt werden. 801 Daher haben sich in<br />

<strong>der</strong> Schweiz <strong>und</strong> international Publizitätspflichten herausgebildet, <strong>der</strong>en Einhaltung durch<br />

eine <strong>Sanktionsordnung</strong> gewährleistet wird.<br />

Um einen im internationalen Vergleich kompetitiven Markt zu schaffen, ist die Schweizer<br />

Börse um umfängliche Offenlegung bemüht <strong>und</strong> ahndet Informationsunterlassungen streng.<br />

Dies ist im Hinblick auf die Schaffung von Transparenz <strong>und</strong> Gleichbehandlung gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

zu begrüssen. Allerdings ist auch hier <strong>der</strong> abnehmende Grenznutzen zusätzlicher Informationen<br />

zu beachten: Der Erkenntnisgewinn von nebensächlichen Angaben 802 ist gering <strong>und</strong> angesichts<br />

des Aufwands <strong>der</strong> Informationsbeschaffung sollte <strong>der</strong> Emittent hier m.E. bei Nicht-<br />

Veröffentlichung straffrei bleiben.<br />

D) Verhaltensregulierung von Teilnehmern/Effektenhändlern<br />

Neben <strong>der</strong> Emittenten-Regulierung spielt auch die Regelung des Verhaltens von Teilnehmern<br />

<strong>und</strong> Effektenhändlern eine wichtige Rolle bei <strong>der</strong> Gewährleistung eines transparenten <strong>und</strong><br />

funktionsfähigen Kapitalmarktes. Denn wie in Abschnitt A bereits aufgezeigt wurde, ist das<br />

Vertrauen <strong>der</strong> Investoren in das ordnungsgemässe Funktionieren des Kapitalmarktes ein wesentliches<br />

Merkmal zur Schaffung eines attraktiven Finanzplatzes. Da <strong>der</strong> einzelne Anleger<br />

keinen direkten Zugang zu den Handelsplätzen (Börsen) hat, ist er auf die Zwischenschaltung<br />

von Finanzintermediären angewiesen. Damit diese das erfor<strong>der</strong>liche Vertrauen <strong>der</strong> Anleger<br />

erhalten, müssen die Effektenhändler mittels Wohlverhaltensregeln verpflichtet werden, sich<br />

als loyale Geschäftspartner ihren K<strong>und</strong>en gegenüber zu verhalten 803 <strong>und</strong> die Effektengeschäfte<br />

nach Massgabe eines klaren <strong>und</strong> umfassenden Pflichtenkatalogs anzubahnen <strong>und</strong> durchzuführen.<br />

804 Ziel <strong>der</strong> Aufsicht über die Teilnehmer ist dementsprechend im Interesse aller Anleger<br />

<strong>und</strong> des Systems, präventiv sicherzustellen, dass die Effektenhändler ihren Pflichten<br />

nachkommen. 805 Wie bei <strong>der</strong> Emittenten-Regulierung stehen dabei sowohl <strong>der</strong> Schutz <strong>der</strong><br />

Funktionsfähigkeit <strong>der</strong> Effektenmärkte als auch <strong>der</strong> Anlegerschutz im Vor<strong>der</strong>gr<strong>und</strong>, wobei die<br />

zum Schutz <strong>der</strong> Investoren getroffenen Massnahmen zugleich zu einer Steigerung <strong>der</strong> Alloka-<br />

801 so auch: EASTERBROOK/FISCHEL, S. 283 ff.<br />

802 Solche Informationen werden oft auch als nice to know bezeichnet.<br />

803 WYSS, S. 1.<br />

804 HORN, Aufklärungspflichten, S. 140.<br />

805 vgl. WYSS, S. 100.<br />

- 128 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

tionseffizienz <strong>der</strong> Kapitalmärkte führen. 806 Auch hier ist die Schaffung einer Parität zwischen<br />

den Marktteilnehmern eine zentrale Vorbedingung für einen funktionierenden Markt. Die<br />

Verhaltensanweisungen an die Effektenhändler orientieren sich dabei am Konsumentenschutzgedanken,<br />

da Privatk<strong>und</strong>en als Konsumenten gelten: Wie bereits in Kap. II Abschnitt<br />

A.3b klargestellt wurde, geht es dabei nicht darum, die Anleger zu bevorm<strong>und</strong>en, vielmehr<br />

sollen sie durch Aufklärung in die Lage versetzt werden, die Risiken <strong>der</strong> Kapitalanlagen angemessen<br />

beurteilen zu können. Faire Wohlverhaltensregeln sind dabei auch im Interesse des<br />

Effektenhändlers, da sie sowohl das Ansehen des Finanzinstituts als auch des gesamten Finanzplatzes<br />

för<strong>der</strong>n. 807 Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> ist es wenig erstaunlich, dass neben den in<br />

Art. 11 BEHG verankerten Verhaltensregeln für Effektenhändler sowie dem R<strong>und</strong>schreiben<br />

<strong>der</strong> FINMA auch Selbstregulierungsorganisationen wie die Schweizerische Bankiervereinigung<br />

(Swiss Banking) sowie die Börse entsprechende Vorschriften erlassen haben.<br />

1. Angemessene Organisation <strong>und</strong> Registrierungspflicht für Händler<br />

Die Verhaltensregeln beeinflussen nicht nur das Verhalten des Effektenhändlers gegenüber<br />

seinen K<strong>und</strong>en, son<strong>der</strong>n bedingen auch bestimmte organisatorische Vorkehrungen. 808 So verpflichtet<br />

namentlich Ziff. 4.3 des Handelsreglements die Teilnehmer, für den Börsenhandel<br />

<strong>und</strong> dessen Abwicklung eine angemessene Organisation mit ausreichend geschulten <strong>und</strong> erfahrenen<br />

Mitarbeitern, internen Richtlinien sowie geeigneten Kontrollen einzurichten. Ferner<br />

müssen die Teilnehmer alle Händler, die an <strong>der</strong> Börse handeln, bei <strong>der</strong> Börse registrieren lassen.<br />

809<br />

a) Registrierungspflicht<br />

Beim Börsenwesen kann wie beim Bankwesen die Wirtschaftsfreiheit aus polizeilichen Motiven<br />

beschränkt <strong>und</strong> die Tätigkeit eines Effektenhändlers von <strong>der</strong> Erteilung einer Bewilligung<br />

abhängig gemacht werden. 810 Diese in Art. 10 BEHG verankerte Polizeierlaubnis 811 verlangt<br />

neben den erfor<strong>der</strong>lichen Fachkenntnissen <strong>der</strong> Effektenhändler in Abs. 2 lit. d insbeson<strong>der</strong>e<br />

auch, dass <strong>der</strong> Teilnehmer <strong>und</strong> seine verantwortlichen Mitarbeiter Gewähr für eine einwand-<br />

806 WERLEN, Kapitalmarktrecht, S. 275.<br />

807 WYSS, S. 2.<br />

808 STIRNIMANN, S. 58.<br />

809 Ziff. 4.3.2 Abs. 1 Handelsreglement.<br />

810 vgl. NATER, S. 74.<br />

811 so auch: NOBEL, Börsenaufsicht, S. 28.<br />

- 129 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

freie Geschäftstätigkeit bieten müssen. Damit orientieren sich die Bewilligungsvoraussetzungen<br />

stark am Bankengesetz. Die fachlichen Kenntnisse beziehen sich auf die für den Handel<br />

an <strong>der</strong> Börse erfor<strong>der</strong>lichen Produkt- <strong>und</strong> Marktkenntnisse, die durch eine Händlerprüfung<br />

nachgewiesen werden müssen. Ausserdem muss <strong>der</strong> Händler mit den Handels-, Clearing- <strong>und</strong><br />

Abwicklungsmodalitäten <strong>der</strong> Börse vertraut sein. 812 Es soll gewährleistet werden, dass die<br />

Händler überhaupt mit dem nötigen theoretischen Rüstzeug ausgestattet sind, um die komplexen<br />

Verhältnisse am Finanzmarkt korrekt einzuschätzen <strong>und</strong> die K<strong>und</strong>en dementsprechend<br />

richtig zu beraten. Die Anfor<strong>der</strong>ung, Gewähr für einwandfreie Geschäftsführung bieten zu<br />

müssen, wurde unverän<strong>der</strong>t aus dem Bankengesetz übernommen. Der Stän<strong>der</strong>at hatte vorgeschlagen,<br />

für die Börsen diesen unbestimmten Rechtsbegriff durch die Bestimmung zu ersetzen,<br />

dass die betreffenden Organe „Gewähr für die Einhaltung <strong>der</strong> gesetzlichen Ordnung <strong>und</strong><br />

<strong>der</strong> Standesregeln sowie <strong>der</strong> Statuten <strong>und</strong> Reglemente bieten“ müssten. 813 Diese Konkretisierung<br />

wurde jedoch schliesslich im Differenzbereinigungsverfahren geopfert, um Auslegungsdifferenzen<br />

zum Bankengesetz zu vermeiden. 814 Dies ist m.E. jedoch bedauerlich, da die<br />

„Gewähr für einwandfreie Geschäftstätigkeit“ ein unbestimmter Rechtsbegriff ist 815 <strong>und</strong> daher<br />

die vorgeschlagene Präzisierung sinnvoll gewesen wäre. 816 Art. 3 Abs. 2 lit. c BankG wird<br />

regelmässig dahin gehend ausgelegt, dass Bankorgane auch charakterlich fähig sein sollten,<br />

sich im Geschäftsverkehr korrekt zu verhalten. 817 In Anlehnung an diese Interpretation sollte<br />

die „einwandfreie Geschäftstätigkeit“ <strong>der</strong> Effektenhändler neben <strong>der</strong> fachlichen auch eine<br />

moralische Komponente enthalten 818 , m.a.W. <strong>der</strong> Börsenhandel soll nur von Personen <strong>und</strong><br />

Unternehmen ausgeführt werden, die Gewähr für die Einhaltung von Treu <strong>und</strong> Glauben im<br />

Geschäftsverkehr bieten. 819<br />

Damit sichergestellt werden kann, dass nur Händler, die über eine Bewilligung <strong>der</strong> FINMA<br />

verfügen, Eingaben im Börsensystem machen können, ist <strong>der</strong> Teilnehmer verpflichtet, Händler,<br />

die an <strong>der</strong> Börse handeln, bei <strong>der</strong> Börse registrieren zu lassen. 820 Da <strong>der</strong> Schutz des Polizeiguts<br />

Treu <strong>und</strong> Glauben im Geschäftsverkehr als innere Rechtfertigung für die Bewilligungspflicht<br />

<strong>der</strong> Effektenhändler gesehen wird 821 , ist es meiner Meinung nach richtig, die<br />

Einhaltung <strong>der</strong> Registrierungspflicht streng zu überwachen <strong>und</strong> Verstösse konsequent zu be-<br />

812 Art. 3.2.1 lit b + c <strong>der</strong> <strong>SIX</strong> Swiss Exchange Weisung 1: Zulassung von Teilnehmern vom 6.7.2011.<br />

813 Beratung zu Art. 3 Abs. 2 lit. b E-BEHG; vgl. Amtl.Bull. SR 1993, S. 1001 f.<br />

814 Amtl.Bull. SR 1995, S. 351 f.<br />

815 vgl. auch: KLEINER/SCHWOB, N 164.<br />

816 gl. M. ROTH, URS, S. 67 f.<br />

817 ZULAUF, Gläubigerschutz, S. 447.<br />

818 KLEINER/SCHWOB, N 180.<br />

819 so auch: KÜNG/HUBER/KUSTER, S. 171 f.<br />

820 Ziff. 4.3.2 Abs. 1 Handelsreglement.<br />

821 WYSS, S. 41.<br />

- 130 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

strafen. Das Anlegerpublikum ist gr<strong>und</strong>sätzlich in seinem Glauben zu schützen, dass je<strong>der</strong><br />

Effektenhändler in jedem Aspekt des Effektengeschäftes bewan<strong>der</strong>t ist. 822 Wenn aber zwei<br />

nicht als Händler registrierte Mitarbeitende eines Teilnehmers Eingaben in das Börsensystem<br />

<strong>der</strong> <strong>SIX</strong> Swiss Exchange vornehmen können 823 , kommt dies einer Umgehung <strong>der</strong> Bewilligungspflicht<br />

gleich, <strong>und</strong> es kann nicht mehr garantiert werden, dass die Händler fachlich –<br />

<strong>und</strong> auch moralisch – geeignet sind, für einen integren, funktionsfähigen Kapitalmarkt zu sorgen.<br />

Des Weiteren wird durch die Bewilligungspflicht bezweckt, den Effektenhandel einer<br />

Kontrolle durch die Aufsichtsbehörde zuzuführen 824 , <strong>und</strong> diese wirksame Überwachung des<br />

Börsenhandels wird vereitelt, wenn in einem Untersuchungsfall die klare Identifizierung <strong>der</strong><br />

für die fragliche Eingabe verantwortlichen Person verhin<strong>der</strong>t wird. Dies hat ebenfalls negative<br />

Auswirkungen auf die Qualität des Marktes zur Folge. 825<br />

Weniger schwerwiegend, aber trotzdem problematisch <strong>und</strong> daher sanktionswürdig ist es,<br />

wenn ein registrierter Händler die persönliche Händleridentifizierungsnummer eines an<strong>der</strong>en<br />

registrierten Händlers benutzt, ohne dass über die Stellvertretung ein Logbuch geführt wurde.<br />

Denn gemäss Ziff. 4.3.2 Abs. 3 des Handelsreglements teilt die Börse jedem registrierten<br />

Händler eine Identifikationsnummer zu; diese ist persönlich, darf aber zum Zwecke <strong>der</strong> Stellvertretung<br />

an an<strong>der</strong>e registrierte Händler weitergegeben werden. Dies ist dann aber in einem<br />

Logbuch zu vermerken. Wenn nun ein Händler die Identizierungsnummer eines an<strong>der</strong>en benutzt,<br />

ohne dies entsprechend zu vermerken, wird eine eindeutige Identifizierung <strong>der</strong> verantwortlichen<br />

Personen verhin<strong>der</strong>t 826 , denn die Systemeingabe wird mit <strong>der</strong> Identifikationsnummer<br />

eines Händlers aufgezeichnet, <strong>der</strong> u.U. gar nicht anwesend war. Mangelhafte Transparenz<br />

vermag jedoch das Vertrauensverhältnis zwischen Anlegern <strong>und</strong> Finanzintermediären nachhaltig<br />

zu schädigen, was sich negativ auf die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes auswirkt.<br />

b) Sorgfaltspflicht<br />

Die Sorgfaltspflicht <strong>der</strong> Effektenhändler ist in Art. 11 BEHG verankert; es handelt sich um<br />

die Pflicht, Effektengeschäfte „entsprechend den Vorgaben <strong>der</strong> Rechtsordnung nach bester<br />

822 WYSS, S. 215.<br />

823 vgl: Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission vom 10.6.2011, Verletzung <strong>der</strong> Registrierungspflicht für die Benutzung<br />

des Börsensystems.<br />

824 NATER, S. 75.<br />

825 Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission vom 31.1.2008, Verletzung <strong>der</strong> Registrierungspflicht für die Benutzung<br />

des Börsensystems (I), Rz. 5.<br />

826 Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission vom 8.3.2010, Verletzung <strong>der</strong> Registrierungspflicht für die Benutzung<br />

des Börsensystems, Rz. 6.<br />

- 131 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

Bankenpraxis <strong>und</strong> den legitimen Erwartungen [<strong>der</strong>] K<strong>und</strong>en abzuwickeln.“ 827 Die Norm, die<br />

sich bereits aus dem Auftragsrecht ergibt 828 , ist jedoch nicht „self-executing“, son<strong>der</strong>n nach<br />

gut schweizerischer Gesetzgebungstechnik allgemein gefasst <strong>und</strong> bedarf <strong>der</strong> Konkretisierung<br />

durch ein differenziertes Regelwerk 829 , namentlich FINMA-R<strong>und</strong>schreiben, Reglemente <strong>und</strong><br />

Weisungen <strong>der</strong> <strong>SIX</strong> sowie entsprechende Standesregeln 830 . Darüber hinaus untersteht <strong>der</strong> Effektenhändler<br />

sowohl durch Gesetz 831 als auch durch Reglement 832 einer Journalführungs<strong>und</strong><br />

Meldepflicht, d.h. er muss die eingegangenen Aufträge <strong>und</strong> die von ihm getätigten Geschäfte<br />

mit allen Angaben, die für den Nachvollzug <strong>und</strong> die Beaufsichtigung seiner Tätigkeit<br />

erfor<strong>der</strong>lich sind, in einem Journal aufzeichnen <strong>und</strong> zusätzlich alle getätigten Abschlüsse in<br />

Form eines Trade Reports <strong>der</strong> Börse melden.<br />

aa)<br />

Gewährleistung eines effizienten Handels <strong>und</strong> einer bestmöglichen Erfüllung (best<br />

execution)<br />

Gemäss den aus Art. 11 BEHG resultierenden Verhaltensregeln ist <strong>der</strong> Effektenhändler verpflichtet,<br />

seine K<strong>und</strong>en auf die mit einer bestimmten Geschäftsart verb<strong>und</strong>enen Risiken hinzuweisen,<br />

im Interesse <strong>der</strong> Marktintegrität je<strong>der</strong>zeit einen transparenten <strong>und</strong> fairen Handel zu<br />

gewährleisten sowie sicherzustellen, dass allfällige Interessenkonflikte seine K<strong>und</strong>en nicht<br />

benachteiligen. 833 Mit diesen Vorschriften wird ein doppelter Zweck verfolgt: Zum einen sollen<br />

die Investoren individuell durch Verhaltensvorschriften für die Effektenhändler als <strong>der</strong>en<br />

K<strong>und</strong>en geschützt werden, <strong>und</strong> zum an<strong>der</strong>en sollen diese Verhaltenspflichten einen effizienten<br />

<strong>und</strong> transparenten Effektenhandelsmarkt allgemein gewährleisten. 834 Der „effiziente Handel“<br />

dient dabei <strong>der</strong> Sicherstellung von wirksamem Wettbewerb im Kapitalmarkt. 835 Denn wirksamer<br />

Wettbewerb kann nur über eine effiziente Börse erreicht werden. Wirksamer Wettbewerb<br />

erfor<strong>der</strong>t eine möglichst hohe Zahl von Marktteilnehmern <strong>und</strong> setzt einen regelmässigen<br />

Handel voraus<br />

Aus Art. 11 BEHG sowie den SBVg-Verhaltensregeln ergibt sich im Weiteren die Pflicht des<br />

Effektenhändlers, dafür zu sorgen, dass Effektenhandelsgeschäfte in preismässiger, zeitlicher<br />

827 ZULAUF, Gläubigerschutz, S. 371.<br />

828 so auch: RUFFNER, Entwurf, S. 76.<br />

829 ROTH, URS, S. 75.<br />

830 Dazu gehören insbeson<strong>der</strong>e die Verhaltensregeln von Swiss Banking.<br />

831 Art. 15 i.V.m. Art. 5 BEHG.<br />

832 Ziff. 4.4 Handelsreglement sowie Ziff. 6 des Reglements <strong>der</strong> Meldestelle für die Erfüllung <strong>der</strong> gesetzlichen<br />

Meldepflichten durch Effektenhändler.<br />

833 Ziff. 1 Swiss Banking Verhaltensregeln.<br />

834 BAHAR/STUPP, S. 641.<br />

835 HUBER/KÜNG/KUSTER, S. 109.<br />

- 132 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

<strong>und</strong> quantitativer Hinsicht bestmöglich erfüllt werden (best execution). 836 Best execution ist<br />

ein Prinzip, das auf internationaler Ebene breit verankert ist. 837 Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> ist es<br />

wenig erstaunlich, dass bei <strong>der</strong> Anpassung <strong>der</strong> Teilnehmer-Regularien 838 die strenge Börsenpflicht<br />

durch die best execution-Pflicht ersetzt wurde: Während die Teilnehmer noch vor wenigen<br />

Jahren verpflichtet waren, während <strong>der</strong> Handelszeit Aufträge in die Auftragsbücher<br />

einzugeben <strong>und</strong> im Matcher auszuführen 839 , liegt <strong>der</strong> Fokus heute darauf, dass Effektenhandelsgeschäfte<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich umgehend, zum bestmöglichen Preis <strong>und</strong> an einem allgemein<br />

anerkannten <strong>und</strong> für eine ordentliche Durchführung Gewähr bietenden Markt ausgeführt werden.<br />

840 Der Zweck ist aber <strong>der</strong> gleiche geblieben: Es sollen sog. Kursschnitte vermieden werden,<br />

d.h. verhin<strong>der</strong>t werden, „dass Gewinne gemacht werden, indem in verwerfbarer Weise<br />

an<strong>der</strong>e als die effektiv erzielten Kurse verrechnet werden.“ 841 Denn wenn Anleger Kursschnitte<br />

befürchten müssen, ist die Begehung des Marktes für sie mit mehr Kosten verb<strong>und</strong>en,<br />

wodurch ihr Interesse an einer Transaktion <strong>und</strong> in <strong>der</strong> Folge auch das Volumen im Markt<br />

sinkt, was sich negativ auf Liquidität, Transaktionskosten <strong>und</strong> Informationseffizienz auswirkt.<br />

Darüber hinaus sind Kursschnitte als unfaire <strong>und</strong> rechtswidrige Akte gegenüber K<strong>und</strong>en -<br />

unabhängig von ihren negativen Wirkungen auf die Effizienz <strong>der</strong> Finanzmärkte - verwerflich.<br />

842<br />

Da Effektenhändler zumeist „Diener verschiedener Herren“ sind <strong>und</strong> folglich <strong>der</strong> Handhabung<br />

von Interessenkonflikten eine zentrale Bedeutung zukommt 843 , bestehen weitere Wohlverhaltensregeln<br />

wie z.B. die sog „15-Sek<strong>und</strong>en-Regel“, die besagt, dass vorabgesprochene<br />

Geschäfte nur zur Ausführung gebracht werden dürfen, wenn zwischen <strong>der</strong> Eingabe des K<strong>und</strong>enauftrages<br />

<strong>und</strong> des darauf folgenden Kauf- bzw. Verkaufauftrages mindestens 15 Sek<strong>und</strong>en<br />

gewartet wird. Damit kann verhin<strong>der</strong>t werden, dass zwei Teilnehmer, die ein Geschäft vorabgesprochen<br />

<strong>und</strong> unter Umständen einen nicht marktgerechten Preis vereinbart haben, durch<br />

den börslichen Abschluss den Anschein eines gemäss börslichem Preisbildungsmechanismus<br />

zustande gekommen Kurses erwecken. Durch die Frist soll eine faire Preisbildung sicherge-<br />

836 WYSS, S. 205.<br />

837 z.B. Principle 2 (1) FIBV-GAPSBC.Art 11 Abs. 1 (1) ISD spricht vom bestmöglichen Interesse (best interests).<br />

Zudem geht <strong>der</strong> Begriff best execution auf Normen des Effektenhandels in den USA zurück (WYSS, S.<br />

205).<br />

838 vgl. die Ausführungen in Abschnitt E.3c.<br />

839 Zuwi<strong>der</strong>handlungen wurden entsprechend sanktioniert: vgl. z.B. Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission vom<br />

6.2.2009, Verletzung <strong>der</strong> Vorschriften betreffend Börsenpflicht.<br />

840 BAHAR/STUPP, S. 657 ff.<br />

841 vgl. NOBEL, Kursschnitt, S. 528. Dieser Artikel war in <strong>der</strong> schweizerischen Diskussion die erste systematische<br />

Auseinan<strong>der</strong>setzung mit dem Thema.<br />

842 GEHRIG, S. 56.<br />

843 WICKI, S. 59.<br />

- 133 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

stellt werden. Denn nur so kann gewährleistet werden, dass an<strong>der</strong>e Marktteilnehmer ebenfalls<br />

die Möglichkeit erhalten, ihre Aufträge im betreffenden Titel einzugeben. 844<br />

bb) Beaufsichtigung von K<strong>und</strong>en-Systemen<br />

Die Sorgfaltspflicht des Teilnehmers erstreckt sich schliesslich auch auf die Beaufsichtigung<br />

von K<strong>und</strong>en: Die Aufträge von sog. DEA-K<strong>und</strong>en 845 müssen über geeignete Systeme überwacht<br />

<strong>und</strong> gefiltert werden. 846 Auch diese Regelung ist meiner Meinung nach gerechtfertigt:<br />

Da <strong>der</strong> Aufsichtsbereich bei den Banken endet <strong>und</strong> institutionelle Investoren nicht <strong>der</strong> Aufsicht<br />

<strong>der</strong> Börse unterstehen 847 , ist die Börse quasi gezwungen, <strong>der</strong>en Kontrolle an die Effektenhändler<br />

zu delegieren <strong>und</strong> in Ziff. 6.2. Abs. 1 lit. b Handelsreglement die Teilnehmer für<br />

Handlungen <strong>und</strong> Unterlassungen <strong>der</strong> DEA-K<strong>und</strong>en haftbar zu machen. Vor diesem Hintergr<strong>und</strong><br />

hat die Sanktionskommission m.E. zu Recht einen Verweis gegen einen Teilnehmer<br />

ausgesprochen, <strong>der</strong> eben keine Massnahmen getroffen hatte, um die Ergreifung unfairer Handelspraktiken<br />

über sein Or<strong>der</strong>-Routing-System zu verhin<strong>der</strong>n. 848 Denn das missbräuchliche<br />

Verhalten des K<strong>und</strong>en ist geeignet, die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes so erheblich zu<br />

beeinträchtigen, dass nicht auf eine Sanktionierung verzichtet werden kann. 849 Dem Teilnehmer<br />

kann vorgeworfen werden, gegen die einschlägigen Reglementbestimmungen verstossen<br />

<strong>und</strong> nicht genügend organisatorische Massnahmen getroffen zu haben 850 , wodurch <strong>der</strong> Regelverstoss<br />

erst möglich wurde. Auch hier ist ein Verweis gerechtfertigt.<br />

cc)<br />

Journalführungs- <strong>und</strong> Meldepflicht<br />

Sowohl die Journalführungspflicht als auch die Meldepflicht bezwecken die Durchsetzung <strong>der</strong><br />

Effektenhandelsaufsicht <strong>und</strong> somit mittelbar den Anlegerschutz. 851 Das Journal ist eine chronologische<br />

Aufzeichnung über sämtliche bei <strong>der</strong> Börse getätigten <strong>und</strong> über die ihr gemeldeten<br />

Geschäfte. Erfasst werden namentlich Zeitpunkt, beteiligte Händler, Effekten, Stückzahl o<strong>der</strong><br />

Nominalwert <strong>und</strong> Preis <strong>der</strong> gehandelten Effekten. Die Journalführungspflicht zielt auf die<br />

844 Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission vom 6.2.2009, Verletzung <strong>der</strong> Vorschriften betreffend Vorabsprachen,<br />

Rz. 6.<br />

845 DEA steht für Direct Electronic Access <strong>und</strong> bedeutet, dass die K<strong>und</strong>en direkten Zugang zum Börsensystem<br />

haben.<br />

846 Ziff. 4.3.3 Abs. 2 Händlerreglement.<br />

847 vgl. HUBER/KÜNG/KUSTER, S. 124.<br />

848 Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission vom 19.4.2010, Verantwortlichkeit des Teilnehmers für das Or<strong>der</strong>-<br />

Routingsystem.<br />

849 vgl. auch Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission vom 23.5.2008, Verantwortlichkeit des Teilnehmers für das<br />

Or<strong>der</strong>-Routingsystem, Rz. 7.<br />

850 zur Verantwortlichkeit des Teilnehmers für Handlungen an<strong>der</strong>er, insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> K<strong>und</strong>en, vgl. die Ausführungen<br />

in Abschnitt H.3c.cc.<br />

851 STUDER/STUPP, S. 769.<br />

- 134 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

lückenlose Nachvollziehbarkeit <strong>der</strong> Effektengeschäfte ab, indem sie die an <strong>der</strong> Börse getätigten<br />

Geschäfte sowie bestimmte ausserbörslich getätigte Geschäfte rekonstruierbar macht, <strong>und</strong><br />

konkretisiert damit die Sorgfaltspflicht des Effektenhändlers. 852<br />

Die Meldepflicht erstreckt sich sowohl auf die Eigen- als auch auf die K<strong>und</strong>engeschäfte <strong>und</strong><br />

strebt hauptsächlich die Verbesserung <strong>der</strong> Transparenz auf dem Kapitalmarkt <strong>und</strong> damit mittelbar<br />

den Anlegerschutz an. 853 Zu den Meldeinhalten gehören neben Angaben zur Geschäftsart,<br />

Umfang <strong>und</strong> Kurs auch das Abschlussdatum <strong>und</strong> die Abschlusszeit. Dem effektiven Zeitpunkt<br />

von Auftragseingang <strong>und</strong> Auftragsausführung kommt für die Nachvollziehbarkeit <strong>der</strong><br />

Effektengeschäfte (z.B. Abklärungen <strong>der</strong> FINMA bzgl. Front Running, Insi<strong>der</strong>handel, etc.)<br />

eine hohe Bedeutung zu. 854 Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> ist es m.E. zu begrüssen, wenn die <strong>SIX</strong><br />

Teilnehmer sanktioniert, die während eines längeren Zeitraums (z.B. während eines Quartals)<br />

falsche Abschlusszeiten melden <strong>und</strong> dadurch die Überprüfung <strong>der</strong> Marktintegrität durch die<br />

SVE erschweren. 855 Die Verhängung eines Verweises als mildeste Sanktion ist da m.E. nicht<br />

übertrieben.<br />

c) Fazit<br />

Die Einhaltung <strong>der</strong> Bewilligungsvoraussetzungen sowie bestimmter Verhaltensregeln ist essentiell<br />

für die Gewährleistung von Transparenz <strong>und</strong> Gleichbehandlung <strong>der</strong> Investoren sowie<br />

<strong>der</strong> Funktionsfähigkeit des Effektenhandelsmarktes, weswegen ihre Überwachung ein wesentliches<br />

Steuerelement für die Erreichung des in Art. 1 BEHG statuierten Gesetzeszweckes darstellt.<br />

856 Darüber hinaus sind diese Direktiven vergleichbar mit ausländischen Vorschriften,<br />

was sich positiv auf die Reputation des Finanzplatzes Schweiz <strong>und</strong> seine Konkurrenzfähigkeit<br />

im internationalen Umfeld auswirkt. 857 Insgesamt ist es daher m.E. zweckmässig, dass die<br />

<strong>SIX</strong> die Befolgung <strong>der</strong> sog. Wohlverhaltensregeln streng kontrolliert.<br />

2. Marktmanipulation<br />

Neben <strong>der</strong> Sorgfaltspflicht unterliegt <strong>der</strong> Effektenhändler auch einer Treuepflicht. Dabei handelt<br />

es sich gemäss THALMANN um die Verpflichtung, bei <strong>der</strong> Besorgung des Geschäfts nur<br />

852 KÜNG/HUBER/KUSTER, S. 105.<br />

853 KÜNG/HUBER/KUSTER, S. 217.<br />

854 STUDER/STUPP, S. 776.<br />

855 vgl. z.B. Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission vom 6.2.2009, Verletzung <strong>der</strong> Vorschriften betreffend Meldepflichten;Entscheid<br />

<strong>der</strong> Sanktionskommission vom 4.1.2008, Falsche Rapportierung <strong>der</strong> Abschlusszeit.<br />

856 Botschaft BEHG, S. 1406.<br />

857 so auch: GRUMBACHER, S. 17.<br />

- 135 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

den Interessen des Auftraggebers Beachtung zu schenken. 858 Diese Definition greift m.E. zu<br />

kurz, da Investoren evtl. auch missbräuchliche Geschäfte planen <strong>und</strong> ein Effektenhändler solche<br />

Aufträge nicht annehmen darf bzw. sogar verhin<strong>der</strong>n muss. Geeigneter wäre es daher davon<br />

auszugehen, dass die Treuepflicht die Wahrung berechtigter Anlegerinteressen sowie<br />

allgemein <strong>der</strong> Marktintegrität umfasst.<br />

a) Schutzziel<br />

Börsenkurse kommen über die allgemeinen Mechanismen von Angebot <strong>und</strong> Nachfrage zustande.<br />

Bei <strong>der</strong> Kursbildung bzw. <strong>der</strong> Preisbildung für Effekten handelt es sich um eine Bewertung<br />

des Marktes. 859 Dementsprechend definieren Lehre <strong>und</strong> Rechtsprechung Kursmanipulation<br />

als eine Tätigkeit, die darauf abzielt, einen falschen Preis o<strong>der</strong> zumindest einen Preis<br />

herbeizuführen, <strong>der</strong> die reale Situation von Angebot <strong>und</strong> Nachfrage für ein auf einem organisierten<br />

Markt gehandeltes Gut nicht wi<strong>der</strong>spiegelt. 860 Als zu schützendes Gut wird das Vertrauen<br />

in einen sauberen, unverfälschten <strong>und</strong> chancengleichen Kapitalmarkt hervorgehoben<br />

861 : Die Kursmanipulation ist ein abstraktes Gefährdungsdelikt, d.h. <strong>der</strong> Täter muss den<br />

Kurs nicht wirklich beeinflusst haben; allein die Absicht, dass er wollte, genügt. Somit umfasst<br />

Börsenmanipulation jedes unlautere Ausnützen <strong>der</strong> Mechanismen des Effektenhandels in<br />

Bereicherungsabsicht. 862 Als Schaden kann die Differenz zwischen dem durch Kursmanipulation<br />

entstanden Kurs <strong>und</strong> dem Kurs, <strong>der</strong> sich bei freiem Spiel von Angebot <strong>und</strong> Nachfrage<br />

eingestellt hätte, angesehen werden. 863 Dem Anlegerschutz kommt insgesamt bei den genannten<br />

Tatbeständen eine grosse Bedeutung zu; einige Autoren gehen bei <strong>der</strong> Kursmanipulation<br />

sogar so weit, zu behaupten, dass <strong>der</strong> Teilnehmer am Wertpapiermarkt auch in seinen Vermögenswerten<br />

geschützt wird. 864 Diese Ansicht ist aber m.E. schon deswegen abzulehnen, weil<br />

das zu schützende Rechtsgut in <strong>der</strong> Botschaft zum BEHG klar als das Vertrauen in einen sauberen,<br />

unverfälschten <strong>und</strong> chancengleichen Kapitalmarkt – <strong>und</strong> eben nicht als das Vermögen<br />

<strong>der</strong> Investoren – bezeichntet wird. 865<br />

858 THALMANN, S. 180.<br />

859 HUBER/KÜNG/KUSTER, S. 118.<br />

860 IFFLAND, Art. 46 BEHG, S. 53.<br />

861 Botschaft BEHG, S. 1428.<br />

862 SCHMID, S. 526.<br />

863 JEAN-RICHARD, S. 264.<br />

864 DONATSCH, Strafrecht, S. 314; STRATENWERTH/JENNY/BOMMER, S. 504.<br />

865 Botschaft BEHG, 1428; zur Gewichtung <strong>der</strong> Ziele Anleger- <strong>und</strong> Funktionsschutz vgl. auch die Ausführungen<br />

in Kap. II Abschnitt A.3<br />

- 136 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

b) Tatbestandsmerkmale<br />

Neben <strong>der</strong> Verbreitung irreführen<strong>der</strong> Informationen beinhaltet die Tathandlung auch das Verbot<br />

von Scheingeschäften. Dabei handelt es sich um fiktive Transaktionen, mit denen das freie<br />

Spiel von Angebot <strong>und</strong> Nachfrage behin<strong>der</strong>t wird, was für unbeteiligte Dritte 866 aber nicht<br />

ersichtlich ist. 867 Aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> grossen Bedeutung für den Anlegervertrauensschutz wurde die<br />

Bestrafung <strong>der</strong> Kursmanipulation per 1. Februar 1997 in Art. 161 bis StGB verankert.<br />

aa) Strafgesetzliche Tatbestände<br />

Zuständig für die Verfolgung <strong>und</strong> Beurteilung von Artikel 161 bis StGB sind die kantonalen<br />

Strafverfolgungsbehörden, die von <strong>der</strong> FINMA benachrichtigt werden. Der Täterkreis geht<br />

über die den Börsenreglementen Unterstellten hinaus <strong>und</strong> umfasst neben Angehörigen <strong>der</strong><br />

Börsen <strong>und</strong> <strong>der</strong> in diesem Umfeld tätigen Finanzinstitute auch Aussenstehende wie Anleger,<br />

Finanzjournalisten, Herausgeber von Börsenbriefen usw.. Im Vor<strong>der</strong>gr<strong>und</strong> steht bei diesen<br />

Tatbeständen die Gewährleistung eines sauberen <strong>und</strong> unverfälschten Kapitalmarkts, <strong>der</strong> allen<br />

Anlegern die gleichen Chancen einräumt. So lässt sich m.E. <strong>der</strong> von TRECHSEL <strong>und</strong> JEAN-<br />

RICHARD für die Insi<strong>der</strong>strafnorm formulierte Leitsatz 868 problemlos auf den Tatbestand <strong>der</strong><br />

Kursmanipulation anpassen. Denn hier wird durch bewusstes Handeln ein Preis herbeigeführt,<br />

<strong>der</strong> die reale Situation von Angebot <strong>und</strong> Nachfrage nicht wi<strong>der</strong>spiegelt, wodurch das Vertrauen<br />

<strong>der</strong> Anleger in einen sauberen, unverfälschten <strong>und</strong> chancengleichen Kapitalmarkt merklich<br />

beeinträchtigt werden kann. 869 Nach dem Willen des Gesetzgebers 870 wurde bei <strong>der</strong> Kursmanipulation<br />

jedoch insofern eine signifikante Grenze gezogen, als Art. 161 bis StGB nur wash<br />

sales 871 <strong>und</strong> matched or<strong>der</strong>s 872 erfasst <strong>und</strong> an<strong>der</strong>e denkbare Manipulationsmethoden wie Parking<br />

873 , Scalping 874 , Kursschnitte 875 , Front Running 876 , Cornering/Squeezing 877 , allgemeine<br />

866 Darunter fallen die Anleger.<br />

867 DONATSCH, Strafrecht, S. 316.<br />

868 „<strong>der</strong> Tüchtigste, <strong>der</strong> geschickteste Beobachter des Marktes“ soll gewinnen <strong>und</strong> nicht <strong>der</strong>jenige, <strong>der</strong> „gar nicht<br />

mitspielt, son<strong>der</strong>n quasi risikofrei absahnt“ (TRECHSEL/JEAN-RICHARD, Art. 161 StGB, S. 766).<br />

869 TRECHSEL/JEAN-RICHARD, Art. 161 bis StGB, S. 778.<br />

870 Botschaft BEHG, 1429.<br />

871 Darunter fallen Serien von Geschäften, welche auf den Handel mit Effekten schliessen lassen, ohne dass<br />

schliesslich <strong>der</strong> wirtschaftlich Berechtigte wechselt.<br />

872 Hierbei handelt es sich um Kaufaufträge, welche zeitlich terminiert von Komplizen durch entsprechende<br />

Käufe kompensiert werden.<br />

873 Ein Market Maker nutzt seine Monopol- bzw. Machtstellung aus, um durch das Immobilisieren eines grösseren<br />

Aktienpakets eine Marktverengung <strong>und</strong> damit einen Preisanstieg zu bewirken.<br />

874 Kauf/Verkauf von Effekten, für die nachher Kauf-/Verkauf-Empfehlungen abgegeben werden.<br />

875 Kursschnitte entstehen dadurch, dass <strong>der</strong> Effektenhändler bei <strong>der</strong> Ausführung von Effektenkommissionsgeschäften<br />

in vorwerfbarer Weise an<strong>der</strong>e als die effektiv erzielten Kurse verrechnet, so dass <strong>der</strong> aus Kursschwankungen<br />

hervorgegangene Gewinn somit unberechtigterweise dem Effektenhändler statt dem K<strong>und</strong>en zugute<br />

kommt.<br />

- 137 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

Kurspflege 878 sowie Churning 879 bewusst ausgelassen werden. Mit dieser Beschränkung soll<br />

eine klare Abgrenzung zur allgemein als legitim erachteten Massnahme <strong>der</strong> Kurspflege o<strong>der</strong><br />

Kursstabilisierung vorgenommen werden. 880 Dabei umfasst Kurspflege den planmässigen<br />

Kauf (seltener Verkauf) von eigenen Aktien, mit dem allzu erratische Ausschläge des täglichen<br />

Kurses geglättet werden sollen 881 , während Kursstützung hauptsächlich durch ein Unternehmen<br />

erfolgt, das einen Kursrückgang seiner Titel für ungerechtfertigt <strong>und</strong> bloss vorübergehend<br />

hält <strong>und</strong> zum Schutz des Vertrauens <strong>der</strong> Anleger die eigenen Titel stützt. 882 Beide<br />

Vorgehensweisen werden in <strong>der</strong> Schweiz toleriert, da diese Verhaltensweisen zwar als verwerflich,<br />

aber nicht als in hohem Mass verwerflich angesehen werden <strong>und</strong> somit nicht in den<br />

Anwendungsbereich des Strafrechts fallen. 883 Um betrügerische Manipulationen sauber vom<br />

straffreien Verhalten <strong>der</strong> Kurspflege <strong>und</strong> –stabilisierung abzugrenzen, wurde bei Art. 161 bis<br />

StGB das Tatbestandsmerkmal <strong>der</strong> Absicht, für sich o<strong>der</strong> für Dritte einen unrechtmässigen<br />

Vermögensvorteil zu erzielen, ins Gesetz aufgenommen. 884<br />

bb) Regulatorische Tatbestände<br />

Wie im letzten Abschnitt erarbeitet wurde, ist <strong>der</strong> Anwendungsbereich <strong>der</strong> strafrechtlichen<br />

Normen begrenzt <strong>und</strong> erstreckt sich insbeson<strong>der</strong>e auf bewusste Verfehlungen, bei denen die<br />

Absicht, einen ungerechtfertigten Vermögensvorteil zu erzielen, als gegeben betrachtet werden<br />

kann. Verhaltensweisen, bei denen die Abweichung von marktkonformen Praktiken gering<br />

<strong>und</strong> z.T. nur mit ausreichendem Fachwissen zu beurteilen ist, fallen somit nicht unter die<br />

Strafbestimmungen. 885 Dies erscheint gerechtfertigt, da man m.E. davon ausgehen kann, dass<br />

die Effektenhändler gr<strong>und</strong>sätzlich die Börsenpflichten einhalten wollen. 886 Nichtsdestotrotz<br />

können die gesetzlich tolerierten Praktiken spürbare Marktverzerrungen bewirken: So führen<br />

auch die nicht von Art. 161 bis StGB erfassten Manipulationsverhalten zu falschen Kursen am<br />

Markt, was den in Art. 1 BEHG verankerten Anleger- <strong>und</strong> Funktionsschutz merklich beeinträchtigen<br />

kann. Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> sind in <strong>der</strong> EU marktmanipulatorische Transaktio-<br />

876 Beim front running (Mitlaufen) nützt <strong>der</strong> Effektenhändler sein vertrauliches Wissen um (bedeutende) K<strong>und</strong>enaufträge<br />

aus, indem er vor <strong>der</strong> Ausführung <strong>der</strong> Aufträge o<strong>der</strong> parallel dazu entsprechende Eigengeschäfte<br />

tätigt, um anschliessend von <strong>der</strong> durch die K<strong>und</strong>entransaktion ausgelösten Preisbewegung zu profitieren.<br />

877 Aufbau grosser Positionen mit <strong>der</strong> Absicht, den Markt zu verengen.<br />

878 Kursbeeinflussung durch das Unternehmen mittels Käufen/Verkäufen.<br />

879 Tätigen von Käufen/Verkäufen mit dem Ziel, die Kommissionserträge zu steigern.<br />

880 gemäss HIRSCH, ALAIN, S. 88, wird Kursstabilisierung gar als „souhaitable“ angesehen.<br />

881 BÖCKLI, Insi<strong>der</strong>strafrecht, S. 105 f.<br />

882 PETER, Insi<strong>der</strong>strafnorm, S. 23.<br />

883 so auch: EFD, Expertenkommission, S. 60.<br />

884 vgl. TRECHSEL/JEAN-RICHARD, Art. 161 bis StGB, S. 780, mit Hinweisen zur Entstehungsgeschichte.<br />

885 vgl. auch: EFD, Expertenkommission, S. 62.<br />

886 Diese Meinung wurde in den Interviews von verschiedenen Seiten vorgebracht.<br />

- 138 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

nen wie etwa Cornering ebenfalls verboten. 887 In <strong>der</strong> Schweiz werden diese Verhaltensweisen<br />

zwar strafrechtlich nicht erfasst; da dem Börsenpublikum jedoch ein falscher Wert vorgegaukelt<br />

wird 888 , wird eine aufsichtsrechtliche Ahndung von marktmissbräuchlichem Verhalten<br />

allerdings als gerechtfertigt angesehen. Eine wichtige Rolle kommt hier <strong>der</strong> Börse zu. Sie bestraft<br />

hauptsächlich Verhaltensweisen, die die Funktionsweise des Kapitalmarktes gefährden<br />

o<strong>der</strong> mit <strong>der</strong> Gewähr für eine einwandfreie Geschäftstätigkeit nicht vereinbar sind: So wird<br />

bspw. die Jahresendkurspflege zum Teil sogar mit einer dreimonatigen Suspendierung <strong>der</strong><br />

Händlerzulassung bestraft. Dies ist m.E. gerechtfertigt, da z.B. durch die Eingabe eines grossen<br />

Kaufauftrages in das Börsensystem so kurz (wenige Sek<strong>und</strong>en) vor Börsenschluss, dass<br />

die an<strong>der</strong>en Marktteilnehmer praktisch keine Zeit haben, auf die erhöhte Nachfrage zu reagieren,<br />

<strong>der</strong> Preisbildungsmechanismus <strong>und</strong> die Marktintegrität erheblich gestört werden. 889 Verstärkter<br />

Aufmerksamkeit bei <strong>der</strong> Überwachung bedarf ferner das Market Making. Market Maker<br />

sind gemäss Art. 3 Abs. 4 BEHV „Effektenhändler, die gewerbsmässig für eigene Rechnung<br />

kurzfristig mit Effekten handeln <strong>und</strong> öffentlich dauernd o<strong>der</strong> auf Anfrage Kurse für einzelne<br />

Effekten stellen“. Auf diese Weise bestimmen sie den verbindlichen Kurs für Effekten<br />

auf dem OTC-Markt. 890 Durch das Stellen von Kursen können Market Maker die Entscheide<br />

<strong>der</strong> Investoren merklich beeinflussen: So kann bspw. beim Cornering/Squeezing eine Gegenpartei<br />

gezwungen werden, sich zu einem überhöhten Preis mit den Effekten einzudecken.<br />

Diese überhöhte Preisstellung birgt eine Gefährdung von potentiellen Investoren in sich <strong>und</strong><br />

beeinträchtigt die Marktintegrität, da die nicht nachvollziehbare Erhöhung <strong>der</strong> Preisstellung<br />

eine Reflexwirkung auf an<strong>der</strong>e Marktteilnehmer hat. Investoren haben gr<strong>und</strong>sätzlich ein<br />

Recht zur Annahme, dass die Quotes eines Market Makers fair sind. 891 Auch die Eingabe eines<br />

Kaufauftrags zu einem Preis, <strong>der</strong> erheblich vom Referenzpreis abweicht, ist geeignet, an<strong>der</strong>en<br />

Marktteilnehmern gegenüber einen falschen Eindruck vom Wert des Wertpapiers zu<br />

vermitteln. 892<br />

An<strong>der</strong>e als Marktmanipulation zu qualifizierende Handlungen wie Nostro-Nostro-Cross Trades<br />

893 , Snake Trading 894 sowie Agent-Agent-Crosses 895 werden ebenfalls sanktioniert. 896<br />

887 Art. 1 Abs. 2 lit. a-c EU-MRI.<br />

888 WATTER, Kursmanipulation, S. 199.<br />

889 Entscheid von Surveillance & Enforcement vom 3.11.2008, Jahresendkurspflege.<br />

890 WYSS, S. 22.<br />

891 Entscheid von Surveillance & Enforcement vom 4.8.2011, Marktmanipulation.<br />

892 Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission vom 3.11.2011, Verletzung <strong>der</strong> Marktintegrität, Rz. 13.<br />

893 Abschlüsse, bei denen das gleiche Institut sowohl als Käufer wie auch als Verkäufer Aufträge für Eigenhandel<br />

eingegeben hat.<br />

894 das Durchsuchen <strong>der</strong> Auftragsbücher nach Bestens-Aufträgen in Valoren, für welche keine Geld- bzw. Briefkurse<br />

existieren <strong>und</strong> das darauf folgende Stellen von Geld o<strong>der</strong> Briefkursen, die massgeblich von den marktkonformen<br />

Preisen abweichen.<br />

- 139 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

c) Fazit<br />

Da durch Kursmanipulation „falsche“ Kurse bewirkt werden, kann die konsequente Ahndung<br />

von missbräuchlichen Verhaltensweisen als weiterer Schritt zur Verwirklichung des Individual-<br />

bzw. Anlegerschutzes <strong>und</strong> des Funktions- bzw. Systemschutzes angesehen werden. 897<br />

Denn „künstliche“ Kurse, die nicht dem inneren Wert des Unternehmens entsprechen, können<br />

das Vertrauen <strong>der</strong> Investoren in die Lauterkeit von Effektenmärkten erschüttern 898 , <strong>und</strong> es<br />

besteht die Gefahr einer Reflexwirkung an<strong>der</strong>er Investoren, was die Funktionsfähigkeit des<br />

Kapitalmarktes signifikant beeinträchtigen kann. 899 Nicht zuletzt aus diesem Gr<strong>und</strong> sind die<br />

vergleichbaren Verbotsnormen an<strong>der</strong>er bedeuten<strong>der</strong> Finanzplätze (insb. Frankfurt <strong>und</strong> London)<br />

breiter gefasst 900 <strong>und</strong> decken deutlich mehr Missbrauchshandlungen ab. 901 . Die vom<br />

B<strong>und</strong>esrat eingesetzte Expertengruppe zur Beurteilung <strong>der</strong> Strafbarkeit von Börsendelikten<br />

<strong>und</strong> Marktmissbräuchen hat sich aber bewusst gegen eine Ausweitung des Anwendungsbereichs<br />

von Art. 161 bis StGB entschieden <strong>und</strong> sich für eine wirksame Ahndung manipulativer<br />

Verhaltensweisen durch die Aufsichtsbehörden ausgesprochen. 902 Dies ist m.E. gerechtfertigt:<br />

Die im Strafgesetzbuch erfassten Tathandlungen beschränken sich auf marktmissbräuchliche<br />

Verhaltensweisen, die in <strong>der</strong> Lage sind, den Aktienkurs entscheidend zu verän<strong>der</strong>n, so dass<br />

hier eine strafrechtliche Verfolgung auch vor dem Hintergr<strong>und</strong> des Vertrauensschutzes <strong>der</strong><br />

internationalen Anlegerschaft erfor<strong>der</strong>lich erscheint. Auch die Kursmanipulationsstrafnorm<br />

wird m.E. zu Recht eng ausgelegt: Damit nicht Praktiken pönalisiert werden, die noch zum<br />

erlaubten „Spielen“ an <strong>der</strong> Börse gehören 903 , ist es angemessen, eine Bereicherungsabsicht zu<br />

verlangen. Diese dürfte in <strong>der</strong> Praxis jedoch zu Beweisschwierigkeiten führen 904 , so dass als<br />

Folge nur die Alternative bleibt, in einem ersten Schritt viele Transaktionen für strafbar zu<br />

erklären, um dann in einem zweiten Schritt Voraussetzungen zu definieren, bei <strong>der</strong>en Einhaltung<br />

eine Strafbarkeit ausscheidet (sog. Accepted Market Practices). Dies würde jedoch zu<br />

895<br />

<strong>der</strong> gegenläufige Kauf <strong>und</strong> Verkauf in einer Effekte für den gleichen K<strong>und</strong>en.<br />

896 Entscheid von Surveillance & Enforcement vom 4.8.2011, Marktmanipulation; Entscheid von Surveillance &<br />

Enforcement vom 7.5.2003, Nostro-Nostro-Cross-Trades; Entscheid von Surveillance & Enforcement vom<br />

25.4.2003, Snake-Trading; Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission vom 13.3.2009, unzulässige Agent-Agent-<br />

Crosses.<br />

897 IFFLAND, manipulations, S. 39 ff.<br />

898 RUFFNER, Entwurf, S. 69.<br />

899 Entscheid von Surveillance & Enforcement vom 13.10.2010, Marktmanipulation.<br />

900 vgl. EBK, Jahresbericht 2007, S. 23.<br />

901 vgl. Art. 1 Abs. 2 lit. a EU-MRl, <strong>der</strong> sämtliche echten Transaktionen mit manipulatorischem Charakter verbietet.<br />

902 EFD, Expertenkommission, S. 60 ff.<br />

903 so auch: TRECHSEL/JEAN-RICHARD, Art. 161 bis StGB, S. 780; <strong>der</strong> Handel mit eigenen Aktien im Rahmen von<br />

Rückkaufprogrammen <strong>und</strong> gewisse kursstabilisierende Massnahmen sind auch unter dem strengeren EU-Recht<br />

erlaubt (vgl. Art. 8 EU-MRI).<br />

904 PETER, Kursmanipulation, S. 124 f.<br />

- 140 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

einer Beweislastumkehr führen <strong>und</strong> damit die Unschuldsvermutung tangieren. 905 Als Konsequenz<br />

würde es wahrscheinlich zu einer Unterregulierung kommen, d.h. aus Angst gegen die<br />

Unschuldsvermutung zu verstossen, würden (zu) wenig Strafen verhängt, was für die<br />

Marktintegrität nicht för<strong>der</strong>lich ist.<br />

Ein gänzlicher Verzicht auf Sanktionsmassnahmen wäre jedoch ebenfalls verfehlt, da die<br />

Ahndung von missbräuchlichen Verhaltensweisen ein weiterer Schritt zur Verwirklichung des<br />

Individual- bzw. Anlegerschutzes <strong>und</strong> des Funktions- bzw. Systemschutzes ist. 906 Schädliche<br />

Akte stellen nämlich nicht nur die strafgesetzlich verankerten Tatbestände dar, son<strong>der</strong>n auch<br />

an<strong>der</strong>e manipulative Verhalten wie bspw. Kursschnitte o<strong>der</strong> Front Running haben immer<br />

wie<strong>der</strong> die Gemüter <strong>der</strong> Investoren erhitzt <strong>und</strong> das Vertrauen in die Lauterkeit von Effektenmärkten<br />

erschüttert. 907 Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> ist es m.E. richtig, für diese Sachverhalte eine<br />

aufsichtsrechtliche Regulierung vorzusehen. Diese aufsichtsrechtlichen Bestimmungen richten<br />

sich überdies vornehmlich an professionelle Teilnehmer, von denen eine grössere Kenntnis<br />

in Bezug auf die Schädlichkeit bestimmter manipulativer Aktionen erwartet werden kann,<br />

weswegen eine grössere Bandbreite von Tatbeständen eher gerechtfertigt ist als bei den Strafbestimmungen,<br />

die als Täter auch Unternehmen als Emittenten o<strong>der</strong> private Anleger zulassen.<br />

3. Würdigung<br />

Die Wohlverhaltensregeln <strong>der</strong> Effektenhändler verfolgen einen doppelten Zweck: Zum einen<br />

sollen die Investoren individuell als K<strong>und</strong>en <strong>der</strong> Effektenhändler geschützt werden, zum an<strong>der</strong>en<br />

soll die Funktionsfähigkeit des Effektenhandelsmarktes gewährleistet werden. 908 Vor<br />

diesem Hintergr<strong>und</strong> stellt die soeben beschriebene Verhaltensregulierung m.E. insgesamt ein<br />

wirkungsvolles Instrument dar: So tragen die Sorgfalts- bzw. Treuepflichten massgeblich zur<br />

Steigerung des Vertrauens aktueller <strong>und</strong> potentieller Investoren in die Korrektheit bzw. Lauterkeit<br />

des Geschehens auf dem Kapitalmarkt bei. 909 Auch die Bekämpfung <strong>der</strong> Marktmanipulation<br />

dient eindeutig dem Anlegerschutz, indem verhin<strong>der</strong>t wird, dass durch künstlich geschaffene<br />

Kurse falsche Signale ausgesendet werden.<br />

905 EFD, Erläutern<strong>der</strong> Bericht, S. 27.<br />

906 IFFLAND, manipulations, S. 39 ff.<br />

907 RUFFNER, Entwurf, S. 69.<br />

908 BAHAR/STUPP, S. 641.<br />

909 HIRSCH, ALAIN, S. 93 ff.<br />

- 141 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

E) Reglemente<br />

1. Einleitung<br />

Ein Erfor<strong>der</strong>nis im Rahmen <strong>der</strong> Compliance 910 ist die Sicherstellung <strong>der</strong> Gesetzeskonformität<br />

<strong>der</strong> Verhaltensweise eines Emittenten bzw. eines Teilnehmers: Die Führungsverantwortlichen<br />

haben zu eruieren, welche Regelwerke anwendbar sind <strong>und</strong> die entsprechenden Normen im<br />

Unternehmen umzusetzen. 911 Daraus ergibt sich zum einen die Verpflichtung für die Emittenten<br />

<strong>und</strong> Teilnehmer, sich mit den entsprechenden Normen auseinan<strong>der</strong>zusetzen: M.a.W. das<br />

von den Emittenten z.T. vorgebrachte Argument, für die Lektüre <strong>der</strong> relevanten Regularien<br />

fehle die Zeit, darf für Börsengesellschaften nicht gelten. Zum an<strong>der</strong>en muss das von <strong>der</strong> Aufsichtsbehörde<br />

entwickelte Recht aber auch angemessen publiziert werden. 912 Denn niemand<br />

darf aufgr<strong>und</strong> von nicht-existenten, nichtigen o<strong>der</strong> nicht genügend bekanntgemachten Regelungen<br />

bestraft werden; die Regulierten müssen sich mit zumutbaren Mitteln über den Inhalt<br />

<strong>der</strong> Verbandspflichten <strong>und</strong> über die Folgen bei einer Verletzung dieser Pflichten informieren<br />

können. 913 Rechtssicherheit, Rechtsgleichheit sowie <strong>der</strong> Schutz <strong>der</strong> Freiheit des Individuums<br />

können nur gewährleistet werden, wenn das Handeln <strong>der</strong> Instanzen voraussehbar ist. 914<br />

Die angemessene Veröffentlichung <strong>der</strong> Normen wurde aber in den Gesprächen mit den Emittenten<br />

z.T. in Frage gestellt: Es bestehe ein Regulierungsdschungel, <strong>der</strong> es den Regulierten<br />

erschwere, die relevanten Bestimmungen zu finden, darüber hinaus ergäben sich wesentliche<br />

Informationen nur aus Kommentaren o<strong>der</strong> gar Sanktionsentscheiden <strong>und</strong> nicht aus den von<br />

<strong>der</strong> FINMA genehmigten Reglementen, schliesslich würden nicht alle betroffenen Kreise in<br />

ausreichen<strong>der</strong> Weise in den Entstehungsprozess <strong>der</strong> Regularien einbezogen. All diesen Kritikpunkten<br />

soll nun nachgegangen werden.<br />

910 vgl. Abschnitt H.3c.aa.<br />

911 BUFF, S. 34.<br />

912 ERRASS, S. 270; GIGER, S. 61.<br />

913 vgl. FUCHS, S. 112 f. m.w.H.<br />

914 vgl. auch HÄFELIN/MÜLLER/UHLMANN, S. 85 ff.<br />

- 142 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

2. Erlass <strong>der</strong> Reglemente<br />

a) Rolle des Regulatory Boards<br />

Ein charakteristisches Merkmal von Selbstregulierung ist, dass die von <strong>der</strong> Ordnung Betroffenen<br />

selbst an <strong>der</strong>en Erstellung teilhaben. 915 Dieses Prinzip wurde bei <strong>der</strong> Bestellung des Regulatory<br />

Boards beherzigt, weswegen sich die Börse auch gegen den Wunsch <strong>der</strong> FINMA, bei<br />

<strong>der</strong> Besetzung des Regulatory Boards mitbestimmen zu können, gewehrt hat. 916 Wie ein Blick<br />

auf die Liste <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> des Regulatory Boards 917 zeigt, wurde dagegen klar auf eine ausgewogene<br />

Vertretung <strong>der</strong> Regulierten geachtet: 7 <strong>der</strong> 17 Mitglie<strong>der</strong> sind in führen<strong>der</strong> Stellung<br />

bei kotierten Unternehmen tätig, <strong>und</strong> 6 Mitglie<strong>der</strong> sind in ebensolchen Positionen bei Effektenhändlern<br />

beschäftigt 918 , ergänzt wird diese Gruppe <strong>der</strong> Regulierten durch zwei Vertreter<br />

<strong>der</strong> Börse sowie zwei "neutrale" Experten 919 . Durch diese Zusammensetzung soll gewährleistet<br />

werden, dass die erarbeiteten Regeln bestmöglich auf die Bedürfnisse <strong>der</strong> Regulierten abgestimmt<br />

<strong>und</strong> somit für sie akzeptabel sind. Diese Zielsetzung wird noch dadurch untermauert,<br />

dass in den beiden vorbereitenden Ausschüssen (Issuers Committee <strong>und</strong> Participants &<br />

Surveillance Committee) Repräsentanten wichtiger Betroffener sitzen, mit dem Ziel die<br />

Sichtweise ihrer Auftraggeber einzubringen. 920<br />

Die Besetzung des Regulatory Boards durch die Börse mit Vertretern <strong>der</strong> Regulierten entspricht<br />

deutlich dem Gedanken <strong>der</strong> Selbstregulierung, <strong>der</strong> nach Willen des Gesetzgebers <strong>der</strong><br />

Börsentätigkeit klar zugr<strong>und</strong>e liegen soll. 921 Der FINMA soll über die Genehmigung <strong>der</strong> Reglemente<br />

hinaus eben keine weitere Kompetenz zukommen, weswegen es m.E. folgerichtig ist,<br />

dass ihr bei <strong>der</strong> Berufung des Regulatory Boards kein Mitspracherecht zukommt. Durch die<br />

Kontrolle <strong>der</strong> Reglemente kann sie darüber hinaus meiner Meinung nach in ausreichendem<br />

Mass sicherstellen, dass die Schutzziele des Börsengesetzes gewährleistet werden.<br />

Ein internationaler Vergleich zeigt, dass z.B. bei den Regeln zur Ad hoc-Publizität die<br />

schweizerischen Meldefälle in <strong>der</strong> Regel konkreter umschrieben sind, als dies bspw. im Ver-<br />

915 NOBEL, Selbstregulierung, S. 443.<br />

916 Aussage von Herrn Dr. von Planta in unserem Interview.<br />

917 vgl. Anhang.<br />

918 Herr Morales vertritt als Head Corporate Legal die UBS AG als Emittent <strong>und</strong> nicht als Effektenhändler.<br />

919 Herr Dr. von Planta sowie Herr Prof. Watter.<br />

920 So sitzen im Issuer Committee u.a. Vertreter <strong>der</strong> grossen Börsengesellschaften (Nestlé, Novartis, UBS, Givaudan),<br />

während im Participants & Surveillance Committee namentlich einflussreiche Effektenhändler (Credit<br />

Suisse, Bank Vontobel, Zürcher Kantonalbank etc) vertreten sind.<br />

921 vgl. die Ausführungen in Kap. II Abschnitt A.1.<br />

- 143 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

einigten Königreich <strong>der</strong> Fall ist. 922 Dies schränkt zwar einerseits die zu ahnenden Tatbestände<br />

in gewisser Weise ein 923 , reduziert aber an<strong>der</strong>erseits die Unsicherheit bei den Regulierten,<br />

was - insbeson<strong>der</strong>e in Anbetracht <strong>der</strong> kritischen Äusserungen <strong>der</strong> Emittenten - zu begrüssen<br />

ist.<br />

Insgesamt finden sich auch an an<strong>der</strong>en Stellen reguliertenfre<strong>und</strong>liche Bestimmungen 924 , was<br />

bei einer selbstregulierten Organisation nicht weiter verwun<strong>der</strong>lich ist. Meiner Meinung nach<br />

beeinträchtigt dies aber nicht gravierend die Qualität <strong>der</strong> Reglemente.<br />

b) Demokratische Legitimation<br />

Ein Kriterium für den Erlass einer verbindlichen Rechtsnorm ist, dass sie in einem demokratischen<br />

Inkorporationsverfahren entsteht. 925 Das in einem demokratischen Verfahren erlassene<br />

Börsengesetz ist jedoch lediglich als Rahmengesetz ausgestaltet, dessen offen formulierte<br />

Normen noch durch Reglemente etc. konkretisiert werden müssen. 926 Damit auch die ausformulierten<br />

Bestimmungen genügend demokratisch legitimiert sind, empfiehlt sich eine breite<br />

Partizipation von Betroffenen auf <strong>der</strong> Konkretisierungsstufe. 927 Bei einer Betrachtung <strong>der</strong><br />

Mitglie<strong>der</strong>liste des Regulatory Boards 928 wird deutlich, dass es sich hauptsächlich aus Vertretern<br />

von Banken sowie von grösseren Emittenten (Novartis, Nestlé, UBS, Givaudan etc.) zusammensetzt,<br />

Vertreter <strong>der</strong> Anlegerschaft sowie von kleineren Unternehmen fehlen. Auf die<br />

fehlende Möglichkeit <strong>der</strong> Anleger, sich gegen einen Sanktionsentscheid zur Wehr zu setzen,<br />

wurde bereits in Kapitel II Abschnitt D eingegangen. Dort wurde auch auf die Passivität des<br />

Grossteils <strong>der</strong> Aktionäre hingewiesen. Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> werden die Anlegerinteressen<br />

wohl in ausreichendem Mass durch die FINMA gewahrt, die im Rahmen <strong>der</strong> gesetzlich vorgeschriebenen<br />

Genehmigung <strong>der</strong> Reglemente überprüft, ob die schutzwürdigen Interessen des<br />

Anleger- <strong>und</strong> Funktionsschutzes berücksichtigt werden. Interessanter ist in diesem Zusam-<br />

922 FELLER, S. 1099.<br />

923 Hier ist aber auch festzuhalten, dass auch in <strong>der</strong> Schweiz <strong>der</strong> Kommentar zur Richtlinie festhält, dass die<br />

einschlägige Liste mit potenziell kursrelevanten Tatbeständen nur als Beispiele verstanden werden dürfte <strong>und</strong><br />

eine <strong>der</strong>artige Liste keineswegs abschliessend ist (RLAhP, Rz. 3 N 1).<br />

924 vgl. insbeson<strong>der</strong>e auch die Ausführungen zur Bestrafung <strong>der</strong> Organe einer juristischen Person in Abschnitt<br />

H.1.<br />

925 BRUNNER, URSULA, S. 79 ff.<br />

926 vgl. die Ausführungen in Abschnitt 3.<br />

927 MÄCHLER, S. 286.<br />

928 http://www.six-exchange-regulation.com/admission_manual/11_04-MLRB_de.pdf.<br />

- 144 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

menhang daher vielmehr, ob die Bedürfnisse <strong>der</strong> kleinen Emittenten im Regelsetzungsprozess<br />

ausreichend beachtet werden. 929<br />

Es ist unzweifelhaft so, dass grosse Emittenten wie Novartis, die Vertreter im Regulatory<br />

Board haben, einen signifikanten Einfluss auf die Regelsetzung nehmen. Denn es ist nur folgerichtig,<br />

dass diese Unternehmensvertreter hauptsächlich die Interessen <strong>der</strong> Grossunternehmen<br />

einbringen. Ausserdem ist nicht von <strong>der</strong> Hand zu weisen, dass ein grösserer Konzern mit<br />

Mitarbeitern, die Teil ihrer Arbeitszeit für das Regulatory Board einsetzen, eher Gehör bei <strong>der</strong><br />

<strong>SIX</strong> findet als ein kleiner Emittent, <strong>der</strong> gar nicht über solche personelle Kapazitäten verfügt.<br />

Somit haben die Grossunternehmen zweifelsohne einen grösseren Einfluss in Bezug auf die<br />

Regelsetzung. Die Frage ist allerdings, ob dies unbedingt nachteilig ist. Denn wie bereits in<br />

Abschnitt C.1b gezeigt wurde, wird mit <strong>der</strong> Regulierung neben <strong>der</strong> Schaffung von Transparenz<br />

namentlich auch bezweckt, den Finanzplatz Schweiz so aufzustellen, dass er in einem<br />

kompetitiven Umfeld wettbewerbsfähig ist. Grosse Börsenunternehmen - wie Novartis, mit<br />

vielen institutionellen Anlegern aus dem Ausland - sind wohl eher in <strong>der</strong> Lage, die entsprechenden<br />

Anfor<strong>der</strong>ungen zu erkennen <strong>und</strong> in adäquate Regeln umzusetzen. KMU-<br />

Gedankengut ist hier weniger zielführend. 930 Darüber hinaus ist als gegeben festzuhalten, dass<br />

auch in einem demokratischen Prozess die Grossen durch Lobbying ihre Interessen immer<br />

besser durchsetzen können. 931 Ferner waren alle interessierten Kreise eingeladen, an <strong>der</strong> Vernehmlassung<br />

vom 30. April 2008 zur Revision des Kotierungsreglements teilzunehmen. 932<br />

Zwar haben sich auch hier wohl insbeson<strong>der</strong>e die grösseren Gesellschaften aktiv beteiligt 933 ,<br />

aber die Tatsache, dass die kleinen Emittenten aus Zeit- o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Gründen auf eine Mitwirkung<br />

verzichteten, sollte m.E. nicht gegen die grossen ausgelegt werden.<br />

c) An<strong>der</strong>e Rechtsetzungsorgane<br />

Die Gewaltenteilung kann in <strong>der</strong> Praxis nie vollumfänglich umgesetzt werden, da sich die<br />

Gr<strong>und</strong>funktionen "Rechtsetzung" <strong>und</strong> "Rechtsanwendung" nicht so kategorisch trennen lassen<br />

wie idealerweise vorgesehen. 934 Ferner ist es eine anerkannte Tatsache, dass auch ein noch so<br />

sorgsam bedachter Rechtstext nicht für jeden einer Regelung bedürftigen Fall eine Lösung<br />

929 Wie in Abschnitt B.5 dargelegt wurde, haben kleinere Emittenten tendenziell das Gefühl, dass sie Regeln<br />

beachten müssen, die für die Grossen gemacht wurden.<br />

930 vgl. auch die Ausführungen zu den Grössenunterschieden in Abschnitt H.2.<br />

931 vgl. dazu: DEDERER, S. 25 ff.<br />

932 http://www.six-swiss-exchange.com/admission/news_de.html.<br />

933 Diese Tendenz konnte jedenfalls den Interviews entnommen werden.<br />

934 RHINOW, S. 195 ff.<br />

- 145 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

enthalten kann, d.h. dass je<strong>der</strong> Text unvermeidbar "lückenhaft" ist. 935 Die Ausfüllung dieser<br />

Gesetzeslücken obliegt dem Richter, <strong>der</strong> dabei so genanntes Richterrecht anwendet. Im Fall<br />

<strong>der</strong> Börse kommen SER in ihrer Funktion als Untersuchungsorgan, das die Einhaltung <strong>der</strong><br />

Reglemente überwacht <strong>und</strong> Sanktionsbescheide bzw. Sanktionsanträge erstellt, eindeutig<br />

Aufgaben zu, die mit denen eines Staatsanwalts bzw. eines Untersuchungsrichters vergleichbar<br />

sind. 936 In diesem Zusammenhang muss es die Regularien auslegen, <strong>und</strong> da diese erwiesenermassen<br />

z.T. unbestimmte Begriffe verwenden müssen 937 , ist es unvermeidlich, dass eigene<br />

Interpretationen verwendet werden. Ähnliches gilt für die Sanktionskommission, die in<br />

ihren Entscheiden ebenfalls auslegungsbedürftige Begriffe sowie lückenhafte Bestimmungen<br />

interpretieren muss <strong>und</strong> damit genauso Recht schafft. Dabei kann es immer wie<strong>der</strong> vorkommen,<br />

dass die "Richter" 938 über das Ziel hinausschiessen <strong>und</strong> Regeln aufstellen, die über den<br />

Willen des Gesetzgebers 939 hinausgehen. Ein Beispiel ist die Generalklausel zur Kursrelevanz<br />

jeglicher Wechsel in <strong>der</strong> Führungsetage. 940 Solche richterlichen Exzesse sind jedoch umso<br />

unproblematischer, je grösser die Möglichkeiten eines Gesetzgebers sind, sie durch alsbaldige<br />

legislative Richtigstellungen zumindest für die Zukunft wirkungslos zu machen o<strong>der</strong> wenigstens<br />

zu relativieren. Dieses Korrekturmittel ist bei <strong>der</strong> Börse gegeben: Nach Aussage des Präsidenten<br />

des Regulatory Boards, Dr. Andreas von Planta, hat das Regulatory Board immer die<br />

Möglichkeit, Entscheide von SER o<strong>der</strong> <strong>der</strong> SaKo, die den Mitglie<strong>der</strong>n des Regulatory Boards<br />

missfallen, durch Anpassung <strong>der</strong> Regularien zu relativieren. 941 Ferner ist das Regulatory<br />

Board in <strong>der</strong> Lage, die Rechtslage durch R<strong>und</strong>schreiben explizit darzulegen, falls es das Gefühl<br />

hat, dass ein Entscheid mehr zur Verwirrung als zur Klärung beigetragen hat. Ein Beispiel<br />

ist die Mitteilung, die das Regulatory Board im Herbst 2010 betreffend <strong>der</strong> Darstellung<br />

<strong>der</strong> Corporate Governance im Jahresbericht publiziert hatte. Auslöser war <strong>der</strong> Vontobel-<br />

Entscheid 942 , <strong>der</strong> die Offenlegungsregeln zum Festsetzungsverfahren <strong>der</strong> Entschädigung <strong>der</strong><br />

VR- <strong>und</strong> GL-Mitglie<strong>der</strong> so unklar umriss, dass nach Ansicht des Regulatory Boards alle Gesellschaften<br />

hätten bestraft werden müssen.<br />

935 LARENZ, S. 366.<br />

936 vgl. auch die Ausführungen in Kapitel II Abschnitt C.1.<br />

937 vgl. die Ausführungen in Abschnitt 3.<br />

938 Hier zumeist die SaKo, seltener SER.<br />

939 das Regulatory Board.<br />

940 vgl. Abschnitt C.3a.<br />

941 Die Zeit, die die selbstregulierte Börse braucht, um Reglemente anzupassen, ist gemäss Aussagen <strong>der</strong> Börsenorgane<br />

auch nicht beson<strong>der</strong>s lang. So wurde das KR seit <strong>der</strong> Revision 2009 schon mehrfach abgeän<strong>der</strong>t.<br />

942 Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission vom 11.6.2010 (SaKo 2010-CG-I/10).<br />

- 146 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

d) Fazit<br />

Die Rechtsetzung erfolgt bei <strong>der</strong> Börse entsprechend dem Selbstregulierungsgedanken durch<br />

ein von den Regulierten besetztes Organ, das m.E. sinnvoll zusammengesetzt ist <strong>und</strong> seine<br />

Aufgabe angemessen erfüllt. Es ist zwar auffallend, dass die grösseren Emittenten einen dominanten<br />

Einfluss bei <strong>der</strong> Besetzung des Regulatory Boards haben, angesichts <strong>der</strong> Notwendigkeit<br />

einer internationalen Aufstellung des Finanzplatzes Schweiz ist diese Einwirkung aber<br />

positiv zu betrachten. Die fehlende Beteiligung <strong>der</strong> Anteilseigner kann durch das Überprüfungs-<br />

<strong>und</strong> Genehmigungsobligatorium <strong>der</strong> FINMA ausgeglichen werden.<br />

3. Abstufung <strong>der</strong> Reglemente<br />

Charakteristisch für die schweizerische Rechtsordnung ist die Hierarchie <strong>der</strong> Rechtserlasse,<br />

wobei <strong>der</strong> Stufenbau insbeson<strong>der</strong>e eine Aussage über die Bedeutung <strong>der</strong> Norm machen<br />

soll 943 : Die wichtigsten Bestimmungen finden sich in <strong>der</strong> Verfassung, immer noch wichtige<br />

Bestimmungen, die insbeson<strong>der</strong>e auch die Verfassungsnormen konkretisieren, befinden sich<br />

auf Gesetzesstufe, während ergänzende Bestimmungen in den Verordnungen zu finden sind.<br />

Diese Rangordnung besteht auch bei den Vorschriften bzgl. <strong>der</strong> Börse: Aufgr<strong>und</strong> des grossen<br />

öffentlichen Interesses an <strong>der</strong> adäquaten Beaufsichtigung des Finanzmarktes müssen die<br />

wichtigsten Gr<strong>und</strong>regeln auf einer gesetzlichen Gr<strong>und</strong>lage basieren. 944 Die Konkretisierung<br />

<strong>der</strong> allgemein gefassten Normen erfolgt dann zum einen durch die von <strong>der</strong> FINMA zu genehmigenden<br />

Reglemente <strong>und</strong> zum an<strong>der</strong>en aber auch durch R<strong>und</strong>schreiben, Weisungen,<br />

Kommentare <strong>und</strong> Sanktionsentscheide.<br />

a) Rahmengesetz<br />

aa) Notwendigkeit einer gesetzlichen Gr<strong>und</strong>lage<br />

Die Regelung des Börsenwesens ist in Art. 98 BV explizit dem B<strong>und</strong> übertragen worden;<br />

staatliches Handeln bedarf prinzipiell einer Gesetzesgr<strong>und</strong>lage. 945 Wie im Rahmen dieser Dissertation<br />

bereits mehrfach hervorgehoben wurde, ist die Delegation staatlicher Aufgaben an<br />

Private gr<strong>und</strong>sätzlich zulässig. Um allgemeinen rechtsstaatlichen Bedenken <strong>und</strong> <strong>der</strong> Gefahr<br />

943 vgl. BRUNNER, URSULA, S. 80 f., die jedoch auch darauf hinweist, dass diese Aussage heute nicht mehr<br />

stimmt.<br />

944 MORSCHER, S. 140.<br />

945 vgl. bereits GIACOMETTI, S. 15 f.<br />

- 147 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

einseitiger Interessenberücksichtigung vorzubeugen, muss die Delegation allerdings in einem<br />

Gesetz vorgesehen werden, welches auch den Inhalt <strong>der</strong> privaten Rechtssätze wenigstens rudimentär<br />

inhaltlich bestimmt. 946 Diese Anfor<strong>der</strong>ung wird durch das Börsengesetz, das in Art.<br />

4 BEHG unter <strong>der</strong> Marginalie "Selbstregulierung" <strong>der</strong> Börse die Organisation ihres Betriebs,<br />

ihrer Verwaltung <strong>und</strong> ihrer Überwachung überträgt, erfüllt.<br />

bb) Inhaltliche Ausgestaltung<br />

Da das Wirtschaftsaufsichtsrecht sehr anwendungsorientierte Bereiche betrifft, bei denen es<br />

kontraproduktiv wäre, die selbstregulierenden Kräfte zu stark einzuschränken, empfiehlt sich<br />

zumeist <strong>der</strong> Erlass eines Rahmengesetzes. 947 Dieses zeichnet sich durch eine geringe Regelungsdichte<br />

aus <strong>und</strong> enthält nur Gr<strong>und</strong>satznormen, die noch durch eine generell-abstrakte<br />

Ordnung ausgefüllt werden müssen. 948 Auch das Börsengesetz ist als Rahmengesetz ausgestaltet.<br />

Mit dieser Konzeption sollte sowohl dem Vorrang <strong>der</strong> Selbstregulierung als auch dem<br />

gr<strong>und</strong>sätzlichen privatwirtschaftlichen Charakter <strong>der</strong> Schweizer Börsen Rechnung getragen<br />

werden. 949 Bewusst wurden nur rudimentäre Vorgaben gemacht: So auferlegen Art. 3-9<br />

BEHG den Börsen lediglich bestimmte organisatorische Minimalvorgaben (eine ihrer Tätigkeit<br />

angemessene Betriebs-, Verwaltungs- <strong>und</strong> Überwachungsorganisation sowie eine unabhängige<br />

Beschwerdeinstanz), <strong>und</strong> <strong>der</strong> Erlass bestimmter Reglemente (zur Organisation eines<br />

leistungsfähigen <strong>und</strong> transparenten Handels, über die Zulassung von Effektenhändlern, über<br />

die Zulassung von Effekten zum Handel) wird vorgeschrieben. Genauso werden auf Gesetzesebene<br />

nur die massgeblichen Gr<strong>und</strong>sätze zur Berufsbewilligung <strong>und</strong> Berufsausübung eines<br />

Effektenhändlers festgelegt, während die einzelnen Kriterien den Verordnungen <strong>und</strong> Reglementen<br />

zu entnehmen sind, wodurch das Rahmengesetz eine maximale Anpassungsfähigkeit<br />

besitzt. 950<br />

b) Reglemente<br />

aa)<br />

Konkretisierung als Zweck<br />

946 vgl. MORSCHER, S. 146 f<br />

947 MORSCHER, S. 158.<br />

948 vgl. MASTRONARDI, S. 78.<br />

949 LIENHARD, S. 239.<br />

950 EFD, Studiengruppe, S. 56.<br />

- 148 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

Aus Gründen <strong>der</strong> Flexibilität werden die Pflichten <strong>der</strong> Emittenten <strong>und</strong> <strong>der</strong> Teilnehmer durch<br />

das KR bzw. das Handelsreglement konkretisiert. 951 Bei <strong>der</strong> Redaktion <strong>der</strong> Regulierungsgr<strong>und</strong>lagen<br />

müssen die regulatorischen Organe, die die hoheitliche Aufgabe <strong>der</strong> Börsenüberwachung<br />

<strong>und</strong> -regulierung von <strong>der</strong> FINMA übernommen haben, die allgemeinen verwaltungsrechtlichen<br />

Bestimmtheitsanfor<strong>der</strong>ungen einhalten. Diese sind jedoch nicht überall gleich<br />

streng: So zeichnen sich Gesetze generell durch ein gewisses Mass an Unschärfe aus. 952<br />

Durch diese Abstraktheit <strong>der</strong> Sprache wird zum einen bezweckt, die Normen auf eine Vielzahl<br />

von Fällen anwendbar zu machen 953 , zum an<strong>der</strong>en erlaubt die Offenheit <strong>der</strong> Sprache den<br />

rechtsanwendenden Behörden, neue Erfahrungen, beson<strong>der</strong>e Umstände sowie auch künftige<br />

Entwicklungen zu berücksichtigen. 954 Der Bestimmtheitsgrad wird ferner beeinflusst durch<br />

das Rechtsverhältnis <strong>der</strong> Parteien. Wenn dieses - wie im Fall <strong>der</strong> Emittenten <strong>und</strong> Teilnehmer -<br />

freiwillig eingegangen wurde, können die Regelungen unbestimmter gehalten werden. 955 Die<br />

Disziplinarkommission hat diesbezüglich auch explizit auf die den Sanktionsorganen bei <strong>der</strong><br />

Strafbemessung eingeräumte Ermessensfreiheit verwiesen. 956 Diese darf nach meiner Auffassung<br />

jedoch nicht zulasten <strong>der</strong> Emittenten gehen, die ihre Pflichten klar kennen müssen. 957 In<br />

diesem Sinne verlangt die Rechtsprechung des B<strong>und</strong>esgerichts <strong>und</strong> des EGMRs, dass ein Gesetz<br />

prinzipiell so präzise formuliert sein muss, "dass <strong>der</strong> Bürger sein Verhalten danach richten<br />

<strong>und</strong> die Folgen eines bestimmten Verhaltens mit einem den Umständen entsprechenden<br />

Grad an Gewissheit erkennen kann." 958 Dementsprechend riet auch die EBK allen Selbstregulatoren,<br />

bei <strong>der</strong> Ausarbeitung <strong>der</strong> Regeln auf Systematik <strong>und</strong> Verständlichkeit <strong>der</strong> Normen zu<br />

achten. 959 Gr<strong>und</strong>sätzlich kann eine Gesetzesbestimmung <strong>der</strong> rechtsanwendenden Behörde<br />

zwar Ermessen einräumen, die Grenzen dieses Entscheidungsspielraums müssen jedoch klar<br />

ersichtlich sein. 960 So haben LÜTOLF <strong>und</strong> SCHINDLER im Zusammenhang mit <strong>der</strong> Sanktionierung<br />

<strong>der</strong> Verletzung von Meldepflichten (Art. 41 BEHG) festgestellt, dass das richterliche<br />

Ermessen im Bereich <strong>der</strong> Strafzumessung durch die Vorgabe eines Straf- resp. Bussenrahmens<br />

<strong>und</strong> insbeson<strong>der</strong>e eines Bussenhöchstbetrages eingeschränkt wird. 961<br />

951 vgl. auch: GRUMBACHER, S. 8.<br />

952 zur Unschärfe <strong>der</strong> juristischen Sprache vgl. gr<strong>und</strong>legend: BUSSE, S. 125 ff.<br />

953 MORLOK, S. 33.<br />

954 RÜTHERS/FISCHER/BIRK, S. 115 ff.; BGE 135 I 169, 173; 125 II 417, 429; 125 I 369, 379 ff.; 123 I 1, 4 ff.<br />

955 BGE 129 I 161, 163; 123 I 1, 6.<br />

956 Entscheid <strong>der</strong> Disziplinarkommission vom 31.1.2005 (DK/RLE/I/05), Rz. 16.<br />

957 Denn "was nicht zu verstehen ist, kann we<strong>der</strong> auf Verständnis noch auf Befolgung hoffen." (ROMAN HERZOG,<br />

zitiert nach OGOLEK, S. 663).<br />

958 BGE 117 Ia 472, 480; BGE 115 Ia 277, 288; VILLIGER, S. 346 f.<br />

959 EBK, S. 22.<br />

960 VILLIGER, S. 347.<br />

961 LÜTOLF/SCHINDLER, S. 138.<br />

- 149 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

bb) Inhaltliche Ausgestaltung<br />

Die vagen Bestimmungen des Börsengesetzes werden im KR bzw. im Handelsreglement näher<br />

ausgeführt: So werden bspw. in Abschnitt III des Kotierungsreglements die Bedingungen<br />

für die Aufrechterhaltung <strong>der</strong> Kotierung klar vorgestellt; ein Unternehmen kann daraus zweifelsfrei<br />

ableiten, welche Informationspflichten neben <strong>der</strong> periodischen Berichterstattung noch<br />

zu erfüllen sind. Im Weiteren werden in Abschnitt V die Folgen einer Nichtbefolgung <strong>der</strong><br />

Emittentenpflichten (sprich die Sanktionen) aufgeführt. In Art. 61 Abs. 1 Ziff. 2 KR wird<br />

auch eine Maximalbusse von CHF 1 Mio. bzw. CHF 10 Mio. vorgeschrieben, so dass diesbezüglich<br />

die im letzten Abschnitt beschriebene Bestimmtheit gegeben ist. 962 Analog beschreibt<br />

das Handelsreglement in Abschnitt I detailliert die Zulassungsbedingungen für Effektenhändler<br />

<strong>und</strong> konkretisiert damit Art. 10 BEHG, während die Normen des zweiten Abschnitts<br />

(Handel) eine Veranschaulichung <strong>der</strong> in Art. 11 BEHG angerissenen Verhaltensregeln darstellen.<br />

Bei <strong>der</strong> Beschreibung <strong>der</strong> Emittenten- <strong>und</strong> Teilnehmerpflichten in den entsprechenden Reglementen<br />

ist jedoch immer noch ein gewisser Abstraktionsgrad zu beobachten: Da es den Umfang<br />

<strong>der</strong> Dissertation sprengen würde, alle ambivalenten Formulierungen herauszuarbeiten,<br />

sei hier beispielhaft nur für jeden Regulierungsbereich je eine aufgeführt: Gemäss Art. 51 KR<br />

müssen Jahres- <strong>und</strong> Zwischenabschlüsse in Übereinstimmung mit einem vom Regulatory<br />

Board anerkannten Rechnungslegungsstandard erstellt werden. Welche das sind, ist <strong>der</strong> Richtlinie<br />

bzw. dem entsprechenden R<strong>und</strong>schreiben zu entnehmen. Ähnlich wird im Handelsreglement<br />

die Börsenpflicht sehr allgemein beschrieben <strong>und</strong> explizit auf die Weisung „Handel“<br />

verwiesen (Ziff. 4.5 Abs. 3 Handelsreglement). In <strong>der</strong> Weisung werden dann die genauen<br />

Modalitäten für den Handel an <strong>der</strong> Börse festgelegt.<br />

Offene Formulierungen in den Reglementen, die durch hierarchisch untergeordnete Normen<br />

präzisiert werden müssen, sind m.E. jedoch unvermeidbar, da die Aufgabe sowohl des KRs<br />

als auch des Handelsreglements darin besteht, einen Überblick über alle Aspekte betreffend<br />

die Kotierung von Beteiligungsrechten bzw. die Zulassungsvoraussetzungen <strong>und</strong> Verhaltenspflichten<br />

<strong>der</strong> Teilnehmer zu geben, <strong>und</strong> eine zu grosse Genauigkeit die Übersichtlichkeit beeinträchtigen<br />

würde. Wer aus gegebenem Anlass detailiertere Informationen benötigt, wird<br />

richtigerweise auf die relevanten Richtlinien, R<strong>und</strong>schreiben <strong>und</strong> Weisungen verwiesen. Die<br />

Funktion dieser Regelsätze besteht dann auch darin, die Modalitäten <strong>der</strong> Emittenten- <strong>und</strong><br />

Teilnehmerpflichten genauer festzulegen.<br />

962 Wie in Abschnitt B.6 dargestellt wird, ist die Sanktionsbemessung nicht unumstritten. Die gesetzliche Gr<strong>und</strong>lage<br />

bzw. Bestimmtheit ist jedoch unproblematisch.<br />

- 150 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

c) Kommentare <strong>und</strong> Sanktionsentscheide<br />

aa) Funktion: Weitere Konkretisierung<br />

Neben den Richtlinien <strong>und</strong> Weisungen sind jedoch auch noch R<strong>und</strong>schreiben, Kommentare<br />

sowie <strong>der</strong> Verweis auf die publizierten Sanktionsentscheide zur konkreten Umschreibung <strong>der</strong><br />

Pflichten notwendig, <strong>und</strong> die Rechtsprechungsinstanzen <strong>der</strong> Börse stützen ihre Urteilsbegründungen<br />

auch teilweise sowohl auf frühere Sanktionsentscheide als auch auf Kommentare.<br />

R<strong>und</strong>schreiben <strong>und</strong> Kommentare kommen vornehmlich im Bereich Emittentenregulierung<br />

zum Einsatz. Letztere fungieren dort als Entlastung <strong>der</strong> Richtlinien: Hier können Beispiele<br />

aufgeführt werden, <strong>der</strong>en Aufzählung die Richtlinien unnötig aufblähen würde. Die Veröffentlichung<br />

von R<strong>und</strong>schreiben rechtfertigt sich, da beim Erlass von Richtlinien nicht immer<br />

alle Eventualitäten bedacht werden können. Fälle, wie <strong>der</strong> Vontobel-Entscheid, wo nach dem<br />

Urteil <strong>der</strong> SaKo nach Ansicht des Regulatory Boards Erklärungsbedarf bestand, können immer<br />

auftauchen 963 , <strong>und</strong> dann kann durch ein R<strong>und</strong>schreiben schneller <strong>und</strong> unkomplizierter<br />

Rechtssicherheit geschaffen werden. Sanktionsentscheide schliesslich werden sowohl bei <strong>der</strong><br />

Emittenten- als auch bei <strong>der</strong> Teilnehmerregulierung als Rechtsquelle eingesetzt. Dies ist m.E.<br />

ebenfalls gerechtfertigt, da es sich dabei um durch "richterliche Lückenfüllung" 964 geschaffene<br />

Interpretationen <strong>der</strong> Normen handelt.<br />

bb)<br />

Frage <strong>der</strong> Rechtsverbindlichkeit<br />

Die Verwendung insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> erläuternden Kommentare als Rechtsquelle bei <strong>der</strong> Emittentenregulierung<br />

ist jedoch umstritten: So leiten Rechtsexperten aus <strong>der</strong> Feststellung <strong>der</strong> <strong>SIX</strong>,<br />

dass es sich beim Kommentar zur RLAhP um ein Hilfsmittel für die Emittenten handele 965 ,<br />

ab, dass ein Verstoss gegen die dort aufgeführten Normen nicht sanktionswürdig sei. 966 Denn<br />

eine Sanktion könne nur gestützt auf die quasi-hoheitlichen von <strong>der</strong> FINMA genehmigten<br />

Normen im KR bzw. in <strong>der</strong> RLAhP erlassen werden. 967 Ausserdem beruhe die Verbindlichkeit<br />

<strong>der</strong> Reglemente auf <strong>der</strong> ausdrücklichen Anerkennung mittels Emittentenerklärung 968 , <strong>und</strong><br />

die Kommentare gehörten nicht zu den abschliessend in Art. 45 Ziff. 4 KR aufgezählten Re-<br />

963 vgl. die Ausführungen in Abschnitt 2d.<br />

964 siehe dazu bereits die Ausführungen in Abschnitt 2a.<br />

965 Entscheid des Ausschusses <strong>der</strong> Zulassungsstelle vom 23. Januar 2007 (ZUL-AHP-IV/06), E. 42.<br />

966 Sehr ausdrücklich nehmen DALLA TORRE/HASLER, S. 190, diese Position ein.<br />

967 Ein Indiz dafür sehen DALLA TORRE <strong>und</strong> HASLER auch darin, dass sich bei Art. 53 KR ein direkter Verweis<br />

auf die RLAhP, nicht aber auf den entsprechenden Kommentar finden lässt, DALLA TORRE/HASLER, Fn. 31.<br />

968 zur Verbindlichkeit von Statuten <strong>und</strong> Reglementen siehe auch VON DER CRONE/PACHMANN, S. 108 m.w.H.<br />

- 151 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

gularien. Analog den Allgemeinen Geschäftsbedingungen 969 müssten die Vorschriften jedoch<br />

verbindlich in das privatrechtliche Verhältnis Börse-Emittent übernommen werden, um Geltung<br />

entfalten zu können. Aus diesem Gr<strong>und</strong> ist die Sanktionskommission nach Ansicht von<br />

DALLA TORRE <strong>und</strong> HASLER zu weit gegangen, als sie in den Lonza-Entscheiden 970 ihre strenge<br />

Praxis zur Meldepflicht von Än<strong>der</strong>ungen in <strong>der</strong> Unternehmensführung hauptsächlich mit den<br />

entsprechenden Ausführungen im Kommentar RLAhP rechtfertigte. 971 Denn die <strong>SIX</strong> besitze<br />

zwar gr<strong>und</strong>sätzlich eine gewisse Handlungsfreiheit, durchsetzbare Sanktionen könne sie jedoch<br />

nur basierend auf den gesetzlichen <strong>und</strong> statutarischen Voraussetzungen aussprechen. 972<br />

Dieser strikten Haltung ist jedoch nicht uneingeschränkt zuzustimmen, bzw. sie ist im Lichte<br />

aktueller Entwicklungen zu relativieren. Zwar ist es korrekt, dass die Kommentare normerläuternde<br />

Veröffentlichungen sind 973 , die direkt von SER ausgearbeitet werden 974 <strong>und</strong> im Weiteren<br />

auch nicht durch die FINMA abgesegnet werden müssen; dieses Manko verunmöglicht<br />

jedoch m.E. nicht, dass sie von <strong>der</strong> Judikative - <strong>der</strong> Sanktionskommission - zur Sanktionsbegründung<br />

herangezogen werden können. Denn wie schon RHINOW 1978 in <strong>der</strong> Einleitung zu<br />

seiner Dissertation festgestellt hat, wird "Recht nicht nur beim Erlass genereller <strong>und</strong> abstrakter<br />

Normen, son<strong>der</strong>n in vielfältigen Abstufungen bis zur konkreten Anordnung <strong>der</strong> Verwaltung<br />

o<strong>der</strong> zum Richterspruch gesetzt". 975 In diesem Sinne bezieht auch das B<strong>und</strong>esgericht in<br />

seine Entscheidungsfindung die Erläuterungen in Praxiskommentaren sowie die Erkenntnisse<br />

früherer BGEs mit ein. Darüber hinaus wurde in den Interviews deutlich, dass Emittenten<br />

keinerlei Probleme haben, die erläuternden Bemerkungen aus Kommentaren <strong>und</strong> Sanktionsentscheiden<br />

als Rechtsquelle anzuerkennen. 976 Insgesamt lässt sich somit feststellen, dass sich<br />

Sanktionsentscheide <strong>und</strong> Kommentare durchaus als Rechtsquellen eignen<br />

In Bezug auf die fehlende Genehmigung <strong>der</strong> Kommentare durch die FINMA ist festzuhalten,<br />

dass ein wesentliches Merkmal von Selbstregulierung "die Eigenbildung von Regeln anstelle<br />

des Erlasses staatlicher Vorschriften“ 977 ist. Daraus ergibt sich, dass nur die Gr<strong>und</strong>züge <strong>der</strong><br />

Regeln von <strong>der</strong> FINMA genehmigt werden müssen. Konkretisierende Darlegungen, die sich<br />

auf dieses Gr<strong>und</strong>gerüst stützen, fallen in den Gestaltungsfreiraum <strong>der</strong> selbstregulierten Börse<br />

969 siehe hierzu GAUCH/SCHLUEP/SCHMID, S. 247.<br />

970 Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission vom 31.1.2008 (SaKo-AHP-VI/07) sowie Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission<br />

vom 18.12.2009 (SaKo 2009 - MT III/09, SaKo 2009 - MP I/09, SaKo 2009 - AHP III/09).<br />

971 DALLA TORRE/HASLER, S. 189.<br />

972 DALLA TORRE/HASLER, S. 190, unter Bezugnahme auf HEINI, S. 226.<br />

973 Darauf weisen auch DALLA TORRE/HASLER, S. 189 hin.<br />

974 <strong>und</strong> nicht von dem Regulatory Board, dem obersten Rechtsetzungsorgan gemäss dem von <strong>der</strong> FINMA abgesegneten<br />

Organisationsreglement (vgl. Art. 2.1).<br />

975 RHINOW, S. III.<br />

976 Der Vorschlag von SwissHoldings, auch die Comment Letters zu veröffentlichen (vgl. dazu Abschnitt B.3),<br />

zeigt m.E. im Gegenteil vielmehr, dass diese als Rechtsquelle anerkannt sind.<br />

977 Nobel, Selbstregulierung, S. 122.<br />

- 152 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

<strong>und</strong> sind somit erlaubt. Somit stellen Kommentare, die nicht von <strong>der</strong> FINMA genehmigt werden<br />

müssten, nicht per se ein Problem dar. 978 Auch die Tatsache, dass die Kommentare von<br />

SER <strong>und</strong> nicht vom Regulatory Board verfasst werden, muss nicht zwingend ein Problem<br />

darstellen. Denn wie in Kap. II Abschnitt C.1 bereits dargelegt wurde, kommen SER eindeutig<br />

Aufgaben zu, die mit denen eines Staatsanwalts bzw. eines Untersuchungsrichters vergleichbar<br />

sind. In dieser Funktion muss SER die Regularien auslegen, <strong>und</strong> da diese erwiesenermassen<br />

z.T. unbestimmte Begriffe verwenden müssen, ist es unvermeidlich, dass SER eigene<br />

Interpretationen verwendet. Wenn diese nachher in einem Kommentar bekannt gegeben<br />

werden, ist dies aus Rechtssicherheitsgründen nur zu befürworten.<br />

Abschliessend ist zu erwähnen, dass nicht zuletzt aufgr<strong>und</strong> solcher negativer Erfahrungen<br />

bzw. kritischer Ansätze das Regulatory Board beschlossen hat, dass zukünftig die Kommentare<br />

vom Regulatory Board abgesegnet werden müssen.<br />

c) Fazit<br />

Die Hierarchie <strong>der</strong> Rechtsquellen bei <strong>der</strong> Börse ist - trotz <strong>der</strong> Kritik <strong>der</strong> Emittenten - gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

vorteilhaft: Wie in Abschnitt B.3 dargestellt, wird von den Regulierten eine möglichst<br />

detaillierte Beschreibung <strong>der</strong> Pflichten gewünscht. Eine so hohe Rechtssicherheit ist aber nur<br />

durch ergänzende <strong>und</strong> vertiefende Regularien möglich. Emittenten, Teilnehmer <strong>und</strong> Händler,<br />

die bei <strong>der</strong> Konsultation <strong>der</strong> Reglemente noch Fragen haben, sollen in den erläuternden Regelwerken<br />

weitergehende Information finden, während alle an<strong>der</strong>en Leser bei <strong>der</strong> Lektüre<br />

nicht durch (für sie überflüssige) Zusatzinformationen belastet werden sollen. Der Aufwand<br />

<strong>der</strong> Informationssuche ist m.E. nicht übermässig <strong>und</strong> somit zumutbar. Gleichwohl ist – auch<br />

angesichts des immer internationaler werdenden Umfelds – stets auf eine saubere Reglementhierarchie<br />

zu achten. Deswegen wurde auch anlässlich <strong>der</strong> Rückführung <strong>der</strong> virt-x in die<br />

Schweiz die Regularienstruktur für die Teilnehmer überarbeitet <strong>und</strong> vereinfacht: Die früher<br />

gültigen AGB wurden abgeschafft 979 <strong>und</strong> die Bestimmungen neu im Handelsreglement verankert.<br />

Um möglichst grosse Rechtssicherheit gewährleisten zu können, ist es wünschenswert, dass<br />

die erläuternden Kommentare möglichst à-jour gehalten werden. 980 Es ist hier allerdings zu<br />

beachten, dass die Hauptaufgabe von SER in <strong>der</strong> Regulierung <strong>und</strong> Überwachung <strong>der</strong> Emitten-<br />

978 Die Tatsache, dass die Kommentare nicht von <strong>der</strong> FINMA zu genehmigen sind, wird teilweise von den Emittenten<br />

sogar als Vorteil gesehen, da sie schneller erlassen <strong>und</strong> den konkreten Gegebenheiten angepasst werden<br />

können.<br />

979 Gemäss Herrn Straub sind AGBs ein Konzept, das z.B. Englän<strong>der</strong> nicht kennen o<strong>der</strong> verstehen.<br />

980 Dieser Wunsch wurde auch in den Emittenten-Interviews oft geäussert.<br />

- 153 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

ten <strong>und</strong> Teilnehmer besteht <strong>und</strong> eine Überarbeitung <strong>der</strong> Kommentare ressourcen-abhängig<br />

ist. 981 Eine "kochbuchmässige" Anleitung <strong>der</strong> Emittenten ist jedoch auch nach meiner Meinung<br />

we<strong>der</strong> möglich noch zweckmässig; vielmehr ist hier <strong>der</strong> Auffassung von SER beizupflichten,<br />

dass das eine "Bevorm<strong>und</strong>ung" bzw. gerade jene (Über-)Regulierung darstellen<br />

würde, die man eben nicht beim Erlass des Börsengesetzes gewollt hat. Die Emittenten müssen<br />

in einem gewissen Ausmass nach eigenem Ermessen entscheiden (können). 982 Daher ist<br />

es m.E. auch nicht zu beanstanden, wenn in <strong>der</strong> RLCG offene Formulierungen wie "in möglichst<br />

nachvollziehbarer Weise aufzeigen" verwandt werden. Die genaue Darstellungsform<br />

<strong>der</strong> inhaltlich genau festgelegten Aspekte soll dem Emittenten überlassen werden. 983 Um aber<br />

gleichzeitig die erfor<strong>der</strong>liche Entscheidungssicherheit zu gewährleisten, müssen insbeson<strong>der</strong>e<br />

im Bereich Emittentenregulierung die Sanktionsentscheide die nötige Klarheit bringen. 984<br />

Hier hat es in <strong>der</strong> Vergangenheit Schwachstellen gegeben: Der Sachverhalt wurde zu kursorisch<br />

dargestellt, <strong>und</strong> die Begründung war für den Markt nicht klar. Bei einem selbstregulierten<br />

System wie <strong>der</strong> Börse kommt einer klar <strong>und</strong> nachvollziehbar formulierten Erläuterung <strong>der</strong><br />

Entscheidung m.E. jedoch eine beson<strong>der</strong>e Bedeutung zu: Denn durch die Verfassung von für<br />

Aussenstehende 985 kaum verständlicher Normen entsteht eine Distanz zwischen den Regulierern<br />

<strong>und</strong> den Regulierten 986 , was <strong>der</strong> <strong>der</strong> Selbstregulierung zugr<strong>und</strong>e liegenden Idee <strong>der</strong> Akzeptanz<br />

<strong>und</strong> Partnerschaftlichkeit 987 wi<strong>der</strong>spricht. Daher ist eine Verbesserung <strong>der</strong> Redaktion<br />

<strong>der</strong> Entscheide <strong>der</strong> SaKo wünschenswert: Die Rechtsprechung muss so begründet sein, dass<br />

zum einen <strong>der</strong> Eindruck vermieden wird, das Untersuchungs- <strong>und</strong> Sanktionsverfahren <strong>der</strong><br />

Börse sei ein gefühlloser Apparat, dem die Emittenten hilflos ausgeliefert sind 988 , <strong>und</strong> dass<br />

zum an<strong>der</strong>en den Emittenten ein Leitfaden an die Hand gegeben wird, <strong>der</strong> ihnen sicher aufzeigt,<br />

was von ihnen erwartet wird. Dabei ist im Hinblick auf die Optimierung <strong>der</strong> Aussagekraft<br />

m.E. sogar die Anonymisierung <strong>der</strong> Sanktionsentscheide bei Emittenten in Frage zu stellen.<br />

989 Ein begrüssenswerter Schritt in Richtung Verbesserung <strong>der</strong> Erklärungsfunktion <strong>der</strong><br />

981 So auch Herr Lüchinger in unserem Interview.<br />

982 Auch die EU bewegt sich mittlerweile in Richtung Selbstverantwortung <strong>und</strong> sieht in Art. 6 Abs. 2 <strong>der</strong> Marktmissbrauchsrichtlinie<br />

vor, dass <strong>der</strong> Emittent die Bekanntgabe von Insi<strong>der</strong>-Informationen auf eigene Verantwortung<br />

aufschieben darf, wenn diese Bekanntgabe seinen berechtigten Interessen schaden kann.<br />

983 Zur ausführlichen Behandlung <strong>der</strong> CG-Problematik siehe Abschnitt C.4.<br />

984 Bei <strong>der</strong> Händler- <strong>und</strong> Teilnehmerregulierung, wo <strong>der</strong> Kontakt zwischen Börse <strong>und</strong> Regulierten enger ist, ist<br />

eine weniger ausführliche Darstellung m.E. weniger schlimm.<br />

985 Als solche können die Emittenten, die sich hauptberuflich dem Betrieb ihres Unternehmens widmen wollen<br />

<strong>und</strong> sollen, betrachtet werden.<br />

986 Gemäss LUHMANN, S. 91 ff., können sich die Regulierer - systemtheoretisch ausgedrückt - in einem System<br />

"operativer Geschlossenheit" befinden.<br />

987 vgl. Kap. II Abschnitt A.1.<br />

988 vgl. auch allgemein WASSERMANN, S. 42 ff., <strong>der</strong> die Akzeptanzschaffung als wichtige Funktion einer Entscheidbegründung<br />

ansieht.<br />

989 vgl. dazu vertiefend die Ausführungen in Kap. II Abschnitt I.<br />

- 154 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

Sanktionsentscheide ist meiner Meinung nach, dass in den neuesten Entscheiden <strong>der</strong> Begriff<br />

<strong>und</strong> die Beurteilungskriterien <strong>der</strong> Sanktionsempfindlichkeit definiert werden. 990 Auch die<br />

neue Unterteilung in Haupt- <strong>und</strong> Nebenpunkte erhöht die Lesbarkeit <strong>der</strong> Entscheide <strong>und</strong> dient<br />

darüber hinaus <strong>der</strong> Entlastung <strong>der</strong> Emittenten.<br />

F) Rolle <strong>der</strong> selbstregulierten Behörde<br />

Das Verhältnis einer staatlichen Aufsichtsbehörde zu den Regulierten ist insofern einfach, als<br />

die Behörde selbstverständlich hoheitlich auftritt <strong>und</strong> die Regulierten von ihr keinerlei Partnerschaftlichkeit<br />

bzw. beson<strong>der</strong>e Kooperation erwarten. An<strong>der</strong>s stellt sich die Situation allerdings<br />

für eine selbstregulierte Behörde wie die <strong>SIX</strong> dar: Sie bewegt sich ständig in einem<br />

Spannungsfeld zwischen den Erwartungen <strong>der</strong> Emittenten auf <strong>der</strong> einen Seite, die davon ausgehen,<br />

dass eine Selbstregulationsorganisation prädestiniert für eine partnerschaftliche Beziehung<br />

ist 991 , sowie den kritischen Augen von Aussenstehenden (FINMA, Öffentlichkeit, Lehre)<br />

auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite, die "zünftlerisches Verhalten" vermuten. Die Ausgestaltung einer<br />

zweckmässigen Regulierung in diesem Umfeld stellt Bedingungen sowohl an die Börse als<br />

auch an die Emittenten.<br />

1. Kooperationspflicht <strong>der</strong> Börse<br />

Eine Hauptstärke <strong>der</strong> Selbstregulierung kann in <strong>der</strong> Nähe des Regulierers zum Markt gesehen<br />

werden: Die Aufsichtsbehörde kann die wirklichen Probleme <strong>der</strong> Betroffenen besser <strong>und</strong><br />

schneller erfassen <strong>und</strong> brauchbare Regulierungslösungen erarbeiten, die effektiv zur Problemlösung<br />

beitragen. 992 Auf die Börsenregulierung bezogen, bedeutet dies, dass die <strong>SIX</strong> zu<br />

einem konstruktiven <strong>und</strong> pragmatischen Vorgehen fähig ist: Sie kann mit einem Regulierten<br />

Kontakt aufnehmen <strong>und</strong> den konkreten Vorfall mit dem Ziel mit ihm besprechen, weitere<br />

Verstösse zu vermeiden <strong>und</strong> gemeinsam optimale Lösungen zu finden. 993 Neben den Kontrollaufgaben<br />

kommt ihr somit auch eine wichtige Beratungsfunktion zu. 994 Die auf diese<br />

Weise gemeinschaftlich erarbeitete Praxis hat den Vorteil, dass <strong>der</strong> Befolgungswille <strong>der</strong> Re-<br />

990 vgl. z.B. Entscheid von SER vom 10.11.2011 (SER 2011-MP-II/11, SER 2011-CG-I/11), Rz. 74 ff.<br />

991 In diesem Sinne ist auch <strong>der</strong> Vorwurf <strong>der</strong> mangelnden Kooperationsbereitschaft zu verstehen.<br />

992 Diesen Vorteil hebt auch WEBER in Bezug auf die Selbstregulierung im Medienbereich hervor: vgl. WEBER,<br />

Medien, S. 212 f.<br />

993 Bspw. besuchten zwei Mitarbeitende von SVE einen Teilnehmer, um ihm die Wichtigkeit <strong>der</strong> Teilnehmerrevision<br />

zu erläutern (Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission vom 4.7.2011, Verletzung <strong>der</strong> Vorschriften zur Teilnehmerrevision,<br />

Rz. 3).<br />

994 so auch: HSU, S. 263.<br />

- 155 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

gulierten sehr gross ist. 995 Daraus ergibt sich auch eine Auskunftspflicht <strong>der</strong> Börse, die als<br />

Gegenstück zur Mitwirkungspflicht <strong>der</strong> Regulierten – insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> Emittenten - angesehen<br />

werden kann. Denn damit eine wirksame Zusammenarbeit zwischen Börse <strong>und</strong> Regulierten<br />

möglich ist, muss auch die Börse ihrerseits den Regulierten bei Problemen entgegenkommen<br />

<strong>und</strong> ihre Fragen beantworten. 996<br />

2. Kooperationspflicht <strong>der</strong> Regulierten<br />

Der speziellen Ausgestaltung <strong>der</strong> Schweizer Börse als selbstregulierte Organisation liegt die<br />

Annahme zugr<strong>und</strong>e, dass die Bedürfnisse <strong>der</strong> Emittenten <strong>und</strong> Teilnehmer am besten befriedigt<br />

werden, wenn sie ihre Beziehungen selbst regeln können. 997 Daraus ergibt sich, dass die Emittenten<br />

<strong>und</strong> Teilnehmer gr<strong>und</strong>sätzlich selbst bestimmen, wie sie von <strong>der</strong> Börse wahrgenommen<br />

werden. Das partnerschaftliche Verhältnis zwischen Börse <strong>und</strong> Regulierten bedingt nämlich<br />

zugleich auch, dass es empfehlenswert für Emittenten <strong>und</strong> Teilnehmer ist, von Beginn an aktiv<br />

den Kontakt zur <strong>SIX</strong> zu suchen <strong>und</strong> mit ihr zusammenzuarbeiten. Denn nur wenn die Börse<br />

einen Regulierten wirklich kennt, kann sie seine Situation richtig einschätzen, weswegen<br />

sich Emittenten <strong>und</strong> Teilnehmer, die eine intensive - <strong>und</strong> v.a. auf persönlichen Kontakten beruhende<br />

- Beziehung zur Börse anstreben, zweifelsohne in einer besseren Position befinden.<br />

Wie sich insbeson<strong>der</strong>e in den Gesprächen mit den Börsenvertretern herauskristallisiert hat, ist<br />

<strong>der</strong> Kontakt zu den Teilnehmern direkter: Hier besteht ein ständiger Dialog zwischen Börse<br />

<strong>und</strong> dem einzelnen Effektenhändler, in dem z.B. auch <strong>der</strong> jeweilige Handelschef auf bestimmte<br />

Missstände aufmerksam gemacht wird.<br />

Etwas problematischer ist m.E. die Situation auf <strong>der</strong> Emittentenseite: Grössere Emittenten wie<br />

Novartis streben auch hier eine konstruktive Partnerschaft mit <strong>der</strong> Börse an, die sich konkret<br />

darin manifestiert, dass immer alles im Vorfeld besprochen wird, während kleinere Emittenten<br />

z.T. weniger Kontakt suchen. Eine intensive Kontaktpflege mit <strong>der</strong> Börse wird jedoch<br />

auch von Rechtsanwälten <strong>und</strong> Wirtschaftsprüfern, die den Emittenten vor <strong>und</strong> während <strong>der</strong><br />

Kotierung helfen, befürwortet. So raten bspw. die Vertreter von PriceWaterhouseCoopers<br />

ihren K<strong>und</strong>en explizit, sich persönlich zu involvieren. Hintergr<strong>und</strong> ist, dass ein Emittent, bei<br />

dem sich die Führungsspitze (CEO <strong>und</strong>/o<strong>der</strong> CFO) persönlich einschaltet <strong>und</strong> proaktiv nachfragt,<br />

ob noch Fragen bestehen, <strong>der</strong> Börse signalisiert, dass er sie ernst nimmt, was wesentlich<br />

995 ZUFFEREY, S. 596.<br />

996 Ein Beispiel für eine solche Kooperation findet sich bspw. in: Entscheid von SER vom 1.11.2011 (SER-MT<br />

I/11), Rz. 2 f: eine Mitarbeiterin des Emittenten kontaktierte die <strong>SIX</strong> wegen einer bisher nicht gemeldeten Management-Transaktion,<br />

<strong>und</strong> SER sprach eine Empfehlung aus.<br />

997 zu den Gr<strong>und</strong>annahmen <strong>der</strong> Selbstregulierung vgl. auch SIGRIST, Selbstregulierung, S. 58.<br />

- 156 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

zu einer positiven Arbeitsatmosphäre beiträgt. Analog empfiehlt sich auch eine proaktive<br />

Vorgehensweise, falls ein Fehler begangen wurde. Wie die Vertreter von KPMG im Gespräch<br />

hervorheben, kommt es hauptsächlich auf die erste Reaktion an: Offensichtliche Fehler gibt<br />

man am besten zu <strong>und</strong> versucht dann zu zeigen, dass man bemüht ist, dem Investor die richtige<br />

Informationsmenge zu geben. Wenn die <strong>SIX</strong> merke, dass man mit offenen Karten spiele<br />

<strong>und</strong> nicht versuche, etwas zu vertuschen, sei sie tendenziell bereit, den Fehler zu akzeptieren<br />

<strong>und</strong> den Regelverstoss nicht allzu streng zu sanktionieren. Diese These wird auch durch Erfahrungsberichte<br />

von Emittenten untermauert, die ebenfalls von einer fre<strong>und</strong>lichen <strong>und</strong> hilfsbereiten<br />

Börse berichten, wenn man sich frühzeitig ratsuchend an sie wendet.<br />

3. Grenzen <strong>der</strong> Kooperationspflicht <strong>der</strong> Börse<br />

a) Probleme <strong>der</strong> Auskunftserteilung allgemein<br />

Wie in Abschnitt B.2 dargestellt wurde, wird die angebotene Hilfe von den Emittenten teilweise<br />

als zu vage <strong>und</strong> wenig nützlich empf<strong>und</strong>en. 998 Allerdings wurde auch relativierend eingeräumt,<br />

dass die Qualität <strong>der</strong> Auskünfte mit <strong>der</strong> Detailliertheit <strong>der</strong> Anfrage zunimmt. Diese<br />

Einschränkung weist auf ein Kernproblem bei <strong>der</strong> Auskunftspflicht hin: Analog behördlichen<br />

Informationen können die Aussagen des Regulators SER u.U. geeignet sein, eine Vertrauensbasis<br />

zu schaffen, auf die sich <strong>der</strong> Emittent dann verlassen kann. Wie bei behördlichen Auskünften<br />

gilt jedoch allgemein auch für SER, dass eine gewisse inhaltliche Bestimmtheit erfor<strong>der</strong>lich<br />

ist <strong>und</strong> eine lediglich vage Absichtsk<strong>und</strong>gabe o<strong>der</strong> ein Hinweis auf eine bisherige Praxis<br />

nicht genügt. 999 Insbeson<strong>der</strong>e bei komplexen Fragestellungen besteht aber das Risiko, dass<br />

die Sachverhaltsdarstellung des Emittenten nicht vollständig ist, d.h. dass nicht alle Details<br />

dargelegt werden. Da Auskünfte einer Behörde gr<strong>und</strong>sätzlich geeignet sind, eine Vertrauensgr<strong>und</strong>lage<br />

zu schaffen, auf die sich Betroffene berufen können 1000 , kann die Börse im Fall von<br />

unpräzisen Problemschil<strong>der</strong>ungen nur unverbindliche Auskünfte erteilen, will sie sich nicht<br />

<strong>der</strong> Gefahr aussetzen, dem Emittenten indirekt eine Praxis zu gestatten, die dem Transparenz<strong>und</strong><br />

Gleichbehandlungsziel zuwi<strong>der</strong> läuft. Gr<strong>und</strong>sätzlich gilt bei <strong>der</strong> Börse wie bei einem Gericht,<br />

dass formelle Fragen leicht zu beantworten sind, während es bei materiellen Fragen<br />

schwieriger ist, alles vorwegzunehmen. Denn wenn man nicht alles gewusst hat, kann man<br />

keine Antwort geben, auf die man sich später behaften lassen kann.<br />

998 Insbeson<strong>der</strong>e die Aussage: "Das müssen Sie selbst entscheiden." wird als störend empf<strong>und</strong>en.<br />

999 zur Eignung <strong>der</strong> behördlichen Auskunft als Vertrauensbasis vgl. HÄFELIN/MÜLLER/UHLMANN, S. 151.<br />

1000 z.B. BGer, Urteil 9C_509/2009 vom 29. Januar 2010, E.2.<br />

- 157 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

Im Weiteren zeichnet sich die Selbstregulierung gerade dadurch aus, dass sie den Parteien<br />

Entscheidungsfreiheit einräumt. 1001 Daraus ergibt sich aber auch, dass die Unternehmen einen<br />

gewissen Ermessensspielraum haben <strong>und</strong> z.B. selbst beurteilen sollen, ob ihre Rechnungslegung<br />

den Anfor<strong>der</strong>ungen entspricht. Denn SER geht zu Recht davon aus, dass Selbstregulierung<br />

eben keine Entmündigung <strong>der</strong> Regulierten durch den Regulator bedeutet; vielmehr müssen<br />

sich die Gesellschaften ihre Antworten teilweise eben selbst suchen.<br />

b) Gefahren des "zünftlerischen Verhaltens" im Beson<strong>der</strong>en<br />

Ein völlig partnerschaftliches Verhältnis zwischen Börse <strong>und</strong> Emittenten, die zweifelsohne<br />

die stärkste Gruppe im Kapitalmarkt darstellen 1002 , schliesst sich auch vor dem Hintergr<strong>und</strong><br />

aus, dass sich die beiden nicht als komplett gleichberechtigte Marktteilnehmer gegenüber stehen,<br />

son<strong>der</strong>n die Börse als Regulator im Finanzmarkt auftritt. Die erkennbare Unabhängigkeit<br />

<strong>der</strong> Regulierenden von den Regulierten ist eine notwendige Voraussetzung für die Legitimität<br />

einer selbstregulierten Verwaltung. 1003 Eine zu starke Zusammenarbeit mit den Emittenten -<br />

o<strong>der</strong> gar eine Hilfestellung - würde diese Unabhängigkeit aber in Frage stellen. In diesem Fall<br />

bestünde auch die Gefahr, dass sich die FINMA verpflichtet sähe, regelnd einzugreifen. Denn<br />

gemäss dem Gewährleistungsartikel ist sie je<strong>der</strong>zeit in <strong>der</strong> Lage, ein Verfahren, das eigentlich<br />

in die Selbstregulierungskompetenz <strong>der</strong> Börse fallen würde, an sich zu ziehen. 1004 Da eine<br />

Einmischung durch die FINMA die oben genannten Vorteile <strong>der</strong> Selbstregulierung gefährden<br />

könnte, muss die Börse stets ihre Fähigkeit zur effektiven Regulierung <strong>der</strong> Finanzmärkte sowie<br />

ihre Unabhängigkeit gegenüber den zu überwachenden Emittenten wirksam unter Beweis<br />

stellen. Das bedingt u.a. auch, dass sie eine professionelle Distanz zu den Marktteilnehmern<br />

wahrt.<br />

4. erweiterte Untersuchungsinstrumente (?)<br />

In Kap. II Abschnitt H wurde bereits im Zusammenhang mit dem Recht zu Schweigen darauf<br />

eingegangen, dass SER als Untersuchungsbehörde nur beschränkte Untersuchungsinstrumente<br />

1001 so auch bspw. RUFFNER, Selbstregulierung, S. 7.<br />

1002 Sie sind in Verbänden wie SwissHoldings, die sich für ihre Interessen einsetzen, organisiert, während an<strong>der</strong>e<br />

Stakehol<strong>der</strong> wie bspw. die Anleger gar nicht organisiert sind.<br />

1003 vgl. auch: WEBER, Medien, S. 214 f.<br />

1004 KILGUS, S. 104.<br />

- 158 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

zur Verfügung stehen. 1005 Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> wirft WEBER im Rahmen seiner Überlegungen<br />

zur Vereinfachung des Instanzenzugs auch die Frage auf, ob die Untersuchungskompetenzen<br />

<strong>der</strong> Schweizer Börse erweitert werden sollten. 1006 Denkbar wäre in diesem Zusammenhang<br />

bspw., dass den Aufsichtsbehörden entsprechende Zwangsmittelkompetenzen - beispielsweise<br />

die Komptenz, Durchsuchungen <strong>und</strong> Beschlagnahmen anzuordnen – eingeräumt<br />

würden. 1007 Eine so weitreichende Befugnis würde m.E. aber das partnerschaftliche Verhältnis,<br />

das ja auch ein Zweck <strong>der</strong> Selbstregulierung ist, zu stark beeinträchtigen. 1008 . Weniger<br />

einschneidend <strong>und</strong> daher m.E. vertretbar ist hingegen die Untermauerung <strong>der</strong> Mitwirkungspflicht<br />

durch Sanktionen in dem Sinne, dass die fehlende Bereitschaft zur Mitwirkung nicht<br />

nur sanktionsverschärfend berücksichtigt wird, son<strong>der</strong>n eigens Sanktionen an unkooperative<br />

Emittenten verhängt werden können.<br />

5. Einigung<br />

Eine Ausprägung des zivilrechtlichen Charakters des Börsensanktionsverfahrens ist ferner die<br />

Möglichkeit <strong>der</strong> Einigung. Denn im Zivilverfahren haben die Parteien gr<strong>und</strong>sätzlich die Möglichkeit,<br />

ein Verfahren vorzeitig durch Vergleich zu beenden. 1009 Dabei handelt es sich um<br />

einen Vertrag, mit dem ein Streit o<strong>der</strong> eine Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis mit gegenseitigen<br />

Zugeständnissen beigelegt wird. 1010 Durch ihn ist eine wesentlich raschere Konfliktlösung<br />

möglich. 1011<br />

Die <strong>SIX</strong> hat mit <strong>der</strong> neuen Verfahrensordnung zum 1.1. 2007 das Instrument <strong>der</strong> Einigung<br />

eingeführt. 1012 Gemäss Art. 2.10 VO sind Einigungen in Bagatellfällen zulässig. Bezweckt<br />

wird eine gegenüber einem ordentlich abgeschlossenen Verfahren schnellere o<strong>der</strong> bessere<br />

Information <strong>der</strong> Öffentlichkeit. Angesichts <strong>der</strong> als störend empf<strong>und</strong>enen Verfahrenslänge 1013<br />

kann eine solche alternative Streitbeilegung massgeblich zur Beseitigung von Rechtswegbar-<br />

1005 So kann sie z.B. keine Hausdurchsuchungen durchführen. Auf das Fehlen <strong>der</strong> hoheitlichen Befugnisse einer<br />

staatlichen Untersuchungsbehörde hat auch schon <strong>der</strong> Ausschuss <strong>der</strong> Zulassungsstelle hingewiesen: Entscheid<br />

des Ausschusses <strong>der</strong> Zulassungsstelle vom 4.9.2006 (ZUL/MT/IV/06), Rz. 26.<br />

1006 WEBER, Neuordnung, S. 594.<br />

1007 vgl. auch: WOHLERS, Selbstregulierung, S. 297.<br />

1008 o<strong>der</strong> es gar zerstören.<br />

1009 SUTER, BENEDIKT, S. 5.<br />

1010 BGE 105 II 277.<br />

1011 vgl. auch VOGEL, Prozessvergleich, S. 100.<br />

1012 Medienmitteilung <strong>der</strong> SWX Swiss Exchange vom 20.11.2006, Die SWX Swiss Exchange gibt sich eine neue<br />

Verfahrensordnung.<br />

1013 vgl. die Ausführungen in Kap. II Abschnitt J.<br />

- 159 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

rieren beitragen. 1014 Als weiterer Vorteil des Vergleichs wird auch die mögliche Erzielung<br />

einer nuancierten Konfliktlösung (= sog. Zwischenlösung), die bei den Parteien eine höhere<br />

Akzeptanz erzielt, hervorgehoben. 1015 Als Folge lasse sich eine Versöhnung <strong>und</strong> eine Fortsetzung<br />

<strong>der</strong> Geschäftsbeziehungen viel leichter erzielen als bei einem formellen Urteil. 1016 Auch<br />

die <strong>SIX</strong> beabsichtigte mit <strong>der</strong> Einigung ein Instrument zu schaffen, mit dem ein Problem<br />

leicht beseitigt <strong>und</strong> die Eintracht zwischen Börse <strong>und</strong> Emittent schnell wie<strong>der</strong> hergestellt werden<br />

kann. 1017 Hier besteht aber – wie sich in den Interviews herausgestellt hat – ein weiteres<br />

Konfliktpotential: Der Veröffentlichungstext wird als rufschädigend empf<strong>und</strong>en, wodurch die<br />

erwartete Verfahrensvereinfachung wie<strong>der</strong> aufgehoben wird, so dass letztlich ein negativer<br />

Gesamteindruck bleibt: So entschied sich beispielsweise ein Emittent für die Einigung, da es<br />

sich dabei zum einen um keine Sanktion handelt <strong>und</strong> sie zum an<strong>der</strong>en als die vernünftigere<br />

Lösung angesehen wurde. Die Formulierung <strong>der</strong> veröffentlichten Meldung, bei <strong>der</strong> <strong>der</strong> Emittent<br />

kein Mitspracherecht hatte, wurde dann jedoch von den Verantwortlichen als ärgerlich<br />

empf<strong>und</strong>en. Die Tatsache, dass es sich um eine völlig problemlose Angelegenheit handelte,<br />

zumal das Unternehmen selbst den Fehler bemerkt <strong>und</strong> ihn dann auch direkt gemeldet hat,<br />

wurde nach Meinung des Emittenten zu wenig deutlich. Namentlich strich <strong>der</strong> Unternehmensverantwortliche<br />

hervor, dass für einen unbelasteten Leser nicht deutlich werde, dass es<br />

sich bei einer Einigung nicht um eine Sanktion handele. Auch Berater empfehlen ihren Klienten<br />

oft von einer Einigung abzusehen, denn diese wirke wie ein Schuldeingeständnis. Oft wäre<br />

auch bspw. von "schwerem Verschulden" die Rede, obwohl nicht ersichtlich sei, wieso.<br />

Generell ist somit festzuhalten, dass die Börse in den Augen <strong>der</strong> Emittenten ihre Vorrangstellung<br />

ausnützt <strong>und</strong> ihnen ihre Bedingungen aufoktroyiert bzw. ihnen den Mitteilungstext vorschreibt.<br />

Dies för<strong>der</strong>t gerade nicht Harmonie zwischen Börse <strong>und</strong> Emittent, son<strong>der</strong>n sorgt im<br />

Gegenteil für Unzufriedenheit. Darüber hinaus wird ein weiterer massgeblicher Vorteil <strong>der</strong><br />

Schlichtung konterkariert: die Selbstbestimmung <strong>der</strong> Prozessparteien im Rahmen <strong>der</strong> Parteiautonomie<br />

1018 Denn "ein noch so guter Richter weiss fast nie besser als die Parteien, was für<br />

sie gut ist". 1019 Auch vor diesem Hintergr<strong>und</strong> ist die Praxisän<strong>der</strong>ung, die künftig eine Besprechung<br />

des Einigungstextes mit den Emittenten vorsieht, zu begrüssen; allerdings sind gewisse<br />

1014 vgl. dazu auch: VOGEL, Prozessvergleich, S. 100, <strong>der</strong> ebenfalls bereits hervorhebt, dass die Partei den Gang<br />

zum Gericht weniger scheuen wird, wenn sie erfährt, dass ein Rechtsstreit innert nützlicher Frist einigermassen<br />

befriedigend zu Ende gebracht werden kann.<br />

1015 VOGEL, Prozessvergleich, S. 99 ff.<br />

1016 STÜRNER, S. 278 f.<br />

1017 so auch die Aussage vom Präsidenten <strong>der</strong> Sanktionskommission, Herrn Dr. Spring.<br />

1018 so auch: STÜRNER, S. 280.<br />

1019 PFISTERER, S. 550.<br />

- 160 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

Regeln einzuhalten, <strong>und</strong> das Ganze darf nicht zu einem orientalischen Basar ausarten. 1020<br />

Vielmehr müssen die Interessen <strong>der</strong> Börse, zum einen über ihre Überwachungstätigkeit Rechenschaft<br />

abzulegen <strong>und</strong> zum an<strong>der</strong>en die übrigen Emittenten über mögliche Probleme zu<br />

orientieren 1021 , ausreichend berücksichtigt werden. So sind die in Art. 2.10 Ziff. 4 VO vorgesehenen<br />

Mindestinhalte <strong>der</strong> Publikation <strong>der</strong> Einigung (<strong>der</strong> betroffene Regelungsbereich, die<br />

wichtigsten Elemente des Sachverhaltes, <strong>der</strong> Inhalt <strong>der</strong> Einigung sowie die Identität <strong>der</strong> Betroffenen)<br />

zu beachten, da nur so die nötige Transparenz im Markt erzielt werden kann.<br />

6. Würdigung<br />

"Selbstregulierung ist ein Geschenk, das man sich täglich wie<strong>der</strong> verdienen muss."<br />

Dr. Andreas von Planta, Präsident des Regulatory Boards<br />

Die Delegation <strong>der</strong> Marktaufsicht an die <strong>SIX</strong> im Rahmen <strong>der</strong> Selbstregulierung des Börsenwesens<br />

hat eine qualitativ an<strong>der</strong>e Regulierungsform zur Folge, die vieles erleichtert aber auch<br />

neue Herausfor<strong>der</strong>ungen mit sich bringt: Die Distanz zwischen <strong>der</strong> Börse als Aufsichtsinstanz<br />

<strong>und</strong> den Emittenten <strong>und</strong> Teilnehmern als Regulierten ist geringer, als es bei einer staatlichen<br />

Behörde <strong>der</strong> Fall ist. Dies erlaubt generell eine engere Zusammenarbeit <strong>und</strong> die Erarbeitung<br />

von sachgerechten Lösungen von Problemen anstelle <strong>der</strong> sturen Bestrafung von Fehltritten.<br />

Voraussetzung dafür ist allerdings die Bereitschaft <strong>der</strong> Regulierten, einen engen Kontakt zur<br />

Börse zu pflegen <strong>und</strong> Ratschläge <strong>und</strong> Hinweise <strong>der</strong> Börse auch anzunehmen bzw. umzusetzen:<br />

So wurde in den Gesprächen von den Experten hervorgehoben, dass die Börse – m.E. zu<br />

Recht – verärgert (d.h. mit härteren Sanktionen) reagiert, wenn sie einem Emittenten die<br />

Problematik einer Handlungsweise mehrmals erklärt hat <strong>und</strong> dieser es immer wie<strong>der</strong> „vergisst“.<br />

In die gleiche Richtung geht die strenge Bestrafung eines Teilnehmers, <strong>der</strong> trotz eines<br />

zusätzlichen Schreibens <strong>der</strong> SVE, in dem die Pflicht, eine externe Revision durchführen zu<br />

lassen, explizit ausgeführt wurde, nur eine Prüfung durch die interne Compliance-Abteilung<br />

durchführen liess. Der Verschuldensgrad – bzw. das Versäumnis, das Schreiben mit <strong>der</strong> nötigen<br />

Aufmerksamkeit zu lesen – wurde als erheblich bewertet <strong>und</strong> eine Busse von CHF 50'000<br />

ausgesprochen. 1022<br />

1020 vgl. dazu auch VOGEL, Management, S. 18, <strong>der</strong> ebenfalls betont, dass <strong>der</strong> Vergleich kein fauler Halb/Halb-<br />

Kompromiss sein, son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Rechtslage nach bestem Bemühen des Gerichts entsprechen soll.<br />

1021 vgl. auch die Ausführungen in Abschnitt E.3.<br />

1022 Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission vom 4.7.2011, Verletzung <strong>der</strong> Vorschriften zur Teilnehmerrevision, Rz.<br />

7.<br />

- 161 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

Die beschriebene Partnerschaft ist ferner insofern ambivalent, als sich die Börse auf <strong>der</strong> einen<br />

Seite <strong>und</strong> die Emittenten bzw. die Teilnehmer/Händler auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite trotz allem nicht<br />

als gleichberechtigte Partner gegenüberstehen, son<strong>der</strong>n die Börse die Position des Regulierers<br />

innehat <strong>und</strong> auch gegenüber aussen (namentlich gegenüber <strong>der</strong> FINMA <strong>und</strong> <strong>der</strong> Öffentlichkeit)<br />

beweisen muss, dass sie die Umsetzung <strong>der</strong> Regeln stringent überwacht <strong>und</strong> die Verstösse<br />

konsequent bestraft. Ferner verlangt Art. 3 Abs. 2 lit. c BEHG, dass die Börse die Erfüllung<br />

<strong>der</strong> gesetzlichen Börsenpflichten gewährleisten muss. Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> sind die <strong>SIX</strong>-<br />

Untersuchungsorgane verpflichtet, ein Verfahren einzuleiten, wenn ein begründeter Verdacht<br />

auf einen Regelverstoss vorliegt. An<strong>der</strong>nfalls würde ein Risiko <strong>der</strong> Ungleichbehandlung <strong>und</strong><br />

eine Rechtsunsicherheit bestehen, was mit dem BEHG nicht vereinbar ist. Ein Verzicht auf<br />

ein Verfahren würde daher den Rahmen <strong>der</strong> Verwaltungsbefugnisse überschreiten. 1023<br />

In diesem Sinne können auch die Klagen <strong>der</strong> Emittenten, den Regulierungsverantwortlichen<br />

fehle gelegentlich die Fähigkeit, die Unternehmenswirklichkeit richtig zu beurteilen, <strong>und</strong> sie<br />

gingen zu wenig pragmatisch vor 1024 , sogar als positives Zeichen gewertet werden, dass die<br />

Börse ihre Aufgabe als Regulator erfüllt. 1025 Denn wie Herr Lüchinger in unserem Gespräch<br />

hervorhob, ist für die Emittenten Pragmatismus gleichzusetzen mit "fünfe gerade sein lassen",<br />

was aber dem Börsenregulator SER verboten sei. In diesem Sinne kann auch darauf verwiesen<br />

werden, dass die FINMA ebenfalls die Verschärfung ihrer Enforcement-Politik damit begründet,<br />

dass falsche Signale ausgesendet werden, wenn die Aufsichtsbehörde als zu large eingeschätzt<br />

wird. Jedoch muss die Regeldurchsetzung immer ein gewisses Augenmass behalten<br />

<strong>und</strong> es darf auch nicht vergessen werden, dass ein Merkmal <strong>der</strong> Selbstregulierung die inhärente<br />

Akzeptanz <strong>der</strong> Regeln durch die Betroffenen ist. Eine überspitzte Auslegung <strong>der</strong> Regeln,<br />

die über den Zweck <strong>der</strong> Reglemente hinausgeht <strong>und</strong> die Emittenten dadurch vor den Kopf<br />

stösst, stellt die demokratische Legitimation <strong>der</strong> Regeln in Frage <strong>und</strong> kann deswegen nicht<br />

för<strong>der</strong>lich sein. Ein weiteres kennzeichnendes Merkmal dieser Partnerschaft ist schliesslich<br />

auch, dass die Börse nicht mit denselben Untersuchungsmitteln ausgestattet ist (<strong>und</strong> m.E. auch<br />

nicht sein sollte) wie eine staatliche Aufsichtsbehörde. Daraus ergibt sich aber als Kehrseite<br />

<strong>der</strong> Medaille, dass sie auf die Mitwirkung <strong>der</strong> Emittenten <strong>und</strong> Teilnehmer angewiesen ist<br />

(Auskunftserteilung, Aktenherausgabe, etc.).<br />

1023 Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission vom 3.11.2011, Verletzung <strong>der</strong> Marktintegrität, Rz. 6.<br />

1024 vgl. Abschnitt B.4.<br />

1025 Diese Meinung vertritt auch Herr Lüchinger.<br />

- 162 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

G) Sanktionen<br />

1. Zweck<br />

Generell gilt, dass Rechtsnormen zu unverbindlichen Empfehlungen deklassiert werden, wenn<br />

Verstösse nicht sanktioniert werden. 1026 Dies ist unerwünscht, da die Vorschriften durchweg<br />

zum Schutz wichtiger gesellschaftlicher Schutzgüter erlassen wurden 1027 : Sowohl das Kotierungsreglement<br />

als auch das Handelsreglement bezwecken vornehmlich die Gewährleistung<br />

<strong>der</strong> börsenrechtlichen Schutzgüter Gleichbehandlung <strong>der</strong> Marktteilnehmer sowie Transparenz<br />

<strong>und</strong> Funktionsfähigkeit <strong>der</strong> Effektenmärkte. 1028 Um die Einhaltung <strong>der</strong> entsprechenden Bestimmungen<br />

<strong>der</strong> Börsenreglemente sicherzustellen, ist es unerlässlich, dass die Börse eine<br />

<strong>Sanktionsordnung</strong> festlegt. 1029 Dabei ist zu beachten, dass bei aufsichtsrechtlichen Sanktionen<br />

traditionellerweise die Wie<strong>der</strong>herstellung des rechtmässigen Zustandes sowie die Vermin<strong>der</strong>ung<br />

<strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>holungsgefahr im Vor<strong>der</strong>gr<strong>und</strong> stehen. 1030 In dem Sinne werden mit den<br />

Sanktionen nach Aussage <strong>der</strong> <strong>SIX</strong> namentlich zwei Ziele verfolgt: Zum einen soll die Ahndung<br />

von Verstössen ermöglicht <strong>und</strong> zum an<strong>der</strong>en durch die präventive Wirkung die Normentreue<br />

geför<strong>der</strong>t werden. 1031 Das zweite Ziel lässt sich auch anhand <strong>der</strong> ökonomischen Analyse<br />

des Rechts belegen: Ausgehend von dem 1968 erschienen Artikel von BECKER 1032 , wird eine<br />

Sanktion als <strong>der</strong> Preis angesehen, den man für die Übertretung einer Norm bezahlen muss.<br />

Der homo oeconomicus (o<strong>der</strong> auch ein rational handeln<strong>der</strong> Emittent) wird daher dann gegen<br />

eine Bestimmung verstossen, wenn <strong>der</strong> erwartete Nutzen aus dem Verstoss grösser ist als <strong>der</strong><br />

Nutzen aus einer alternativen Vorgehensweise. 1033 Entscheidende Beurteilungsfaktoren sind<br />

dabei die Höhe <strong>der</strong> Strafe sowie die mit <strong>der</strong> Bestrafung verb<strong>und</strong>enen weiteren Unannehmlichkeiten<br />

(z.B. Reputationswirkung), multipliziert mit <strong>der</strong> Wahrscheinlichkeit, dass eine Strafe<br />

verhängt wird. Daraus ergibt sich, dass eine <strong>Sanktionsordnung</strong> das Verhalten <strong>der</strong> Akteure so<br />

beeinflussen sollte, dass Pflichtverletzungen mit Kosten belegt <strong>und</strong> so ökonomische Anreize<br />

geschaffen werden, diese zu unterlassen. 1034 Auf das Sanktionssystem <strong>der</strong> Börse bezogen be-<br />

1026 LÜTOLF, S. 43.<br />

1027 Zur Sozialkontrolle von Rechtsnormen vgl. eingehend: MEIER, S. 3 ff.<br />

1028 vgl. Art. 1 KR sowie Art. 1 Abs. 2 Handelsreglement.<br />

1029 WEBER, Börsenrecht, S. 141.<br />

1030 ZULAUF, Gläubigerschutz, S. 392.<br />

1031 Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission vom 8.4.2009 (SaKo/RLE/I/09), Rz. 8.<br />

1032 BECKER, S. 169 ff.<br />

1033 vgl. auch: POSNER, Economic analysis, S. 279.<br />

1034 FRANK, S. 205.<br />

- 163 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

deutet dies, dass die Sanktionen für die Emittenten <strong>und</strong> Teilnehmer solche Kosten 1035 verursachen<br />

sollten, dass sich die Einhaltung <strong>der</strong> Börsenpflichten trotz <strong>der</strong> damit verb<strong>und</strong>enen organisatorischen<br />

Kosten 1036 lohnt. Um auf Abstufungen in <strong>der</strong> Schwere des Verstosses sowie<br />

Unterschiede im Verschulden 1037 angemessen reagieren zu können, wurde bei <strong>der</strong> Einführung<br />

<strong>der</strong> eidgenössischen Börse den Aufsichtsorganen ein breites <strong>und</strong> differenziertes Spektrum an<br />

Sanktionsmöglichkeiten an die Hand gegeben 1038 , bei <strong>der</strong>en Wahl <strong>der</strong> Anlegerschutz <strong>und</strong> das<br />

Vertrauen des Publikums in das Finanzsystem im Vor<strong>der</strong>gr<strong>und</strong> stehen. 1039 Die von <strong>der</strong> Börse<br />

verhängten Sanktionen geben immer wie<strong>der</strong> Anlass zur Kritik von Medienseite: So bewertete<br />

die Zeitung Finanz <strong>und</strong> Wirtschaft erst Ende Juni 2011 die verhängten Bussen <strong>der</strong> <strong>SIX</strong> als<br />

sehr gering. 1040 Bereits 2009 hatte die NZZ beanstandet, die <strong>SIX</strong> reize ihr Instrumentarium<br />

nicht aus, da sie fast ausschliesslich Verweise <strong>und</strong> Bussen verhänge. Schwerere Sanktionen –<br />

wie Sistierung des Titels, Dekotierung, Ausschluss von weiteren Kotierungen o<strong>der</strong> gar Entzug<br />

<strong>der</strong> Anerkennung – würden praktisch nie ausgesprochen. 1041<br />

2. Sanktionenkatalog für Emittenten<br />

a) Verwarnung<br />

Die For<strong>der</strong>ung von Emittentenseite, bei kleineren Unregelmässigkeiten eine Mahnung auszusprechen<br />

<strong>und</strong> erst im Wie<strong>der</strong>holungsfalle einen Verweis zu erteilen, wurde in <strong>der</strong> Vergangenheit<br />

von SER mit dem Hinweis abgelehnt, bei Verkehrsdelikten gäbe es auch keine vorgängige<br />

Verwarnung 1042 ; jetzt hat die Verwarnung aber mit dem Mahnbrief (Comment Letter) Einzug<br />

ins Börsensanktionsverfahren gef<strong>und</strong>en. 1043<br />

In <strong>der</strong> Schweiz ist die Verwarnung nur in Nebengesetzen, wie z.B. dem Betäubungsmittelgesetz<br />

(Art. 19a Ziff. 2 BetMG), verankert. Hier soll in leichten Fällen von einer Strafe abgese-<br />

1035 Dieser Begriff ist weit auszulegen <strong>und</strong> umfasst bspw. auch den entgangenen Gewinn infolge Reputationsverlust.<br />

1036 vgl. dazu Abschnitt H.3c.aa.<br />

1037 vgl. dazu die Ausführungen in Abschnitt H.3.<br />

1038 BRÜGGER, S. 57 f. In dem vereinheitlichten Kotierungsreglement <strong>der</strong> Börsen von Basel, Genf <strong>und</strong> Zürich ist<br />

die einzige, ausdrücklich vorgesehene Sanktion unter dem geltenden Kotierungsreglement die Dekotierung,<br />

welche in <strong>der</strong> Regel eine unverhältnismässige Sanktion darstellt (vgl. auch die Ausführungen in Abschnitt 2d).<br />

1039 vgl. auch: WYSS, S. 102.<br />

1040 Finanz <strong>und</strong> Wirtschaft vom 29. Juni 2011, <strong>SIX</strong> zwischen Aufsicht <strong>und</strong> Regulierung, S. 16. Dabei ist allerdings<br />

zu beachten, dass die Mehrzahl <strong>der</strong> Sanktionen vor <strong>der</strong> Revision des KR (<strong>und</strong> dementsprechend <strong>der</strong> Bussenerhöhung)<br />

ausgesprochen wurden. Zu den Bussen siehe ausführlich Abschnitt 2c.<br />

1041 NZZ Online vom 20. Juli 2009, Mo<strong>der</strong>ate Sanktionen bei <strong>der</strong> <strong>SIX</strong> haben System.<br />

1042 Aussage von Herrn Lüchinger in unserem Interview.<br />

1043 In neueren Entscheiden wird die Mahnung auch bereits explizit aufgeführt: Entscheid von SER vom<br />

10.11.2011 (SER 2011-MP-II/11, SER 2011-CG-I/11).<br />

- 164 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

hen werden <strong>und</strong> stattdessen eine Verwarnung ausgesprochen werden können. M.E. wird bezweckt,<br />

keine Ehrenstrafe zu verhängen, d.h. die Ehre des Betroffenen soll eben nicht tangiert<br />

werden. 1044 Sie ist meiner Meinung nach gleich einzuordnen wie die Verwarnung mit Strafvorbehalt<br />

im deutschen Strafgesetzbuch (§ 59). Demgemäss richtet sie sich an Ersttäter, denen<br />

ein Strafübel erspart werden soll. 1045 Dem Täter soll auf diese Weise <strong>der</strong> Ernst <strong>der</strong> Situation<br />

verdeutlicht <strong>und</strong> das zukünftig von ihm erwartete Verhalten aufgezeigt werden. Das Gericht<br />

muss ferner davon überzeugt sein, dass <strong>der</strong> Täter aller Wahrscheinlichkeit nach in Zukunft<br />

keine Straftaten mehr begeht. 1046<br />

Angesichts dieser Charakterisierung spricht m.E. nichts gegen eine solche Verwarnung im<br />

Sanktionsverfahren <strong>der</strong> Börse. Vielmehr wird so dem Umstand Rechnung getragen, dass die<br />

Emittenten gr<strong>und</strong>sätzlich bemüht sind, alles richtig zu machen. 1047 Es handelt sich somit um<br />

einen Warnschuss an die Emittenten, mit denen sie auf Probleme bzw. Fehltritte aufmerksam<br />

gemacht werden <strong>und</strong> die Chance erhalten, Korrekturmassnahmen für die Zukunft zu ergreifen,<br />

ohne negative Konsequenzen befürchten zu müssen. Falls dieser Goodwill <strong>der</strong> Börse dann<br />

aber missbraucht wird, d.h. die Emittenten sich über den Denkzettel hinwegsetzen <strong>und</strong> keine<br />

Anpassungen vornehmen, ist es m.E. nur gerechtfertigt, zu härteren Massnahmen zu greifen.<br />

1048 Eine geeignete Massnahme, die in Frankreich zur Anwendung kommt 1049 , wäre bei<br />

weiteren Verstössen, den Mahnbrief zu veröffentlichen. Auf diese Weise kann auch wirksam<br />

auf die Emittenten Druck ausgeübt werden, durch vorbildliches Verhalten eine solche Prangerstellung<br />

zu vermeiden.<br />

b) Verweis<br />

Beim Verweis handelt es sich um das typische Sanktionsmittel. Es ist eine offizielle Rüge in<br />

schriftlicher Form, die zunächst nichts an<strong>der</strong>es bedeutet als die (förmliche) Behauptung, <strong>der</strong><br />

Marktteilnehmer habe seine Pflichten verletzt. 1050 Die Börse betrachtet ihn als angemessen,<br />

wenn es sich eindeutig um einen bloss fahrlässigen Verstoss o<strong>der</strong> eine Sorgfaltspflichtverlet-<br />

1044 gl. M. STRATENWERTH, Strafen, S. 38; a.M. SCHULTZ, S. 28 f.<br />

1045 zur deutschen Regelung vgl. MEIER, S. 48.<br />

1046 vgl. JESCHECK/WEIGEND, S. 858.<br />

1047 Diesen Eindruck konnte ich während meiner Interviews gewinnen, er wurde aber auch bspw. vom Präsidenten<br />

des Regulatory Boards, Herrn Dr. von Planta, bestätigt.<br />

1048 So wurde m.E. zu Recht im Fall eines Emittenten, <strong>der</strong> eine Handelsregistereintragung sowie eine entsprechende<br />

Meldung an <strong>SIX</strong> erst nach zweifacher Mahnung vornahm, eine Busse von CHF 10‘000 verhängt (vgl.<br />

Entscheid von SER vom 10.11.2011, SER 2011-MP-II/11, SER 2011-CG-I/11).<br />

1049 GEHRT, S. 73 ff.<br />

1050 HEINI, S. 232<br />

- 165 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

zung handelt 1051 <strong>und</strong> es keine gravierenden Auswirkungen auf Transparenz <strong>und</strong> Gleichbehandlung<br />

im Börsenverkehr gibt. 1052 Auch wenn dem Verweis teilweise nur eine symbolische<br />

Wirkung bescheinigt wird 1053 , darf er keinesfalls als blosse "Bagatelle" angesehen werden. 1054<br />

Denn wie HAFTER schon 1903 festhielt, bezichtigt er den Sanktionierten eines unprofessionellen<br />

Verhaltens <strong>und</strong> kann so seine Ehre empfindlich verletzen. 1055 In diesem Sinne handelt es<br />

sich auch nicht um eine gelbe Karte, son<strong>der</strong>n um eine wirksame Sanktion, die für den Emittenten<br />

bereits mit unangenehmen (Image)Folgen verb<strong>und</strong>en ist. Eine gelbe Karte hingegen<br />

stellt die im vorherigen Abschnitt beschriebene Verwarnung dar, da hier dem Emittenten -<br />

unbehelligt von öffentlichen Reaktionen - die Möglichkeit eingeräumt wird, sein zukünftiges<br />

Verhalten zu än<strong>der</strong>n.<br />

c) Busse<br />

aa) Eignung<br />

Eine schärfere Sanktion stellen die Geldbussen dar. Dabei handelt es sich um die Standard-<br />

Unternehmensstrafe. 1056 KENEL kommt in seiner Dissertation gar zum Schluss, dass Geldbussen<br />

die einzige Sanktion für Unternehmen sein sollten. 1057 Denn sie können den jeweiligen<br />

finanziellen Verhältnissen angepasst werden <strong>und</strong> werden so als beson<strong>der</strong>s geeignet für die<br />

Bestrafung von gewinnstrebigen Einheiten wie Unternehmen angesehen. 1058 Diesem klaren<br />

Vorzug kann aber entgegengesetzt werden, dass die Busse trotz allem zu <strong>und</strong>ifferenziert ist,<br />

da sie nicht garantiert, dass das gebüsste Unternehmen die wirklich Verantwortlichen zur Rechenschaft<br />

zieht, <strong>und</strong> darüber hinaus die Busse nicht selten über den Preis <strong>der</strong> Güter wie<strong>der</strong><br />

abgewälzt werden kann. 1059 Dieser Einwand ist jedoch insoweit zu relativieren, als eine<br />

Geldsanktion, die sich an den wirtschaftlichen Verhältnissen des verurteilten Emittenten ori-<br />

1051 so z.B.: Entscheid <strong>der</strong> Disziplinarkommission vom 22.7.2002 (DK/AHP/II/02), Rz. 12; Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission<br />

vom 13.11.2007 (SaKo/MT/II/07), Rz. 8; Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission vom 11.6.2010<br />

(SaKo 2010-CG-I/10, Rz. 13.<br />

1052 So verhängte die Sanktionskommission bspw. am 13.11.2007 (SaKo/MT/II/07) einen Verweis gegen eine<br />

Gesellschaft, die meldepflichtige Management-Transaktionen aufgr<strong>und</strong> einer technischen Panne erst mit einer<br />

Verzögerung von 20 Börsentagen offen legte. Zugunsten <strong>der</strong> Gesellschaft wurde dabei insbeson<strong>der</strong>e berücksichtigt,<br />

dass die zuständigen Mitarbeiter <strong>der</strong> SWX dank einer telefonischen Mitteilung Kenntnis von <strong>der</strong> Transaktion<br />

hatten.<br />

1053 HEINE, Sanctions, S. 248.<br />

1054 so auch: BÖCKLI, Ad hoc Publizität, S. 103.<br />

1055 vgl. HAFTER, S. 155.<br />

1056 SCHÜNEMANN, Guardianship, S. 223.<br />

1057 KENEL, S. 287.<br />

1058 SCHROTH, S. 214.<br />

1059 LÜTOLF, S. 395 m.w.H.<br />

- 166 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

entiert, für diesen durchaus eine finanzielle Belastung <strong>und</strong> somit eine Abschreckung darstellen<br />

kann. 1060 Dennoch ist eine Kombination <strong>der</strong> Geldstrafe mit einer an<strong>der</strong>en Sanktion in jedem<br />

Fall empfehlenswert.<br />

Schliesslich ist noch auf das Problem einzugehen, dass die Geldstrafe auf an<strong>der</strong>e Anspruchsgruppen<br />

- insbeson<strong>der</strong>e die Aktionäre - abgewälzt werden kann. Die Begleichung <strong>der</strong> Strafe<br />

durch Dritte hebt die angestrebte Sanktionierung auf <strong>und</strong> wird daher als eine Schwachstelle<br />

<strong>der</strong> Geldstrafe angesehen. 1061 Wie in Kap. II Abschnitt D dargelegt wurde, haben die Drittbetroffenen<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich keine Möglichkeit, sich gegen Sanktionen von <strong>der</strong> <strong>SIX</strong> zu wehren,<br />

weswegen die Mitbestrafung unschuldiger Dritter denn auch <strong>der</strong> schwerwiegendste Vorwurf<br />

gegen die Unternehmensstrafe ist, <strong>der</strong> von Juristen seit Jahrhun<strong>der</strong>ten diskutiert wird. 1062 Es<br />

gibt jedoch auch Stimmen, die die Problematik als weniger gravierend einschätzen <strong>und</strong> argumentieren,<br />

die Geldbusse bedeute für die Anteilseigner nur eine Schmälerung <strong>der</strong> Gewinnerwartungen,<br />

wie sie auch durch ein schlechtes verlustreiches Geschäft entstehen könne, <strong>und</strong><br />

stelle daher lediglich Teil eines allgemeinen Risikos dar, das soziale <strong>und</strong> wirtschaftliche Beziehungen<br />

immer mit sich brächten. 1063 Auch vor diesem Hintergr<strong>und</strong> erscheint die Verhängung<br />

einer weiteren - mehr das Unternehmen <strong>und</strong> seine Verantwortlichen treffende - Sanktion<br />

gerechtfertigt.<br />

bb) Bussenrahmen<br />

Entscheidend ist allerdings, dass die Geldsanktion hoch genug ist, da sie ansonsten ein blosses<br />

Alibi-Instrument darstellt. 1064 Wie im letzten Abschnitt bereits angesprochen wurde, wird den<br />

von <strong>der</strong> <strong>SIX</strong> verhängten Bussen teilweise genau eine solche Alibi-Funktion in <strong>der</strong> Presse unterstellt.<br />

1065 Zugleich wurde die Erhöhung <strong>der</strong> Bussenhöhe anlässlich des Erlasses des neuen<br />

Kotierungsreglements von Unternehmensseite scharf kritisiert <strong>und</strong> als „recht drastisch“ (Swiss<br />

Re), „drakonisch <strong>und</strong> abschreckend“ (Zürcher Kantonalbank) <strong>und</strong> „rechtsstaatlich bedenklich“<br />

(Schweizerischer Versicherungsverband) bezeichnet. 1066 Die <strong>SIX</strong> begründet die Bussenhöhe<br />

jedoch insbeson<strong>der</strong>e damit, dass das frühere Strafmass nicht die nötige präventive Wir-<br />

1060 gl. M. BAUER, S. 192.<br />

1061 vgl. auch CIMICHELLA, S. 258.<br />

1062 vgl. dazu auch: SCHMITT, S. 108.<br />

1063 SCHÜNEMANN, Strafbarkeit, S. 286; HEINE, Verantwortlichkeit, S. 268; EIDAM, S. 129.<br />

1064 LÜTOLF, S. 394.<br />

1065 vgl. NZZ Online vom 20. Juli 2009, Mo<strong>der</strong>ate Sanktionen bei <strong>der</strong> <strong>SIX</strong> haben System, wo die verhängten<br />

Bussen als Taschengeld für jedes kotierte Unternehmen bezeichnet werden.<br />

1066 Siehe dazu: Konsolidierte Stellungnahmen zum Kotierungsreglement.<br />

- 167 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

kung hatte. 1067 In den Interviews mit den Mitglie<strong>der</strong>n des Regulatory Boards wurde die Bussenerhöhung<br />

überdies damit erklärt, dass <strong>der</strong> alte Bussenrahmen die Verhältnisse bei Grossunternehmen<br />

wie UBS o<strong>der</strong> Novartis nicht richtig wi<strong>der</strong>gespiegelt hätte. 1068 Man müsse beachten,<br />

dass 60% <strong>der</strong> Umsätze von 5 Grossunternehmen generiert würden, bei denen Mini-<br />

Bussen aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> Unternehmensgrösse keine Wirkung erzielen könnten. 1069 Deswegen<br />

habe man die Bussen erhöht <strong>und</strong> zugleich das Bemessungskriterium "Sanktionsempfindlichkeit"<br />

eingeführt, um KMUs nicht unverhältnismässig zu belasten. 1070 Darüber hinaus wurde<br />

die Erhöhung schon allein deswegen als nötig angesehen, weil für Teilnehmer bereits früher<br />

ein höherer Bussenrahmen bestand <strong>und</strong> man hier eine stärkere Gleichbehandlung schaffen<br />

wollte. Dieses Bestreben erscheint nicht nur sinnvoll, son<strong>der</strong>n auch notwendig, denn Teilnehmer<br />

vergleichen die erhaltene Busse mit an<strong>der</strong>en (z.B. an Emittenten) verhängten Bussen<br />

<strong>und</strong> fühlten sich in <strong>der</strong> Vergangenheit oft ungerecht behandelt. 1071 Von Emittentenvertretern<br />

(namentlich SwissHolding) wurde diese Kausalität in <strong>der</strong> Vernehmlassung jedoch bestritten:<br />

Die Qualität <strong>der</strong> Funktion als Teilnehmer unterscheide sich in vielerlei Hinsicht von <strong>der</strong> Funktion<br />

<strong>der</strong> Emittenten; dieser Unterschied spiegele sich auch in <strong>der</strong> unterschiedlichen Ausgestaltung<br />

<strong>der</strong> Sanktionen wi<strong>der</strong>, weswegen sich eine Differenzierung <strong>der</strong> maximalen Bussenhöhe<br />

rechtfertige. 1072<br />

Insgesamt vermag die Begründung <strong>der</strong> Bussenerhöhung zu überzeugen. Angesichts <strong>der</strong> immer<br />

wie<strong>der</strong> aufkeimenden Kritik an <strong>der</strong> "zu largen" Sanktionspraxis <strong>der</strong> <strong>SIX</strong> geht diese Erhöhung<br />

<strong>der</strong> Maximalbusse m.E. in die richtige Richtung. Darüber hinaus bezieht sich meiner Meinung<br />

nach die Kritik <strong>der</strong> Emittenten mehr auf die Relation Busse Verstoss o<strong>der</strong> auf die Aussenwirkung<br />

als auf die Maximalhöhe an sich.<br />

1067 vgl. z.B. Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission vom 8.12.2011 (SaKo 2011-AHP-I/11, SaKo 2011-CG-I/119),<br />

Rz. 25.<br />

1068 Nicht zuletzt vor diesem Hintergr<strong>und</strong> sei die im Fall UBS verhängte Busse in <strong>der</strong> Presse als lächerlich bezeichnet<br />

worden.<br />

1069 Diese Einschätzung deckt sich mit den Stimmen in <strong>der</strong> Lehre, die ebenfalls die alte maximale Busse von<br />

CHF 200'000 als wenig abschreckend bezeichnen (KÖNDGEN, S. 802).<br />

1070 Zur Behandlung von kleineren Emittenten siehe auch Abschnitt H.2.<br />

1071 vgl. Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission vom 3.11.2011, Verletzung <strong>der</strong> Marktintegrität, Rz. 20: Die Sanktionskommission<br />

konnte hier den Vorwurf des Teilnehmers, ungerecht behandelt worden zu sein, nur damit entkräften,<br />

dass damals <strong>der</strong> Bussenrahmen des KR tiefer gewesen war, mittlerweile aber angehoben worden sei.<br />

1072<br />

vgl. SwissHoldings, Schreiben vom 4. Juni 2008 betr. Revision des Kotierungsreglements<br />

(www.swissholdings.ch/fileadmin/media/Vernehmlassungen/Kapitalmarkt__Kapitalmarkt-<br />

_<strong>und</strong>_Gesellschaftsrecht/08-06-04-b-Vernehmlassung%20SH.pdf).<br />

- 168 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

d) Dekotierung, Sistierung, Ausschluss, Entzug <strong>der</strong> Anerkennung<br />

In <strong>der</strong> Presse wird häufig gerügt, die Börse reize ihr Instrumentarium nicht aus <strong>und</strong> würde<br />

insbeson<strong>der</strong>e so gut wie nie härtere Sanktionen als Bussen verhängen. Solche schwereren<br />

Strafen sind die in Art. 61 Ziff. 3 <strong>und</strong> 4 KR vorgesehene Sistierung des Handels bzw. die Dekotierung.<br />

Dabei handelt es sich um die (vorläufige) Streichung <strong>der</strong> Börsenzulassung. Dies<br />

kann durchaus negativ für ein Unternehmen sein, denn eine Börsenkotierung ist mit verschiedenen<br />

Vorteilen verb<strong>und</strong>en: So wird die Kapitalbeschaffung erleichtert, weil die Effekten<br />

durch ihre ständige Realisierbarkeit an Attraktivität für die Anleger gewinnen. 1073 Die stärkere<br />

Unabhängigkeit von Kreditgebern wirkt sich zudem in einer höheren unternehmerischen<br />

Flexibilität aus. 1074 Darüber hinaus sind die Kapitalkosten einer Börsengesellschaft tendenziell<br />

geringer, was dem Unternehmen ein höheres Finanzierungspotential verschafft. 1075<br />

Schliesslich kann die Kotierung dem Emittenten einen beträchtlichen Imagegewinn bringen.<br />

1076<br />

Wie aber bereits in Kapitel II Abschnitt D angedeutet wurde, sind die Konsequenzen für die<br />

Anleger viel schlimmer als für das Unternehmen: Für sie kommt die Einstellung des Handels<br />

einer Enteignung gleich, während die Folgen für die Emittenten zwar unangenehm sind, sich<br />

aber - wenn sie nicht auf zusätzliches Kapital angewiesen sind - auf einen Imageschaden beschränken.<br />

1077 Daher kommt die Dekotierung m.E. wohl nur als Massnahme in extremis in<br />

Frage 1078 , die eher als Druckmittel 1079 bzw. als ultima ratio bei renitenten Emittenten eingesetzt<br />

werden sollte. 1080<br />

e) Publikation<br />

Insgesamt wird angesichts <strong>der</strong> beschriebenen Probleme von ineffektiven abwälzbaren Sanktionen<br />

<strong>und</strong> "wehrlosen" Direktbetroffenen für Sanktionen plädiert, die den guten Ruf, die Reputation,<br />

eines Emittenten betreffen. 1081 Eine solche wirksame Sanktion scheint die Publikation<br />

von Untersuchungseröffnungen sowie von dem endgültigen Entscheid zu sein, die von den<br />

1073 BOEMLE/STOLZ, S. 226.<br />

1074 RAPP, S. 67.<br />

1075 HENCKEL, S. 15.<br />

1076 BOEMLE/STOLZ, S. 418; HENCKEL, S. 14 f., RAPP, S. 67.<br />

1077 RUFFNER, Selbstregulierung, S. 54.<br />

1078 gl.M. auch BÖCKLI, Ad hoc Publizität, S. 102 f.<br />

1079 vgl. HUSER, S. 200.<br />

1080 gl. M. HSU, S. 260.<br />

1081 vgl. ZOBL/KRAMER, S. 101.<br />

- 169 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

Emittenten als schärfste Sanktion empf<strong>und</strong>en wird 1082 , wogegen die allfällige später tatsächlich<br />

verfügte Sanktion in <strong>der</strong> Regel keine diese Situation verschlimmernde Wirkung zeitigt.<br />

1083<br />

aa) Reputationswirkung <strong>der</strong> Publikation<br />

Historisch war die Urteilspublikation nichts an<strong>der</strong>es als eine abgewandelte Form des Prangers,<br />

die zum Zwecke <strong>der</strong> Generalprävention eingesetzt wurde: Die Blossstellung des Verurteilten<br />

sollte abschreckend auf an<strong>der</strong>e wirken. 1084 Zweifelsohne handelt es sich beim Prestige<br />

um einen Wert, <strong>der</strong> für ein Unternehmen mindestens genauso wichtig ist wie <strong>der</strong> Profit. 1085<br />

Denn wie die Rechtsprechung sowohl in <strong>der</strong> Schweiz als auch in Deutschland festgehalten<br />

hat, kann <strong>der</strong> juristischen Person eine eigene Ehre zugestanden werden. 1086 Da Investoren,<br />

K<strong>und</strong>en, Arbeitnehmer etc. aus dem in <strong>der</strong> Vergangenheit gezeigten Verhalten Schlüsse für<br />

die Zukunft ableiten 1087 , ist <strong>der</strong> Satz von Wilhelm Busch "Ist <strong>der</strong> Ruf erst ruiniert, lebt es sich<br />

ganz ungeniert“ für Unternehmen nicht tragbar. 1088 Deswegen investieren Grossunternehmen<br />

auch gewaltige Summen in ihre Imagepflege. 1089 In diesem Sinne ist auch <strong>der</strong> von BRELAND<br />

vorgebrachte Einwand, das Imageproblem <strong>der</strong> Publikation sei mit Mitteln <strong>der</strong> Werbepublizistik<br />

lösbar 1090 , eigentlich auch ein Argument für die Eignung <strong>der</strong> Sanktion als Bestrafung von<br />

Unternehmen, denn es ergibt sich daraus, dass die Veröffentlichung als finanzielle Sanktion<br />

durchaus effizient wirken kann. 1091<br />

Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> gilt die gezielte Veröffentlichung eines Strafurteils als eine geeignete<br />

Sanktion sowohl für Grossutnernehmen, die auch hohe Bussen tendenziell aus <strong>der</strong> Portokasse<br />

zahlen, als auch für KMUs. 1092 Neben <strong>der</strong> Bestrafung steht dabei auch insbeson<strong>der</strong>e die Abschreckungswirkung<br />

bzw. – positiv ausgedrückt – die Motivation, geeignete Massnahmen zu<br />

1082 In diesem Sinne bestätigte auch SwissHolding in seiner Vernehmlassungsantwort zur Totalrevision des Kotierungsreglements,<br />

dass die negative Publizität die effektivste abschreckende Wirkung habe (vgl. SwissHoldings,<br />

Schreiben vom 4. Juni 2008 betr. Revision des Kotierungsregle-<br />

ments/www.swissholdings.ch/fileadmin/media/Vernehmlassungen/Kapitalmarkt__Kapitalmarkt-<br />

_<strong>und</strong>_Gesellschaftsrecht/08-06-04-b-Vernehmlassung%20SH.pdf).<br />

1083 Auf diesen Umstand wies auch SwissHolding in seiner Antwort zur Vernehmlassung des neuen KR hin.<br />

1084 vgl. STOOSS, Gr<strong>und</strong>züge, S. 375.<br />

1085 gl.M. FISSE, S. 125.<br />

1086 BGE 31 II 246; 71 IV 36 ff.; 114 IV 14 ff.; BGHSt 6, 186 ff.<br />

1087 VON DER CRONE, Verantwortlichkeit, S. 260.<br />

1088 NOBEL/WEBER, S. 704.<br />

1089 MÜLLER, EKKEHARD, S. 17.<br />

1090 BRELAND, S. 143.<br />

1091 gl. M.: LÜTOLF, S. 403.<br />

1092 ALKALAY, S. 72. Deswegen ist die Publikation von Verurteilungen auch die „klassische“ Sanktion im Konsumentenschutz<br />

(FELDGES, S. 119 f.).<br />

- 170 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

ergreifen, um die Wie<strong>der</strong>holung <strong>der</strong> Tat in Zukunft auszuschliessen, im Vor<strong>der</strong>gr<strong>und</strong>. 1093 Diese<br />

schmerzhafte aber auch verhaltenssteuernde Wirkung des naming and shamig wurde auch<br />

in den Interviews hervorgehoben, <strong>und</strong> es wurde herausgestellt, dass ansonsten sehr hohe Bussen<br />

verhängt werden müssten, um den gleichen Effekt zu erreichen.<br />

bb) Nachteile - Unschuldsvermutung<br />

Zugleich wurde in den Interviews aber auch regelmässig auf die unangenehmen Nebeneffekte<br />

<strong>der</strong> Publikationspraxis hingewiesen 1094 , weswegen für eine restriktive Anwendung dieses Instruments<br />

plädiert wird. Als beson<strong>der</strong>s problematisch wurde dabei auch die Ausstrahlung <strong>der</strong><br />

Sanktion auf das Unternehmen herausgestrichen: Auch in <strong>der</strong> Lehre wird <strong>der</strong> gezielte Einsatz<br />

negativer Publizität teilweise scharf kritisiert 1095 <strong>und</strong> auf die Prangerwirkung hingewiesen 1096 ,<br />

die sich schädlich auf die Geschäftslage des Unternehmens <strong>und</strong> damit auf die Gläubiger einschliesslich<br />

<strong>der</strong> Arbeitnehmer auswirkt. 1097 Im schlimmsten Falle könnten die Auswirkungen<br />

einer negativen Pressekampagne sogar zum Konkurs eines Unternehmens führen. 1098<br />

Als beson<strong>der</strong>s gravierend wird von den Emittenten in diesem Zusammenhang auch die Veröffentlichung<br />

bereits <strong>der</strong> Untersuchungseröffnung empf<strong>und</strong>en, die zumindest eine Vorverurteilung<br />

darstelle, wenn sie nicht einer öffentlichen Verurteilung gleich käme. 1099 In diesem Zusammenhang<br />

stellt sich m.E. auch die Frage, inwiefern hier rechtsstaatliche Probleme auftauchen<br />

können bzw. inwieweit die Unschuldsvermutung tangiert ist. Diese in Kapitel II Abschnitt<br />

H bereits angesprochene Verfahrensgarantie, die auch für Unternehmen gilt, ist durch<br />

Presseveröffentlichungen beson<strong>der</strong>s gefährdet. 1100 Denn Presseveröffentlichungen, die auf <strong>der</strong><br />

vorgefassten Meinung <strong>der</strong> Schuld eines Beschuldigten beruhen, schüren in <strong>der</strong> Öffentlichkeit<br />

die Erwartung einer Verurteilung des Beschuldigten <strong>und</strong> erhöhen dadurch den Druck auf die<br />

verantwortlichen Behörden. 1101<br />

cc)<br />

Informationsfunktion <strong>der</strong> Publikation<br />

1093 FISSE, S. 126.<br />

1094 vgl. auch die Ausführungen in Abschnitt B.7.<br />

1095 So beschreibt HIRSCH es als "Ausfluss einer antiunternehmerischen Ideologie"; vgl. HIRSCH, HANS-JOACHIM,<br />

S. 317.<br />

1096 SCHMITT, S. 164 f.<br />

1097 vgl. z.B. RANSIEK, S. 355 f.<br />

1098 HEINE, Sanctions, S. 238.<br />

1099 Denn nach Aussage <strong>der</strong> Emittenten bedeute die Einleitung einer Untersuchung für Investoren, K<strong>und</strong>en <strong>und</strong><br />

Arbeitnehmer zwangsläufig, dass das Unternehmen den Verstoss begangen habe; vgl. auch RYSER/KUCHOWSKI,<br />

S. 588, die ebenfalls davon ausgehen, dass <strong>der</strong> Imageschaden bereits mit <strong>der</strong> Eröffnung des Strafverfahrens eintritt.<br />

1100 TRECHSEL, S. 177.<br />

1101 vgl. dazu auch die Ausführungen in Kap. II Abschnitt H.<br />

- 171 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

Angesichts <strong>der</strong> grossen Reputationswirkung <strong>der</strong> Veröffentlichung verwun<strong>der</strong>t es nicht, dass<br />

die naming and shaming Strafe im Sanktionenkatalog des bis 30.6.2009 gültigen Kotierungsreglements<br />

noch aufgeführt wurde. 1102 Bei <strong>der</strong> Totalrevision des Kotierungsreglements wurde<br />

diese Sanktion dann jedoch mit <strong>der</strong> Begründung gestrichen, die Publikation sei eine Notwendigkeit<br />

<strong>und</strong> daher keine zusätzliche Sanktion. Hintergr<strong>und</strong> war eine For<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Fachpresse,<br />

mehr Transparenz über die Sanktionspraxis zu schaffen. Wie in Kap. II Abschnitt I im<br />

Rahmen <strong>der</strong> Öffentlichkeit des Verfahrens gezeigt wurde, kommt den Sanktionsentscheiden<br />

eine wichtige Informationsfunktion zu. Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> soll die Publikation keine<br />

zusätzliche Sanktion darstellen, denn auch bei leichten Verstössen ist ein Verweis ohne Publikation<br />

gar nicht mehr möglich.<br />

dd) Ergebnis<br />

Die Gewährleistung eines transparenten Kapitalmarktes verlangt, dass die Börse ihre Aufgabe<br />

<strong>der</strong> Überwachung <strong>und</strong> Sanktionierung für die Öffentlichkeit wahrnehmbar erfüllt. Vor diesem<br />

Hintergr<strong>und</strong> ist die Publikation einer Untersuchungseröffnung sowie des Sanktionsentscheids<br />

keine Sanktion, son<strong>der</strong>n eine Notwendigkeit, zumal auch dem in den Interviews von Börsenseite<br />

vorgebrachten Argument zuzustimmen ist, dass es im Sinne des Anlegerschutzes <strong>und</strong> <strong>der</strong><br />

Gleichbehandlung <strong>der</strong> Marktteilnehmer besser ist, wenn die Informationen durch die verantwortlichen<br />

Organe in den dafür vorgesehenen Medien 1103 verbreitet werden; denn es besteht<br />

immer die Gefahr, dass die Verfahrenseröffnung als Gerücht den Markt penetriert, <strong>und</strong> in dem<br />

Fall kann die Gleichbehandlung <strong>der</strong> Marktteilnehmer nicht mehr sichergestellt werden. 1104<br />

Gleichzeitig ist aber die Wirkung <strong>der</strong> Veröffentlichung von Untersuchungseröffnungen <strong>und</strong><br />

Sanktionsentscheiden zu berücksichtigen: Gr<strong>und</strong>sätzlich schätzen sowohl Emittenten als auch<br />

Börsenvertreter bzw. Experten die Gefahren, die mit einem Reputationsverlust durch eine<br />

negative Berichterstattung (Sanktionsverfahren) verb<strong>und</strong>en sind, höher ein als die potentiell<br />

verhängten Strafen (Verweise, Bussen etc.). Der gelegentlich vorgebrachte Einwand, negative<br />

Publizität könne auch eine Form von Reklame sein 1105 , ist m.E. nicht haltbar: Die Bekanntgabe<br />

<strong>der</strong> Eröffnung eines Verfahrens bzw. einer Verurteilung lässt das Unternehmen in den Augen<br />

<strong>der</strong> Öffentlichkeit immer schlecht aussehen <strong>und</strong> ist deswegen niemals eine Form von<br />

1102 Art. 82 Ziff. 2 aKR lautete: Publikation <strong>der</strong> Tatsache, dass <strong>der</strong> Emittent o<strong>der</strong> Sicherheitsgeber<br />

erfolglos zur Veröffentlichung o<strong>der</strong> Bekanntgabe von reglementarisch vorgeschriebenen Informationen<br />

aufgefor<strong>der</strong>t wurde.<br />

1103 Die gewährleisten, dass alle Marktteilnehmer zur gleichen Zeit davon Kenntnis erhalten können.<br />

1104 vgl. auch die Ausführungen in Kap. II Abschnitt H.2.<br />

1105 FISSE, S. 126 m.W.H.<br />

- 172 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

Werbung. In diesem Sinne war man sich auch bei <strong>der</strong> Börse <strong>der</strong> echten Sanktionswirkung<br />

bewusst. 1106<br />

g) Fazit<br />

Die Einhaltung <strong>der</strong> Börsenreglemente kann nur sichergestellt werden, wenn Fehlverhalten mit<br />

wirkungsvollen Sanktionen geahndet werden. Dabei sind jedoch einige Gr<strong>und</strong>sätze zu beachten:<br />

So darf - wie auch POSNER hervorhebt - eine <strong>Sanktionsordnung</strong> nicht zu drastisch ausfallen.<br />

1107 Denn wo gearbeitet wird, da unterlaufen Fehler, <strong>und</strong> eine scharfe Bestrafung würde<br />

dazu führen, dass jegliches Risiko vermieden würde, was sozial nicht erwünschte Folgen hätte.<br />

Für das Börsenwesen würde das z.B. bedeuten, dass die Emittenten aus Angst vor den drakonischen<br />

Strafen eine wahre Flut von Informationen auf den Markt brächten. Publizierte<br />

Botschaften müssen jedoch für den Empfänger stets von Relevanz sein; bedeutungslose Nachrichten<br />

verwirren ihn nur 1108 <strong>und</strong> führen dann doch zu dem befürchteten Information Overflow.<br />

1109 Einen ähnlich negativen Effekt gäbe es wohl bei den Effektenhändlern, die nur noch<br />

„sehr konservativ“ handeln würden, was auch nicht im Interesse <strong>der</strong> Anleger wäre. Aus diesem<br />

Gr<strong>und</strong> rechtfertigt sich das Eingreifen <strong>der</strong> Aufsichtsorgane erst bei klaren Regelverletzungen<br />

von einiger Bedeutung. 1110<br />

Darüber hinaus ist es problematisch, wenn allzu scharfe "Waffen" (in Form von Sanktionen)<br />

in den Händen einer selbstregulierten Behörde liegen. 1111 Denn aus dem verfassungsrechtlich<br />

in Art. 4 BV verankerten Gr<strong>und</strong>satz „nulla poena sine lege" ergibt sich, dass jede Strafe einer<br />

Gesetzesgr<strong>und</strong>lage bedarf. Der Begriff des Gesetzes ist dabei von <strong>der</strong> Rechtsprechung lange<br />

Zeit im materiellen Sinne verstanden worden <strong>und</strong> umfasste demnach auch "eine Verordnung,<br />

die sich im Rahmen von Verfassung <strong>und</strong> Gesetz hält" 1112 . Insbeson<strong>der</strong>e das Disziplinarwesen<br />

unterliegt nach b<strong>und</strong>esgerichtlicher Auffassung aber nicht dem Gr<strong>und</strong>satz „nulla poena sine<br />

lege“. 1113 Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> erscheint es nicht problematisch, dass die Börsensanktionen<br />

nur im Kotierungsreglement <strong>und</strong> nicht im Börsengesetz festgelegt sind. Allerdings hat das<br />

B<strong>und</strong>esgericht zugleich festgehalten, dass bei schweren Eingriffen in die Rechtsgüter <strong>und</strong><br />

1106 So erklärte bspw. <strong>der</strong> Präsident <strong>der</strong> Sanktionskommission, Herr Dr. Spring, für ihn sei name and shame immer<br />

eine echte Sanktion gewesen.<br />

1107 Er spricht in diesem Zusammenhang von a "ceiling on criminal punishments" (POSNER, Economic analysis,<br />

S. 280).<br />

1108 NOBEL, Unternehmenskommunikation, S. 11.<br />

1109 vgl. Abschnitt C.7.<br />

1110 siehe auch: ZULAUF, Gläubigerschutz, S. 391.<br />

1111 Darauf hat auch Herr Dr. Aellen (FINMA) in unserem Interview hingewiesen.<br />

1112 BGE 96 I 29.<br />

1113 BGE 98 Ia 305/306.<br />

- 173 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

auch bei Geldstrafen mit einer Beziehung zur Eigentumsgarantie das Legalitätsprinzip im<br />

formellen Sinne beson<strong>der</strong>s streng zu verwirklichen sei. 1114 Da schwere Sanktionen wie die<br />

Dekotierung erstens die Falschen - namentlich die Anteilseigner - treffen <strong>und</strong> für diese zweitens<br />

mit ernsthaften Konsequenzen verb<strong>und</strong>en sein können (enteignungsähnliche Folgen 1115 )<br />

ist m.E. die alleinige Verankerung im Kotierungsreglement hier auch rechtsstaatlich heikel<br />

1116 , <strong>und</strong> die Sanktion sollte nur sehr restriktiv verhängt werden.<br />

Die Geldbusse hingegen ist als repressive Sanktion mit kalkulierter Abschreckwirkung notwendiger<br />

Bestandteil des Unternehmensstrafrechts. 1117 Jedoch ist die Wirkung von Bussen<br />

beschränkt, da sie nicht direkt auf den Fehler im Unternehmen reagieren <strong>und</strong> darüber hinaus<br />

die nichtfinanziellen Motive <strong>der</strong> Handelnden in den Unternehmen (insb. Macht- <strong>und</strong> Prestigeaspekte)<br />

zu wenig berücksichtigen. 1118 Deswegen ist es sinnvoll, Bussen mit an<strong>der</strong>en Sanktionen<br />

zu kombinieren. 1119 Eine sinnvolle Ergänzung bildet im Börsensanktionsverfahren die<br />

Publikation <strong>der</strong> Untersuchungseröffnung sowie des Urteils, denn die zu erwartende negative<br />

Publizität <strong>und</strong> die damit verb<strong>und</strong>ene Beeinträchtigung des Markt- bzw. Börsenwertes des Unternehmens<br />

1120 dürfte einem Unternehmen einen viel besseren Impuls geben, die gewünschten<br />

Anpassungen im Unternehmen vorzunehmen.<br />

Schliesslich ist zu beachten, dass das Ziel <strong>der</strong> Überwachung <strong>und</strong> Regulierung die Anregung<br />

eines Umdenk- bzw. Umorganisationsprozesses im Unternehmen ist. Es ist gr<strong>und</strong>sätzlich davon<br />

auszugehen, dass die Emittenten es richtig machen wollen. Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> ist<br />

ein überlegter Einsatz <strong>der</strong> Sanktionsinstrumente, <strong>der</strong> ein Mahnverfahren miteinschliesst <strong>und</strong><br />

gr<strong>und</strong>sätzlich den Emittenten die Möglichkeit zur Kooperation lässt, zu begrüssen. Ebenfalls<br />

eine gute Möglichkeit, den Konflikt zwischen Börse <strong>und</strong> Emittenten friedlich <strong>und</strong> partnerschaftlich<br />

zu beenden, ist die 2007 neu eingeführte Einigung. Für Emittenten bietet dieses<br />

neue Instrument die Möglichkeit, die ganze Angelegenheit low level zu halten. Wie sich aber<br />

in den Interviews gezeigt hat, war die bisherige Praxis für die Emittenten jedoch insofern unbefriedigend,<br />

als die Börse den Emittenten kein Mitspracherecht bei <strong>der</strong> Abfassung des Einigungstextes<br />

gewährte <strong>und</strong> diese den veröffentlichten Text gelegentlich herabwürdigend fanden.<br />

Dieser Umstand ist m.E. schon deswegen problematisch, da eine Einigung die Zustim-<br />

1114 BGE 97 I 45 ff., COTTIER, S. 61.<br />

1115 vgl. die Ausführungen in Kap. II Abschnitt D.<br />

1116 trotz des Genehmigungsvorbehalts <strong>der</strong> KR-Bestimmungen durch die FINMA.<br />

1117 gl. M.: SCHROTH, S. 215.<br />

1118 so auch: FISSE, S. 118 f.<br />

1119 gl. M. LÜTOLF, S. 395 f; VOLK, S. 432.<br />

1120 FORSTER, S. 289.<br />

- 174 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

mung aller Streitparteien finden sollte. 1121 Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> ist es sinnvoll, künftig die<br />

Emittenten beim Wording des Vergleichs mitreden zu lassen. Auf diese Weise sollte es möglich<br />

sein, sowohl die Transparenz im Kapitalmarkt als auch ein partnerschaftliches Verhältnis<br />

mit den Emittenten sicherzustellen.<br />

3. Sanktionenkatalog für Teilnehmer/Händler<br />

a) Allgemein<br />

Der Sanktionenkatalog <strong>der</strong> Teilnehmer-Regulierung unterscheidet sich von jenem <strong>der</strong> Emittenten-Regulierung<br />

insbeson<strong>der</strong>e dadurch, dass hier Sanktionen sowohl für die Händler (Verweis,<br />

Suspendierung o<strong>der</strong> Entzug <strong>der</strong> Registrierung) als auch für die Teilnehmer (Verweis,<br />

Suspendierung o<strong>der</strong> Ausschluss, Busse bis zu einer Höhe von maximal CHF 10 Mio.) ausgesprochen<br />

werden können, während bei den Emittenten nur die Gesellschaft an sich sanktioniert<br />

wird. Damit wird hier – in beson<strong>der</strong>en Fällen - die Bestrafung auf natürliche Personen<br />

ausgedehnt. Es handelt sich dabei um manipulative Handlungen (Jahresendkurspflege, Nostro<br />

Nostro Cross Trading, Snake Trading etc.), die klar einem Händler zugeordnet werden können<br />

<strong>und</strong> bei denen nicht unbedingt ein Organisationsversagen seitens des Teilnehmers 1122 erkennbar<br />

ist, obwohl letztere Überlegung immer bei <strong>der</strong> Ausgestaltung <strong>der</strong> Sanktion eine Rolle<br />

spielt.<br />

b) Verweis<br />

Der Verweis ist bei <strong>der</strong> Sanktionierung von Teilnehmern <strong>und</strong> Händlern die leichteste <strong>der</strong><br />

möglichen Sanktionsmassnahmen. 1123 Er wird verhängt, wenn es sich nicht um einen gravierenden<br />

Verstoss handelt <strong>und</strong> dem Händler bzw. Teilnehmer keine Absicht, son<strong>der</strong>n lediglich<br />

mangelnde Aufmerksamkeit <strong>und</strong> Sorgfalt nachzuweisen sind. 1124 Die in Abschnitt H.3b erwähnten<br />

Mil<strong>der</strong>ungs- <strong>und</strong> Verschärfungsgründe haben ebenfalls einen signifikanten Einfluss:<br />

So kann selbst bei schwereren Verstössen - wenn z.B. die Regeln <strong>der</strong> Händleridentifikation<br />

systematisch über einen längeren Zeitraum durch einen Mitarbeiter des Teilnehmers verletzt<br />

1121 WIGET, S. 33.<br />

1122 vgl. die Ausführungen in Abschnitt H.3d.<br />

1123 So auch: Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission vom 8.3.2010, Rz. 7.<br />

1124 Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission vom 19.4.2010, Rz. 14 sowie Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission vom<br />

8.3.2010, Rz. 7.<br />

- 175 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

werden 1125 <strong>und</strong> dieses regelwidrige Verhalten auch noch mit Einverständnis des Teilnehmers<br />

erfolgt 1126 - ein Verweis als ausreichend betrachtet werden, wenn <strong>der</strong> Beschuldigte vorher<br />

noch nicht straffällig geworden ist <strong>und</strong> davon auszugehen ist, dass <strong>der</strong> Verweis Anreiz genug<br />

ist, um in Zukunft die notwendigen Massnahmen zu ergreifen.<br />

Da bei den Händlern im Sanktionenkatalog neben Verweisen nur die drastischen Strafen<br />

(Suspendierung bzw. Ausschluss) vorgesehen sind, werden Verweise insbeson<strong>der</strong>e dann ausgesprochen,<br />

wenn Schwere o<strong>der</strong> Häufigkeit <strong>der</strong> Verletzung keine Suspendierung rechtfertigt.<br />

1127<br />

c) Busse<br />

Eine schärfere Sanktionsmassnahme für die Teilnehmer ist eine Busse bis zu einer Maximalhöhe<br />

von CHF 10 Mio. Sie wird verhängt, wenn das Vergehen so schwer war, dass ein Verweis<br />

unter Berücksichtigung aller Umstände unangemessen erscheint. 1128 Dies kann z.B. <strong>der</strong><br />

Fall sein, wenn ein Teilnehmer trotz Benachrichtigung durch die <strong>SIX</strong> Swiss Exchange nicht<br />

unverzüglich sicherstellt, dass die Identifizierungsnummern <strong>der</strong> registrierten Händler nicht<br />

missbraucht wurden. 1129 Auch ein wie<strong>der</strong>holter Verstoss kann zu einer Sanktionsverschärfung<br />

in Form <strong>der</strong> Verhängung einer hohen Busse führen. 1130<br />

Bei <strong>der</strong> Bemessung <strong>der</strong> Busse erfolgt wie<strong>der</strong> eine Abstufung: So wird bspw. eine „geringere“<br />

Busse von „lediglich“ CHF 10‘000 verhängt, wenn die Verstösse eines Teilnehmers nicht als<br />

leicht gewertet werden können 1131 , er aber Massnahmen zur Verhin<strong>der</strong>ung weiterer <strong>der</strong>artiger<br />

Verstösse in die Wege geleitet hat <strong>und</strong> auch keine sonstigen erschwerenden Faktoren hinzukommen.<br />

Solche erschwerenden Faktoren liegen z.B. vor, wenn <strong>der</strong> Teilnehmer bereits auf<br />

ein mögliches Fehlverhalten aufmerksam gemacht wurde (Erhöhung <strong>der</strong> Busse auf CHF<br />

20‘000) 1132 o<strong>der</strong> gar bereits eine Busse wegen eines an<strong>der</strong>en Verstosses verhängt wurde (Erhöhung<br />

<strong>der</strong> Busse auf CHF 100‘000). 1133<br />

1125 Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission vom 30.9.2005.<br />

1126 Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission vom 13.7.2005.<br />

1127 Vgl. dazu auch die Ausführungen in Abschnitt d.<br />

1128 Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission vom 6.2.2009, Rz. 4.<br />

1129 Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission vom 3.7.2009, Rz. 10.<br />

1130 Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission vom 31.1.2008, Rz 7.<br />

1131 Der Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission vom 6.2.2009 betraf einen Teilnehmer, <strong>der</strong> seine Händler offensichtlich<br />

unzureichend in Bezug auf die Vorschriften betreffend Börsenpflicht ausgebildet hatte <strong>und</strong> es zusätzlich<br />

versäumt hatte, mittels angemessener Kontrollen sicherzustellen, dass keiner seiner Händler Abschlüsse<br />

unterhalb <strong>der</strong> Börsenpflichtlimite während <strong>der</strong> Handelszeit ausserbörslich ausführte.<br />

1132 Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission vom 3.7.2009, Rz. 10.<br />

1133 Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission vom 30.12.2008, Rz. 5d.<br />

- 176 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

Die Busse ist als Sanktion nur für Teilnehmer <strong>und</strong> nicht für Händler vorgesehen. Hintergr<strong>und</strong><br />

ist wohl, dass bei <strong>der</strong> Bussenverhängung gegenüber den Händlern als natürlichen Personen<br />

nur mo<strong>der</strong>ate Beträge festgesetzt werden könnten. Denn wenn <strong>der</strong> Täter nicht über die entsprechenden<br />

finanziellen Mittel verfügt o<strong>der</strong> sie beschaffen kann, stösst die Geldstrafe an ihre<br />

Grenzen. 1134 Die möglichen Beträge stünden daher in keinem Verhältnis zu den Bussen für<br />

Teilnehmer o<strong>der</strong> Emittenten 1135 <strong>und</strong> wären zudem m.E. schwer festzusetzen. Darüber hinaus<br />

wäre ein solcher Eingriff in die Vermögensverhältnisse des Händlers wohl in den allermeisten<br />

Fällen zu hart, zumal sich immer die Frage stellt, ob den Teilnehmer als Arbeitgeber des<br />

Händlers nicht eine Mitschuld trifft. 1136<br />

d) Suspendierung/Entzug <strong>der</strong> Registrierung/Ausschluss<br />

Da diese – eher drakonischen – Sanktionen alle ein (vorläufiges) Berufsverbot bedeuten <strong>und</strong><br />

selten bis gar nicht verhängt werden, ist es angebracht, sie zusammen zu behandeln.<br />

aa) Suspendierung o<strong>der</strong> Entzug <strong>der</strong> Registrierung eines Händlers<br />

Wie in Abschnitt D.1a dargelegt wurde, handelt es sich bei den Händlerbewilligungen um<br />

eine polizeilich motivierte Berufsausübungsbewilligung, mit <strong>der</strong> typischerweise Tätigkeiten<br />

reguliert werden, die mit einer Gefahr verb<strong>und</strong>en sind. 1137 Durch die Bewilligungspflicht<br />

können sowohl auf <strong>der</strong> präventiven Ebene durch Verweigerung <strong>der</strong> Bewilligungserteilung wie<br />

auch auf <strong>der</strong> repressiven Ebene durch Entzug <strong>der</strong> erteilten Bewilligung Missbräuche bekämpft<br />

werden. 1138 Für den Entzug einer Bewilligung sollte daher – analog <strong>der</strong> Verhängung eines<br />

Berufsverbots – insbeson<strong>der</strong>e darauf abgestellt werden, ob von dem Täter die Gefahr eines<br />

weiteren Missbrauchs ausgeht 1139 Im Fall eines Händlers bedeutet dies konkret, dass zu überprüfen<br />

ist, ob sein missbräuchliches Verhalten <strong>und</strong> die von ihm begangenen Regelverstösse<br />

das notwendige Vertrauensverhältnis zwischen Finanzintermediär <strong>und</strong> Anleger so stark erschüttert<br />

haben, dass auch für die Zukunft mit einer Beeinträchtigung zu rechnen ist. 1140 In<br />

1134 CIMICHELLA, S. 11.<br />

1135 Um eine solche Vergleichbarkeit zu schaffen, wurden aber gerade die Bussen bei den Emittenten angehoben;<br />

vgl. Abschnitt G.2c.bb).<br />

1136 im Sinne des Versagens <strong>der</strong> Compliance-Organisation; vgl. Abschnitt H.3<br />

1137 VALLENDER/HETTICH/LEHNE, S. 299.<br />

1138 LEHNER, S. 90.<br />

1139 ZEHNTNER, S. 802.<br />

1140 vgl. auch: WYSS, S. 100, <strong>der</strong> bei schwerwiegenden o<strong>der</strong> wie<strong>der</strong>holten Verletzungen ebenfalls eine Prüfung<br />

<strong>der</strong> Gewähr für eine einwandfreie Geschäftstätigkeit in Betracht zieht.<br />

- 177 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

diesem Fall kann dem Händler die Registrierung – <strong>und</strong> damit <strong>der</strong> Zugang zu den Börsensystemen<br />

– dauerhaft entzogen werden.<br />

Zugleich ist aber auch zu beachten, dass für einen Händler ein Entzug seiner Registrierung<br />

einem Berufsverbot gleichkommt 1141 , was einen erheblichen Eingriff in seine Wirtschaftsfreiheit<br />

bedeutet 1142 <strong>und</strong> für ihn mit beträchtlichen beruflichen Konsequenzen verb<strong>und</strong>en ist. 1143<br />

Es handelt sich zudem um eine Verwaltungsmassnahme, was die Börsenorgane zur Einhaltung<br />

bestimmter Bedingungen verpflichtet: Es muss ein starkes öffentliches Interesse an <strong>der</strong><br />

Aufhebung <strong>der</strong> Bewilligung bestehen, <strong>und</strong> das Verhältnismässigkeitsprinzip muss gewahrt<br />

sein, d.h. wenn das Ziel mit einem weniger einschneidenden Mittel erreicht werden kann, „hat<br />

<strong>der</strong> Bürger Anspruch auf die Wahl des mil<strong>der</strong>en Mittels.“ 1144 Ein sanfterer Eingriff ist die<br />

Suspendierung, bei <strong>der</strong> die Bewilligung nur für eine bestimmte Dauer aufgehoben wird. Diese<br />

Sanktion ist aber immer noch mit schwerwiegenden Konsequenzen für die betroffenen Händler<br />

verb<strong>und</strong>en <strong>und</strong> sollte daher nur bei sehr schwerwiegenden <strong>und</strong> verschuldeten Pflichtverletzungen<br />

ausgesprochen werden. 1145 Wenn jedoch die Integrität des Marktes erheblich gestört<br />

wurde o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Händler die entsprechenden einschlägigen Bestimmungen bereits mehrfach<br />

verletzt hat, kann sie m.E. durchaus gerechtfertigt sein. Deswegen wurden seit 2002 auch<br />

zwei Suspendierungen ausgesprochen, während es im selben Zeitraum keinen einzigen Bewilligungsentzug<br />

gab. Die Dauer <strong>der</strong> Suspendierung wird durch die Schwere des Verstosses, aber<br />

auch durch mögliche Verschärfungsgründe beeinflusst: So wurde bspw. ein Händler wegen<br />

mehrfacher Umgehung <strong>der</strong> Marktsteuerungsmechanismen für 2 Monaten suspendiert 1146 ,<br />

während im Fall eines Händlers, <strong>der</strong> einen K<strong>und</strong>en bei <strong>der</strong> Jahresendkurspflege sogar noch<br />

aktiv unterstützt hatte, sogar eine Suspendierung von 3 Monaten ausgesprochen wurde. 1147<br />

bb) Suspendierung o<strong>der</strong> Ausschluss eines Teilnehmers<br />

Bei den Teilnehmern wurden die Sanktionen Suspendierung <strong>und</strong> Ausschluss bisher noch kein<br />

einziges Mal verhängt. 1148 Nach Aussage <strong>der</strong> Börsenverantwortlichen sind diese vornehmlich<br />

für wirklich drastische Verstösse vorgesehen. Dies ist äusserst selten <strong>der</strong> Fall, weswegen diese<br />

1141 vgl. auch: KILGUS, S. 104.<br />

1142 zu den Auswirkungen eines Berufsverbots vgl. auch: ZEHNTNER, S. 801.<br />

1143 Es stellt sich die Frage, wie ein Teilnehmer einen solchen Händler noch einsetzen kann.<br />

1144 BGE 101 Ia 176.<br />

1145 Denn trotz <strong>der</strong> zeitlichen Begrenzung kann sie das Karriereende eines Händlers bedeuten, wenn sein Arbeitgeber<br />

ihn wegen seiner zeitweiligen Sperre entlassen muss.<br />

1146 Entscheid von Surveillance & Enforcement vom 3.11.2008.<br />

1147 Entscheid von Surveillance & Enforcment vom 8.11.2005.<br />

1148 Vgl. Tabelle auf: www.six-exchangeregulation.com/enforcement/participants/sanction_decisions/sanction_commission_de.html.<br />

- 178 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

Strafen, die auch einschneidende Konsequenzen für die Händler haben 1149 , kaum zur Anwendung<br />

gelangen.<br />

e) Publikation<br />

Im Bereich <strong>der</strong> Teilnehmer-Sanktionierung war die naming and shaming-Strafe nie im Sanktionskatalog<br />

aufgeführt. Vielmehr hat die Sanktionskommission verschiedentlich hervorgehoben,<br />

dass in Fällen von untergeordneter Bedeutung (in denen zumeist auch nur Verweise verhängt<br />

wurden) auf eine Veröffentlichung verzichtet wurde. 1150<br />

f) Fazit<br />

Auch bei <strong>der</strong> Teilnehmer-Regulierung steht die Partnerschaftlichkeit im Vor<strong>der</strong>gr<strong>und</strong>: Es wird<br />

ebenfalls davon ausgegangen, dass die Teilnehmer bei ihrem Bemühen, richtig zu handeln,<br />

lediglich Unterstützung benötigen. Die Sanktionen sind daher nur eine Ergänzung zu <strong>der</strong> in<br />

Abschnitt F beschriebenen Kooperation. Dementsprechend kommt <strong>der</strong> Verhältnismässigkeit<br />

<strong>der</strong> Sanktionen wie<strong>der</strong>um eine grosse Bedeutung zu. Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> erstaunt es wenig,<br />

dass in <strong>der</strong> Mehrzahl <strong>der</strong> Fälle 1151 Verweise <strong>und</strong> Bussen verhängt wurden. Nur zweimal<br />

ist es bisher zu <strong>der</strong> Suspendierung eines Händlers gekommen 1152 In beiden Fällen lagen erschwerende<br />

Faktoren vor: So wurden <strong>der</strong> Preisbildungsmechanismus <strong>und</strong> die Integrität des<br />

Marktes durch das Verhalten des Händlers erheblich gestört, o<strong>der</strong> <strong>der</strong> betroffene Händler hatte<br />

die einschlägigen Bestimmungen bereits mehrfach verletzt.<br />

H) Sanktionierungsgr<strong>und</strong>sätze<br />

Zum Abschluss steht die Sanktionspraxis <strong>der</strong> <strong>SIX</strong> an sich, d.h. die Kriterien, nach denen die<br />

soeben analysierten Sanktionen verhängt werden, im Vor<strong>der</strong>gr<strong>und</strong>. Dabei soll <strong>der</strong> Frage nachgegangen<br />

werden, ob durch die Sanktionspraxis generell ein gerechtes <strong>und</strong> zugleich zielführendes<br />

Ergebnis erzielt werden kann. Zunächst stellt sich aber die essentielle Frage, wer überhaupt<br />

bestraft werden soll: die Organe <strong>der</strong> Börsengesellschaften bzw. an<strong>der</strong>e Personen in ver-<br />

1149 Ihnen wird quasi die Berufsausübung verunmöglicht.<br />

1150 z.B.: Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission vom 10.6.2011, Verletzung <strong>der</strong> Registrierungspflicht für die Benutzung<br />

des Börsensystems, Rz. 8; Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission vom 19.4.2010, Verantwortlichkeit des<br />

Teilnehmers für das Or<strong>der</strong>-Routingsystem, Rz. 15.<br />

1151 44 von 46.<br />

1152 Entscheid von SVE vom 3.11.2008, Jahresendkurspflege; Entscheid von SVE vom 8.11.2005, Unfaire Handelspraxis.<br />

- 179 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

antwortungsvollen Positionen 1153 o<strong>der</strong> das Unternehmen selbst. 1154 Ausserdem ist zu klären,<br />

ob eine differenzierte Behandlung von kleineren Emittenten sinnvoll ist.<br />

1. Täterbestimmung<br />

a) bei den Emittenten<br />

In <strong>der</strong> Schweiz wird bei <strong>der</strong> Emittentenregulierung auf Sanktionierung <strong>der</strong> kotierten Gesellschaft<br />

als solcher <strong>und</strong> nicht <strong>der</strong> natürlichen Personen bzw. Organe (z.B. Verwaltungsrat, Geschäftsleitung,<br />

Revisionsstelle) abgestellt. 1155 Diese Regelung ist nicht selbstverständlich: In<br />

Deutschland sind Strafen (auch Geldstrafen) gegen Unternehmen nicht vorgesehen 1156 : Vielmehr<br />

wird Leitungspersonen zum einen ihr eigenes Handeln für das Unternehmen zugeschrieben,<br />

<strong>und</strong> zum an<strong>der</strong>en können sie unter Umständen auch für das Verhalten ihrer Mitarbeiter<br />

verantwortlich gemacht werden. In diesem Sinne können in Deutschland bei einem<br />

Verstoss gegen die Ad hoc-Publizitätsnorm Geldbussen sowohl gegen den Emittenten als<br />

auch gegen die Vorstandsmitglie<strong>der</strong> sowie an<strong>der</strong>e leitende o<strong>der</strong> mit <strong>der</strong> Ad hoc-Publizität<br />

beauftragte Mitarbeiter <strong>und</strong> sogar gegen unternehmensexterne Berater verhängt werden. 1157<br />

Dieser persönlichen Zur-Verantwortung-Ziehung <strong>der</strong> Verursacher <strong>der</strong> fehlerhaften Informationsversorgung<br />

des Kapitalmarktes wird eine grosse Präventivwirkung zugeschrieben 1158 ,<br />

weswegen es nicht erstaunlich ist, dass auch in <strong>der</strong> Schweiz einzelne Autoren für die Einführung<br />

eines Bussgeldsystems nach deutschem Vorbild plädieren. 1159 Die aufgeführten Personen<br />

sind alle in einer Art <strong>und</strong> Weise für die Informationsversorgung des Kapitalmarktes <strong>und</strong><br />

somit die Reduktion <strong>der</strong> Informationsasymmetrie zuständig. Daher könnte man argumentieren,<br />

dass es angebracht ist, diese konkreten Personen für die fehlerhafte Information zur Rechenschaft<br />

zu ziehen <strong>und</strong> ihnen Bussen aufzuerlegen. Dieser Argumentation kann jedoch entgegengesetzt<br />

werden, dass es bei mo<strong>der</strong>nen Unternehmen, die sich durch ein hohes Mass an<br />

Arbeitsteilung auszeichnen, aufgr<strong>und</strong> von Delegation <strong>und</strong> Kompetenzaufteilung oft schwierig<br />

ist, einen Verantwortlichen auszumachen, da Entscheidungsmacht, Informationsbesitz <strong>und</strong><br />

1153 Dies ist die Handhabung bspw. in Deutschland.<br />

1154 Die Schweiz kennt gr<strong>und</strong>sätzlich die Straffähigkeit <strong>der</strong> juristischen Person (Art. 102 StGB). Beson<strong>der</strong>s bei<br />

Umweltdelikten wird darauf zurückgegriffen.<br />

1155 Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission vom 18. Dezember 2009 (SaKo 2009 - MT III/09, SaKo 2009 - MP I/09,<br />

SaKo 2009 - AHP III/09), Rz. 8.<br />

1156 ACHENBACH, Sanktionierung, S. 4.<br />

1157 HSU, S. 261.<br />

1158 DE BEER, S. 138; GEHRT, S. 192 f.<br />

1159 TAUFER, S. 1125 f. m.w.H.<br />

- 180 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

Ausführungstätigkeit effektiv auseinan<strong>der</strong>fallen. 1160 So kann beispielsweise eine Management-Transaktion<br />

verspätet gemeldet werden, weil das handelnde VR- o<strong>der</strong> GL-Mitglied die<br />

Transaktion zu spät im Unternehmen gemeldet hat <strong>und</strong> es zusätzlich im Unternehmen zu einer<br />

weiteren Verzögerung kam, weil <strong>der</strong> Verantwortliche abwesend war <strong>und</strong> seine Vertretung<br />

nicht genügend instruiert hatte, so dass diese ebenfalls Zeit verstreichen liess, bevor sie tätig<br />

wurde. In diesem Fall stellt sich die Frage, wer mit welchem Prozentsatz die Verantwortung<br />

für die Verspätung übernehmen soll. Das Management allgemein für jeden Fehler eines Mitarbeiters<br />

verantwortlich zu machen, ist m.E. nicht zielführend, da dies einer Zufallshaftung<br />

gleich käme. 1161 Insbeson<strong>der</strong>e die Bestrafung des Managements bei bloss fahrlässigen<br />

Verstössen 1162 könnte zu einer Verletzung <strong>der</strong> Unschuldsvermutung führen. 1163 Die Emittenten,<br />

die - wie die Interviews gezeigt haben - bereits jetzt <strong>der</strong> Börse Willkür vorwerfen, würden<br />

sich noch ungerechter behandelt fühlen. Sie würden - m.E. zu Recht - darauf hinweisen, dass<br />

im Umweltstrafrecht auch keine Einzelpersonen, son<strong>der</strong>n die Unternehmen für schlimme<br />

Umweltkatastrophen verantwortlich gemacht werden. 1164 Zudem bestünde, wie in Abschnitt<br />

C.7 demonstriert wurde, die Gefahr, dass zu viele - <strong>und</strong> dadurch auch wi<strong>der</strong>sprüchliche bzw.<br />

verwirrende - Informationen herausgegeben würden. Insgesamt würde m.E. aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong><br />

Probleme, die Schuld für einen Verstoss einwandfrei bestimmten Personen zuzuordnen, in <strong>der</strong><br />

Mehrzahl wohl auf eine Bestrafung verzichtet, was den oben beschriebenen Präventionseffekt<br />

zunichte machen würde. 1165 Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> empfiehlt es sich, auf das Unternehmen<br />

als Täter abzustellen. Da die juristische Person gr<strong>und</strong>sätzlich durch ihre Organe handelt, kann<br />

<strong>der</strong>en Schuld ihr als eigene Schuld zugerechnet werden. 1166 Dies ist auch insofern zweckmässig,<br />

als es einem Unternehmen selbst im Allgemeinen leichter als irgendwelchen Aufsichtsbehörden<br />

fallen wird, die Ursache für den Verstoss aufzuspüren <strong>und</strong> zu beseitigen, so dass <strong>der</strong><br />

Regulator durch die Sanktion lediglich einen Anstoss geben muss. 1167<br />

1160 SCHÜNEMANN, Strafbarkeit, S. 271.<br />

1161 gl. M. STRATENWERTH, Unternehmenshaftung, S. 297 f.<br />

1162 Wie in Abschnitt d gezeigt wird, ist eine Bestrafung von fahrlässigen Verstössen zur Erreichung eines transparenten<br />

Finanzmarktes zielführend.<br />

1163 LÜTOLF, S. 366 m.w.H.<br />

1164 zur Bestrafung von Unternehmen bei Umweltdelikten, vgl. ALKALAY, S. 70 ff.<br />

1165 SCHÜNEMANN, S. 273.<br />

1166 LÜTOLF, S. 149.<br />

1167 VOLK, S. 434.<br />

- 181 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

b) bei den Teilnehmern<br />

Bei <strong>der</strong> Teilnehmer-Regulierung gibt es zwar auch die Bestrafung <strong>der</strong> einzelnen Händler; in<br />

den meisten Fällen werden jedoch auch hier Regelverstösse <strong>der</strong> Mitarbeiter den Arbeitgebern<br />

als Organisationsmängel angelastet 1168 : Wie in Abschnitt 3.d.bb) näher ausgeführt wird, lassen<br />

sich die meisten Verfehlungen auf mangelhafte Instruktion <strong>und</strong> Überwachung <strong>der</strong> Händler<br />

durch die Teilnehmer zurückführen. Neben den bereits behandelten Beweisschwierigkeiten ist<br />

zu berücksichtigen, dass die internen Werte, Normen <strong>und</strong> Ziele eines Unternehmens einen<br />

bedeutenden Einfluss auf das Verhalten <strong>der</strong> Mitarbeiter haben 1169 : Denn wenn die corporate<br />

culture eines Unternehmens Delikte zulässt o<strong>der</strong> sogar dazu ermutigt, so stellt auch eine Bestrafung<br />

kein grosses persönliches Risiko für den Täter dar. Aufgabe eines Effektenhändlers<br />

ist es daher, sicherzustellen, dass die betrieblichen Abläufe <strong>und</strong> Praktiken gesetzeswidrigem<br />

Verhalten möglichst wenig Raum lassen: Klare Verhaltensanweisungen sowie die Verinnerlichung<br />

<strong>der</strong> Pflichten durch Schulungen gewährleisten am besten die Wahrung <strong>der</strong> K<strong>und</strong>eninteressen.<br />

1170<br />

2. Berücksichtigung von Grössenunterschieden(?)<br />

Eng verb<strong>und</strong>en mit <strong>der</strong> Täterbestimmung ist auch die Frage, ob es gerechtfertigt ist, alle Emittenten<br />

den gleichen Regeln zu unterwerfen, o<strong>der</strong> ob es zweckmässiger wäre, für kleinere Unternehmen<br />

eine abgemil<strong>der</strong>tere Regulierung einzuführen. 1171 Die <strong>SIX</strong> geht davon aus, dass die<br />

Regularien für alle kotierten Unternehmen gleich gelten. 1172 Kleinere Emittenten haben jedoch<br />

wesentlich mehr Probleme, alle Pflichten zu erfüllen. Auch Experten gehen davon aus,<br />

dass kleine Emittenten aufgr<strong>und</strong> einer weniger ausgefeilten Organisationsstruktur viel schneller<br />

Gefahr laufen, "dumme Fehler" zu machen. 1173 Diese Erkenntnis rechtfertigt jedoch nach<br />

allgemeiner Meinung keine Besserbehandlung kleiner Emittenten. Denn wie auch in den Abschnitten<br />

C <strong>und</strong> D hervorgehoben wurde, kommt <strong>der</strong> Transparenz im Kapitalmarkt sowie <strong>der</strong><br />

Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer Kapitalmarkts eine grosse Bedeutung zu. Aufgr<strong>und</strong> dieser<br />

Tatsache ist es nicht zu verantworten, zwei verschiedene Regulationen zu haben. Vielmehr<br />

muss sich ein Unternehmensverteter beim Kotierungsentscheid vergegenwärtigen, dass die<br />

1168 vgl. z.B. Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission vom 4.7.2011, Verletzung <strong>der</strong> Vorschriften zur Teilnehmerrevision,<br />

Rz. 5.<br />

1169 EHRHARDT, S. 155.<br />

1170 GRUMBACHER, S. 35; HOFSTETTER BRIGITTE, S. 187 f.; WYSS, S. 231 f.<br />

1171 Dies ist jedenfalls auch <strong>der</strong> Wunsch <strong>der</strong> kleineren Emittenten.<br />

1172 Entscheid von SER vom 10.11.2011 (SER 2011-MP-II/11, SER 2011-CG-I/119), Rz. 31.<br />

1173 vgl. zum Organisationsversagen auch den vorangegangenen Abschnitt 3c.<br />

- 182 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

Kotierung im Haupttableau <strong>der</strong> Börse die Überschreitung einer Schwelle bedeutet <strong>und</strong> er von<br />

nun an nicht mehr wie ein Verantwortlicher eines KMU denken darf. Denn um die Konkurrenzfähigkeit<br />

des Finanzplatzes Schweiz zu erhalten, müssen bestimmte international anerkannte<br />

Standards eingehalten werden. 1174 Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> weisen auch Anwaltskanzleien<br />

ihre Klienten bei <strong>der</strong> Vorbereitung eines Börsenganges darauf hin, dass sie von nun an<br />

in einer an<strong>der</strong>en Welt leben <strong>und</strong> verschiedene Pflichten - wie die Investition in Investor-<br />

Relations, die Erstellung von Jahresberichten sowie das Treffen bestimmter organisatorischer<br />

Vorkehrungen - zwingend erfüllen müssen. Durch das Kriterium <strong>der</strong> Sanktionsempfindlichkeit<br />

1175 können überdies Grössenunterschiede bei Emittenten angemessen berücksichtigt werden:<br />

So wurde im Fall eines kleineren Emittenten die Sanktionsempfindlichkeit aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong><br />

negativen Ertragssituation <strong>der</strong> letzten Jahren als überdurchschnitttlich bewertet <strong>und</strong> die Busse<br />

entsprechend auf einen Bruchteil des Maximalbetrages (namentlich CHF 10‘000) festgesetzt.<br />

1176 Schliesslich haben – wie die Praxis zeigt - längst nicht alle kleinen Emittenten grosse<br />

Probleme, son<strong>der</strong>n die Mehrheit erfüllt - teilweise mit Hilfe von externen Beratern - mühelos<br />

ihre Pflichten.<br />

Nichtsdestotrotz ist es denkbar, dass eine kleinere Gesellschaft die Erfüllung <strong>der</strong> Börsenpflichten<br />

als zu grossen Stress empfindet <strong>und</strong> daher eine Dekotierung beschliesst. Hier ist aber<br />

in Erwägung zu ziehen, dass ein vollständiger Rückzug von <strong>der</strong> <strong>SIX</strong> eine Aufhebung <strong>der</strong> Unterstellung<br />

einer Gesellschaft unter das Recht <strong>der</strong> Publikums-AG <strong>und</strong> damit eine Befreiung<br />

von den strengen Transparenz- <strong>und</strong> Offenlegungsvorschriften bedeutet. 1177 Dies kann insbeson<strong>der</strong>e<br />

für Min<strong>der</strong>heitsaktionäre mit gewichtigen Nachteilen verb<strong>und</strong>en sein. 1178 Darüber<br />

hinaus entfällt die Liquiditätsprämie, die börsenkotierten Unternehmen regelmässig zukommt.<br />

Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> bietet die Berner Börse für KMUs, die nicht imstande sind, die Anfor<strong>der</strong>ungen<br />

<strong>der</strong> <strong>SIX</strong> zu erfüllen, eine gute Alternative. Denn diese börsenähnliche Einrichtung<br />

geht nach eigenen Angaben vorwiegend auf die Bedürfnisse des nationalen Finanzplatzes<br />

im Bereich <strong>der</strong> kleineren <strong>und</strong> mittleren Unternehmen (KMU) ein <strong>und</strong> erlässt auf KMU-<br />

Bedürfnisse zugeschnittene Reglemente <strong>und</strong> Verordnungen. 1179 Auf diese Weise wird wachstumsorientierten<br />

KMUs ermöglicht, das nötige Kapitel für weitere Expansionen zu akquirie-<br />

1174 So dürfen bspw. gemäss IFRS keine stillen Reserven gebildet werden, was teilweise bei Schweizer Unternehmern<br />

auf Kritik stösst. Vgl. auch die Ausführungen zur Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer Finanzplatzes in<br />

Abschnitt C.1b sowie zur demokratischen Abstützung von Regularien in Abschnitt E.2a.<br />

1175 vgl. die Ausführungen in Abschnitt 3e.<br />

1176 Entscheid von SER vom 10.11.2011 (SER 2011-MP-II/11, SER 2011-CG-I/11), Rz. 76, 81.<br />

1177 RUFFNER/KOHLIK, S. 630.<br />

1178 Nicht zuletzt deswegen kam es auch zur Klage eines Aktionärs gegen den Dekotierungsentscheid <strong>der</strong> Bergbahnen<br />

Lenzerheide AG; vgl. dazu auch die Ausführungen in Kap. II Abschnitt D.<br />

1179 vgl.: http://www.berne-x.com/de/about.<br />

- 183 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

ren, ohne durch für sie zu strenge Auflagen behin<strong>der</strong>t zu werden. Gleichzeitig wird jedoch <strong>der</strong><br />

Anlegerschutz durch gewisse Transparenzanfor<strong>der</strong>ungen weiterhin gewährleistet.<br />

3. Strafzumessung<br />

Bei <strong>der</strong> Strafzumessung gilt generell: Die Strafe muss verhältnismässig sein, sie muss ein<br />

Höchstmass an Gleichheit gewährleisten, <strong>und</strong> sie muss transparent <strong>und</strong> überzeugend begründet<br />

sein. 1180 Für das Unternehmensstrafrecht wurde daher die allgemeine Regel aufgestellt,<br />

dass das Gericht vom objektiven Erscheinungsbild <strong>der</strong> Tat (Schwere <strong>der</strong> Tat bzw. Schwere<br />

des angerichteten Schadens) <strong>und</strong> dem Verschulden (Schwere des Organisationsmangels) auszugehen<br />

hat <strong>und</strong> dann die Strafe anhand <strong>der</strong> Verhältnisse des Sanktionssubjekts (wirtschaftliche<br />

Leistungsfähigkeit des Unternehmens) relativieren muss. 1181 Aufgr<strong>und</strong> ihrer Einfachheit<br />

<strong>und</strong> Plausibilität wurde die Bemessungsregel sodann von vielen Selbstregulierungsorganisationen<br />

übernommen 1182 So hat auch die <strong>SIX</strong> festgelegt, dass bei <strong>der</strong> Festsetzung <strong>der</strong> Sanktion<br />

sowohl für die Emittenten als auch für die Teilnehmer/Händler die Schwere des Verstosses<br />

<strong>und</strong> des Verschuldens berücksichtigt wird. 1183 Bei den Emittenten wird zusätzlich auch die<br />

Sanktionsempfindlichkeit des Betroffenen in Betracht gezogen, während bei den Teilnehmern/Händlern<br />

explizit die Beachtung früherer Sanktionen im Reglement verankert ist. Diese<br />

Regelung ist jedoch nicht unumstritten: In <strong>der</strong> Lehre wurden teilweise Bedenken geäussert, ob<br />

eine nicht auf Rechtsfragen spezialisierte Selbstregulierungsinstanz überhaupt zu solch komplexen<br />

rechtlichen Beurteilungen fähig ist. 1184<br />

a) Schwere des Verstosses<br />

Dem Gewicht <strong>der</strong> in Frage stehenden Rechtsgutverletzung ist als Unterelement <strong>der</strong> Art <strong>der</strong> in<br />

Frage stehenden Rechtsgutverletzung beson<strong>der</strong>e Bedeutung zuzumessen. 1185 Das ergibt sich<br />

auch bereits aus dem Verhältnismässigkeitsprinzip als Bestandteil des verfassungsmässig geschützten<br />

Willkürverbots: Demgemäss müssen Strafen in einem angemessenen Verhältnis zu<br />

Art <strong>und</strong> Schwere <strong>der</strong> Pflichtwidrigkeit stehen. 1186 In diesem Sinne berücksichtigt die <strong>SIX</strong> bei<br />

<strong>der</strong> Beurteilung <strong>der</strong> Schwere des Verstosses vor allem die Bedeutung <strong>der</strong> verletzten Informa-<br />

1180 zu den allgemeinen Voraussetzungen vgl. TRECHSEL/AFFOLTER-EIJSTEIN, S. 250.<br />

1181 PIETH, Verantwortung, S. 367.<br />

1182 vgl. DE CAPITANI, S. 1159 mit weiteren Beispielen.<br />

1183 Art. 61 Abs. 2 KR; Ziff. 19 Abs. 2 Händlerreglement.<br />

1184 KÖNDGEN, S. 814; WIEGAND, S. 166 ff.<br />

1185 FORSTER, S. 268.<br />

1186 BODMER, S. 101.<br />

- 184 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

tionspflicht für die erklärten Ziele <strong>der</strong> Transparenz <strong>und</strong> <strong>der</strong> Chancengleichheit <strong>der</strong> Investoren<br />

<strong>und</strong> hat zur besseren Beurteilung <strong>der</strong> Schwere des Verstosses eine Bewertungsskala eingerichtet.<br />

Bei Vorliegen mehrerer Regelverstösse fliessen die verschiedenen Zuwi<strong>der</strong>handlungen in<br />

eine Gesamtsanktion ein. 1187<br />

aa) Emittenten<br />

Von einer schweren Verletzung ist demnach bei den Verstössen gegen die Emittentenpflichten<br />

immer dann auszugehen, wenn wesentliche Elemente zur Beurteilung des Unternehmens<br />

inkorrekt o<strong>der</strong> gar nicht wie<strong>der</strong>gegeben werden <strong>und</strong> deswegen bei Anlegern <strong>und</strong> Aktionären<br />

ein falsches o<strong>der</strong> unvollständiges Bild entsteht. Bei den wesentlichen Elementen handelt es<br />

sich zum einen um zentrale Grössen <strong>der</strong> finanziellen Berichterstattung (<strong>der</strong> Jahresabschluss<br />

wird z.B. als eines <strong>der</strong> zentralen Elemente zur Beurteilung <strong>der</strong> Ertrags-, Vermögens- <strong>und</strong> Finanzlage<br />

sowie <strong>der</strong> Aussichten einer Gesellschaft betrachtet), zum an<strong>der</strong>en sind aber auch die<br />

zwingenden Angaben zur Corporate Governance 1188 sowie die fristgerechte Meldung <strong>der</strong> Management-Transaktionen<br />

relevant. In diesem Sinn erachtet die <strong>SIX</strong> z.B. eine fehlerhafte Bewertung<br />

von einem wesentlichen Aktivum, die zu einer falschen Information <strong>der</strong> Min<strong>der</strong>heitsbzw.<br />

Publikumsaktionäre geführt hat, als eine schwere Verletzung <strong>der</strong> IFRS <strong>und</strong> damit von<br />

Art. 66 KR. 1189 Das Weglassen einer entscheidenden Tatsache in einer Medienmitteilung,<br />

wodurch die wirtschaftliche Situation <strong>der</strong> Gesellschaft verschleiert wird, stellt immerhin noch<br />

eine mittelschwere Verletzung dar. 1190 Wenn hingegen eine nicht fristgerecht publizierte Information<br />

nur wenig auswertbares Wissen enthält <strong>und</strong> somit zu keiner signifikanten Ungleichbehandlung<br />

bestimmter Anspruchsgruppen führt, ist nur von einer leichten Verletzung<br />

o<strong>der</strong> gar einem leichten Versehen auszugehen. 1191 Schliesslich leitet die <strong>SIX</strong> die Schwere einer<br />

Verletzung von <strong>der</strong> Dauer des Verstosses gegen Börsenpflichten ab – d.h. z.B. wie lange<br />

<strong>der</strong> Emittent seiner Meldepflicht nicht nachkommt <strong>und</strong> in <strong>der</strong> Folge das Handelssystem mit<br />

falschen Angaben arbeitet. 1192<br />

1187 Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission vom 8.12.2011 (SaKo 2011-AHP-I/11, SaKo 2011-CG-I/11), Rz. 36.<br />

1188 Dabei handelt es sich nach Meinung <strong>der</strong> <strong>SIX</strong>-Rechtsprechungsorgane um jene Informationen, bei denen in<br />

Abweichung vom Gr<strong>und</strong>satz „comply or explain“ nur „comply“ gilt; so z.B. Entscheid des Ausschusses <strong>der</strong><br />

Zulassungsstelle vom 23.11.2006 (ZUL/CG/I/06), Rz. 43.<br />

1189 Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission vom 25.3.2009 (SaKo-RLE II/08 – SaKo-AHP I/08), Rz. 11.<br />

1190 Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission vom 25.3.2009 (SaKo-RLE II/08 – SaKo-AHP I/08), Rz. 12.<br />

1191 Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission vom 18.12.2009 (SaKo 2009 - MT III/09, SaKo 2009 - MP I/09, SaKo<br />

2009 - AHP III/09), Rz. 12.<br />

1192 Entscheid von SER vom 10.11.2011 (SER 2011-MP-II/11, SER 2011-CG-I/11), Rz. 68.<br />

- 185 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

bb) Teilnehmer/Händler<br />

Auch bei <strong>der</strong> Sanktionierung <strong>der</strong> Teilnehmer/Händler steht die Gewährleistung eines transparenten<br />

<strong>und</strong> fairen Marktes im Vor<strong>der</strong>gr<strong>und</strong>: Aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> beson<strong>der</strong>en Vertrauensstellung <strong>der</strong><br />

Finanzintermediäre 1193 kommt <strong>der</strong> Einhaltung <strong>der</strong> sog. Wohlverhaltensregeln im Interesse des<br />

gesamten Finanzmarktes eine hohe Bedeutung zu, <strong>und</strong> die systematische Nichtbefolgung einer<br />

Regel über einen längeren Zeitraum stellt daher zu Recht eine schwere Verletzung dar. 1194<br />

Denn wenn z.B. ein Teilnehmer nicht verhin<strong>der</strong>t, dass mehrere Mitarbeiter, die die Händlerprüfung<br />

nicht erfolgreich absolviert haben, wie<strong>der</strong>holt die Identifizierungsnummern an<strong>der</strong>er<br />

registrierter Händler verwenden, so stellt dies meiner Meinung nach eine bedeutende Missachtung<br />

des entgegengebrachten Vertrauens seitens <strong>der</strong> Anleger dar <strong>und</strong> wurde daher richtigerweise<br />

mit einer Busse von CHF 20‘000 bestraft. 1195<br />

Darüber hinaus wird in die Bewertung einbezogen, inwieweit tatsächlich ein falscher o<strong>der</strong><br />

irreführen<strong>der</strong> Eindruck bei an<strong>der</strong>en Marktteilnehmern erweckt wurde: Wenn jedoch ein erheblich<br />

vom Marktpreis abweichen<strong>der</strong> Abschluss leicht aufgedeckt <strong>und</strong> für ungültig erklärt<br />

werden konnte <strong>und</strong> somit für die Marktintergrität ohne Folgen blieb, wird dies nur als leichter<br />

Verstoss gewertet. 1196 In diesem Sinne werden auch reine Missachtungen <strong>der</strong> Regeln bezüglich<br />

<strong>der</strong> Händlerregistrierung, die aber folgenlos geblieben sind, generell nicht als schwerwiegend<br />

beurteilt. 1197 Im Fall eines Teilnehmers, dessen Händler bei <strong>der</strong> Nicht-Einhaltung <strong>der</strong><br />

15-Sek<strong>und</strong>en-Frist beteiligt war, wurde sogar auf eine Sanktionierung verzichtet, da <strong>der</strong><br />

Verstoss nicht schwerwiegend war (statt <strong>der</strong> erfor<strong>der</strong>lichen 15 Sek<strong>und</strong>en wurde nur acht Sek<strong>und</strong>en<br />

gewartet) <strong>und</strong> darüber hinaus keine Anzeichen bestanden, dass beim Teilnehmer zu<br />

wenig Vorkehrungen getroffen wurden, welche für die Verhin<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Nichteinhaltung <strong>der</strong><br />

15-Sek<strong>und</strong>en-Frist erfor<strong>der</strong>lich <strong>und</strong> organisatorisch zumutbar sind. 1198<br />

cc)<br />

Ergebnis<br />

1193 vgl. die Ausführungen in Abschnitt D.<br />

1194 Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission vom 4.7.2011, Verletzung <strong>der</strong> Vorschriften zur Teilnehmerrevision, Rz.<br />

6; Entscheid <strong>der</strong> Disziplinarkommission vom 30.9.2005.<br />

1195 Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission vom 3.7.2009, Verletzung <strong>der</strong> Registrierungspflicht für die Benutzung<br />

des Börsensystems, Rz. 10.<br />

1196 vgl. z.B.: Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission vom 3.11.2011, Verletzung <strong>der</strong> Marktintegrität, Rz. 20; Entscheid<br />

<strong>der</strong> Sanktionskommission vom 19.4.2010, Verantwortlichkeit des Teilnehmers für das Or<strong>der</strong>-<br />

Routingsystem, Rz. 14.<br />

1197 vgl. z.B.: Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission vom 8.3.2010, Verletzung <strong>der</strong> Registrierungspflicht für die<br />

Benutzung des Börsensystems, Rz. 7; Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission vom 23.3.2008, Nichtführen eines<br />

Log-Buches, Rz. 4.<br />

1198 Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission vom 6.2.2009, Verzicht auf eine Sanktion.<br />

- 186 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

Die Berücksichtigung <strong>der</strong> Auswirkungen eines Regelverstosses ist m.E. nicht nur ein sinnvolles,<br />

son<strong>der</strong>n auch ein notwendiges Strafzumessungskriterium; die Sanktionierung ist schliesslich<br />

kein Selbstzweck, vielmehr steht die Verwirklichung eines transparenten <strong>und</strong> fairen Kapitalmarktes<br />

im Vor<strong>der</strong>gr<strong>und</strong>. Dies ist unbestritten, <strong>und</strong> die Beachtung <strong>der</strong> Schwere des<br />

Verstosses wird auch von keiner Seite beanstandet. Kritisiert wurde in den Emittentengesprächen<br />

vielmehr, dass die <strong>SIX</strong> jede Unterlassung <strong>der</strong> vorgeschriebenen Informationspflichten<br />

sanktioniere, unabhängig davon, ob die Marktteilnehmer einen schweren Nachteil erlitten<br />

hätten o<strong>der</strong> <strong>der</strong> ordnungsgemässe Börsenhandel tatsächlich zeitweilig gefährdet war. Ich denke<br />

diese Praxis des Abstellens auf abstrakte Tatbestandskategorien lässt sich jedoch aufgr<strong>und</strong><br />

<strong>der</strong> grossen Bedeutung <strong>der</strong> zu schützenden Ziele rechtfertigen <strong>und</strong> <strong>der</strong> <strong>SIX</strong> ist meiner Meinung<br />

nach gr<strong>und</strong>sätzlich zuzustimmen, dass durch die Zuwi<strong>der</strong>handlungen regelmässig die<br />

Möglichkeit <strong>der</strong> Verletzung des zu schützenden Rechtsguts erhöht wird. 1199 Mit <strong>der</strong> Berücksichtigung<br />

des Gefährdungspotentials folgt die Börse darüber hinaus gr<strong>und</strong>sätzlich <strong>der</strong> Praxis<br />

des B<strong>und</strong>esgerichts bei <strong>der</strong> Strafbemessung: Auch hier ist ein Element bei <strong>der</strong> Bestimmung<br />

<strong>der</strong> Tatschwere das Ausmass <strong>der</strong> herbeigeführten Gefährdung bzw. das Risikopotential <strong>der</strong><br />

fraglichen Verhaltensweise. 1200 So hat das B<strong>und</strong>esgericht bspw. bei <strong>der</strong> Verletzung von Strassenverkehrsvorschriften<br />

das Mass <strong>der</strong> Gefährdung berücksichtigt. 1201 Bei dem zu schützenden<br />

öffentlichen Interesse handelt es sich um ein Polizeigut: die Gewährleistung von Treu <strong>und</strong><br />

Glauben im Geschäftsverkehr. 1202 Ein Vergleich mit an<strong>der</strong>en Polizeigütern - wie <strong>der</strong> Sicherheit<br />

im Strassenverkehr - ist nicht falsch <strong>und</strong> es ist meiner Meinung nach daher gerechtfertigt,<br />

dem Emittenten die Verwerflichkeit seines Handelns vor Augen zu führen. Deswegen geht die<br />

Sanktionskommission m.E. auch zu Recht davon aus, dass eine Nicht-Ergreifung geeigneter<br />

Massnahmen zur Verhin<strong>der</strong>ung des Zugriffs nicht-registrierter Händler auf die Börsensysteme<br />

nicht <strong>der</strong>art geringfügig ist, dass sie ohne Sanktionsmassnahme erledigt werden könnte. 1203<br />

Auch wenn es im konkreten Fall zu keiner Marktbeeinträchtigung gekommen ist, so beinhaltet<br />

<strong>der</strong> Einsatz nicht-registrierter – <strong>und</strong> damit wohl auch nicht bewilligter – Händler immer<br />

eine Gefährdung des Marktvertrauens 1204 . Ein Verzicht auf die Sanktionierung würde dieses<br />

Risiko zu wenig berücksichtigen <strong>und</strong> überdies falsche Signale aussenden.<br />

1199 Entscheid des Ausschusses <strong>der</strong> Zulassungsstelle vom 23.3.2005 (ZUL/AHP/I/05), Rz. 19.<br />

1200 WIPRÄCHTIGER, S. 846.<br />

1201 BGE 104 IV 35, 37.<br />

1202 vgl. RUFFNER, Entwurf, S. 70.<br />

1203 Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission vom 19.4.2010, Verantwortlichkeit des Teilnehmers für das Or<strong>der</strong>-<br />

Routingsystem, Rz. 14.<br />

1204 vgl. dazu die Ausführungen in Abschnitt D.1a.<br />

- 187 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

Im Weiteren wurde in den Emittenteninterviews gerügt, die <strong>SIX</strong> unterscheide nicht, ob bspw.<br />

eine "nice-to-know"-Information verspätet o<strong>der</strong> eine essentielle Angabe gar nicht geliefert<br />

würde. Diese Klage halte ich für nicht berechtigt: Denn wie in den Abschnitten aa) <strong>und</strong> bb)<br />

dargelegt, werden durchaus Abstufungen vorgenommen, um den Unterschieden in den<br />

Rechtsgutverletzungen gerecht zu werden. So wurden bereits in <strong>der</strong> Vergangenheit Verweise<br />

als mildeste Sanktion verhängt, wenn kein Schaden entstanden war <strong>und</strong> obendrein bereits<br />

Massnahmen zur zukünftigen Vermeidung des Problems ergriffen wurden. In ganz leichten<br />

Fällen, in denen erfahrene <strong>und</strong> bewährte Händler einmalig <strong>und</strong> in nicht schwerwiegen<strong>der</strong><br />

Weise gegen die Vorschriften verstossen haben, wird sogar von einer Bestrafung abgesehen.<br />

1205<br />

Für die Sanktionierung von Emittenten existiert meiner Meinung nach durch die neu eingeführte<br />

Vorstufe <strong>der</strong> Mahnung 1206 eine weitere gute Lösung, mit <strong>der</strong> abstrakte Gefährdungspotentiale<br />

gerügt werden können, ohne dass sofort sanktioniert werden muss.<br />

b) Strafverschärfungs- bzw. -mil<strong>der</strong>ungsgründe<br />

Das Unternehmensstrafrecht allgemein <strong>und</strong> das Börsenstrafrecht im Beson<strong>der</strong>en dient weniger<br />

<strong>der</strong> Bestrafung von Fehlverhalten als vielmehr <strong>der</strong> Erziehung <strong>der</strong> Unternehmen zu besserem<br />

Verhalten. 1207 Deswegen ist das sog. "Nachtatverhalten" unbedingt bei <strong>der</strong> Strafzumessung zu<br />

berücksichtigen: So sind organisatorische Besserungsbemühungen (insbeson<strong>der</strong>e glaubwürdige<br />

Reorganisationsbestrebungen o<strong>der</strong> die Implementierung verbesserter Verhaltensrichtlinien<br />

<strong>und</strong> Sicherheitsvorschriften) sowie die (freiwillige) Beteiligung an Wie<strong>der</strong>gutmachungsbemühungen<br />

unbedingt strafmin<strong>der</strong>nd zu berücksichtigen, während das unverän<strong>der</strong>te Fortführen<br />

<strong>der</strong> inkriminierten Geschäftspraktiken <strong>und</strong> –strukturen zu einer Straferhöhung führen<br />

muss. 1208 Diese Erkenntnis wird auch bei <strong>der</strong> Börse berücksichtigt: So wurde es z.B. als erheblich<br />

strafmil<strong>der</strong>nd bewertet, dass eine Gesellschaft von sich aus eine berichtigte Konzernrechnung<br />

veröffentlichte. 1209 Ebenso wird bei Teilnehmern die Einführung besserer interner<br />

Kontrollmassnahmen, mit denen regelwidriges Verhalten <strong>der</strong> Händler verhin<strong>der</strong>t werden<br />

kann, strafmil<strong>der</strong>nd berücksichtigt. 1210<br />

1205 Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission vom 6.2.2009, Verzicht auf eine Sanktion.<br />

1206 vgl. Abschnitt B.8.<br />

1207 PIETH, Verantwortung, S. 367, spricht in diesem Zusammenhang auch von <strong>der</strong> prospektiven Ausrichtung des<br />

Unternehmensstrafrechts.<br />

1208 gl. M. FORSTER, S. 269.<br />

1209 Entscheid <strong>der</strong> Zulassungsstelle vom 16.2.2007 (ZUL/RLE/III/06), Rz. 106.<br />

1210 Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission vom 3.11.2011, Verletzung <strong>der</strong> Marktintegrität, Rz. 21.<br />

- 188 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite spricht die <strong>SIX</strong> bei wie<strong>der</strong>holten Regelverletzungen höhere Strafen<br />

aus. 1211 Die härtere Bestrafung von "Wie<strong>der</strong>holungstätern" sowie die nachsichtige Behandlung<br />

von "Besserungswilligen" ist m.E. richtig <strong>und</strong> zielführend; es geht darum, die Regulierten<br />

zu einem transparenzför<strong>der</strong>nden Verhalten zu motivieren. 1212 Unternehmen, die im Anschluss<br />

an einen Verstoss eine wirksame Compliance-Organisation errichten, zeigen dadurch,<br />

dass sie sich ihrer Verantwortung als Sammelbecken für Insi<strong>der</strong>wissen <strong>und</strong> Interessenkonflikte<br />

gegenüber den Anlegern <strong>und</strong> K<strong>und</strong>en bewusst sind 1213 , während Emittenten, die die zu ziehenden<br />

Lehren wie<strong>der</strong> "vergessen" <strong>und</strong> z.B. die Schwellenwerte bei den Management-<br />

Transaktionen erneut missachten, zweimal die gleiche Tatsache als nicht kursrelevant betrachten<br />

o<strong>der</strong> lange versäumte Meldungen nicht aus eigener Initiative, son<strong>der</strong>n erst nach wie<strong>der</strong>holter<br />

Auffor<strong>der</strong>ung durch SER, nachholen 1214 , zum Ausdruck bringen, dass sie die Nichteinhaltung<br />

regulatorischer Vorgaben für ein "Kavaliersdelikt" halten, was es nicht ist. 1215<br />

Auch bei den Teilnehmern ist eine Verschärfung <strong>der</strong> Sanktion gerechtfertigt, wenn Unregelmässigkeiten<br />

mehrfach <strong>und</strong> über mehrere Jahre vorkommen, was darauf schliessen lässt, dass<br />

es keine hinreichende regelmässige Kontrolle <strong>der</strong> Einhaltung <strong>der</strong> Börsen-Regeln gibt. 1216<br />

Denn das Hauptinteresse eines Händlers besteht darin, ein Geschäft möglichst gewinnbringend<br />

abzuschliessen <strong>und</strong> eine möglichst hohe Provision zu kassieren. 1217 Eine Sanktionierung<br />

wäre daher schnell vergessen <strong>und</strong> ihre Abschreckungswirkung gering, wenn sie nicht bei einem<br />

erneuten Verstoss zu einer spürbaren Strafverschärfung führen würde. 1218 Die implizite<br />

Androhung einer höheren Strafe im Wie<strong>der</strong>holungsfall stellt einen geeigneten Anreiz für die<br />

Unternehmen dar, um in Zukunft die notwendigen Massnahmen zu ergreifen. Kooperatives<br />

Verhalten sowie die Einleitung <strong>der</strong> erfor<strong>der</strong>lichen organisatorischen Massnahmen zur künfti-<br />

1211 für Emittenten: Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission vom 18.12.2009 (SaKo 2009 - MT III/09, SaKo 2009 -<br />

MP I/09, SaKo 2009 - AHP III/099, Rz. 14; für Teilnehmer: Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission vom<br />

3.11.2011, Verletzung <strong>der</strong> Marktintegrität, Rz. 22.<br />

1212 vgl. dazu auch COFFEE, S. 413 ff., <strong>der</strong> ebenfalls davon ausgeht, dass die Berücksichtigung des Verhaltens des<br />

Unternehmens im Anschluss an die Deliktaufdeckung bei <strong>der</strong> Strafzumessung ein Anreiz für das Unternehmen<br />

sein kann, entsprechende vorbildliche organisatorische Massnahmen zu ergreifen.<br />

1213 Diese von SCHMIDT, S. 97, für Finanzinstitute aufgestellte These kann m.E. auf alle Unternehmen ausgeweitet<br />

werden.<br />

1214 Entscheid von SER vom 10.11.2011 (SER 2011-MP-II/11, SER 2011-CG-I/11), Rz. 62.<br />

1215 gl. M.: WEBER, Verantwortlichkeit, S. 144.<br />

1216 vgl. z.B. Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission vom 19.9.2007, Verletzung <strong>der</strong> Registrierungspflicht für die<br />

Benutzung des Börsensystems, Rz. 3.<br />

1217 Dies wurde auch von den Experten sowie den Teilnehmer-Vertretern bestätigt.<br />

1218 In diesem Sinne verhängte die Sanktionskommission auch im Entscheid vom 30.12.2008, Verletzung <strong>der</strong><br />

Vorschriften betreffend Meldung von ausserbörslichen Abschlüssen, eine empfindlich hohe Busse von CHF<br />

100‘000 mit <strong>der</strong> Begründung, die vorherige Sanktion scheine den Teilnehmer nicht veranlasst zu haben, <strong>der</strong><br />

Einhaltung aller Vorschriften <strong>der</strong> <strong>SIX</strong> Swiss Exchange ausreichend Beachtung zu schenken .<br />

- 189 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

gen Vermeidung des Problems muss dann jedoch entsprechend belohnt (= d.h. strafmil<strong>der</strong>nd<br />

berücksichtigt) werden. 1219<br />

c) Verschulden - Emittenten<br />

aa) Organisationsdefizit als Verschuldensmassstab<br />

Die Beurteilung des Verschuldens eines Emittenten wird in <strong>der</strong> Lehre teilweise als heikel betrachtet<br />

1220 : Es stelle sich die Frage, welche rechtlichen Massstäbe o<strong>der</strong> Kategorien dabei anzuwenden<br />

seien.<br />

Meines Erachtens ist diese Frage aber gar nicht so schwer zu beantworten: Es sollte - wie dies<br />

bei <strong>der</strong> Börse auch gemacht wird - auf den im Unternehmensstrafrecht üblichen Verschuldensbegriff<br />

abgestellt werden. Der Schweizer Gesetzgeber hat sich bei <strong>der</strong> Ausgestaltung des<br />

Art. 102 StGB für ein Haftungskonzept entschieden, welches das "Organisationsverschulden"<br />

in den Vor<strong>der</strong>gr<strong>und</strong> stellt. Da sich ein Unternehmen nicht in dem Sinne schuldig machen kann<br />

wie eine natürliche Person 1221 , wird <strong>der</strong> Nachweis <strong>der</strong> individuellen Schuld durch den Nachweis<br />

des Organisationsversagens als Schuld „sui generis“ ersetzt. 1222 Das Unternehmen muss<br />

nicht in erster Linie für das durch einen Individualtäter verwirklichte Unrecht einstehen, son<strong>der</strong>n<br />

haftet für das durch die mangelhafte Organisation bewirkte originäre Verbandsunrecht.<br />

1223 Sein originäres Verschulden gründet auf einem Versagen <strong>der</strong> innerbetrieblichen<br />

Kontroll- <strong>und</strong> Organisationspflichten, welche die Tatbegehung unterstützt o<strong>der</strong> zumindest<br />

nicht verhin<strong>der</strong>t haben. 1224<br />

In diesem Sinne berufen sich auch die Rechtsprechungsinstanzen <strong>der</strong> Börsen in ihren Urteilsbegründungen<br />

zumeist auf Mängel in <strong>der</strong> Organisation 1225 : Demzufolge wird eine Gesellschaft<br />

sanktioniert, wenn ihr vorzuwerfen ist, dass sie nicht den Durchschnittsstandard von<br />

1219 An Beispielen für diese angemessene „Belohnung“ von reumütigem Verhalten lassen sich einige finden: z.B.<br />

Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission vom 4.7.2011, Verletzung <strong>der</strong> Vorschriften zur Teilnehmerrevision, Rz. 8;<br />

Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission vom 10.6.2011, Verletzung <strong>der</strong> Registrierungspflicht für die Benutzung des<br />

Börsensystems, Rz. 7; Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission vom 31.1.2008, Verletzung <strong>der</strong> Registrierungspflicht<br />

für die Benutzung des Börsensystems (II), Rz. 5.<br />

1220 WIEGAND, S. 166.<br />

1221 ACHENBACH, Ahnende Sanktionen, S. 302, spricht in diesem Zusammenhang von einer unangemessenen<br />

"Gleichbehandlung wesentlich ungleicher Sachverhalte."<br />

1222 RYSER, S. 45<br />

1223 FORSTER, S. 74; PIETH, Verantwortung, S. 363.<br />

1224 BERTOSSA, S. 55.<br />

1225 statt vieler: Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission vom 11. September 2009 (SaKo/MT/II/09), Rz. 8; Entscheid<br />

von SER vom 19. Mai 2009 (SER-MT I/09), Rz. 56; Entscheid <strong>der</strong> Disziplinarkommission vom 26.4.2006<br />

(DK/CG/I/06), Rz. 13.<br />

- 190 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

Sorgsamkeit <strong>und</strong> Aufmerksamkeit aufgebracht hat. 1226 Konkret bedeutet dies, dass von Unternehmen,<br />

die sich an <strong>der</strong> Börse kotieren, verlangt wird, dass sie durch klare Prozesse, verständliche<br />

Weisungen sowie interne Schulungen sicherstellen, dass die zuständigen Personen<br />

die einschlägigen Regeln kennen <strong>und</strong> somit den Emittentenpflichten je<strong>der</strong>zeit nachkommen<br />

können. Eine Sanktion wird ausgesprochen, wenn ein Emittent nachweislich nicht alle erfor<strong>der</strong>lichen<br />

<strong>und</strong> zumutbaren organisatorischen Vorkehrungen getroffen hat, um eine Verletzung<br />

des Kotierungsreglements zu verhin<strong>der</strong>n. 1227 Mit dieser Regelung knüpft die <strong>SIX</strong> an ein Konzept<br />

an, das sich in Lehre <strong>und</strong> Praxis unter dem Namen Compliance etabliert hat. Der Begriff<br />

stammt ursprünglich aus <strong>der</strong> englischen Bankensprache <strong>und</strong> bedeutet: Verhalten in Übereinstimmung<br />

mit geltenden Regeln. 1228 Seit seiner Entstehung in den 1990er Jahren hat das Organisationsprinzip<br />

längst über die Bankenwelt hinaus an Relevanz gewonnen <strong>und</strong> ist m.E.<br />

trotz des von Beginn an stark insi<strong>der</strong>rechtlichen Bezugs 1229 generell auf die Befolgung externer<br />

Vorschriften zur Erfüllung <strong>der</strong> (börsenrechtlichen) Pflichten anwendbar. Compliance-<br />

Konzepte dienen dazu, durch Aufklärung <strong>der</strong> Mitarbeiter über ihre Pflichten sowie eine institutionalisierte<br />

Aufsicht Pflicht- <strong>und</strong> Gesetzesverletzungen von Mitarbeitern zu vermeiden. 1230<br />

Daher umfassen sie ein breites Spektrum von unternehmensinternen Massnahmen, die "vom<br />

schlichten Appell an das gute Gewissen <strong>und</strong> das ethische Bewusstsein bis zur umfassenden<br />

Kontrolle <strong>und</strong> gar einem vollständigen Verbot von Mitarbeitergeschäften reichen" 1231 können<br />

1232 . Eine zentrale Bedeutung wird <strong>der</strong> Information <strong>und</strong> Instruktion <strong>der</strong> Mitarbeiter zugemessen,<br />

da auf diese Weise Verstössen vorgebeugt werden kann. 1233 Vor diesem Hintergr<strong>und</strong><br />

verhängt SER zu Recht Sanktionen, wenn z.B. elementare Regelkenntnisse bezüglich <strong>der</strong> Offenlegung<br />

von Management Transaktionen im Unternehmen fehlen. 1234 Gr<strong>und</strong>sätzlich verpflichtet<br />

Art. 56 KR die Emittenten, die Organisation <strong>und</strong> die internen Abläufe so zu gestalten,<br />

dass bei ihnen eingehende Meldungen über Management-Transaktionen innert Frist über<br />

die elektronische Meldeplattform an <strong>SIX</strong> Exchange Regulation weitergeleitet werden. 1235 Im<br />

Weiteren ist ein Unternehmen verpflichtet, den Mitarbeitern die relevanten Normen zur<br />

1226 vgl. z.B. Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission vom 8.12.2011 (SaKo 2011-AHP-I/11, SaKo 2011-CG-I/11),<br />

Rz. 32.<br />

1227 statt vieler: Entscheid <strong>der</strong> Disziplinarkommission vom 28.11.2006 (DK/MT/V/06), Rz. 8; Entscheid <strong>der</strong><br />

Disziplinarkommission vom 26.4.2006 (DK/CG/I/06), Rz. 13.<br />

1228 EISELE, S. 1021.<br />

1229 vgl. FREYMOND/VOGT, S. 219.<br />

1230 BUFF, S. 19.<br />

1231 EISELE, S. 1023.<br />

1232 BUFF, S. 19, umschreibt das Compliance-Konzept in Anlehnung an den KRAFT FOODS EMPLOYEE's<br />

GUIDE als "designed to prevent violations of legal requirements".<br />

1233 EISELE, S. 1023; FREYMOND/VOGT, S. 222; ROTH, MONIKA, S. 139 ff.<br />

1234 <strong>SIX</strong> Exchange Regulation Sanktionsentscheid vom 19.5.2009 (SER-MT I/09), Rz. 62.<br />

1235 Entscheid von SER vom 1.11.2011 (SER-MT I/11), Rz. 46.<br />

- 191 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

Kenntnis zu bringen <strong>und</strong> <strong>der</strong>en ordnungsgemässe Anwendung ggf. durch entsprechende Schulungen<br />

sicherzustellen. 1236 Zudem ist zu gewährleisten, dass die börsenrechtlichen Bestimmungen<br />

auch bei Ausfällen <strong>und</strong> Wechseln eingehalten werden können. 1237<br />

Überdies ist die Praxis von SER, im Rahmen <strong>der</strong> Voruntersuchungen zunächst Fragen bezüglich<br />

<strong>der</strong> Organisation des Unternehmens zu stellen <strong>und</strong> bei nicht zufriedenstellen<strong>der</strong> Beantwortung<br />

auf einen Organisationsmangel zu schliessen, m.E. richtig. Wie sich in den Interviews<br />

gezeigt hat, hat sich die Sanktionierung von organisatorischen Schwächen auch insofern<br />

bewährt, als die sanktionierten Emittenten fast immer anführen, als Konsequenz Strukturen<br />

aufgebaut <strong>und</strong> klare Prozesse geschaffen zu haben. Die Wirkung <strong>der</strong> Sanktionierung als<br />

lehrreichem "Damokles-Schwert" ist daher nicht zu unterschätzen.<br />

bb) Bestrafung von Fahrlässigkeit<br />

Im Sanktionsverfahren <strong>der</strong> Börse wird explizit nicht nur vorsätzliches, son<strong>der</strong>n auch fahrlässiges<br />

Verhalten geahndet. 1238 Dies ist jedoch umstritten: Beschuldigte Unternehmen haben<br />

insbeson<strong>der</strong>e gefor<strong>der</strong>t, dass nur dort sanktioniert werden dürfe, wo klare Spielregeln vorsätzlich<br />

verletzt würden. 1239 Die <strong>SIX</strong> hat dem jedoch entgegengesetzt, dass das Selbstregulierungssystem<br />

<strong>der</strong> Börse faktisch nicht funktionieren würde, wenn eine Sanktionierung nur bei<br />

Vorsatz möglich wäre, da die Ordnung des Effektenmarktes davon ausgeht, dass ein funktionieren<strong>der</strong><br />

Markt auch nicht von bloss fahrlässigen Regelverletzungen gestört sein soll. Es sei<br />

daher gerade Zweck dieses Systems, fahrlässiges Handeln zu ahnden. 1240<br />

Zur Beurteilung des Verschuldensgrades stellt die Börse insbeson<strong>der</strong>e auf die Kenntnis o<strong>der</strong><br />

Erkennbarkeit des Risikos <strong>der</strong> Tatbestandsverwirklichung sowie die Schwere <strong>der</strong> Sorgfaltspflichtverletzung<br />

ab: Fahrlässig handelt <strong>der</strong> Emittent dementsprechend, wenn er die Folgen<br />

seines Verhaltens nicht bedacht o<strong>der</strong> nicht berücksichtigt hat, während Eventualvorsatz bedeutet,<br />

dass <strong>der</strong> Emittent den Eintritt des tatbestandsmässigen Erfolgs für ernsthaft möglich<br />

hält o<strong>der</strong> halten muss <strong>und</strong> ihn für den Fall seines Eintritts in Kauf nimmt. Von Vorsatz<br />

schliesslich wird dann gesprochen, wenn die Regelverletzung bewusst gewollt ist. Der Wille<br />

braucht sich dabei nur auf die Regelwidrigkeit zu beziehen; die Herbeiführung eines Schadens<br />

1236 RYSER, S. 118.<br />

1237 siehe auch Sanktionsentscheid vom 10.11.2011 (SER 2011-MP-II/11, SER 2011-CG-I/11), Rz. 30: Personelle<br />

Abwesenheiten <strong>und</strong> Wechsel stellen keine Rechtfertigung für die Nichteinhaltung von börslichen Meldepflichten<br />

resp. b<strong>und</strong>esrechtlichen Vorschriften dar.<br />

1238 Entscheid des Ausschusses <strong>der</strong> Zulassungsstelle vom 23.1.2007 (ZUL/AHP/IV/06), Rz. 39.<br />

1239 Entscheid <strong>der</strong> Disziplinarkommission vom 22.7.2002 (DK/AHP/II/02), Rz. 9.<br />

1240 Entscheid <strong>der</strong> Disziplinarkommission vom 22.7.2002 (DK/AHP/II/02), Rz. 10.<br />

- 192 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

muss nicht vom Emittenten gewollt sein. 1241 Mit dieser Auslegung knüpft die Börse an die in<br />

Lehre <strong>und</strong> Rechtsprechung entwickelte Definition von Fahrlässigkeit an: Voraussetzung für<br />

die Begehung eines Fahrlässigkeitsdelikts ist demzufolge die Verletzung einer Sorgfaltspflicht<br />

durch den Täter. 1242 Das B<strong>und</strong>esgericht betrachtet eine sorgfaltswidrige Handlung für gegeben,<br />

wenn <strong>der</strong> Täter "zum Zeitpunkt <strong>der</strong> Tat aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> Umstände sowie seiner Kenntnisse<br />

<strong>und</strong> Fähigkeiten die damit bewirkte Gefährdung <strong>der</strong> Rechtsgüter des Opfers hätte erkennen<br />

können <strong>und</strong> müssen <strong>und</strong> wenn er zugleich die Grenzen des erlaubten Risikos überschritt. Wo<br />

beson<strong>der</strong>e Normen ein bestimmtes Verhalten gebieten, bestimmt sich das Mass <strong>der</strong> dabei zu<br />

beachtenden Sorgfalt in erster Linie nach diesen Vorschriften" 1243 . Daraus ergibt sich, dass<br />

bei Tätigkeiten, die mit einem gewissen Risiko für fremde Rechtsgüter verb<strong>und</strong>en sind, jede<br />

unnötige Erhöhung <strong>der</strong> Gefahr zu vermeiden ist. 1244 Aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> dem Kapitalmarkt inhärenten<br />

Informationsasymmetrie besteht ein signifikantes Risiko, dass durch unterbliebene o<strong>der</strong><br />

verspätete Informationen die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes <strong>und</strong> <strong>der</strong> korrekten Preisbildung<br />

erheblich beeinträchtigt wird. Da so das Polizeigut Treu <strong>und</strong> Glauben im Geschäftsverkehr<br />

gefährdet wird, ist <strong>der</strong> Börse beizupflichten, dass es unerheblich ist, ob <strong>der</strong> Emittent<br />

bewusst gegen die Regeln verstossen hat o<strong>der</strong> ob er versehentlich bzw. wegen Unkenntnis <strong>der</strong><br />

relevanten Normen bzw. <strong>der</strong> einschlägigen Praxis eine Pflicht nicht erfüllt hat. Wie die Börse<br />

m.E. zu Recht hervorhebt, weist das Verfahren zwischen Börse <strong>und</strong> Emittent Züge auf, die<br />

dem Disziplinarverfahren ähnlich sind. 1245 Massnahmen in diesem Bereich sollen regelmässig<br />

bewirken, dass Personen, die unter <strong>der</strong> "Disziplinargewalt" stehen, ihre Pflichten erfüllen. 1246<br />

Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> ist es meiner Meinung nur richtig, wenn jegliches Fehlverhalten (also<br />

auch fahrlässiges) bestraft wird.<br />

Häufig ist es darüber hinaus schwierig, einem Unternehmen die bewusste Missachtung <strong>der</strong><br />

Regularien nachzuweisen. 1247 Eine nachlässigere Aufsicht, die u.a. aufgr<strong>und</strong> von Beweisschwierigkeiten<br />

weniger Verstösse ahnden würde, hätte aber zur Folge, dass die Emittenten,<br />

die in erster Linie Geld verdienen <strong>und</strong> daher so wenig Zeit wie möglich für an<strong>der</strong>e Dinge -<br />

wie das Lesen von Regularien - aufwenden wollen 1248 , sich nicht wirklich mit den Regeln<br />

1241 <strong>SIX</strong> Swiss Exchange AG Sanktionsbescheid vom 1.10.2008 (GBZ/RLE/IV/08), Rz. 22.<br />

1242 REHBERG/DONATSCH, S. 281.<br />

1243 BGE 121 IV 14.<br />

1244 REHBERG/DONATSCH, S. 288.<br />

1245 Entscheid <strong>der</strong> Disziplinarkommission vom 20.6.2003 (DK/RLE/I/03), E. 12.<br />

1246 zu den disziplinarischen Massnahmen vgl. auch: HÄFELIN/HALLER/MÜLLER, S. 273.<br />

1247 vgl. auch LÜTOLF, S. 365, die zu Recht darauf hinweist, dass die Fahrlässigkeitsdelikte gegenüber den Vorsatzdelikten<br />

einen grossen Vorteil bezüglich <strong>der</strong> Anfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Nachweisbarkeit bieten.<br />

1248 Diese Aussage hat sich in den Interviews v.a. in Bezug auf KMUs herauskristallisiert. Die Verantwortlichen<br />

beklagten auch, dass es so zeitaufwendig sei, die Praxis <strong>der</strong> <strong>SIX</strong> nachzuvollziehen <strong>und</strong> dass diese Zeit zulasten<br />

<strong>der</strong> profitablen Geschäftstätigkeit gehe.<br />

- 193 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

befassen würden <strong>und</strong> sie daher auch nur unzureichend erfüllten, worunter die Transparenz im<br />

Kapitalmarkt <strong>und</strong> die Gleichbehandlung <strong>der</strong> Anleger erkennbar leiden würden. Daher rechtfertigt<br />

sich eine sorgsame Verfolgung <strong>der</strong> Fehltritte gr<strong>und</strong>sätzlich.<br />

cc) Ergebnis<br />

In Anbetracht <strong>der</strong> Auswirkungen, die die Verletzungen <strong>der</strong> Emittentenpflichten auf die Funktionsfähigkeit<br />

<strong>der</strong> Effektenmärkte haben können, ist es sinnvoll, potentielle Problemfel<strong>der</strong><br />

aufzudecken <strong>und</strong> das jeweilige Unternehmen darauf aufmerksam zu machen. Vor diesem Hintergr<strong>und</strong><br />

rechtfertigt sich sowohl die Ahndung von bloss abstrakten Gefährdungen als auch<br />

die Qualifikation <strong>der</strong> Fahrlässigkeit als ausreichendem Verschuldensgrad. Angesichts des<br />

teilweise heftigen Wi<strong>der</strong>stands bei den Emittenten 1249 sowie <strong>der</strong> Frage, ob Private überhaupt<br />

in <strong>der</strong> Lage sind, die Verschuldensfrage adäquat zu beurteilen, erscheint es mir allerdings<br />

fraglich, ob wirklich immer gleich <strong>der</strong> "Hammer herausgeholt" (d.h. eine Sanktion verhängt)<br />

werden muss o<strong>der</strong> ob bei bloss abstrakter Gefährdung <strong>und</strong>/o<strong>der</strong> fahrlässigem Verschulden<br />

nicht ein vorgängiges Mahnverfahren 1250 vernünftiger ist.<br />

Ferner wird von Emittentenseite gelegentlich <strong>der</strong> Vorwurf geäussert, die Kriterien, nach denen<br />

bestimmte Sanktionen verhängt würden, seien nicht ganz klar: So hätten bei den Management<br />

Transaktionen relativ geringfügige Transaktionen, welche sehr weit von <strong>der</strong><br />

Schwelle <strong>der</strong> Marktrelevanz entfernt gewesen wären, zur gleichen Sanktion (Verweis) geführt<br />

wie gravieren<strong>der</strong>e Verstösse gegen die MT-Meldepflicht o<strong>der</strong> gegen an<strong>der</strong>e Aufrechterhaltungspflichten.<br />

Auch bei <strong>der</strong> Bemessung <strong>der</strong> Busse wird bemängelt, diese spiegele die Unterschiedlichkeit<br />

<strong>der</strong> Verstösse zu wenig wi<strong>der</strong>. 1251 Die Rechtsprechungsinstanzen <strong>der</strong> <strong>SIX</strong> sprechen<br />

Geldbussen gr<strong>und</strong>sätzlich aus, wenn die Verletzung <strong>und</strong>/o<strong>der</strong> das Verschulden schwer<br />

wiegen (wiegt), wobei <strong>der</strong> Beurteilung <strong>der</strong> Schwere bzw. den Auswirkungen <strong>der</strong> Verletzung<br />

ein beson<strong>der</strong>es Gewicht zukommt. 1252 Höhere Bussen werden gr<strong>und</strong>sätzlich verhängt, wenn<br />

mehrere schwer wiegende Faktoren zusammen kommen. Insbeson<strong>der</strong>e bei Wie<strong>der</strong>holungstätern<br />

steigert sich <strong>der</strong> zu bezahlende Betrag 1253 : So wurde bspw. eine Busse von CHF 75'000<br />

1249 In den Interviews wurde verschiedentlich kritisiert, die Börse hätte eine Sanktion verhängt, obwohl die<br />

Pflicht versehentlich verletzt <strong>und</strong> in <strong>der</strong> Folge gar kein Anleger zu Schaden gekommen wäre.<br />

1250 vgl. dazu Abschnitt B.8.<br />

1251 So bemängelte bspw. ein Firmenvertreter im Interview, dass eine Busse von CHF 10'000 in <strong>der</strong> Öffentlichkeit<br />

den Eindruck erwecke, das Unternehmen habe sich etwas Schlimmes zu Schulden komme lassen, <strong>und</strong> sie sei<br />

deswegen unverhältnismässig bei Verstössen gegen Ad hoc-Pflichten.<br />

1252 statt vieler: Entscheid von <strong>SIX</strong> Exchange Regulation vom 22.12.2010 (SER 2010-AHP-I/10, SER 2010-MP-<br />

I/10), Rz. 100 ff.<br />

1253 Auch das Unternehmen des erwähnten Vertreters verstiess mehrfach gegen Ad hoc- <strong>und</strong> an<strong>der</strong>e Börsenpflichten.<br />

- 194 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

verhängt, weil eine frühere Busse von CHF 5'000 nicht die gewünschte Wirkung gezeigt habe.<br />

1254 Eine noch höhere Busse - CHF 100'000 - wurde einer Gesellschaft auferlegt, bei <strong>der</strong><br />

nicht nur mehrere Verletzungen zusammen kamen, son<strong>der</strong>n die darüber hinaus im Vorfeld<br />

bereits zweimal sanktioniert worden war, ohne dass die nötigen organisatorischen Massnahmen<br />

getroffen wurden. 1255 Allerdings sind die Organe <strong>der</strong> <strong>SIX</strong> tatsächlich nicht immer ganz<br />

konsequent bei <strong>der</strong> Verhängung von Bussen. So hätte nach meiner Auffassung eine Gesellschaft,<br />

die teilweise vorsätzlich <strong>und</strong> teilweise grob fahrlässig schwerwiegende Verletzungen<br />

des KR <strong>und</strong> <strong>der</strong> IFRS-Bestimmungen begangen hatte <strong>und</strong> die darüber hinaus bereits in einem<br />

früheren Jahr sanktioniert worden war, mit einer Busse belegt werden sollen. Der Ausschuss<br />

<strong>der</strong> Zulassungsstelle sprach hier jedoch nur einen Verweis aus. 1256 Ein weiteres Beispiel ist<br />

<strong>der</strong> Entscheid im Fall Global Natural Resources Holding AG 1257 : Obwohl <strong>der</strong> Gesellschaft<br />

sehr rudimentäre Verletzungen <strong>der</strong> Regularien vorgeworfen werden konnten <strong>und</strong> sie darüberhinaus<br />

bereits zwei Mal innerhalb <strong>der</strong> letzten drei Jahre wegen Regelverstössen gebüsst worden<br />

war, wurde "nur" eine Busse von CHF 15'000 verhängt. Solche Fälle wecken den Wunsch<br />

nach einem transparenteren, nachvollziehbaren Strafschema. Allerdings ist die Strafzumessung<br />

immer - d.h. auch bei Gerichten - ein Ermessensentscheid. In diesem Sinne sollten Sanktionen<br />

für Verstösse aus verschiedenen Regelbereichen nicht ohne weiteres miteinan<strong>der</strong> verglichen<br />

werden. 1258 Darüber hinaus bestehen Weiterzugs- <strong>und</strong> somit Korrekturmöglichkeiten.<br />

1259<br />

d) Verschulden – Teilnehmer<br />

aa) Allgemein<br />

Der Verschuldensgrad bei den Regelverstössen <strong>der</strong> Teilnehmer/Händler wird streng beurteilt:<br />

Klares Nicht-Befolgen von Regeln wird als erhebliches Verschulden gewertet 1260 , <strong>und</strong> bei<br />

einer klaren Verletzung <strong>der</strong> reglementarischen Bestimmungen, die zur Eingabe von höchst<br />

1254 Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission vom 8.4.2009 (SaKo/RLE/I/09), Rz. 15.<br />

1255 Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission vom 18.12.2009 (SaKo 2009 - MT III/09, SaKo 2009 - MP I/09, SaKo<br />

2009 - AHP III/09), Rz. 13.<br />

1256 Entscheid des Ausschusses <strong>der</strong> Zulassungsstelle vom 12.4.2005 (ZUL/RLE/III/05).<br />

1257 Entscheid von <strong>SIX</strong> Exchange Regulation vom 8.3.2011 (SER 2011-MP-I/11).<br />

1258 vgl. Entscheid <strong>der</strong> Disziplinarkommission vom 28.11.2006 (DK/MT/V/06), Rz. 5.<br />

1259 vgl. auch die Ausführungen in Kap. II Abschnitt F.<br />

1260 Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission vom 4.7.2011, Verletzung <strong>der</strong> Vorschriften zur Teilnehmerrevision, Rz.<br />

7.<br />

- 195 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

unüblichen Preisen ins System führt, wird bspw. von sehr hohem Verschulden ausgegangen,<br />

da ein solches Verhalten bei einem Händler nicht annehmbar sei. 1261<br />

Diese strikte Handhabung ist m.E. zu begrüssen: Da die Anleger ihr Vermögen einem Finanzintermediär<br />

anvertrauen müssen, <strong>der</strong> dann stellvertretend für sie an <strong>der</strong> Börse handelt, müssen<br />

im Bereich <strong>der</strong> Vermögensverwaltung hohe Anfor<strong>der</strong>ungen an das aufzubringende Sorgfaltsmass<br />

gestellt werden. 1262<br />

bb) Pflicht zur Errichtung einer Compliance-Organisation<br />

Aus <strong>der</strong> in Art. 10 Abs. 2 BEHG den Effektenhändlern auferlegten Pflicht, durch interne Vorschriften<br />

<strong>und</strong> durch eine zweckmässige Betriebsorganisation die Pflichtenerfüllung sicherzustellen,<br />

ergibt sich, dass bei Verstössen von Händlern in <strong>der</strong> Mehrheit <strong>der</strong> Fälle <strong>der</strong> Teilnehmer<br />

als Arbeitgeber verantwortlich gemacht werden kann: So wurde z.B. aus <strong>der</strong> Tatsache,<br />

dass die Verstösse gegen die Börsenpflichtlimite von insgesamt 11 beim Teilnehmer beschäftigten<br />

Händlern begangen wurden, geschlossen, dass <strong>der</strong> Teilnehmer seine Händler offensichtlich<br />

in Bezug auf diese Börsenpflicht unzureichend ausgebildet <strong>und</strong> es darüber hinaus<br />

versäumt hatte, mittels angemessener Kontrollen sicherzustellen, dass keiner seiner Händler<br />

Abschlüsse unterhalb <strong>der</strong> Börsenpflichtlimite während <strong>der</strong> Handelszeit ausserbörslich ausführte.<br />

1263 Diese Handhabung halte ich für sinnvoll: Denn Art. 10 Abs. 2 lit. a BEHG verlangt,<br />

dass <strong>der</strong> Teilnehmer durch seine Betriebsorganisation die Erfüllung <strong>der</strong> Pflichten sicherstellt,<br />

m.a. W. ein Effektenhändler ist verpflichtet, intern sicherzustellen, dass die Verhaltensregeln<br />

eingehalten werden 1264 ; zu diesem Zweck sind geeignete Kontrollmechanismen<br />

einzurichten, mit denen sichergestellt werden kann, dass die Trading-Aktivitäten „den Gesetzen,<br />

Regeln, Usancen <strong>und</strong> internen Richtlinien entsprechen“ 1265 Mangelhafte Kontrollen <strong>der</strong><br />

Verwendung <strong>der</strong> Händleridentifizierungsnummern werden in diesem Zusammenhang m.E. zu<br />

Recht als Verletzung <strong>der</strong> gebotenen Sorgfalt angesehen. 1266<br />

Darüber hinaus muss <strong>der</strong> Effektenhändler regelmässig interne Schulungen durchführen (lassen)<br />

<strong>und</strong> die Mitarbeiter auf die Konsequenzen allfälligen Fehlverhaltens hinweisen. 1267 Insgesamt<br />

ergibt sich aus dem Gesagten, dass auch für Effektenhändler die Einrichtung einer<br />

1261 Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission vom 3.11.2011, Verletzung <strong>der</strong> Marktintegrität, Rz. 21.<br />

1262 zu einer ausführlichen Behandlung <strong>der</strong> Sorgfaltspflicht <strong>der</strong> Effektenhändler vgl. Abschnitt D.1b.<br />

1263 Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission vom 6.2.2009, Verletzung <strong>der</strong> Vorschriften betreffend Börsenpflichten,<br />

Rz. 4.<br />

1264 vgl. auch: WYSS, S. 97.<br />

1265 EISELE, S. 1021.<br />

1266 Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission vom 10.6.2011, Verletzung <strong>der</strong> Registrierungspflicht für die Benutzung<br />

des Börsensystems, Rz. 7.<br />

1267 GRUMBACHER, S. 35 f.<br />

- 196 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

Compliance-Organisation erfor<strong>der</strong>lich ist. 1268 Denn nur durch den Aufbau einer zuverlässigen<br />

Organisation können die Voraussetzungen für eine sorgfältige Geschäftsführung geschaffen<br />

werden. 1269 Dies hat sich auch in den Interviews bestätigt: Bei einem internationalen Konzern<br />

wie <strong>der</strong> Deutschen Bank, die über klare interne Compliance-Regelwerke verfügt, sind Regelverletzungen<br />

weniger wahrscheinlich. Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> ist es meiner Meinung<br />

zweckmässig, einen Teilnehmer durch Sanktionen zum Einleiten <strong>der</strong> notwendigen organisatorischen<br />

Massnahmen zu motivieren. Entsprechende Bemühungen sind dann allerdings auch<br />

entsprechend zu honorieren, was jedoch auch <strong>der</strong> Fall ist. 1270<br />

cc) Verantwortlichkeit <strong>der</strong> Teilnehmer für Handlungen <strong>der</strong> Anleger<br />

Wie in Abschnitt D bereits erwähnt wurde, spielt es für die Gesamtverantwortung eines Teilnehmers<br />

gegenüber <strong>der</strong> Börse keine Rolle, ob die Aufträge durch einen Händler des Teilnehmers<br />

selbst o<strong>der</strong> durch einen K<strong>und</strong>en mittels des Or<strong>der</strong>-Routing-Systems des Teilnehmers<br />

übermittelt wurden. Dies erscheint mir angemessen, da ein Händler aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> von ihm<br />

verlangten Kenntnisse in <strong>der</strong> Lage sein muss, die Tragweite von missbräuchlichen Auftragseingaben<br />

abzuschätzen. 1271 Bei einem Anleger hingegen kann nicht von einem solchen Fachwissen<br />

ausgegangen werden. Deswegen ist es gerechtfertigt, dem Teilnehmer die Funktion<br />

eines Garanten zu übertragen, wenn seine K<strong>und</strong>en sein Or<strong>der</strong>system nutzen. Aus dieser Garantenstellung<br />

folgt dann, dass es zu den Sorgfaltspflichten eines Effektenhändlers gehört, den<br />

richtigen Zeitpunkt für die Eingabe eines Auftrags <strong>und</strong> gegebenenfalls einer marktgerechten<br />

Limite festzulegen 1272 , <strong>und</strong> er darüber hinaus bei <strong>der</strong> Ausführung <strong>der</strong> K<strong>und</strong>entransaktionen<br />

auf die Einhaltung <strong>der</strong> Börsenregeln achten muss. 1273 Ich teile die Meinung <strong>der</strong> Börse, dass es<br />

inakzeptable Folgen für die Integrität des Börsensystems nach sich ziehen würde, wenn je<strong>der</strong><br />

Teilnehmer sich seinen Sorgfaltspflichten entziehen könnte, indem er sämtliche Handelsakti-<br />

1268 Das in <strong>der</strong> Bankenwelt seit langem bekannte Konzept Compliance wird auch ausführlich in <strong>der</strong> Literatur<br />

behandelt; vgl. z.B. EISELE, S. 1021 ff.; HOFSTETTER, BRIGITTE, S. 176 ff.<br />

1269 ZULAUF, Gläubigerschutz, S. 455.<br />

1270 vgl. z.B.: Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission vom 6.2.2009, Verletzung <strong>der</strong> Vorschriften betreffend Börsenpflichten,<br />

Rz. 4.<br />

1271 so auch: Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission vom 19.4.2010, Verantwortlichkeit des Teilnehmers für das<br />

Or<strong>der</strong>-Routingsystem, Rz. 12.3.<br />

1272 Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission vom 19.4.2010, Verantwortlichkeit des Teilnehmers für das Or<strong>der</strong>-<br />

Routingsystem, Rz. 12.1.<br />

1273 Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission vom 19.4.2010, Verantwortlichkeit des Teilnehmers für das Or<strong>der</strong>-<br />

Routingsystem, Rz. 12.6.<br />

- 197 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

vitäten an seine K<strong>und</strong>en delegierte <strong>und</strong> nur die technische Verbindung mit <strong>der</strong> Börse anböte.<br />

1274<br />

Der Aufsichtsbereich <strong>der</strong> Börse erstreckt sich zudem nur auf den Teilnehmer, <strong>und</strong> sie ist somit<br />

nicht berechtigt, Anleger für marktmanipulatives Verhalten zu bestrafen. Somit besteht die<br />

einzige Möglichkeit, Kursbeeinflussungen durch Investoren zu verhin<strong>der</strong>n, in <strong>der</strong> Sanktionierung<br />

<strong>der</strong> mitwirkenden Händler. Insbeson<strong>der</strong>e wenn z.B. nachgewiesen werden kann, dass ein<br />

Händler den Auftrag eines K<strong>und</strong>en zur Beeinflussung des Jahresendkurses nicht nur unwi<strong>der</strong>sprochen<br />

entgegengenommen hat, son<strong>der</strong>n den K<strong>und</strong>en auch ausführlich beraten <strong>und</strong> dessen<br />

Vorhaben sogar noch aktiv unterstützt hat, indem er den Auftrag interessewahrend gleich<br />

selbst in die Hand nahm 1275 , ist m.E. eine solche Sanktionspraxis sinnvoll, da die Teilnehmer<br />

<strong>und</strong> ihre Händler – im Gegensatz zu den Anlegern - für den ordnungsgemässen Ablauf <strong>der</strong><br />

Börsentransaktionen verantwortlich sind. Sie unterstehen den Handelsreglementen sowie den<br />

entsprechenden Weisungen von SVE, in denen die Pflichten bezüglich <strong>der</strong> Gewährleistung<br />

von fairen Preisen sowie eines integren Marktes präzise erläutert werden. Die Anleger hingegen<br />

gehen keinerlei <strong>der</strong>artige Verpflichtungen ein <strong>und</strong> müssen sich auch gar nicht mit den<br />

Bestimmungen <strong>der</strong> Börsenreglemente auseinan<strong>der</strong>setzen. Für sie sind nur die eingeschränkten<br />

Tatbestände des Art. 161 bis StGB relevant. Solange sie die nicht verletzen, haben sie nichts zu<br />

befürchten. Die Beschränkung des gesetzlich erlaubten Spielens an <strong>der</strong> Börse ist Sache <strong>der</strong><br />

Händler. Sie haben sozusagen als Wächter über die Kapitalmarktintegrität unverhältnismässige<br />

Marktverzerrungen zu verhin<strong>der</strong>n <strong>und</strong> dürfen nicht auch noch die Hand dazu reichen.<br />

dd) Anrechnung von Mitverschulden an<strong>der</strong>er Teilnehmer<br />

Von sanktionierten Teilnehmern wird gelegentlich auch vorgebracht, dass an<strong>der</strong>e Teilnehmer<br />

eine Mitschuld tragen, was nach ihrer Auffassung zu einer Mil<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Sanktion führen<br />

sollte. Hintergr<strong>und</strong> war, dass im vorliegenden Fall dem Teilnehmer ein markant vom Referenzkurs<br />

abweichen<strong>der</strong> Kurs über das Or<strong>der</strong>routingsystem eines an<strong>der</strong>en Teilnehmers weitergeleitet<br />

worden war. Dies führt aber nach Ansicht <strong>der</strong> Sanktionskommission zu keiner Entlastung<br />

des Teilnehmers, da er die Regularien <strong>der</strong> Börse akzeptiert hat <strong>und</strong> dementsprechend<br />

verpflichtet ist, selbst eine angemessene Organisation zu haben. 1276 Folglich wird gemäss<br />

SaKo bei <strong>der</strong> Beurteilung des Verschuldens eines Teilnehmers nicht berücksichtigt, ob ein<br />

1274 vgl. Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission vom 19.4.2010, Verantwortlichkeit des Teilnehmers für das Or<strong>der</strong>-<br />

Routingsystem, Rz. 10.2.<br />

1275 vgl. Entscheid von Surveillance & Enforcement vom 3.11.2008, Jahresendkurspflege; Entscheid von Surveillance<br />

& Enforcement vom 24.4.2008, Jahresendkurspflege.<br />

1276 Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission vom 3.11.2011,Verletzung <strong>der</strong> Marktintegrität, Rz. 15 f.<br />

- 198 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

an<strong>der</strong>er Teilnehmer verpflichtet gewesen wäre, einzugreifen o<strong>der</strong> nicht. Vielmehr wird es<br />

generell als nicht annehmbar angesehen, dass ein Händler klare reglementarische Bestimmungen<br />

verletzt <strong>und</strong> Aufträge zu höchst unüblichen Preisen eingibt. 1277 Bei einem solchen Verhalten<br />

wird daher von einem hohen Verschuldensgrad ausgegangen.<br />

Auch diese Handhabung ist m.E. gerechttertigt, wenn man sich vor Augen führt, dass es unter<br />

den Teilnehmern viele „Feld-, Wald- <strong>und</strong> Wiesen“-Teilnehmer mit „Cowboy-Händlern“<br />

gibt 1278 , die primär ein Interesse an <strong>der</strong> Maximierung <strong>der</strong> Handelsumsätze <strong>und</strong> <strong>der</strong> daraus<br />

fliessenden Kommissionen haben. 1279 Wenn <strong>der</strong>en verantwortungsloses Handeln dazu führte,<br />

dass sich an<strong>der</strong>e Teilnehmer ihrer Verantwortung entziehen könnten, würde dies die Funktionsfähigkeit<br />

des Kapitalmarkts nachhaltig beschädigen.<br />

ee) Subjektiver Tatbestand<br />

Analog <strong>der</strong> Emittenten-Sanktionierung erfolgt auch bei den Teilnehmern die Beurteilung des<br />

Verschuldens nach weitgehend objektivierten Massstäben, die nicht identisch mit den Kriterien<br />

für die Bestrafung natürlicher Personen sind. 1280 Da es sich auch hier um ein Erfolgsdelikt<br />

handelt, ist es nicht relevant, ob die Beeinflussung letztlich eintritt. 1281 Eventualvorsatz,<br />

d.h. <strong>der</strong> Manipulator nimmt nur in Kauf, dass sein Handeln den Kurs beeinflusst, reicht<br />

aus. 1282 Dies ist jedoch in <strong>der</strong> Praxis häufig mit Beweisschwierigkeiten verb<strong>und</strong>en 1283 <strong>und</strong><br />

stösst deswegen in <strong>der</strong> Lehre teilweise auf Kritik. 1284 Für einen Investor sind die Konsequenzen<br />

jedoch dieselben, ob eine Marktbeeinflussung nun direkt angestrebt o<strong>der</strong> lediglich als<br />

Nebenprodukt in Kauf genommen wird. Daher ist m.E. aus Gründen des Schutzes des Anlegervertrauens<br />

in einen unverfälschten Markt gerechtfertigt, wenn auch Eventualvorsatz bestraft<br />

wird. Auch die Ahndung eines unbeabsichtigten Regelverstosses kann angemessen erscheinen,<br />

wenn die Sorgfaltspflichten in grob-fahrlässiger Weise nicht beachtet wurden 1285 ,<br />

o<strong>der</strong> ein Händler „in grosser Hast <strong>und</strong> ohne Kontrollieren <strong>der</strong> Beträge“ einen Kaufauftrag<br />

1277 Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission vom 3.11.2011, Verletzung <strong>der</strong> Marktintegrität, Rz. 21.<br />

1278 Aussage eines Experten.<br />

1279 so auch: KÖNDGEN, S. 814.<br />

1280 Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission vom 6.2.2009, Verzicht auf eine Sanktion, Rz. 4.<br />

1281 SCHMID/BAUR, S. 1042.<br />

1282 IFFLAND, Art. 46 BEHG, S. 16.<br />

1283 Denn nicht immer ist <strong>der</strong> Vorsatz so deutlich wie im Fall des Händlers, <strong>der</strong> gegenüber Surveillance & Enforcement<br />

bestätigte, gewusst zu haben, dass die Gegenpartei short war <strong>und</strong> sich deswegen bei ihm eindecken<br />

musste. (vgl. Entscheid von Surveillance & Enforcement vom 4.8.2011, Marktmanipulation.<br />

1284 statt vieler: SCHMID, S. 538.<br />

1285 Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission vom 30.12.2008, Verletzung <strong>der</strong> Vorschriften betreffend Meldung von<br />

ausserbörslichen Abschlüssen, Rz. 5 c.<br />

- 199 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

eingibt <strong>und</strong> als Folge die Preise in einem unangemessenen Ausmass vom üblichen Marktpreis<br />

abweichen. 1286<br />

ff) Ergebnis<br />

Den Rechtsgütern „Anleger“- bzw. „Gläubigerschutz“ kommt eine so zentrale Bedeutung zu,<br />

dass es mir gerechtfertigt erscheint, strenge Anfor<strong>der</strong>ungen an die von den Effektenhändlern<br />

aufzubringende Achtsamkeit zu stellen <strong>und</strong> auch eine Sanktion auszusprechen, wenn ein Teilnehmer<br />

sich pflichtwidrig unvorsichtig verhält <strong>und</strong> voraussehbaren Entwicklungen nicht die<br />

notwendige <strong>und</strong> zugleich zumutbare Aufmerksamkeit geschenkt hat. Demzufolge ist es auch<br />

richtig, grobe Fahrlässigkeit – d.h. unentschuldbare Missachtung von gr<strong>und</strong>sätzlichen Verhaltensregeln<br />

– zu sanktionieren.<br />

Zum Schutz von Anlegern <strong>und</strong> Gläubigern ist ebenfalls zielführend, dem Teilnehmer eine<br />

weit reichende Verantwortung für das Verhalten seiner Mitarbeiter zu übertragen <strong>und</strong> ihn analog<br />

zu den in Abschnitt c.aa) beschriebenen Compliance-Anfor<strong>der</strong>ungen zu verpflichten, die<br />

nötigen organisatorischen <strong>und</strong> ausbildungsmässigen Massnahmen zu ergreifen, um die Befolgung<br />

<strong>der</strong> Regeln durch die Mitarbeiter sicherzustellen. Der Nachweis, dass Regelverstösse<br />

nicht auf ein allgemeines Prozessversagen, son<strong>der</strong>n auf ein Fehlverhalten einzelner Mitarbeiter<br />

zurückzuführen sind, darf dann auch korrekterweise nicht als Entlastungsnachweis zugelassen<br />

werden. 1287<br />

Auch die Zuschreibung von missbräuchlichem Anlegerverhalten zu dem Effektenhändler,<br />

über dessen Börsensysteme die verfälschten Eingaben getätigt wurden, ist gerechtfertigt, denn<br />

aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> fehlenden Sanktionsmöglichkeiten gegen Investoren besteht die einzige Möglichkeit,<br />

missbräuchliche o<strong>der</strong> marktstörende Eingaben ins Börsensystem durch Anleger zu<br />

verhin<strong>der</strong>n, darin, dass man die Teilnehmer zur entsprechenden Parametrisierung ihrer Systeme<br />

verpflichtet. Allerdings sollte in diesem Fall strafmil<strong>der</strong>nd berücksichtigt werden, wenn<br />

keine Absicht des Teilnehmers erkennbar ist, selbst den Handel destabilisieren bzw. ein<br />

Marktungleichgewicht erreichen zu wollen. 1288<br />

1286 Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission vom 3.11.2011, Verletzung <strong>der</strong> Marktintegrität, Rz. 9 f.<br />

1287 so auch: Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission vom 31.1.2008, Verletzung <strong>der</strong> Registrierungspflicht für die<br />

Benutzung des Börsensystems (I), Rz. 5.<br />

1288 begrüssenswert daher: Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission vom 23.5.2008, Verantwortlichkeit des Teilnehmers<br />

für das Or<strong>der</strong>-Routingsystem, Rz. 7.<br />

- 200 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

e) Sanktionsempfindlichkeit<br />

Schliesslich ist insbeson<strong>der</strong>e bei <strong>der</strong> Verhängung von Bussen unter dem Aspekt <strong>der</strong> Sanktionsempfindlichkeit<br />

auch Rücksicht auf die Vermögenslage, den Umsatz bzw. den Gewinn<br />

eines Unternehmens geboten. 1289 Zu <strong>der</strong>en Feststellung können wirtschaftliche Kennzahlen in<br />

Betracht gezogen werden, z.B. Umsatz, Betriebsergebnis EBIT, Gewinn, Umlauf- <strong>und</strong> Anlagevermögen.<br />

1290 Hohe Bussen (z.B. CHF 100‘000) werden demgemäss insbeson<strong>der</strong>e dann<br />

verhängt, wenn sogar die Maximalbusse nur einen Bruchteil von Gewinn <strong>und</strong> Aktiven ausmachen<br />

würde. 1291 Dies ist sinnvoll, da die Busse dem Unternehmen nicht die finanzielle Gr<strong>und</strong>lage<br />

entziehen darf 1292 <strong>und</strong> klarerweise für eine UBS eine Busse von CHF 100'000 viel weniger<br />

bedrohlich ist als für ein KMU 1293 . In diesem Sinne hat das <strong>Schiedsgericht</strong> richtigerweise<br />

auch bei Zwahlen & Mayr die Busse auf CHF 10'000 reduziert. 1294 Die in <strong>der</strong> Medienmitteilung<br />

erwähnten mil<strong>der</strong>nden Umstände beziehen sich dabei darauf, dass es sich um ein vergleichsweise<br />

kleines Unternehmen handelt, das mit den KMU-typischen Problemen zu kämpfen<br />

hat. Eine Berücksichtigung <strong>der</strong> wirtschaftlichen Verhältnisse eines Unternehmens ist auch<br />

insofern erstrebenswert, als sie einer "Abwälzung" <strong>der</strong> Busse an die Verbraucher vorbeugt. 1295<br />

M.E. sollte bei <strong>der</strong> Strafzumessung die Grösse einer Gesellschaft viel allgemeiner eine Rolle<br />

spielen. Denn auch bei <strong>der</strong> Beurteilung <strong>der</strong> Compliance-Massnahmen können ein Multikonzern<br />

<strong>und</strong> ein mittelständisches Unternehmen nicht gleich behandelt werden 1296 : Grosse Unternehmen<br />

(wie z.B. Novartis, Nestlé o<strong>der</strong> die St. Galler Kantonalbank) haben die Möglichkeit,<br />

Stabstellen für die Einhaltung <strong>der</strong> Börsenpflichten einzurichten 1297 , während in kleineren Unternehmen<br />

diese Funktion "nebenbei" von Mitarbeitern ausgeübt wird, <strong>der</strong>en Pflichtenheft<br />

noch an<strong>der</strong>e Aufgaben umfasst. Als Folge kommt es in kleinen Gesellschaften eher zu Pannen,<br />

weil die Stellvertretung die relevanten Normen nicht ausreichend kennt. 1298 Allgemein<br />

1289 FORSTER, S. 269.<br />

1290 Entscheid von SER vom 10.11.2011 (SER 2011-MP-II/11, SER 2011-CG-I/11), Rz. 74.<br />

1291 vgl. z.B. Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission vom 8.12.2011 (SaKo 2011-AHP-I/11, SaKo 2011-CG-I/11),<br />

Rz. 38.<br />

1292 BERTOSSA, S. 223.<br />

1293 Dies hat auch SER zutreffend festgehalten; vgl. Entscheid von SER vom 22.11.2011 (SER/RLE/V/11), Rz.<br />

33: „Emittenten mit geringerer wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit wird dieselbe Busse tendenziell härter treffen<br />

als Emittenten mit vergleichsweise grösserer wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit.“<br />

1294 Medienmitteilung <strong>der</strong> <strong>SIX</strong> Swiss Exchange vom 19.12.2008, Ad hoc-Publizität <strong>und</strong> Informationspflichten:<br />

Sanktionsverfahren <strong>der</strong> <strong>SIX</strong> Swiss Exchange AG gegen die Zwahlen & Mayr SA mittels Vergleich beendet.<br />

1295 SCHROTH, S. 215.<br />

1296 CLAUSSEN, Insi<strong>der</strong>handelsverbot, S. 72.<br />

1297 Bei Novartis existiert z.B. eigens zu diesem Zweck ein Disclosure Committee. Allgemein geht auch WEBER,<br />

Verantwortlichkeit, S. 143 f., davon aus, dass in grösseren Unternehmen die Vorbereitung <strong>und</strong> Implementierung<br />

eines Compliance-Konzepts in erster Linie dem General (Legal) Counsel obliegt.<br />

1298 Als typisches Beispiel sei hier auf den Fall Bellimo verwiesen (Medienmitteilung vom 22. Dezember 2009:<br />

Die Sanktionskommission <strong>der</strong> <strong>SIX</strong> Swiss Exchange erteilt Belimo Holding AG einen Verweis): Die primär für<br />

- 201 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

kann aber nicht geschlussfolgert werden, dass die "einfachere" Organisation kleinerer Gesellschaften<br />

unbedingt schlechter ist. Vielmehr muss man sich vor Augen führen, dass Compliance-Massnahmen<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich für jedes Unternehmen individuell festgelegt werden müssen.<br />

1299 Grosse Unternehmen haben zwar den Vorteil, dass sich ein spezialisierter Compliance-Officer<br />

ausschliesslich <strong>der</strong> Befolgung <strong>der</strong> Emittentenpflichten widmen kann; es besteht<br />

aber zugleich die Gefahr, dass die Stabstelle vom Unternehmen abgeschottet ist <strong>und</strong> deshalb<br />

die "heissen" Informationen an <strong>der</strong> "Front" gar nicht mitbekommt. 1300 Ein KMU, dessen Geschäftsleitungsmitglied<br />

selbst an <strong>der</strong> „Front“ tätig ist, ist vor diesem Hintergr<strong>und</strong> klar im Vorteil.<br />

Dementsprechend hat auch LÜCHINGER in seinen Betrachtungen zur Ad hoc-Publizität<br />

festgestellt, dass bei grossen Unternehmen zwar das Fachwissen zur Beurteilung komplexer<br />

Fragen im Haus ist, die Entscheidungswege hingegen oft zu bürokratisch <strong>und</strong> daher zu lang<br />

sind, während es bei kleineren <strong>und</strong> mittleren Unternehmen oft gerade umgekehrt ist. 1301 Folglich<br />

sind in beiden Konstellationen spezielle Massnahmen zur Vermeidung von Organisationspannen<br />

zu treffen: So muss im grossen Unternehmen die Informationsversorgung <strong>der</strong> Stabstelle<br />

in allen Fällen gewährleistet werden 1302 , während in den kleineren Unternehmen sicherzustellen<br />

ist, dass in Bezug auf die Erfüllung <strong>der</strong> Börsenpflichten eine saubere Stellvertretungsregel<br />

besteht. 1303<br />

f) Fazit<br />

Ein zentrales Kriterium bei <strong>der</strong> Beurteilung eines Sanktionssystems ist die Frage, wie gut<br />

Missbräuche verhin<strong>der</strong>t werden können, <strong>und</strong> eine strenge Berücksichtigung <strong>der</strong> Schwere <strong>der</strong><br />

Verletzung sowie allfälliger strafverschärfen<strong>der</strong> Aspekte (Wie<strong>der</strong>holungstäter, mehrere Regelverstösse)<br />

erscheint daher angemessen. An<strong>der</strong>erseits ist aber auch zu beachten, dass es als<br />

Rechtsmissbrauch angesehen werden kann, wenn eine geringfügige Pflichtwidrigkeit unverhältnismässig<br />

scharf geahndet wird 1304 , weswegen strafmil<strong>der</strong>nde Faktoren unbedingt ebenfalls<br />

in Erwägung gezogen werden müssen. Insbeson<strong>der</strong>e relevant sind in diesem Zusammenhang<br />

die Bemühungen eines Beaufsichtigten, Regelverstösse künftig zu vermeiden.<br />

die Meldung von Management-Transaktionen zuständige Person war abwesend <strong>und</strong> ihre Stellvertretung kannte<br />

die Regeln unzureichend, so dass die Meldung erst mit Verspätung erfolgte (vgl. auch Entscheid <strong>der</strong> Sanktionskommission<br />

vom 11.9.2009 (SaKo/MT/II/09)).<br />

1299 FREYMOND/VOGT, S. 221.<br />

1300 WEBER, Verantwortlichkeit, S. 144.<br />

1301 LÜCHINGER, S. 241.<br />

1302 Bei Novartis z.B. ergibt sich ein Problem, wenn <strong>der</strong> VR einen alleinigen Entscheid trifft; in diesem Fall ist<br />

<strong>der</strong> Sekretär des Verwaltungsrates verpflichtet, das Disclosure Committee zu informieren.<br />

1303 Damit auch bei Urlaubs- o<strong>der</strong> Krankheitsabwesenheit des CEOs o<strong>der</strong> CFOs die Fristen eingehalten werden.<br />

1304 FUCHS, S. 111.<br />

- 202 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

4. Würdigung<br />

Die selbstregulierte Börse ist, wenn sie sich nicht mit „moral suasion“ begnügen will, auf die<br />

wirkungsvolle Sanktionierung von Fehlverhalten angewiesen. 1305 Als Täter wird dabei in <strong>der</strong><br />

Schweiz – im Gegensatz zu bspw. Deutschland – richtigerweise das Unternehmen angesehen;<br />

denn Kompetenzaufteilung <strong>und</strong> die Delegation von Entscheidungsbefugnissen haben ein Auseinan<strong>der</strong>fallen<br />

von Ausführungstätigkeit, Informationsbesitz <strong>und</strong> Entscheidungsmacht zur<br />

Folge, so dass sich kein Handeln<strong>der</strong> mehr finden lässt, <strong>der</strong> alle erfor<strong>der</strong>lichen Tätereigenschaften<br />

auf sich vereinigt 1306 , weswegen sinnvollerweise – mit Ausnahmen einiger klarer<br />

einem Händler zuzuordnen<strong>der</strong> Fälle – das Börsensanktionssystem auf die Emittenten- bzw.<br />

Teilnehmersanktionierung ausgerichtet ist. Dabei sind die allgemeinen Anfor<strong>der</strong>ungen an eine<br />

„richtige“ Strafzumessung zu beachten, d.h. die Sanktionierung muss zu einer verhältnismässigen<br />

Strafe führen; sie muss ein Höchstmass an Gleichheit gewährleisten <strong>und</strong> sie muss transparent<br />

<strong>und</strong> überzeugend begründet werden <strong>und</strong> dadurch nachvollziehbar sein. 1307 Diese Kriterien<br />

sind meiner Meinung nach beim Börsensanktionsverfahren gr<strong>und</strong>sätzlich erfüllt: Die<br />

weitgehend gleiche (strenge) Behandlung sowohl von Emittenten <strong>und</strong> Teilnehmern als auch<br />

<strong>der</strong> verschiedenen Emittenten, d.h. von KMUs <strong>und</strong> Grossgesellschaften, ist angesichts <strong>der</strong><br />

zentralen Bedeutung <strong>der</strong> Emittenten- <strong>und</strong> Teilnehmerpflichten für die Sicherung eines transparenten<br />

<strong>und</strong> funktionsfähigen Effektenmarktes 1308 notwendig. Allfälligen Unterschieden<br />

wird genügend Rechnung getragen 1309 , <strong>und</strong> die sonstigen Bemessungskriterien (Schwere des<br />

Verstosses, Verschulden etc.) entsprechen den üblicherweise angewandten Massstäben.<br />

Als einziger Kritikpunkt kann angeführt werden, dass die Verhängung von Sanktionen auch<br />

bei <strong>der</strong> Börse teilweise ein Ermessensentscheid <strong>der</strong> Organe ist, <strong>der</strong> in <strong>der</strong> Folge dazu führt,<br />

dass <strong>der</strong> Börse gelegentlich unverhältnismässige Gleichbehandlung von (un)gleichen Sachverhalten<br />

unterstellt werden kann. 1310 Solche Abwägungsprobleme sind aber wohl unvermeidlich,<br />

<strong>und</strong> es kann nur angeregt werden, stets auf eine möglichst transparente <strong>und</strong> objektive<br />

Strafzumessung zu achten.<br />

1305 vgl. auch KLAUSER, S. 53.<br />

1306 HEINE, Verantwortlichkeit, S. 146.<br />

1307 zur Strafzumessung bei Unternehmen vgl. auch: FORSTER, S. 266.<br />

1308 vgl. insbeson<strong>der</strong>e die Ausführungen in den Abschnitten C <strong>und</strong> D.<br />

1309 So ist dank dem Kriterium „Sanktionsempfindlichkeit“ eine differenzierte Behandlung von kleinen <strong>und</strong> grossen<br />

Emittenten möglich.<br />

1310 vgl. die Ausführungen in Abschnitt B.6.<br />

- 203 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

I) Zusammenfassende Würdigung<br />

Die durch die Börse in Selbstregulierung durchgeführte Kapitalmarktaufsicht muss effizient<br />

<strong>und</strong> durchsetzungssicher sein, um ihre Lenkungs- <strong>und</strong> Überwachungsfunktion wirkungsvoll<br />

erfüllen zu können. 1311 Zu diesem Zweck muss sie zu den Regulierten die nötige Distanz wahren<br />

<strong>und</strong> das Funktionieren <strong>der</strong> Selbstregulierung wirksam kontrollieren. Gleichzeitig ist sie als<br />

Selbstregulierungsorganisation prädestiniert für eine Partnerschaft mit den Emittenten <strong>und</strong><br />

Teilnehmern; diese ist auch mit vielen Vorteilen verb<strong>und</strong>en. Dieser Spagat gelingt <strong>der</strong> Börse<br />

m.E. recht gut; auch wenn ihre Auslegung <strong>der</strong> Regeln gelegentlich wohl etwas zu weit geht,<br />

ist es nur ihrer konsequenten Kontrolle <strong>der</strong> Börsenpflichten zu verdanken, dass Transparenz<br />

<strong>und</strong> Gleichbehandlung <strong>der</strong> Marktteilnehmer im Schweizer Kapitalmarkt weitgehend gewährleistet<br />

sind.<br />

Eine gr<strong>und</strong>legende Voraussetzung für eine effektive <strong>und</strong> nachvollziehbare Beaufsichtigung ist<br />

eine klare Kommunikation <strong>der</strong> einzuhaltenden Regeln. Die Börse hat hierzu ein umfangreiches<br />

Regelwerk bestehend aus Reglementen, Richtlinien <strong>und</strong> Kommentaren erlassen. Entgegen<br />

<strong>der</strong> Kritik einiger Regulierten ist <strong>der</strong> Stufenbau <strong>der</strong> Rechtserlasse m.E. nicht unübersichtlich,<br />

son<strong>der</strong>n sorgfältig auf die verschiedenen Informationsbedürfnisse abgestimmt. Darüber<br />

hinaus ist die Börse auch gr<strong>und</strong>sätzlich bereit, Problemfälle mit den Emittenten zu diskutieren.<br />

Eine bedeutsame Rolle spielen bei <strong>der</strong> Kommunikation auch die Sanktionsentscheide.<br />

Diesen kommt daher auch nicht vornehmlich eine Sanktionsfunktion zu – auch wenn dies von<br />

den Regulierten so empf<strong>und</strong>en wird -, son<strong>der</strong>n sie haben hauptsächlich eine wichtige Informationsfunktion<br />

im Kapitalmarkt, weswegen die Börse gar nicht auf die Publikationen verzichten<br />

kann, auch wenn die Publikation aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> damit verb<strong>und</strong>enen Imagewirkung durchaus<br />

den Charakter einer Sanktion haben kann. 1312<br />

Bei <strong>der</strong> Ausgestaltung <strong>der</strong> Sanktionierungsgr<strong>und</strong>sätze <strong>und</strong> <strong>der</strong> Wahl <strong>der</strong> Sanktionen muss sowohl<br />

dem guten Willen <strong>der</strong> meisten Regulierten, alles richtig zu machen, als auch dem Bedürfnis,<br />

den Finanzmarkt vor Beeinträchtigungen durch uneinsichtige Wie<strong>der</strong>holungstäter zu<br />

schützen, Rechnung getragen werden. Prinzipiell gelingt es <strong>der</strong> Börse auch hier, einen guten<br />

Kompromiss zu finden. Allerdings kann <strong>der</strong> Gr<strong>und</strong>satz <strong>der</strong> Partnerschaftlichkeit noch besser<br />

verwirklicht werden, wenn durch Mahnverfahren, Konzentration <strong>der</strong> veröffentlichten Entscheide<br />

auf wirklich sanktionswürdige Punkte sowie Mitsprachrecht <strong>der</strong> Emittenten beim Abfassen<br />

von Medienmitteilungen die beanstandeten Aspekte besser vermittelt werden. Insge-<br />

1311 so auch: NOBEL, Regulierungsarchitektur, S. 107.<br />

1312 vgl. auch Abschnitt G.2).<br />

- 204 -


Kapitel III: Beurteilung <strong>der</strong> Sanktionspraxis<br />

samt dürfen aber die Anfor<strong>der</strong>ungen an die Kooperationsbereitschaft <strong>der</strong> Börse nicht unverhältnismässig<br />

ausgereizt werden, da sie sonst nicht glaubwürdig als Regulator auftreten kann.<br />

- 205 -


Kapitel IV: Abschliessende Betrachtungen<br />

Kapitel IV<br />

Abschliessende Betrachtungen<br />

I.<br />

Ein leistungsfähiger Kapitalmarkt ist eine zentrale Voraussetzung für gesamtwirtschaftliches<br />

Wachstum: Effiziente, d.h. stabile, aber zugleich flexibel <strong>und</strong> transaktionskostengünstig operierende<br />

Aktienmärkte vermögen eine Zunahme <strong>der</strong> direkten Finanzierung über die Börsen zu<br />

för<strong>der</strong>n <strong>und</strong> ermöglichen so insbeson<strong>der</strong>e auch aufstrebenden Unternehmen die Aufnahme<br />

von Risikokapital. Eine effiziente Marktorganisation hängt dabei massgeblich vom jeweiligen<br />

Regulierungsregime ab: Namentlich gilt es, ein offenes <strong>und</strong> flexibles System zu schaffen, das<br />

es den Börsen erlaubt, marktgerechte Produkte <strong>und</strong> Dienstleistungen anzubieten. 1313 Da jedoch<br />

perfekte sich selbst regulierende Märkte auf unrealistischen Prämissen beruhen <strong>und</strong> daher<br />

in <strong>der</strong> Realität nicht existieren 1314 , ist eine wirksame Aufsicht unabdingbar. 1315 Denn ein<br />

unkontrollierter Finanzmarkt vermag we<strong>der</strong> sich selbst (Funktionsschutz) noch die Anleger<br />

genügend zu schützen (Anleger- o<strong>der</strong> Gläubigerschutz). Diese Tatsache war auch dem<br />

Schweizer Gesetzgeber bewusst, als er in den 1990er Jahren den Erlass eines eidgenössischen<br />

Börsengesetzes lancierte: Im Gegensatz zu an<strong>der</strong>en Finanzplätzen – wie z.B. Deutschland -,<br />

wo zwar <strong>der</strong> Selbstregulierung beim Börsenhandel ein grosser Stellenwert eingeräumt 1316 , für<br />

die Aufsicht jedoch eine staatliche Behörde favorisiert wird, wurde in beiden Räten ganz bewusst<br />

einer selbstregulierten, praxisnahen <strong>und</strong> flexiblen Aufsichtsstruktur <strong>der</strong> Vorzug gegeben.<br />

1317<br />

In dieser Dissertation konnte gezeigt werden, dass sich die von <strong>der</strong> parlamentarischen Mehrheit<br />

durchgesetzte mehrheitlich privatrechtlich durchgeführte Kontrolle in <strong>der</strong> Praxis bewährt<br />

hat: Wie bereits Stän<strong>der</strong>at Kündig in <strong>der</strong> parlamentarischen Debatte hervorhob 1318 , betreffen<br />

anfallende Beschwerden vornehmlich verschiedene Anschauungen bzw. Betrachtungsweisen,<br />

die in einer privaten Auseinan<strong>der</strong>setzung vorkommen. Für die Beurteilung solcher Meinungsverschiedenenheiten<br />

sind m.E. die fachk<strong>und</strong>igen Börsenorgane am besten befähigt, weswegen<br />

die Börse als effiziente Überwachungsinstanz angesehen werden kann. 1319<br />

1313 HOPT/RUDOLF/BAUM, S. 4 f.<br />

1314 vgl. dazu ausführlich : KILGUS, S. 183 ff.<br />

1315 ZOBL/KRAMER, S. 14 ff.<br />

1316 Dies zeigt auch <strong>der</strong> Beitrag von HOPT/RUDOLF/BAUM.<br />

1317 vgl. Amtl.Bull SR 1993, S. 1003 f.; Amtl.Bull. NR 1994, S. 1061. f.<br />

1318 Amtl.Bull SR 1993, 1004.<br />

1319 gl. M. LANGHART, S. 314.<br />

- 206 -


Kapitel IV: Abschliessende Betrachtungen<br />

Die gegen eine Selbstüberwachung vorgebrachten Bedenken, dass die Sanktionsgewalt bei<br />

Verstössen gegen börsenrechtliche Vorschriften von Kollegen gegenüber Kollegen nicht mit<br />

<strong>der</strong> nötigen Konsequenz wahrgenommen wird 1320 <strong>und</strong> aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> Nähe <strong>der</strong> Regulierungsbehörden<br />

zu <strong>der</strong> von ihnen regulierten <strong>und</strong> kontrollierten Industrie sogar die Gefahr <strong>der</strong> Unterwan<strong>der</strong>ung<br />

durch die private Wirtschaft besteht 1321 , halte ich für unbegründet: Vielmehr<br />

konnte in den Gesprächen sowohl mit Emittenten als auch mit Mitglie<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Börse <strong>der</strong> Eindruck<br />

gewonnen werden, dass die Börsenorgane bei ihren Untersuchungen das Verhalten <strong>der</strong><br />

Marktteilnehmer durchaus kritisch betrachten. 1322 Der schon seit Erlass des Börsengesetzes<br />

geäusserte Einwand, <strong>der</strong> „selbstverwaltete“ Rechtsschutz gefährde den Anleger- <strong>und</strong> Funktionsschutz<br />

1323 , konnte in dieser Dissertation gleichfalls nicht bestätigt werden. Vielmehr ist <strong>der</strong><br />

Äusserung von Stän<strong>der</strong>at Rüesch zuzustimmen, dass geringfügige Verstösse dank <strong>der</strong><br />

Rechtsmittelinstanzen mühelos bereits auf einer unteren Stufe geregelt werden können, was<br />

zu einer Erleichterung <strong>und</strong> Beschleunigung des Verfahrens führt. 1324 Auch die in den Interviews<br />

geäusserten Bedenken bezüglich <strong>der</strong> fehlenden Unabhängigkeit <strong>der</strong> Börsen-<br />

Rechtsprechungsinstanzen lassen sich aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> Erkenntnisse aus den Gesprächen mit den<br />

Verantwortlichen sowie einer Analyse <strong>der</strong> Sanktionsentscheide wi<strong>der</strong>legen: Die Rechtsprechungsorgane<br />

beurteilen den Sachverhalt eigenständig <strong>und</strong> ohne Beeinflussung durch die Untersuchungsorgane.<br />

Allerdings würde eine strikte Trennung zwischen untersuchen<strong>der</strong> <strong>und</strong><br />

entscheiden<strong>der</strong> Funktion die Glaubwürdigkeit des Börsensanktionsverfahrens noch deutlich<br />

erhöhen.<br />

Schliesslich ist auch das Börsenschiedsgericht als vollwertige gerichtliche Instanz anzusehen;<br />

seine Zuständigkeit wird durch eine rechtsgültige Schiedsvereinbarung begründet, <strong>und</strong> seine<br />

Schiedssprüche sind staatlichen Urteilen gleichzusetzen. Aus Art. 6 EMRK ergibt sich ferner,<br />

dass die gerichtliche Instanz mit voller Kognition auszustatten ist, d.h. das Börsenschiedsgericht<br />

muss befugt sein, sämtliche Aspekte des Falls frei überprüfen zu können. Aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong><br />

bisher kleinen Anzahl von Verfahren vor dem Börsenschiedsgericht ist eine zuverlässige Einschätzung<br />

seiner Arbeit schwierig, allerdings lässt z.B. die Entscheidung Zwahlen & Mayr 1325<br />

darauf schliessen, dass das <strong>Schiedsgericht</strong> sich seiner Aufgabe bewusst ist <strong>und</strong> tatsächlich<br />

eine selbständige Beurteilung vornimmt.<br />

1320 vgl. HOPT/RUDOLPH/BAUM, S. 462.<br />

1321 Diese Meinung entspricht <strong>der</strong> aus dem angelsächsischen Rechtskreis stammenden „regulatory capture“-<br />

Theorie, vgl. BÜHLER, S. 69 m.w.H.<br />

1322 Manche Emittenten behaupten sogar, dass die Börsenorgane ihre Aufsichtsaufgabe zu genau ausführen.<br />

1323 In diesem Sinne äusserte sich z.B. PLAVEC, S. 69 f.<br />

1324 Amtl.Bull SR 1993, 1004.<br />

1325 Medienmitteilung <strong>der</strong> <strong>SIX</strong> Swiss Exchange vom 19.12.2008, Ad hoc-Publizität <strong>und</strong> Informationspflichten:<br />

Sanktionsverfahren <strong>der</strong> <strong>SIX</strong> Swiss Exchange AG gegen die Zwahlen & Mayr SA mittels Vergleich beendet.<br />

- 207 -


Kapitel IV: Abschliessende Betrachtungen<br />

Einziger Kritikpunkt in Bezug auf das Schiedsverfahren sind demnach seine hohen Kosten.<br />

Hier könnte aber durch die Errichtung eines Fonds, <strong>der</strong> präventiv gespeist <strong>und</strong> bei Bedarf angezapft<br />

wird, Abhilfe geschaffen werden.<br />

Somit wird das Verfahren <strong>der</strong> <strong>SIX</strong> Swiss Exchange den rechtsstaatlichen Anfor<strong>der</strong>ungen<br />

grösstenteils gerecht, <strong>und</strong> dürfte teilweise sogar den Bedürfnissen <strong>der</strong> Betroffenen mehr entsprechen<br />

als ein öffentlich-rechtliches Verfahren (z.B. Sprachwahl, Ausschluss <strong>der</strong> Öffentlichkeit,<br />

Möglichkeit, Parteirichter zu bestimmen). Als einzige Schwachstelle könnte auf die<br />

Komplexität des zweigliedrigen Börsenverfahrens mit Sanktionskommission <strong>und</strong> Beschwerdeinstanz<br />

hingewiesen werden, wodurch das Verfahren in die Länge gezogen <strong>und</strong> zudem das<br />

Vertrauen <strong>der</strong> Regulierten in das Verfahren beeinträchtigt wird. Eine Lösungsmöglichkeit<br />

wäre hier die Zusammenlegung <strong>der</strong> beiden Rechtsprechungsinstanzen zu einer Beschwerdeinstanz,<br />

<strong>der</strong> durch ein unabhängiges Berufungsverfahren auch die notwendige Glaubwürdigkeit<br />

verliehen werden könnte. Die in <strong>der</strong> Lehre durch den B<strong>und</strong>esgerichtsentscheid Bergbahnen<br />

Lenzerheide AG angeregte Diskussion bezüglich fehlen<strong>der</strong> Schutzmöglichkeiten Dritter<br />

– insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> Aktionäre – beeinträchtigt m.E. die insgesamt positive Einschätzung<br />

nur geringfügig. Ihre berechtigten Interessen gegenüber nachteiligen Entscheiden bzw. Handlungen<br />

von GV <strong>und</strong> VR/GL sollten durch aktienrechtliche – <strong>und</strong> nicht durch börsenrechtliche<br />

– Massnahmen geregelt werden.<br />

II.<br />

Trotz <strong>der</strong> aufgeführten Vorteile erscheint mir die Ergänzung <strong>der</strong> selbstregulierten Kontrolle<br />

<strong>und</strong> Sanktionierung bei Emittenten <strong>und</strong> Effektenhändlern durch eine staatliche Beaufsichtigung<br />

sinnvoll. Deswegen ist bei strafrechtlichen Tatbeständen (Insi<strong>der</strong>handel, Kursmanipulation)<br />

sowie bei Verstössen gegen die börsenrechtlichen Meldepflichten (Art. 20 <strong>und</strong> 31<br />

BEHG) nicht die Börse, son<strong>der</strong>n die FINMA zuständig. 1326 Hintergr<strong>und</strong> ist, dass bei <strong>der</strong> Börsenregulierung<br />

die Gefahrenabwehr im Vor<strong>der</strong>gr<strong>und</strong> steht, d.h. die Mittel zukunftsorientiert<br />

<strong>und</strong> auf präventive Wirkung ausgerichtet sind. 1327 Bestimmte Vergehen wie Insi<strong>der</strong>handel<br />

o<strong>der</strong> Kursmanipulation wirken sich jedoch so nachteilig auf die Funktionsfähigkeit des Marktes<br />

<strong>und</strong> das Vertrauen <strong>der</strong> Anleger in die Lauterkeit des Finanzmarktes aus, dass eine strafrechtliche<br />

Ahndung dieses Fehlverhaltens angebracht erscheint 1328 , nicht zuletzt da auch hiervon<br />

eine gewisse präventive Wirkung ausgeht, indem zum einen die Bestrafung abschreckend<br />

1326 vgl. die Ausführungen in Kap. I Abschnitt B.3.<br />

1327 ARTER, S. 30 f.<br />

1328 vgl. auch WOHLERS, Selbstregulierung, S. 274.<br />

- 208 -


Kapitel IV: Abschliessende Betrachtungen<br />

auf den Täter selbst sowie an<strong>der</strong>e potentielle Täter wirkt (sog. negative Generalprävention)<br />

<strong>und</strong> zum an<strong>der</strong>en das Vertrauen <strong>der</strong> Bevölkerung in den Fortbestand <strong>der</strong> Norm gestärkt wird,<br />

was ebenfalls weitere Normbrüche verhin<strong>der</strong>t (sog. positive Generalprävention). 1329 Diese<br />

definitionsgemäss vergangenheitsorientierte Aufgabe 1330 sollte aber staatlichen Behörden<br />

übertragen <strong>und</strong> nicht <strong>der</strong> Börse auferlegt werden, denn bspw. die Insi<strong>der</strong>überwachung <strong>und</strong> –<br />

bestrafung muss aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> geringen Aufdeckungswahrscheinlichkeit <strong>und</strong> <strong>der</strong> hohen Profitabilität<br />

von Insi<strong>der</strong>geschäften mit einem abschreckenden Strafmass belegt werden. 1331 Solche<br />

strafrechtlichen Massnahmen sollten staatlich legitimiert sein <strong>und</strong> nicht in den Händen einer<br />

selbstregulierten Behörde liegen. Eine Überbindung von polizeilichen o<strong>der</strong> untersuchungsrechtlichen<br />

Funktionen würde zudem das notwendige Vertrauensverhältnis zwischen <strong>der</strong> Börse<br />

<strong>und</strong> ihren Mitglie<strong>der</strong>n stark belasten 1332 , weswegen die jetzige Regelung, bei <strong>der</strong> die Börse<br />

gemäss Art. 6 Abs. 2 BEHG bei Verdacht auf Gesetzesverletzungen o<strong>der</strong> sonstige Missstände<br />

verpflichtet ist, die FINMA zu benachrichtigen, zu begrüssen ist. Weitergehende Aufdeckungspflichten<br />

(insb. unter Verwendung <strong>der</strong> von den Beaufsichtigten gesammelten Informationen)<br />

werden explizit ausgeschlossen. Neben <strong>der</strong> Verfolgung dieser strafwürdigen Verhaltensweisen<br />

ist es m.E. auch gerechtfertigt, die Überwachung wesentlicher Börsenpflichten –<br />

namentlich <strong>der</strong> Offenlegungspflicht – einer staatlichen Behörde zu übertragen. Denn die Meldepflicht<br />

für wesentliche Verän<strong>der</strong>ungen bei bedeutenden Beteiligungen trägt massgeblich<br />

zum Abbau von – u.U. auch missbräuchlich nutzbaren – Informationsasymmetrien bei <strong>und</strong> die<br />

konsequente hoheitliche Beaufsichtigung dieser Pflicht ist somit wesentlich für die Sicherung<br />

<strong>der</strong> Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes Schweiz 1333 . Aus diesem Gr<strong>und</strong> obliegen <strong>der</strong><br />

FINMA im Finanzmarkt auch aufsichtsrechtliche Aufgaben: Da Teilnehmer immer auch Effektenhändler<br />

sind <strong>und</strong> damit <strong>der</strong> Aufsicht durch die FINMA unterstehen, kann es bspw. bei<br />

Kursmanipulationen zu doppelten Verfahren durch FINMA <strong>und</strong> Börse kommen. Dies ist aber<br />

unvermeidlich, da eine effektive Beaufsichtigung <strong>der</strong> Händler durch eine hoheitliche staatliche<br />

Behörde notwendig ist, damit <strong>der</strong> Finanzplatz Schweiz bei den internationalen Investoren<br />

nicht an Attraktivität verliert, denn diese kennen aus ihren Heimatmärkten eine stärkere staatliche<br />

Aufsicht <strong>und</strong> erwarten daher auch in <strong>der</strong> Schweiz staatliches Durchgreifen.<br />

1329 zur negativen <strong>und</strong> positiven Generalprävention, vgl. auch: STRATENWERTH, Strafrecht, S. 43 ff.<br />

1330 Es geht darum, konkretes Fehlverhalten durch strafende Sanktionen zu ahnden.<br />

1331 RUDOLPH/RÖHRL, S. 189.<br />

1332 so auch : RUFFNER, Börsengesetz, S. 74.<br />

1333 Zur Bedeutung von hoheitlicher Finanzmarktaufsicht für den internationalen Wettbewerb; vgl. Abschnitt<br />

C.1b.<br />

- 209 -


Kapitel IV: Abschliessende Betrachtungen<br />

III.<br />

Aus <strong>der</strong> Ausgestaltung als selbstregulierte, marktnahe Instanz ergibt sich schliesslich, dass die<br />

Regulierten eine weitreichende Kooperation <strong>und</strong> einen Umgang „auf Augenhöhe“ erwarten<br />

<strong>und</strong> dementsprechend enttäuscht sind, wenn die Börse als hoheitliche Aufsichtsbehörde auftritt.<br />

Wie jedoch schon in Punkt I aufgezeigt wurde, besteht ein grosses Misstrauen im Markt,<br />

dass bei <strong>der</strong> Börse die Sanktionsgewalt aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> engen Verbindungen zwischen Regulierern<br />

<strong>und</strong> Regulierten nicht mit <strong>der</strong> nötigen Konsequenz wahrgenommen wird. Vor diesem<br />

Hintergr<strong>und</strong> untersteht die Börse einem Legitimationsdruck: Sie muss beweisen, dass sie zu<br />

den Beaufsichtigten die nötige Distanz wahrt <strong>und</strong> ihr Marktverhalten effektiv kontrolliert. In<br />

diesem Sinne müssen auch wirkungsvolle Sanktionen verhängt werden, die sowohl das Fehlverhalten<br />

angemessen vergelten als auch präventiv den Täter sowie an<strong>der</strong>e potentielle Täter<br />

von weiteren schädlichen Handlungen abschrecken. Zugleich sollte die Börse die von den<br />

Emittenten geäusserte Kritik m.E. aber auch nicht komplett ignorieren. Denn als Selbstregulierungsorganisation<br />

ist sie zu einer Partnerschaft prädestiniert <strong>und</strong> sollte daher hauptsächlich<br />

darauf abzielen, den Emittenten ihr Fehlverhalten wirkungsvoll klarzumachen <strong>und</strong> Verbesserungsmöglichkeiten<br />

aufzuzeigen. Auch wenn beharrliches Pochen auf die relevanten Börsenpflichten<br />

im Sinne des Anleger- <strong>und</strong> Funktionsschutz erfor<strong>der</strong>lich ist, kann zu pedantische<br />

Sanktionierung jedoch kontraproduktiv sein. Vielmehr sollte bei <strong>der</strong> Sanktionsverhängung<br />

auch dem Umstand Rechnung getragen werden, dass die Regulierten sich gr<strong>und</strong>sätzlich bemühen,<br />

alles richtig zu machen, <strong>und</strong> daher harte Strafen demotivierend wirken können. Begrüssenswert<br />

ist vor diesem Hintergr<strong>und</strong> die Praxisän<strong>der</strong>ung bei <strong>der</strong> Emittenten-Regulierung,<br />

dass künftig zuerst ein Mahnbrief (Comment Letter) geschickt wird, in dem nicht direkt sanktionswürdige<br />

Aspekte angemahnt werden, <strong>und</strong> ein Sanktionsverfahren erst eröffnet wird,<br />

wenn daraufhin nichts passiert. Auf diese Weise können die Emittenten auf Probleme aufmerksam<br />

gemacht werden, ohne dass gleich eine Sanktion verhängt wird.<br />

Problematisch ist ferner die Publikation <strong>der</strong> Eröffnung einer Untersuchung sowie <strong>der</strong> anschliessenden<br />

Sanktionierung. Von den Emittenten werden diese Veröffentlichungen aufgr<strong>und</strong><br />

ihrer Reputationswirkung als Sanktion empf<strong>und</strong>en 1334 , die Börse hingegen weist auf die<br />

essentielle Informationsfunktion solcher Medienmitteilungen hin. Da einer umfassenden Orientierung<br />

über wesentliche Fakten unbestreitbar eine zentrale Bedeutung für die Markttransparenz<br />

zukommt, lässt sich dieses Dilemma m.E. nur durch eine besonnene Sanktionspraxis<br />

lösen: Weniger schwerwiegende Verstösse gehören nicht in die Sanktionsanträge, son<strong>der</strong>n<br />

1334 In aller Regel wird sie sogar als gravieren<strong>der</strong> eingeschätzt als eine hohe Geldbusse.<br />

- 210 -


Kapitel IV: Abschliessende Betrachtungen<br />

sollen den Emittenten in Comment letters nahe gebracht werden; bei Einigungen, die ja per<br />

Definition eine einverständliche Lösung darstellen, sollte zudem den Emittenten ein Mitspracherecht<br />

gewährt werden.<br />

Meiner Meinung nach bewältigt die Börse den Spagat zwischen dem Legitimationsdruck <strong>und</strong><br />

den Erwartungen <strong>der</strong> Beaufsichtigten insgesamt durchaus zufriedenstellend.<br />

- 211 -


Verzeichnis <strong>der</strong> Interviews<br />

Verzeichnis <strong>der</strong> Interviews<br />

1. Sygenta International AG, Frau Dr. Sandra Bürli-Borner, Corporate Counsel, am 21.<br />

März 2011, 16-16.45 Uhr in Basel.<br />

2. Leclanché SA, Herr Stefan Müller, Member of the Board, am 23. März 2011, 14-14.45<br />

Uhr in Yverdon/VD.<br />

3. Sulzer AG, Herr Alfred Gerber, General Counsel <strong>und</strong> Generalsekretär <strong>der</strong> Konzernleitung,<br />

am 28. März 2011, 8-8.45 Uhr in Winterthur/ZH.<br />

4. SwissHoldings, Herr Silvan Jampen, Fachbereich: Kapitalmärkte <strong>und</strong> Kapitalmarktrecht,<br />

am 30. März 2011, 14-15.30 Uhr in Zürich.<br />

5. Bergbahnen Lenzerheide AG, Herr Christoph Sün<strong>der</strong>hauf, VR-Präsident, am 1. April<br />

2011, 15-15.45 Uhr in Chur/GR.<br />

6. Regulatory Board, Herr Dr. Roland Abt, Mitglied, CFO Georg Fischer AG, am 11.<br />

April 2011, 13.15-14 Uhr in St. Gallen.<br />

7. Novartis AG, Herr Dr. Stefan Sulzer, Head Corporate Finance Legal, am 12. April<br />

2011, 14-15 Uhr in Basel.<br />

8. Forbo International SA, Herr Daniel Keist, Head Corporate Center, am 13 April 2011,<br />

10-11 Uhr in Baar/ZG.<br />

9. Regulatory Board, Herr Dr. Markus Dietrich Nie<strong>der</strong>hauser, Mitglied, Head Legal and<br />

Compliance Bobst Group SA, am 14. April 2011, 10-10.45 Uhr (telefonisch).<br />

10. IVF Hartmann AG, Herr Andreas Gisler, CEO, am 15. April 2011, 10-11 Uhr in Neuhausen/SH.<br />

11. OC Oerlikon Management AG, Herr Burkhard Böndel, Head of Corporate Communication,<br />

am 4. Mai 2011, 11-11.45 Uhr in Pfäffikon/SZ.<br />

12. Zürcher Kantonalbank, Herr Dr. Stephanino Isele, Head Trading, Sales & Capital<br />

Market, am 6. Mai 2011, 13-13.45 Uhr (telefonisch).<br />

13. Swissmetal Industries Ltd, Herr Martin Näf, VP Finance and Special Projects / Herr<br />

Joachim Blatter, CFO, am 12. Mai 2011, 15-16 Uhr in Dornach/BL.<br />

14. St. Galler Kantonalbank AG, Herr Dr. Peter Loser, Stellvertreten<strong>der</strong> Leiter Recht &<br />

Compliance, am 13. Mai 2011, 11-12 Uhr in St. Gallen.<br />

XIX


Verzeichnis <strong>der</strong> Interviews<br />

15. Deutsche Bank (Suisse) SA, Herr Beat Schaerer, Managing Director | Head of Trading,<br />

am 24. Mai 2011, 10-10.45 Uhr in Zürich.<br />

16. OC Oerlikon Management AG, Herr Wolfgang Niggli, Corporate Secretary, am 26.<br />

Mai 2011, 14-14.45 Uhr in Pfäffikon/SZ.<br />

17. St. Galler Kantonalbank AG, Herr Roland Schneiter, Leiter Handel, am 6. Juni 2011,<br />

10-10.45 Uhr in St. Gallen.<br />

18. <strong>SIX</strong> Exchange Regulation, Herr Stefan Lüchinger, Head of Listing & Enforcement,<br />

am 29. Juni 2011, 14.30-15.45 Uhr in Zürich.<br />

19. PriceWaterhouseCoopers, Herr Peter Eberli, dipl. Wirtschaftsprüfer, am 4. Juli 2011,<br />

10-11 Uhr in Zürich-Oerlikon.<br />

20. KPMG, Herr Roger Neiniger, Head of Audit / Herr Dr. Daniel Lengauer, Head of Legal<br />

Deutschschweiz, am 7. Juli 2011, 15.15-16 Uhr in Zürich.<br />

21. Sanktionskommission, Herr Dr. Jürg Spring, Präsident / Herr Bruno Allmendiger,<br />

Mitglied / Herr Dr. Dieter Sigrist, Sekretär, am 14. Juli 2011, 14.15-15.15 Uhr in<br />

Weinfelden/TG.<br />

22. Beschwerdeinstanz, Herr Prof. Dr. Rolf Weber, Präsident, am 19. Juli 2011, 10.15-11<br />

Uhr in Zürich.<br />

23. Regulatory Board, Herr Dr. Andreas von Planta, Präsident, am 22. Juli 2011, 14-15<br />

Uhr in Genf.<br />

24. FINMA, Herr Dr. Marcel Aellen, Aufsicht Börsen, am 17. August 2011, 10-10.45 Uhr<br />

in Bern.<br />

25. Herr Prof. Dr. Peter Böckli, Universitätsprofessor, Rechtsanwalt <strong>und</strong> Schiedsrichter<br />

am <strong>Schiedsgericht</strong>, am 5. September 2011, 14-15 Uhr in Basel.<br />

26. Herr Rodolfo Straub, Head of Exchange Regulation / Herr Dr. Martin Sieg, Vizepräsident<br />

des Regulatory Boards, Mitglied des Ausschusses für Teilnehmerregulierung, am<br />

21. März 2012, 16.30-17.15 Uhr in Zürich.<br />

XX


Mitglie<strong>der</strong> des Regulatory Boards<br />

Mitglie<strong>der</strong> des Regulatory Boards 1335<br />

Präsident<br />

Dr. Andreas von Planta 1<br />

Rechtsanwalt, Partner Lenz & Stähelin, Genf<br />

Vizepräsident<br />

Dr. Martin Sieg Castagnola 2<br />

Chief Financial Officer Vontobel Holding AG, Zürich<br />

Mitglie<strong>der</strong><br />

Dr. Roland Abt 1<br />

Leiter Finanzen <strong>und</strong> Controlling (CFO) Mitglied <strong>der</strong> Konzernleitung Georg Fischer AG,<br />

Schaffhausen<br />

Nick Adamus 2<br />

Head Securities Trading & Sales Switzerland Credit Suisse AG, Zürich<br />

Hans-Peter Conrad<br />

General Counsel Swiss Life, Zürich<br />

David Frick 1<br />

Mitglied <strong>der</strong> Geschäftsleitung Nestlé AG, Vevey<br />

Prof. Dr. Peter Gomez<br />

Präsident des Verwaltungsrats <strong>SIX</strong> Swiss Exchange AG, Zürich<br />

G. Andreas Guth<br />

Präsident des Verwaltungsrats Dreyfus Söhne & Cie AG, Banquiers, Basel<br />

1335 Quelle: www.six-exchange-regulation.com/admission_manual/11_04-MLRB_de.pdf.<br />

XXI


Mitglie<strong>der</strong> des Regulatory Boards<br />

Dr. Stephanino Isele 2<br />

Head Trading, Sales & Capital Market Zürcher Kantonalbank, Zürich<br />

Dr. Christian A. Katz 1,2<br />

Chief Executive Officer <strong>SIX</strong> Swiss Exchange AG, Zürich<br />

Daniel Morales 1<br />

Head Corporate Legal UBS AG, Zürich<br />

Dr. Markus Dietrich Nie<strong>der</strong>hauser<br />

Head Legal and Compliance Bobst Group SA, Lausanne<br />

Olivier Vodoz<br />

General Counsel Union Bancaire Privée, Genf<br />

Patrick H. Voegeli<br />

Mitglied <strong>der</strong> Geschäftsleitung BNP Paribas (Suisse) SA, Zürich<br />

Matthias Waehren 1<br />

Chief Financial Officer Givaudan AG, Vernier<br />

Prof. Dr. Rolf Watter 2<br />

Rechtsanwalt Bär & Karrer AG, Zürich<br />

Dr. Thomas Werlen 1<br />

General Counsel Novartis AG, Basel<br />

1<br />

Mitglied des Ausschusses für Emittentenregulierung<br />

2<br />

Mitglied des Auschusses für Teilnehmerregulierung<br />

XXII


Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Sanktionskommission<br />

Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Sanktionskommission 1336<br />

Dr. Jürg Spring, Präsident<br />

Präsident des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau, Weinfelden<br />

Bruno Allmendinger<br />

Beirat "Governance for Owners" (London), ehemaliger Finanzchef Sulzer AG<br />

Jean Berthoud<br />

Präsident des Verwaltungsrats, Banque Bonhôte & Cie SA, Neuenburg<br />

Sylvain Matthey<br />

Direktor, Lombard, Odier, Darier, Hentsch & Cie, Privatbankiers, Genf<br />

Prof. Dr. Henry Peter<br />

Professor für Wirtschaftsrecht an <strong>der</strong> Universität Genf, Rechtsanwalt in Lugano<br />

Prof. Dr. Isabelle Romy<br />

Professorin an <strong>der</strong> Rechtswissenschaftlichen Fakultät <strong>der</strong> Universität Freiburg, Rechtsanwältin<br />

in Zürich, ehemalige nebenamtliche Richterin am B<strong>und</strong>esgericht<br />

David Schnell<br />

Unternehmensberater <strong>und</strong> Mitglied verschiedener Verwaltungsräte (u.a. von Kuoni Reisen<br />

Holding AG), Bern<br />

1336 Quelle: www.six-exchange-regulation.com/admission_manual/13_05-MLSC_de.pdf.<br />

XXIII


Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Beschwerdeinstanz<br />

Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Beschwerdeinstanz 1337<br />

Prof. Dr. Rolf H. Weber, Präsident<br />

Professor für Privat-, Wirtschafts- <strong>und</strong> Europarecht, Universität Zürich<br />

Dr. Heinrich Andreas Müller, Vizepräsident<br />

Oberrichter am <strong>und</strong> Präsident des Obergerichts des Kantons Zürich<br />

Dr. Jacques Iffland<br />

Rechtsanwalt, Genf<br />

Ersatzmitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Beschwerdeinstanz:<br />

Dr. rer. pol. Niklaus Blattner<br />

a.o. Professor emeritus für Nationalökonomie, Universität Basel, Ehemaliger Vizepräsident<br />

des Direktoriums <strong>der</strong> Schweizerischen Nationalbank<br />

Dr. Christoph B. Bühler, LL.M<br />

Rechtsanwalt, Basel<br />

1337 Quelle: /www.six-exchange-regulation.com/admission_manual/13_04-MLAB_de.pdf<br />

XXIV


Literaturverzeichnis<br />

Literaturverzeichnis<br />

ABEGGLEN, SANDRO, Die Aufklärungspflichten in Dienstleistungsbeziehungen, insbeson<strong>der</strong>e<br />

im Bankgeschäft: Entwurf eines Systems zu ihrer Konkretisierung, Bern Stämpfli 1995.<br />

ACHENBACH, HANS, Ahnende Sanktionen gegen Unternehmen <strong>und</strong> die für sie handelnden<br />

Personen, in: Schünemann, Bernd/ de Figueiredo Dias, Jorge (Hrsg.), Bausteine des europäischen<br />

Strafrechts: Coimbra-Symposium für Claus Roxin, Köln Heymanns 1995, S. 283 ff.<br />

(zit. Ahnende Sanktionen).<br />

ACHENBACH, HANS, Sanktionierung <strong>und</strong> Zurechnung unternehmensbezogenen Handelns im<br />

Überblick, in: Achenbach, Hans/Ransiek, Andreas (Hrsg.), Handbuch Wirtschaftsstrafrecht, 3.<br />

Auflage, Heidelberg C.F. Müller 2012 (zit. Sanktionierung).<br />

ADOLPHSEN, JENS, Aktuelle Fragen des Verhältnisses von EMRK <strong>und</strong> Europäischem Zivilprozessrecht,<br />

in: Renzikowski, Joachim (Hrsg.), Die EMRK im Privat-, Straf- <strong>und</strong> Öffentlichen<br />

Recht: Gr<strong>und</strong>lagen einer europäischen Rechtskultur, Wien Manz/München Beck/Zürich<br />

Schulthess 2004, S. 39 ff.<br />

AELLEN, MARCEL, Limitierte Schutzfunktion <strong>der</strong> Ad-hoc-Publizität - Die Pflicht zur Bekanntgabe<br />

kursrelevanter Tatsachen, in: NZZ vom 24. Oktober 1996, S. 25.<br />

AEMISEGGER, HEINZ, Öffentlichkeit <strong>der</strong> Justiz, in: Tschannen, Pierre (Hrsg.), Neue B<strong>und</strong>esrechtspflege:<br />

Auswirkungen <strong>der</strong> Totalrevision auf den kantonalen <strong>und</strong> eidgenössischen<br />

Rechtsschutz: Berner Tage für die juristische Praxis BTJP 2006: Tagung vom 19./20. Oktober<br />

2006 an <strong>der</strong> Universität Bern, Bern Stämpfli 2007, S. 375 ff. (zit. Öffentlichkeit).<br />

AEMISEGGER, HEINZ, Zur Umsetzung <strong>der</strong> EMRK in <strong>der</strong> Schweiz, in: Jusletter 20. Juli 2009<br />

(zit. EMRK).<br />

ALKALAY, MICHAEL, Umweltstrafrecht im Geltungsbereich des USG, Zürich Schulthess 1992.<br />

XXV


Literaturverzeichnis<br />

ARROYO, MANUEL/SPILLMANN, TILL, Art. 62 Abs. 3 des <strong>SIX</strong>-Kotierungsreglements vermag<br />

eine Schiedsvereinbarung nicht zu ersetzen, in: GesKR (2011), S. 245 ff.<br />

ARTER, OLIVER, Bankenaufsichtsrecht in <strong>der</strong> Schweiz: Standortbestimmung <strong>und</strong> Zukunftsperspektiven<br />

am Vorabend <strong>der</strong> FINMA, Bern Stämpfli 2008.<br />

ARTHUR, TERRY/BOOTH, PHILIP, Does Britain need a financial regulator?: statutory regulation,<br />

private regulation and financial markets, London Institute of Economic Affairs 2010.<br />

AUER, CHRISTOPH, Art. 13 VwVG, in: Auer, Christoph/Müller, Markus/Schindler, Benjamin<br />

(Hrsg.), Kommentar zum B<strong>und</strong>esgesetz über das Verwaltungsverfahren (VwVG), Zürich Dike<br />

2008, S. 223 ff.<br />

BAETGE, JÖRG, Insi<strong>der</strong>recht <strong>und</strong> Ad-hoc-Publizität: was bedeuten die neuen Regelungen für<br />

Unternehmenspublizität <strong>und</strong> Finanzanalyse?: Vorträge <strong>und</strong> Diskussionen zum 11. Münsterischen<br />

Tagesgespräch, Düsseldorf IDW-Verlag 1995.<br />

BAHAR, RASHID/STUPP, ERIC, Art. 11 BEHG, in: Watter, Rolf/Vogt, Nedim (Hrsg.), Börsengesetz,<br />

Finanzmarktaufsichtsgesetz: Art. 161, 161bis, 305bis <strong>und</strong> 305ter Strafgesetzbuch, 2.<br />

Auflage, Basel Helbing Lichtenhahn Verlag 2011, S. 638 ff.<br />

BAUER, CHRISTINA, Fragen <strong>der</strong> Verbandsstrafbarkeit: Überlegungen zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit<br />

von juristischen Personen <strong>und</strong> Personengesellschaften als Unternehmensträger<br />

unter beson<strong>der</strong>er Berücksichtigung <strong>der</strong> betrieblichen Umweltkriminalität, Linz Trauner 2003.<br />

BAUMGARTEN, MARK-OLIVER/LANZ, MARTIN, Art. 9 BEHG, in: Watter, Rolf/Vogt, Nedim<br />

(Hrsg.), Börsengesetz, Finanzmarktaufsichtsgesetz: Art. 161, 161bis, 305bis <strong>und</strong> 305ter Strafgesetzbuch,<br />

2. Auflage, Basel Helbing Lichtenhahn Verlag 2011, S. 601 ff.<br />

BAUMS, THEODOR (Hrsg.), Bericht <strong>der</strong> Regierungskommission Corporate Governance: Unternehmensführung<br />

- Unternehmenskontrolle - Mo<strong>der</strong>nisierung des Aktienrechts, Köln O.<br />

Schmidt 2001 (zit. BAUMS-KOMMISSION).<br />

XXVI


Literaturverzeichnis<br />

BEAVER, WILLIAM, Zur Effizienz des Kapitalmarktes: Gegenwärtiger Stand <strong>der</strong> Forschung, in:<br />

Betriebswirtschaftliche Forschung <strong>und</strong> Praxis 35 (1983), S. 344 ff.<br />

BECKER, GARY S., Crime and Punishment. An Economic Approach, in: Journal of Political<br />

Economy 76 (1968), S. 169 ff.<br />

BERGER, BERNHARD/KELLERHALS, FRANZ, Internationale <strong>und</strong> interne <strong>Schiedsgericht</strong>sbarkeit<br />

in <strong>der</strong> Schweiz, Bern Stämpfli/Wien Manz 2006.<br />

BERTI, STEPHEN V./SCHNYDER ANTON K., Art. 190, in: Honsell, Heinrich/Vogt, Nedim P.<br />

/Schny<strong>der</strong>, Anton K./Berti, Stephen V. (Hrsg.), Internationales Privatrecht (IPRG), Basel<br />

Helbing & Lichtenhahn 2007, S. 1758 ff.<br />

BERTOSSA, CARLO ANTONIO, Unternehmensstrafrecht - Strafprozess <strong>und</strong> Sanktionen, Bern<br />

Stämpfli 2003.<br />

BERTSCHINGER, URS, Arbeitsteilung <strong>und</strong> aktienrechtliche Verantwortlichkeit, Zürich<br />

Schulthess 1999.<br />

BIAGGINI, GIOVANNI, Demokratisch-rechtsstaatliche Staatsorganisation - Gr<strong>und</strong>fragen <strong>und</strong><br />

Herausfor<strong>der</strong>ungen, in: Biaggini, Giovanni/Gächter, Thomas/ Kiener, Regina (Hrsg.), Staatsrecht,<br />

Zürich Dike 2011, S. 177 ff.<br />

BISCHOFBERGER, PETER, Die Verfahrensgarantien <strong>der</strong> Europäischen Konvention zum Schutze<br />

<strong>der</strong> Menschenrechte <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>freiheiten (Art. 5 <strong>und</strong> 6) in ihrer Einwirkung auf das schweizerische<br />

Strafprozessrecht, Zürich Schulthess 1972.<br />

BÖCKLI, PETER, Ad hoc Publizität <strong>und</strong> Insi<strong>der</strong>strafnorm, in: Bühler, Christoph (Hrsg.), Informationspflichten<br />

des Unternehmens im Gesellschafts- <strong>und</strong> Börsenrecht, Bern Haupt 2003 (zit.<br />

Ad hoc Publizität).<br />

BÖCKLI, PETER, Einführung in die IFRS/IAS: International Financial Reporting Standards -<br />

knapp <strong>und</strong> deutsch, 2. Auflage, Zürich Schulthess 2005 (zit. IFRS/IAS).<br />

XXVII


Literaturverzeichnis<br />

BÖCKLI, PETER, Insi<strong>der</strong>strafrecht <strong>und</strong> Verantwortung des Verwaltungsrates, Zürich Schulthess<br />

1989 (zit. Insi<strong>der</strong>strafrecht).<br />

BÖCKLI, PETER, Schweizer Aktienrecht, 4. Auflage, Zürich Schulthess 2009 (zit. Schweizer<br />

Aktienrecht).<br />

BÖCKLI, PETER, Zum Börsengesetz von 1995: neue Rechtsinstitute <strong>und</strong> neue Probleme, in:<br />

BJM (1998), S. 225 ff. (zit. Börsengesetz).<br />

BODMER, HANS, Vereinsstrafe <strong>und</strong> Verbandsgerichtsbarkeit: dargestellt am Beispiel des<br />

Schweizerischen Fussballverbandes, Bern Haupt 1989.<br />

BOEMLE, MAX/STOLZ, CARSTEN, Unternehmungsfinanzierung, 14. Auflage, Zürich Verlag<br />

SKV 2010.<br />

Botschaft zu einem B<strong>und</strong>esgesetz über die Börsen <strong>und</strong> den Effektenhandel vom 24. Februar<br />

1993 (BBl. 1993 I 1369) (zit. Botschaft BEHG).<br />

Botschaft zum B<strong>und</strong>esgesetz über die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finanzmarktaufsichtsgesetz,<br />

FINMAG) vom 1. Februar 2006 (BBl. 2005 2829) (zit. Botschaft FINMAG).<br />

Botschaft zur Än<strong>der</strong>ung des Börsengesetzes (Börsendelikte <strong>und</strong> Marktmissbrauch) vom 31.<br />

August 2011 (zit. Botschaft Marktmissbrauch).<br />

Botschaft zur Än<strong>der</strong>ung des Obligationenrechts (Aktienrecht <strong>und</strong> Rechnungslegungsrecht<br />

sowie Anpassungen im Recht <strong>der</strong> Kollektiv- <strong>und</strong> Kommanditgesellschaft, im GmbH-Recht,<br />

Genossenschafts-, Handelsregister- sowie Firmenrecht) vom 21. Dezember 2007, (BBl 2007<br />

1589) (zit. Botschaft Obligationenrecht).<br />

Botschaft zur Än<strong>der</strong>ung des Obligationenrechts (Transparenz betreffend Vergütungen an Mitglie<strong>der</strong><br />

des Verwaltungsrates <strong>und</strong> <strong>der</strong> Geschäftsleitung) vom 23. Juni 2004 (BBl. 2004 4471<br />

ff.) (zit. Botschaft Vergütungen).<br />

XXVIII


Literaturverzeichnis<br />

BRANDEIS, LOUIS D., Other people's money and how the bankers use it, New York Fre<strong>der</strong>ick<br />

A. Stokes 1914.<br />

BRELAND, MICHAEL, Lernen <strong>und</strong> Verlernen von Kriminalität: ein lernpsychologisches Konzept<br />

<strong>der</strong> Prävention im sozialen Rechtsstaat, Opladen Westdeutscher Verlag 1975.<br />

BRINER, ROBERT/VON SCHLABRENDORFF, FABIAN, Article 6 of the European Convention on<br />

Human Rights and its Bearing upon International Arbitration, in: Briner, Robert/Fortier,<br />

Yves/Berger, Klaus Peter/Bredow, Jens (Hrsg.), Law of international business and dispute<br />

settlement in the 21st century = Recht <strong>der</strong> internationalen Wirtschaft <strong>und</strong> Streiterledigung im<br />

21. Jahrhun<strong>der</strong>t: liber amicorum Karl-Heinz Böckstiegel anlässlich seines Ausscheidens als<br />

Direktor des Instituts für Luft- <strong>und</strong> Weltraumrecht <strong>und</strong> des von ihm gegründeten Lehrstuhls<br />

für Internationales Wirtschaftsrecht, Köln Heymanns; 2001, S. 89-109.<br />

BRÜGGER, URS, Schweizerisches Börsenrecht im Wandel, in: Nobel, Peter (Hrsg.), Aktuelle<br />

Rechtsprobleme des Finanz- <strong>und</strong> Börsenplatzes Schweiz, Bern Stämpfli 1994, S. 48 ff.<br />

BRUNNER, CHRISTOPH, Liability of publicly held corporations for a violation of a duty to disclose,<br />

in particular the "Ad Hoc Publicity“: comparative study of the relative law in the United<br />

States and Switzerland, Bern Stämpfli 1998 (zit. BRUNNER, CHRISTOPH).<br />

BRUNNER, URSULA, Rechtsetzung durch Private: private Organisationen als Verordnungsgeber,<br />

Zürich Schulthess 1982 (zit. BRUNNER, URSULA).<br />

BUCHANAN, JAMES, An Economic Theory of Clubs, in: Economica 32 (1965), S. 1 ff.<br />

BUCHER, EUGEN, Schweizerisches Obligationenrecht: Allgemeiner Teil ohne Deliktsrecht, 2.<br />

Auflage, Zürich Schulthess 1988 (zit. Obligationenrecht).<br />

BUCHER, EUGEN, Zur Unabhängigkeit des parteibenannten Schiedsrichters, in: Merz,<br />

Hans/Schluep, Walter R. (Hrsg.), Recht <strong>und</strong> Wirtschaft heute: Festgabe zum 65. Geburtstag<br />

von Max Kummer, Bern Stämpfli 1980, S. 599 ff. (zit. Unabhängigkeit).<br />

XXIX


Literaturverzeichnis<br />

BÜCHLER, BENJAMIN/VON DER CRONE, HANS CASPAR, Die Zulässigkeit statutarischer<br />

Schiedsklauseln, in: SZW 82 (2010), S. 258 ff.<br />

BUFF, HERBERT, Compliance: Führungskontrolle durch den Verwaltungsrat, Zürich<br />

Schulthess 2000.<br />

BÜHLER, CHRISTOPH, Regulierung im Bereich <strong>der</strong> Corporate Governance, Zürich Dike 2009.<br />

BÜHLER, CHRISTOPH/HÄRING, DANIEL, Die selbstgeschaffene Insi<strong>der</strong>information, GesKR<br />

(2009), S. 455 ff.<br />

BUSSE, DIETRICH, Juristische Semantik: Gr<strong>und</strong>fragen <strong>der</strong> juristischen Interpretationstheorie in<br />

sprachwissenschaftlicher Sicht, Berlin Duncker & Humblot 1993.<br />

BÜTLER, THOMAS, Der Persönlichkeitsschutz des Vereinsmitgliedes, 1986.<br />

CIMICHELLA, SANDRO, Die Geldstrafe im Schweizer Strafrecht: unter Berücksichtigung <strong>der</strong><br />

Problematik zum bedingten Vollzug, Bern Stämpfli 2006.<br />

CLAUSSEN, CARSTEN PETER, Bank- <strong>und</strong> Börsenrecht, 2. Auflage, München Beck 2000 (zit.<br />

Börsenrecht).<br />

CLAUSSEN, CARSTEN PETER, Insi<strong>der</strong>handelsverbot <strong>und</strong> Ad hoc-Publizität: Praktikerhinweise<br />

<strong>und</strong> -empfehlungen für Emittenten, Anleger, Banken, Wertpapierdienstleister <strong>und</strong> ihre Berater,<br />

Köln Schmidt 1996 (zit. Insi<strong>der</strong>handelsverbot).<br />

CLAUSSEN, CARSTEN PETER/HOFFMANN, MICHAEL, Neues zur Rechtsform deutscher Wertpapierbörsen,<br />

in: ZBB 7 (1995), S. 68 ff.<br />

COFFEE, JOHN, "No Soul to Damn: No Body to Kick", An Unscandalized Inquiry into the<br />

Problem of Corporate Punishment, in: Michigan Law Review 79 (1981), S. 386 ff.<br />

COPELAND, THOMAS/WESTON, J. FRED/SHASTRI, KULDEEP, Financial theory and corporate<br />

policy, 4. Auflage, Boston, MA Pearson Addison-Wesley 2005.<br />

XXX


Literaturverzeichnis<br />

COTTIER, THOMAS, Die Verfassung <strong>und</strong> das Erfor<strong>der</strong>nis <strong>der</strong> gesetzlichen Gr<strong>und</strong>lage: eine Untersuchung<br />

zum Legalitätsprinzip <strong>und</strong> schweizerischen Gesetzesverständnis aus individualrechtlicher<br />

Sicht, Diessenhofen Rüegger 1983.<br />

DAENIKER, DANIEL, Anlegerschutz bei Obligationenanleihen, Zürich Schulthess 1992 (zit.<br />

Anlegerschutz).<br />

DAENIKER, DANIEL, Thesen zur Haftung für Ad-hoc-Publizität, in: GesKR (2006), S. 139 ff.<br />

(zit. Thesen).<br />

DAENIKER, DANIEL/WALLER, STEFAN, Art. 3 BEHG, in: Vogt, Nedim/Watter, Rolf (Hrsg.),<br />

Börsengesetz: Art. 161, 161bis, 305bis <strong>und</strong> 305ter Strafgesetzbuch, 2. Auflage, Basel Helbing<br />

Lichtenhahn 2011, S. 513 ff. (zit. Art. 3BEHG).<br />

DAENIKER, DANIEL/WALLER, STEFAN, Art. 4 BEHG, in: Vogt, Nedim/Watter, Rolf (Hrsg.),<br />

Börsengesetz: Art. 161, 161bis, 305bis <strong>und</strong> 305ter Strafgesetzbuch, 2. Auflage, Basel Helbing<br />

Lichtenhahn 2011, S. 527 ff. (zit. Art. 4 BEHG).<br />

DAENIKER, DANIEL/WALLER, STEFAN, Kapitalmarktbezogene Informationspflichten <strong>und</strong> Haftung,<br />

in: Weber, Rolf H. (Hrsg.), Verantwortlichkeit im Unternehmensrecht, Zürich<br />

Schulthess 2003, S. 55 ff. (zit. Informationspflichten).<br />

DALLA TORRE, LUCA/HASLER, DANIEL, Ad hoc-Publizität bei Wechseln in <strong>der</strong> Unternehmensführung,<br />

in: GesKR (2010), S. 186 ff.<br />

DASSER, FELIX, Art. 353-399 ZPO, in: Oberhammer, Paul (Hrsg.), ZPO: Kurzkommentar,<br />

Basel Helbing Lichtenhahn Verlag 2010, S. 1263 ff.<br />

DE BEER, ALEXANDER, Fairness <strong>und</strong> Transparenz durch Ad hoc-Publizität, in: ST 72 (1998),<br />

S. 33 ff.<br />

DE CAPITANI, WERNER, Art. 25 GwG, in: Schmid, Niklaus et al. (Hrsg.), Kommentar Einziehung<br />

- Organisiertes Verbrechen - Geldwäscherei, Zürich Schulthess 2002, S. 1145 ff.<br />

XXXI


Literaturverzeichnis<br />

DEDERER, HANS-GEORG, Korporative Staatsgewalt : Integration privat organisierter Interessen<br />

in die Ausübung von Staatsfunktionen, Tübingen Mohr Siebeck 2004.<br />

DONATSCH, ANDREAS, Schwächen <strong>der</strong> neuen Finanzmarktaufsicht, in: NZZ vom 27.1.2004, S.<br />

27 (zit. Finanzmarktaufsicht).<br />

DONATSCH, ANDREAS, Strafrecht III: Delikte gegen den Einzelnen, 9. Auflage, Zürich<br />

Schulthess 2008 (zit. Strafrecht).<br />

DRUEY, JEAN NICOLAS, Die Information des Outsi<strong>der</strong>s in <strong>der</strong> Aktiengesellschaft, in: von Büren,<br />

Roland/Hausheer, Hans/Wiegand, Wolfgang (Hrsg.), Gr<strong>und</strong>fragen des neuen Aktienrechts,<br />

Bern Stämpfli 1993, S. 69 ff. (zit. Outsi<strong>der</strong>).<br />

DRUEY, JEAN NICOLAS, Information als Gegenstand des Rechts: Entwurf einer Gr<strong>und</strong>legung,<br />

Zürich Schulthess/Baden-Baden Nomos 1995 (zit. Information).<br />

DUBS, ROLF, Verwaltungsratssitzungen - Analyse, Beurteilung, Verbesserungen, in: Die Unternehmung<br />

47 (1993), S. 123 ff.<br />

DÜTZ, WILHELM, Rechtsstaatlicher Gerichtsschutz im Privatrecht: zum sachlichen Umfang<br />

<strong>der</strong> Zivilgerichtsbarkeit, Bad Homburg Gehlen 1970.<br />

EASTERBROOK, FRANK H./FISCHEL, DANIEL R., The economic structure of corporate law,<br />

Cambridge Harvard University Press 1991.<br />

EBBING, FRANK, Private Zivilgerichte: Möglichkeiten <strong>und</strong> Grenzen privater (schiedsgerichtlicher)<br />

Zivilrechtsprechung, München Beck 2003.<br />

EFD, Än<strong>der</strong>ung des B<strong>und</strong>esgesetzes über die Börsen <strong>und</strong> den Effektenhandel (Börsendelikte<br />

<strong>und</strong> Marktmissbrauch) - Erläutern<strong>der</strong> Bericht für die Vernehmlassung vom 18.1.2010 (zit.<br />

EFD, Erläutern<strong>der</strong> Bericht).<br />

XXXII


Literaturverzeichnis<br />

EFD, Expertenkommission Börsendelikte <strong>und</strong> Marktmissbrauch, Bericht vom 29. Januar 2009<br />

(zit. EFD; Expertenkommission).<br />

EHRHARDT, ANNE, Unternehmensdelinquenz <strong>und</strong> Unternehmensstrafe: Sanktionen gegen juristische<br />

Personen nach deutschem <strong>und</strong> US-amerikanischem Recht, Berlin Duncker &<br />

Humblot 1994.<br />

EIDAM, GERD, Straftäter Unternehmen, München Beck 1997.<br />

Eidgenössische Bankenkommission, "EBK-Bericht Selbstregulierung", Juli 2007, zu finden<br />

unter: www.finma.ch/archiv/ebk/d/publik/medienmit/20070704/20070704_02_d.pdf (zit.<br />

EBK).<br />

EISELE, DIETER, Insi<strong>der</strong>recht <strong>und</strong> Compliance, in: WM 47 (1993), S. 1021 ff.<br />

ERRASS, CHRISTOPH, Kooperative Rechtssetzung, Zürich Dike 2010.<br />

Expertengruppe Finanzmarktaufsicht unter <strong>der</strong> Leitung von Prof. Dr. J.-B. Zufferey: Finanzmarktregulierung<br />

<strong>und</strong> –aufsicht in <strong>der</strong> Schweiz, Schlussbericht, Bern EDMZ 2000 (zit. Expertengruppe<br />

Zufferey).<br />

FELDER, SILVAN, Verwaltungsrat <strong>und</strong> Corporate Governance, in: ST 76 (2002), S. 1007 ff.<br />

FELDGES, JOACHIM, Konsumentenschutz durch private Normen, Zürich Schulthess 1987.<br />

FELLER, URS, Vergleich <strong>der</strong> Regeln zur Ad-hoc-Publizität für Emittenten, <strong>der</strong>en Aktien an <strong>der</strong><br />

SWX <strong>und</strong> an <strong>der</strong> SWX Europe gehandelt werden, in: AJP 17 (2008), S. 1095 ff.<br />

FISSE, BRENT, Sanktionen gegen Unternehmen: Grenzen <strong>der</strong> Geldstrafe <strong>und</strong> das Potential alternativer<br />

Sanktionen, in: Liebl, Karlhans (Hrsg.), Internationale Forschungsergebnisse auf<br />

dem Gebiet <strong>der</strong> Wirtschaftskriminalität, Pfaffenweiler Centaurus-Verlagsgesellschaft 1987, S.<br />

117 ff.<br />

XXXIII


Literaturverzeichnis<br />

FISSE, BRENT/BRAITHWAITE, JOHN, The impact of publicity on corporate offen<strong>der</strong>s, Albany<br />

State University 1983.<br />

FLEINER-GERSTER, THOMAS, Gr<strong>und</strong>züge des allgemeinen <strong>und</strong> schweizerischen Verwaltungsrechts,<br />

2. Auflage, Zürich Schulthess 1980.<br />

FLÜHMANN, CAROLINE/SUTTER, PATRICK, Kritische Betrachtung <strong>der</strong> b<strong>und</strong>esgerichtlichen<br />

Veröffentlichungspraxis o<strong>der</strong> „Wünschbares ist machtbar“, in: AJP 12 (2003), S. 1026 ff.<br />

FORSTER, MATTHIAS, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Unternehmens nach Art. 102<br />

StGB, Bern Stämpfli 2006.<br />

FORSTMOSER, PETER, Informations- <strong>und</strong> Meinungsäusserungsrechte, in: Hirsch, Alain (Hrsg.),<br />

Rechtsfragen um die Generalversammlung, Zürich Schulthess 1997, S. 85 ff.<br />

FORSTMOSER, PETER/MEIER-HAYOZ, ARTHUR/NOBEL, PETER, Schweizerisches Aktienrecht,<br />

Bern Stämpfli 1996.<br />

FRANK, JÜRGEN, Die „Rationalität“ einer ökonomischen Analyse des Rechts, in: Zeitschrift<br />

für Rechtssoziologie 7 (1986), S. 191 ff.<br />

FRANK, RICHARD/STRÄULI, HANS/MESSMER, GEORG, Kommentar zur zürcherischen Zivilprozessordnung:<br />

Gesetz über den Zivilprozess vom 13. Juni 1976: mit einem Anhang zu verfahrensrechtlichen<br />

Bestimmungen des zürcherischen Gerichtsverfassungsgesetzes, 3. Auflage,<br />

Zürich Schulthess 1997.<br />

FREY, BRUNO S., How does Pay Influence Motivation?, in: Frey, Bruno/Osterloh, Margit<br />

(Hrsg.), Successful management by motivation: balancing intrinsic and extrinsic incentives,<br />

Berlin Springer 2002, S. 55 ff.<br />

FREYMOND, DIANE/VOGT, HANS-UELI, Die Pflicht des Verwaltungsrates zur Verhin<strong>der</strong>ung<br />

von Insi<strong>der</strong>delikten, in: Ackermann, Jürg-Beat (Hrsg.), Strafrecht als Herausfor<strong>der</strong>ung: zur<br />

Emeritierung von Professor Niklaus Schmid, Zürich Schulthess 1999, S. 173 ff.<br />

XXXIV


Literaturverzeichnis<br />

FROWEIN, JOCHEN/PEUKERT, WOLFGANG, Europäische Menschenrechtskonvention: EMRK-<br />

Kommentar, 3. Auflage, Kehl am Rhein Engel 2009.<br />

FRITSCHI, OLIVER, Die Offenlegung von Management-Transaktionen, Zürich Schulthess 2011.<br />

FUCHS, CHRISTOPH, Rechtsfragen <strong>der</strong> Vereinsstrafe: unter beson<strong>der</strong>er Berücksichtigung <strong>der</strong><br />

Verhältnisse in Sportverbänden, Zürich Schulthess 1999.<br />

GASSER DOMINIK, Art. 1 ZPO, in: Brunner, Alexan<strong>der</strong>/Gasser, Dominik/Schwan<strong>der</strong>, Ivo<br />

(Hrsg.), Schweizerische Zivilprozessordnung (ZPO) : Kommentar, Zürich Dike 2011, S. 1 ff.<br />

GAUCH, PETER/SCHLUEP, WALTER R./SCHMID, JÖRG, Schweizerisches Obligationenrecht: Allgemeiner<br />

Teil ohne ausservertragliches Haftpflichtrecht, 9. Auflage, Zürich Schulthess 2008.<br />

GEHRIG, BRUNO, Der Kursschnitt im Wertpapierhandel, in: Gehrig, Bruno/Schwan<strong>der</strong>, Ivo<br />

(Hrsg.), Banken <strong>und</strong> Bankrecht im Wandel: Festschrift für Beat Kleiner, Zürich Schulthess<br />

1993, S. 55 ff.<br />

GEHRT, JOHN ALEXANDER, Die neue Ad-hoc-Publizität nach § 15 Wertpapierhandelsgesetz:<br />

eine kritische Betrachtung im Vergleich zur französischen <strong>und</strong> anglo-amerikanischen Regelung,<br />

Baden-Baden Nomos-Verlagsgesellschaft 1997.<br />

GEISER, ROLF, Über den Ausstand des Richters im schweizerischen Zivilprozessrecht, Winterthur<br />

Keller 1957.<br />

GENTINETTA, JÖRG, Die lex fori internationaler Handelsschiedsgerichte, Bern Stämpfli 1973.<br />

GERKING, WIEBKE, Die wirtschaftlichen Folgen langer Verfahrensdauer, in: Schmidtchen,<br />

Dieter/Weth, Stephan (Hrsg.), Der Effizienz auf <strong>der</strong> Spur: die Funktionsfähigkeit <strong>der</strong> Justiz im<br />

Lichte <strong>der</strong> ökonomischen Analyse des Rechts, S. 38 ff.<br />

GIACOMETTI, ZACCARIA, Allgemeine Lehren des rechtsstaatlichen Verwaltungsrechts: allgemeines<br />

Verwaltungsrecht des Rechtsstaates, Zürich Polygraphischer Verlag 1960.<br />

XXXV


Literaturverzeichnis<br />

GIGER, GION, Corporate Governance als neues Element im schweizerischen Aktienrecht:<br />

Gr<strong>und</strong>lagen sowie Anpassungsbedarf in den Bereichen Aktionärsrechte <strong>und</strong> Unternehmensleitung<br />

bei Publikumsgesellschaften, Zürich Schulthess 2003.<br />

GIRSBERGER, DANIEL, Art. 358 ZPO, in: Spühler, Karl/Tenchio, Luca/Infanger, Dominik,<br />

Schweizerische Zivilprozessordnung, Basel Helbing Lichtenhahn Verlag 2010, S. 1699 ff.<br />

GRABENWARTER, CHRISTOPH, Verfahrensgarantien in <strong>der</strong> Verwaltungsgerichtsbarkeit: eine<br />

Studie zu Artikel 6 EMRK auf <strong>der</strong> Gr<strong>und</strong>lage einer rechtsvergleichenden Untersuchung <strong>der</strong><br />

Verwaltungsgerichtsbarkeit Frankreichs, Deutschlands <strong>und</strong> Österreichs, Wien Springer 1997.<br />

GRUMBACHER, PIERRE, Die Informationspflicht des Effektenhändlers im neuen Börsengesetz:<br />

praktische Hinweise zur Umsetzung von Art. 11 BEHG, Bern Haupt 1997.<br />

GUHL, THEO/KOLLER, ALFRED/SCHNYDER, ANTON K./DRUEY, JEAN NICOLAS, Das Schweizerische<br />

Obligationenrecht: mit Einschluss des Handels- <strong>und</strong> Wertpapierrechts, 9. Auflage, Zürich<br />

Schulthess 2000.<br />

GULDENER, MAX, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3. Auflage, Zürich Schulthess 1979.<br />

GÜNGERICH, ANDREAS/COENDET, THOMAS, Das B<strong>und</strong>esgerichtsgesetz – Erste Erfahrungen<br />

<strong>und</strong> offene Fragen in: Fellmann, Walter/Poledna, Thomas (Hrsg.), Aktuelle Anwaltspraxis<br />

2007, Bern Stämpfli 2007, S. 1 ff.<br />

HABSCHEID, WALTHER J., Rechtsstaatliche Aspekte des internationalen Schiedsverfahrens mit<br />

Rechtsmittelverzicht nach dem IPR-Gesetz, Solothurn Vereinigung für Rechtsstaat <strong>und</strong> Individualrechte<br />

1988 (zit. Rechtsstaatliche Aspekte).<br />

HABSCHEID, WALTHER J., Schweizerisches Zivilprozess- <strong>und</strong> Gerichtsorganisationsrecht: ein<br />

Lehrbuch seiner Gr<strong>und</strong>lagen, 2. Auflage, Basel Helbing & Lichtenhahn 1990 (zit. Zivilprozess).<br />

HABSCHEID, WALTHER J., Statutarische <strong>Schiedsgericht</strong>e <strong>und</strong> Schiedskonkordat, in: SAG 57<br />

(1985), S. 157 ff. (zit. <strong>Schiedsgericht</strong>e).<br />

XXXVI


Literaturverzeichnis<br />

HAEFLIGER, ARTHUR/SCHÜRMANN, FRANK, Die Europäische Menschenrechtskonvention <strong>und</strong><br />

die Schweiz: die Bedeutung <strong>der</strong> Konvention für die schweizerische Rechtspraxis, 2. Auflage,<br />

Bern Stämpfli 1999.<br />

HÄFELIN, ULRICH/HALLER, WALTER/KELLER, HELEN, Schweizerisches B<strong>und</strong>esstaatsrecht, 7.<br />

Auflage, Zürich Schulthess 2008.<br />

HÄFELIN, ULRICH/MÜLLER, GEORG/UHLMANN, FELIX, Allgemeines Verwaltungsrecht, 6. Auflage,<br />

Zürich Dike 2010.<br />

HAFTER, ERNST, Die Delikts- <strong>und</strong> Straffähigkeit <strong>der</strong> Personenverbände, Berlin Springer 1903.<br />

HÄGI, ERNST, Die Beschwer als Rechtsmittelvoraussetzung im schweizerischen <strong>und</strong> im deutschen<br />

Zivilprozessrecht, Zürich Schulthess 1974.<br />

HÄNER, ISABELLE, Die Beteiligten im Verwaltungsverfahren <strong>und</strong> Verwaltungsprozess: unter<br />

beson<strong>der</strong>er Berücksichtigung des Verwaltungsverfahrens <strong>und</strong> des Verwaltungsprozesses im<br />

B<strong>und</strong>, Zürich Schulthess 2000.<br />

HANGARTNER, YVO, Behördenrechtliche Kognitionsbeschränkungen in <strong>der</strong> Verwaltungsrechtspflege,<br />

in: Bovay, Benoît/Nguyen, Minh Son (Hrsg.), Mélanges en l'honneur de Pierre<br />

Moor: théorie du droit, droit administratif, organisation du territoire, Bern Stämpfli 2005, S.<br />

319 ff. (zit. Kognitionsbeschränkungen).<br />

HANGARTNER, YVO, Gr<strong>und</strong>züge des schweizerischen Staatsrechts, Band II: Gr<strong>und</strong>rechte, Zürich<br />

Schulthess 1982 (zit. Gr<strong>und</strong>rechte).<br />

HANGARTNER, YVO, Recht auf Rechtsschutz, in: AJP 13 (2002), S. 131 ff. (zit. Rechtsschutz).<br />

HANGARTNER, YVO, Richterliche Zurückhaltung in <strong>der</strong> Überprüfung von Entscheiden von<br />

Vorinstanzen, in: Schindler, Benjamin/Sutter, Patrick (Hrsg.), Akteure <strong>der</strong> Gerichtsbarkeit,<br />

Zürich Dike 2007, S. 159 ff. (zit. Zurückhaltung).<br />

XXXVII


Literaturverzeichnis<br />

HARRIS, DAVID J./O’BOYLE, MICHAEL/WARWICK, COLIN, Law of the European Convention<br />

on Human Rights, 2. Auflage, Oxford Oxford University Press 2009.<br />

HAUSER, PETRA/MATTLE, ADRIAN, Öffentliches Prozessrecht, Zürich Orell Füssli 2007.<br />

HEINE, GÜNTER, Die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen: von individuellem<br />

Fehlverhalten zu kollektiven Fehlentwicklungen, insbeson<strong>der</strong>e bei Grossrisiken, Baden-Baden<br />

Nomos 1995 (zit. Verantwortlichkeit).<br />

HEINE, GÜNTER, Sanctions in the Field of Corporate Criminal Liability, in: Eser, Albin/Heine,<br />

Günter/Huber, Barbara, Criminal responsibility of legal and collective entities, Freiburg i.Br.:<br />

Edition Iuscrim, 1999, S. 237 ff (zit. Sanctions).<br />

HEINI, ANTON, Die gerichtliche Überprüfung von Vereinsstrafen, in: Forstmoser, Peter/Schluep,<br />

Walter R. (Hrsg.), Freiheit <strong>und</strong> Verantwortung im Recht: Festschrift zum 60.<br />

Geburtstag von Arthur Meier-Hayoz, Bern Stämpfli 1982, S. 223 ff.<br />

HEINI, ANTON/PORTMANN, WOLFGANG, Gr<strong>und</strong>riss des Vereinsrechts, Basel Helbing Lichtenhahn<br />

Verlag 2009.<br />

HENCKEL, HEINRICH, Die Kotierung von Effekten: eine empirische <strong>und</strong> rechtsvergleichende<br />

Untersuchung <strong>der</strong> Kotierungsbestimmungen <strong>und</strong> Kotierungspraxis in <strong>der</strong> Schweiz, Freiburg,<br />

Schweiz Universitätsverlag 1996.<br />

HILB, MARTIN, Integrierte Corporate Governance: ein neues Konzept <strong>der</strong> wirksamen Unternehmens-Führung<br />

<strong>und</strong> -Aufsicht, 4. Auflage, Berlin Springer 2011.<br />

HIRSCH, ALAIN, Un droit du marché financier suisse, in: Corboz, Bernard (Hrsg.), Mélanges<br />

Robert Patry, Lausanne Payot 1988, S. 85 ff. (zit. HIRSCH, ALAIN).<br />

HIRSCH, HANS-JOACHIM, Strafrechtliche Verantwortlichkeit von Unternehmen, in: ZStW 107<br />

(1996), S. 285 ff. (zit. HIRSCH, HANS-JOACHIM).<br />

XXXVIII


Literaturverzeichnis<br />

HODEL, PETER, Gr<strong>und</strong>züge <strong>der</strong> Kotierung, in: Watter, Rolf (Hrsg.), Rechtsfragen beim Börsengang<br />

von Unternehmen, Zürich Schulthess 2002, S. 103 ff.<br />

HOFFET, FRANZ, Rechtliche Beziehungen zwischen Schiedsrichtern <strong>und</strong> Parteien, Zürich<br />

Schulthess 1991.<br />

HOFSTETTER, BRIGITTE, Interessenkonflikte im Universalbankensystem: eine Systematisierung<br />

<strong>der</strong> Interessenkonflikte innerhalb <strong>und</strong> ausserhalb des Wertpapiermarktes, unter Einschluss<br />

<strong>der</strong> Insi<strong>der</strong>problematik, Bern Stämpfli 1999 (zit. HOFSTETTER, BRIGITTE).<br />

HOFSTETTER, KARL, Corporate Governance in <strong>der</strong> Schweiz : Bericht im Zusammenhang mit<br />

den Arbeiten <strong>der</strong> Expertengruppe "Corporate Governance", Zürich Economiesuisse 2002 (zit.<br />

HOFSTETTER, Corporate Governance).<br />

HOFSTETTER, KARL, Die Gleichbehandlung <strong>der</strong> Aktionäre in börsenkotierten Gesellschaften,<br />

in: SZW 68 (1996), S. 222 ff (zit. HOFSTETTER, Gleichbehandlung).<br />

HOPT, KLAUS J., Gr<strong>und</strong>satz- <strong>und</strong> Praxisprobleme nach dem Wertpapierhandelsgesetz - insbeson<strong>der</strong>e<br />

Insi<strong>der</strong>geschäfte <strong>und</strong> Ad-hoc-Publizität, in: ZHR 159 (1995), S. 135 ff. (zit. Ad-hoc-<br />

Publizität).<br />

HOPT, KLAUS J., Publizität von Kapitalgesellschaften, in: ZGR 9 (1980), S. 225 ff. (zit. Publizität).<br />

HOPT, KLAUS J./BAUM, HARALD, Börsenrechtsreform in Deutschland, in: Hopt, Klaus<br />

J./Rudolph, Bernd/Baum, Harald (Hrsg), Börsenreform: eine ökonomische, rechtsvergleichende<br />

<strong>und</strong> rechtspolitische Untersuchung, Stuttgart Schäffer-Poeschel 1997, S. 287 ff.<br />

HORN, NORBERT, Anlageberatung im Privatk<strong>und</strong>engeschäft <strong>der</strong> Banken, in: WM 53 (1999), S.<br />

1 ff. (zit. Anlageberatung).<br />

HORN, NORBERT, Die Aufklärungs- <strong>und</strong> Beratungspflichten <strong>der</strong> Banken, in: ZBB 9 (1997), S.<br />

139 ff. (zit. Aufklärungspflichten).<br />

XXXIX


Literaturverzeichnis<br />

HORST, PETER MICHAEL, Kapitalanlegerschutz, Haftung bei Emission <strong>und</strong> Vertrieb von Kapitalanlagen;<br />

eine juristische <strong>und</strong> ökonomische Analyse, München 1987.<br />

HSU, PETER, Ad-hoc-Publizität: Bekanntgabe von kursrelevanten Tatsachen - ein Mindeststandard<br />

kapitalmarktgerechter Unternehmenspublizität, Zürich Schulthess 2000.<br />

HUBER, ANDREA/GRUBER, MICHAEL, Ad hoc-Publizität: Gleichbehandlung im Kapitalmarkt,<br />

Jusletter vom 27. Juni 2005.<br />

HUBER, FELIX M./HODEL, PETER/STAUB GIEROW, CHRISTOPHER, Praxiskommentar zum Kotierungsrecht<br />

<strong>der</strong> SWX Swiss Exchange, Zürich Schulthess 2004.<br />

HUSER, PATRICK A., Anlegerschutz durch Unternehmenspublizität, Zürich 1994.<br />

IFFLAND, JACQUES, Art. 46 BEHG, in: Hertig, Gérard/Meier-Schatz, Christian (Hrsg.), Kommentar<br />

zum B<strong>und</strong>esgesetz über die Börsen <strong>und</strong> den Effektenhandel, Zürich Schulthess 2000,<br />

S. 53 ff. (zit. Art. 46 BEHG).<br />

IFFLAND, JACQUES, La répression pénale des manipulations de cours en droit suisse: étude<br />

critique du projet de réglementation fédérale et du droit pénal fédéral positif, Lausanne Payot<br />

1994 (zit. manipulations).<br />

INDERKUM, HANS-HEINRICH, Der Schiedsrichtervertrag, Altdorf 1989.<br />

JAAG, TOBIAS, Verwaltungsrechtliche Sanktionen <strong>und</strong> Verfahrensgarantien <strong>der</strong> EMRK, in:<br />

Donatsch, Andreas/Forster, Marc/Schwarzenegger, Christian (Hrsg.), Strafrecht, Strafprozessrecht<br />

<strong>und</strong> Menschenrechte: Festschrift für Stefan Trechsel zum 65. Geburtstag, Zürich<br />

Schulthess 2002, S. 151 ff.<br />

JEAN-RICHARD, MARC, Handelsinszenierungen zur Kursmanipulation am Kapitalmarkt (aus<br />

<strong>der</strong> Sicht eines Strafrechtlers), in: SWZ 67 (1995), S. 259 ff.<br />

JESCHECK, HANS-HEINRICH/WEIGEND, THOMAS, Lehrbuch des Strafrechts: Allgemeiner Teil,<br />

5. Auflage, Berlin Duncker & Humblot 1996.<br />

XL


Literaturverzeichnis<br />

JOLIDON, PIERRE, Commentaire du concordat suisse sur l'arbitrage, Berne Staempfli 1984.<br />

JUCHLI, PHILIPP/PAGNONCINI, GION, Einzelne Aspekte <strong>der</strong> EMRK-Verfahrensgarantien in <strong>der</strong><br />

schweizerischen Finanzmarktaufsicht, in: Zelger, Ulrich/Sutter, Patrick (Hrsg.), 30 Jahre<br />

EMRK-Beitritt <strong>der</strong> Schweiz: Erfahrungen <strong>und</strong> Perspektiven, Bern Stämpfli 2005, S. 171 ff.<br />

KARRER, PIERRE A., Verfahren vor <strong>Schiedsgericht</strong>en <strong>und</strong> staatlichen Gerichten – Von falschen<br />

<strong>und</strong> wahren Fre<strong>und</strong>en, in: Berger, Klaus Peter (Hrsg.), Festschrift für Otto Sandrock zum 70.<br />

Geburtstag, Heidelberg Verlag Recht <strong>und</strong> Wirtschaft 2000, S. 465 ff.<br />

KEIST, DANIEL/MORARD, JACQUELINE/MAURHOFER, ROLAND, Kotierungsreglement <strong>der</strong> SWX<br />

– Neue Regularien <strong>und</strong> Ausblick, in: ST 80 (2006), S. 39 ff.<br />

KENEL, PHILIPPE, La responsabilité pénale des personnes morales en droit anglais: un modèle<br />

pour la Suisse?, Genève Droz 1991.<br />

KIENER, REGINA, Richterliche Unabhängigkeit: verfassungsrechtliche Anfor<strong>der</strong>ungen an<br />

Richter <strong>und</strong> Gerichte, Bern Stämpfli 2001.<br />

KIESER, ALFRED, Organisationstheoretische Ansätze, München Vahlen 1981.<br />

KILGUS, SABINE, Effektivität von Regulierung im Finanzmarktrecht, Zürich Dike 2007.<br />

KLAUSER, PETER, Selbstregulierung versus staatliche Regulierung I, in: Ein schweizerisches<br />

Börsengesetz im europäischen Kontext: Tagungsband, Basel Europa Institut 1994, S. 51 ff.<br />

KLEINER, BEAT/SCHWOB, RENATE, Art. 3 BEHG, in: Bodmer, Daniel/Kleiner, Beat/Lutz, Benno,<br />

Kommentar zum B<strong>und</strong>esgesetz über die Banken <strong>und</strong> Sparkassen vom 8. November 1934:<br />

sowie zu <strong>der</strong> Verordnung (V) vom 17. Mai 1972 <strong>und</strong> <strong>der</strong> Vollziehungsverordnung (VV) vom<br />

30. August 1961, Zürich Schulthess 1976.<br />

KLEY-STRULLER, ANDREAS, Der Anspruch auf richterliche Beurteilung „zivilrechtlicher“<br />

Streitigkeiten im Bereich des Verwaltungsrechts sowie von Disziplinar- <strong>und</strong> Verwaltungssanktionen<br />

gemäss Art. 6 EMRK, in: AJP 1994, S. 23 ff.<br />

XLI


Literaturverzeichnis<br />

KNEUBÜHLER, LORENZ, Gehörsverletzung <strong>und</strong> Heilung, in: ZBl. 99 (1998), S. 97 ff.<br />

KOHLER, KLAUS, Die mo<strong>der</strong>ne Praxis des <strong>Schiedsgericht</strong>swesens in <strong>der</strong> Wirtschaft, Berlin<br />

Duncker&Humblot 1967.<br />

KOHLIK, KAREL, Ausgewählte Aspekte von Going Private Transaktionen: unter beson<strong>der</strong>er<br />

Berücksichtigung <strong>der</strong> Dekotierung (Delisting), Bamberg 2005.<br />

KOLLER, HEINRICH, Rechtsweggarantie als Gr<strong>und</strong>recht, in: Veröffentlichungen des Schweizerischen<br />

Instituts für Rechtsvergleichung, 1998, S. 305 ff.<br />

KOENIG, DANIELA, Das Verbot von Insi<strong>der</strong>handel: eine rechtsvergleichende Analyse des<br />

schweizerischen Rechts <strong>und</strong> <strong>der</strong> Regelungen <strong>der</strong> USA <strong>und</strong> <strong>der</strong> EU, Zürich Schulthess 2006.<br />

Kolloquium, Oktober 1991, in: Hertig, Gérard/Hertig-Pelli, Marina (Hrsg.), Vorentwurf eines<br />

B<strong>und</strong>esgesetzes über die Börsen <strong>und</strong> den Effektenhandel, Zürich Schulthess 1992, S. 235 (zit.<br />

Name in: Kolloquium VE BEHG).<br />

KÖNDGEN, JOHANNES, Die Ad hoc-Publizität als Prüfstein informationsrechtlicher Prinzipien,<br />

in: Schweizer, Rainer J./Burkert, Herbert/Gasser, Urs (Hrsg.), Festschrift für Jean Nicolas<br />

Druey zum 65. Geburtstag, Zürich Schulthess 2002, S. 791 ff.<br />

KRNETA, GEORG, Praxiskommentar Verwaltungsrat: Art. 707-726, 754 OR <strong>und</strong> Spezialgesetze,<br />

2. Auflage, Bern Stämpfli 2005.<br />

KUMMER, MAX, Gr<strong>und</strong>riss des Zivilprozessrechts: nach den Prozessordnungen des Kantons<br />

Bern <strong>und</strong> des B<strong>und</strong>es, 4. Auflage, Bern Stämpfli 1984.<br />

KÜMPEL, SIEGFRIED/HAMMEN, HORST, Börsenrecht: eine systematische Darstellung, 2. Auflage<br />

Berlin, Schmidt 2003.<br />

KÜNG, MANFRED/HUBER, FELIX M./KUSTER, MATTHIAS, Kommentar zum Börsengesetz, Zürich<br />

Q Verlag 2004.<br />

XLII


Literaturverzeichnis<br />

KUNZ, PETER V., Die Klagen im Schweizer Aktienrecht, Zürich Schulthess 1997.<br />

LALIVE, PIERRE/POUDRET, JEAN-FRANÇOIS/REYMOND, CHRISTOPHE, Le droit de l'arbitrage<br />

interne et international en Suisse: édition annotée et commentée du Concordat sur l'arbitrage<br />

du 27 mars 1969, Lausanne Payot 1989.<br />

LANGHART, ALBRECHT, Rahmengesetz <strong>und</strong> Selbstregulierung: kritische Betrachtungen zur<br />

vorgeschlagenen Struktur eines B<strong>und</strong>esgesetzes über die Börsen <strong>und</strong> den Effektenhandel unter<br />

Berücksichtigung des amerikanischen <strong>und</strong> englischen Börsenrechts, Zürich Schulthess<br />

1993.<br />

LARENZ, KARL, Methodenlehre <strong>der</strong> Rechtswissenschaft, 6. Auflage, Berlin Springer 1991.<br />

LEHMANN, PETER, Missbrauch <strong>der</strong> aktienrechtlichen Anfechtungsklage, Zürich Schulthess<br />

Juristische Medien 2000.<br />

LEHNER, MARCO, Das Berufsverbot als Sanktion im schweizerischen Strafrecht, Zürich<br />

Schulthess 1991.<br />

LEU, JÜRG, Die Rechtswidrigkeit von Informationsmängeln in <strong>der</strong> Ad hoc-Publizität nach dem<br />

Kotierungsreglement <strong>der</strong> Schweizer Börse, Bamberg 2002.<br />

LIENHARD, ANDREAS, Deregulierung - Leitmotiv im Wirtschaftsverwaltungsrecht?, Bern<br />

Stämpfli 1995.<br />

LÜCHINGER, STEFAN, Ad hoc-Publizität <strong>und</strong> Offenlegungspflicht im Zusammenhang mit Unternehmensübernahmen<br />

- ausgewählte Aspekte, in: Tschäni, Rudolf (Hrsg.), Mergers & acquisitions<br />

VI, Zürich Schulthess 2004, S. 233 ff.<br />

LUHMANN, NIKLAUS, Einführung in die Systemtheorie, 3. Auflage, Heidelberg: Carl-Auer<br />

Systeme 2006.<br />

LÜTOLF, SANDRA, Strafbarkeit <strong>der</strong> juristischen Person, Zürich Schulthess 1997.<br />

XLIII


Literaturverzeichnis<br />

LÜTOLF, SANDRA/SCHINDLER, BENJAMIN, Ausgewählte Probleme <strong>der</strong> Strafbestimmungen des<br />

Börsengesetzes, in: SZW 70 (1998), S. 134 ff.<br />

MÄCHLER, AUGUST, Rahmengesetzgebung als Instrument <strong>der</strong> Aufgabenteilung, Zürich<br />

Schulthess 1987.<br />

MADER, LUZIUS, Regulierung, Deregulierung, Selbstregulierung, in: ZSR 123 Bd. II (2004),<br />

S. 1 ff.<br />

MAIER-REIMER, GEORG/WEBERING, ANABEL, Ad hoc-Publizität <strong>und</strong> Schadenersatzhaftung in<br />

WM 56 (2002), S. 1857 ff.<br />

MANDELKOW, DIETER, Chancen <strong>und</strong> Probleme des <strong>Schiedsgericht</strong>sverfahrens in Bausachen,<br />

Düsseldorf Werner 1995.<br />

MARTI, ARNOLD, Selbstregulierung anstelle staatlicher Gesetzgebung?, ZBl. 2000, S. 561 ff.<br />

MARTINEZ, LARISSA MAROLDA, Information <strong>der</strong> Aktionäre nach schweizerischem Aktien-<br />

<strong>und</strong> Kapitalmarktrecht, Zürich Schulthess 2006.<br />

MARTINSON, JANE, A capital idea in search of consensus, in: Financial Times Survey, March<br />

19, 1992, S. 2.<br />

MASTRONARDI, PHILIPPE, Gesetzgebungsstrategie bei Unsicherheit: Umgang mit unbestimmten<br />

Zielen <strong>und</strong> Wirkungen, in: Gesetzgebung heute 9 (1998), S. 69 ff.<br />

MAURER, MATTHIAS/VON DER CRONE, HANS CASPAR, Rechtsschutz bei Dekotierungen von<br />

<strong>der</strong> Börse <strong>SIX</strong> Swiss Exchange, in: SZW 83 (2011), S. 400 ff.<br />

MEIER, BERND-DIETER, Strafrechtliche Sanktionen, 3. Auflage, Berlin Springer 2009.<br />

XLIV


Literaturverzeichnis<br />

MEIER-HAYOZ, ARTHUR/FORSTMOSER, PETER, Schweizerisches Gesellschaftsrecht: mit neuem<br />

Recht <strong>der</strong> GmbH, <strong>der</strong> Revision <strong>und</strong> <strong>der</strong> kollektiven Kapitalanlagen, 10. Auflage, Bern<br />

Stämpfli 2007.<br />

MEIXNER, PHILIPP, Auswirkungen von Enforcement Mechanismen auf die Qualität <strong>der</strong> Finanzberichterstattung<br />

von Schweizer Unternehmen, Bamberg 2010.<br />

MEYER, LORENZ, Das Rechtsverzögerungsverbot nach Art. 4 BV, 1985 (zit. Rechtsverzögerungsverbot).<br />

MEYER, LORENZ, Weitere drei Jahre Vereinbarung über die Sorgfaltspflicht <strong>der</strong> Banken, in:<br />

WuR 36 (1984), S. 157 ff. (zit. Vereinbarung).<br />

MINELLI, LUDWIG A., Was bringt die EMRK für den Zivilprozess?, in: recht 1999, S. 202 ff.<br />

MÖHRLE, CAROLINE, Delisting: kapitalmarktrechtliche, gesellschaftsrechtliche <strong>und</strong> umstrukturierungsrechtliche<br />

Aspekte, Zürich Dike 2006.<br />

MÖLLERS, THOMAS, Insi<strong>der</strong>information <strong>und</strong> Befreiung von <strong>der</strong> Ad-hoc-Publizität nach § 15<br />

WpHG, in: WM 59 (2005), S. 1393 ff. (zit. Insi<strong>der</strong>information).<br />

MÖLLERS, THOMAS, Wechsel von Organmitglie<strong>der</strong>n <strong>und</strong> „key playern”: Kursbeeinflussungspotential<br />

<strong>und</strong> Pflicht zur Ad-hoc-Publizität, in: NZG 8 (2005), S. 459 ff. (zit. Wechsel).<br />

MÖLLERS, THOMAS/ROTTER, KLAUS, Ad-hoc-Publizität - Handbuch <strong>der</strong> Rechte <strong>und</strong> Pflichten<br />

von börsennotierten Unternehmen <strong>und</strong> Kapitalanlegern, Verlag C.H. Beck München 2003.<br />

MORLOK, MARTIN, Neue Erkenntnisse <strong>und</strong> Entwicklungen aus sprach- <strong>und</strong> rechtswissenschaftlicher<br />

Sicht, in: Ehrenzeller, Bernhard/Gomez, Peter/Kotzur, Markus/Thürer, Daniel/Vallen<strong>der</strong>,<br />

Klaus A. (Hrsg.), Präjudiz <strong>und</strong> Sprache: erstes Kolloquium <strong>der</strong> "Peter-<br />

Häberle-Stiftung" an <strong>der</strong> Universität St. Gallen, Zürich Dike/Baden-Baden Nomos 2008, S.<br />

27 ff.<br />

XLV


Literaturverzeichnis<br />

MORSCHER, LUKAS, Die Regulierung <strong>der</strong> schweizerischen Finanzmärkte: eine wirtschaftsrechtliche<br />

Untersuchung zum Verhältnis von hoheitlicher Regulierung <strong>und</strong> Selbstregulierung,<br />

Zürich Schulthess 1992.<br />

MÜLLER, EKKEHARD, Die Stellung <strong>der</strong> juristischen Person im Ordnungswidrigkeitsrecht, Köln<br />

Deubner 1985 (zit. MÜLLER, EKKEHARD).<br />

MÜLLER, MARTIN LUKAS, Die Zuständigkeit des <strong>Schiedsgericht</strong>s, Bern Haupt 1997 (zit.<br />

MÜLLER, MARTIN).<br />

MÜLLER, ROLAND/LIPP, LORENZ/PLÜSS, ADRIAN, Der Verwaltungsrat: ein Handbuch für die<br />

Praxis, 3. Auflage, Zürich Schulthess 2007.<br />

NATER, MARC SVEN, Die Strafbestimmungen des B<strong>und</strong>esgesetzes über die Börsen <strong>und</strong> den<br />

Effektenhandel (Börsengesetz, BEHG), Zürich Schulthess 2001.<br />

NOBEL, PETER, Board <strong>und</strong> management compensation: ein Inventar rechtlicher Art, Zürich<br />

Schulthess 2007 (zit. Board and management compensation).<br />

NOBEL, PETER, Der Kernbestand des Börsengesetzes – Querbeziehungen zum Privatrecht, in:<br />

Nobel Peter (Hrsg), Aktuelle Rechtsprobleme des Finanz- <strong>und</strong> Börsenplatzes Schweiz, Bern<br />

Stämpfli 1996, S. 97 ff. (zit. Börsengesetz).<br />

NOBEL, PETER, Gesetz o<strong>der</strong> private Selbstregulierung? in: Dufour Alfred/Hirsch Alain<br />

(Hrsg.), Le droit du marché financier suisse: colloque = Schweizerisches Kapitalmarktrecht:<br />

Kolloquium, Genf Georg Editeur 1987, S. 441 ff. (zit. Kolloquium).<br />

NOBEL, PETER, Internationales <strong>und</strong> Transnationales Aktienrecht, Bd. I + II, 2. Auflage, Bern<br />

Stämpfli 2012 (zit. Transnationales Recht).<br />

NOBEL, PETER, Praxis zum öffentlichen <strong>und</strong> privaten Bankenrecht <strong>der</strong> Schweiz, Bern Stämpfli<br />

1979 (zit. Praxis).<br />

XLVI


Literaturverzeichnis<br />

NOBEL, PETER, Privates <strong>Schiedsgericht</strong>swesen <strong>und</strong> staatlicher Richter im „Wettbewerb“, in:<br />

Forstmoser, Peter/Schluep, Walter R. (Hrsg.), Freiheit <strong>und</strong> Verantwortung im Recht: Festschrift<br />

zum 60. Geburtstag von Arthur Meier-Hayoz, Bern Stämpfli 1982, S. 247 ff. (zit.<br />

<strong>Schiedsgericht</strong>swesen).<br />

NOBEL, PETER, Schweizerisches Finanzmarktrecht <strong>und</strong> internationale Standards, 3. Auflage,<br />

Bern Stämpfli 2010 (zit. Finanzmarktrecht).<br />

NOBEL, PETER, Selbstregulierung, in: Margelisch, Claude-Alain/Winzeler, Christoph (Hrsg.),<br />

Freiheit <strong>und</strong> Ordnung im Kapitalmarktrecht: Festgabe für Jean-Paul Chapuis, Zürich<br />

Schulthess 1998, S. 119 ff. (zit. Selbstregulierung).<br />

NOBEL, PETER, Unternehmenskommunikation: die rechtlichen Aspekte, Bern Stämpfli 2009<br />

(zit. Unternehmenskommunikation)<br />

NOBEL, PETER, Von <strong>der</strong> Bankenaufsicht zur Börsenaufsicht, in: Zobl, Dieter (Hrsg.), Aktuelle<br />

Fragen des Kapitalmarktrechts: Tagungsveranstaltung vom 27. September 1995, Zürich<br />

Schulthess 1996, S. 11 ff. (zit. Börsenaufsicht).<br />

NOBEL, PETER, Zur Dekotierung von <strong>der</strong> Börse, in: SZW 75 (2003), S. 113 ff. (zit. Dekotierung).<br />

NOBEL, PETER, Zur Problematik des sogenannten Kursschnittes beim Wertpapierhandel, in:<br />

Habscheid, Walther J. (Hrsg.), Freiheit <strong>und</strong> Zwang: rechtliche, wirtschaftliche <strong>und</strong> gesellschaftliche<br />

Aspekte: Festschrift zum 60. Geburtstag von Hans Giger, Bern Stämpfli 1989, S.<br />

527 ff. (zit. Kursschnitt).<br />

NOBEL, PETER, Zur Regulierungsarchitektur im Finanzmarktbereich, in: von <strong>der</strong> Crone, Hans<br />

Caspar (Hrsg.), Aktuelle Fragen des Bank- <strong>und</strong> Finanzmarktrechts: Festschrift für Dieter Zobl<br />

zum 60. Geburtstag, Zürich Schulthess 2004, S. 105 ff. (zit. Regulierungsarchitektur).<br />

NOBEL, PETER/WEBER, ROLF H., Medienrecht, 3. Auflage, Bern Stämpfli 2007.<br />

XLVII


Literaturverzeichnis<br />

OBST, GEORG/HINTNER, OTTO, Geld-, Bank- <strong>und</strong> Börsenwesen, in: Kloten, Norber/von Stein,<br />

Johann Heinrich (Hrsg.), Geld-, Bank- <strong>und</strong> Börsenwesen, 38. Auflage, Stuttgart Poeschel<br />

1988<br />

OGOLEK, REGINA, "Ich kenne das Reglement nicht, habe es aber immer befolgt", in: Rechtshistorisches<br />

Journal 20 (2001), S. 656 ff.<br />

OSCHÜTZ, FRANK, Sportschiedsgerichtsbarkeit: die Schiedsverfahren des Tribunal Arbitral du<br />

Sport vor dem Hintergr<strong>und</strong> des schweizerischen <strong>und</strong> deutschen Schiedsverfahrensrechts, Berlin<br />

Duncker & Humblot 2005.<br />

PERNTHALER, PETER, Rechtsweg als Menschenrecht, in: Morscher, Siegbert/Pernthaler, Peter/Wimmer,<br />

Norbert (Hrsg.), Recht als Aufgabe <strong>und</strong> Verantwortung: Festschrift Hans R.<br />

Klecatsky zum 70. Geburtstag, Wien Manz 1990, S. 221 ff.<br />

PETER, CHRISTOPH, Aspekte <strong>der</strong> Insi<strong>der</strong>strafnorm: insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> "ähnliche Sachverhalt von<br />

vergleichbarer Tragweite", Chur Rüegger 1991 (zit. Insi<strong>der</strong>strafnorm).<br />

PETER, CHRISTOPH, Kursmanipulation als Betrug – Urteilsanmerkung zu BGE 122 II 422, in:<br />

SZW 69 (1997), S. 124 ff. (zit. Kursmanipulation).<br />

PETERS, ANNE, Einführung in die Europäische Menschenrechtskonvention: mit rechtsvergleichenden<br />

Bezügen zum deutschen Gr<strong>und</strong>gesetz, München Beck 2003.<br />

PFISTERER, THOMAS, Unterwegs zur Einigung mit Mediation in <strong>der</strong> schweizerischen ZPO?, in:<br />

SJZ 203 (2007), S. 541 ff.<br />

PIETH, MARK, Die strafrechtliche Verantwortung des Unternehmens, in: ZStrR 121 (2003), S.<br />

353 ff. (zit. Verantwortung).<br />

PIETH, MARK, Schweizerisches Strafprozessrecht: Gr<strong>und</strong>riss für Studium <strong>und</strong> Praxis, 2. Auflage,<br />

Basel Helbing Lichtenhahn Verlag 2012 (zit. Strafprozessrecht).<br />

XLVIII


Literaturverzeichnis<br />

PLAVEC, URS, Eidgenössische Finanzverwaltung, („Panelgespräch“), in: Ein Schweizerisches<br />

Börsengesetz im Europäischen Kontext, Tagungsband, Basler Schriften zur Europäischen<br />

Integration, Basel 1994, S. 69 f.<br />

POLEDNA, TOMAS/MARAZZOTTA, LORENZO, Art. 23 ter BankG, in: Watter, Rolf (Hrsg.), Bankengesetz,<br />

Basel Helbing & Lichtenhahn 2005, S. 448 ff.<br />

POSNER, RICHARD A., Economic analysis of law, 8th edition, Austin, Texas, Wolters Kluwer<br />

Law & Business, Aspen Publishers 2010 (zit. Economic analysis).<br />

POSNER, RICHARD A., How judges think, Cambridge, Mass. Harvard University Press 2008<br />

(zit. Judges).<br />

PRÜTTING, HANNS, Vertraulichkeit in <strong>der</strong> <strong>Schiedsgericht</strong>sbarkeit <strong>und</strong> in <strong>der</strong> Mediation, in:<br />

Briner, Robert/Fortier, L. Yves/Berger, Klaus Peter/Bredow, Jens (Hrsg.), Law of international<br />

business and dispute settlement in the 21st century = Recht <strong>der</strong> internationalen Wirtschaft<br />

<strong>und</strong> Streiterledigung im 21. Jahrhun<strong>der</strong>t: liber amicorum Karl-Heinz Böckstiegel, Köln:<br />

Heymanns; 2001, S. 629 ff.<br />

RAMM, THILO, <strong>Schiedsgericht</strong>sbarkeit, Schlichtung <strong>und</strong> Rechtsprechungslehre, in: ZRP 22<br />

(1989), S. 136 ff.<br />

RANSIEK, ANDREAS, Unternehmensstrafrecht: Strafrecht, Verfassungsrecht, Regelungsalternativen,<br />

Heidelberg Müller C. F. 1996.<br />

RAPP, HEINZ-WERNER, Der Markt für Aktien-Neuemissionen: Preisbildung, Preisentwicklung<br />

<strong>und</strong> Marktverhalten bei eingeschränkter Informationseffizienz, Mannheim 1996.<br />

RAU, MICHAEL, Directors' Dealings am deutschen Aktienmarkt - Empirische Analyse meldepflichtiger<br />

Wertpapiergeschäfte, Wiesbaden Deutscher Universitäts-Verlag 2004.<br />

RAU, MICHAEL/PFAFF, DIETER, Management-Transaktionen in <strong>der</strong> Schweiz - Empirische Evidenz<br />

<strong>und</strong> Beson<strong>der</strong>heiten nach dem ersten Jahr, in: Die Unternehmung 61 (2007), S. 277 ff.<br />

XLIX


Literaturverzeichnis<br />

REHBERG, JÖRG/DONATSCH, ANDREAS, Strafrecht I: Verbrechenslehre, 7. Auflage, Zürich<br />

Schulthess 2001.<br />

RHINOW, RENÉ, Rechtsetzung <strong>und</strong> Methodik: rechtstheoretische Untersuchungen zum gegenseitigen<br />

Verhältnis von Rechtsetzung <strong>und</strong> Rechtsanwendung, Basel Helbing & Lichtenhahn<br />

1979.<br />

RITZ, PHILIPP, Die Geheimhaltung im Schiedsverfahren nach schweizerischem Recht, Tübingen<br />

Mohr Siebeck 2007.<br />

ROTH, MONIKA, Good Corporate Governance: Compliance als Bestandteil des internen Kontrollsystems:<br />

ein Handbuch für die Praxis, Zürich Dike 2007 (zit. ROTH, MONIKA).<br />

ROTH, URS PHILIPP, Effektenhändler, in: Meier-Schatz, Christian J. (Hrsg.), Das neue Börsengesetz<br />

<strong>der</strong> Schweiz, Bern Haupt 1996, S. 59 ff. (zit. ROTH, URS).<br />

ROTH, WOLFGANG, Der Anspruch auf öffentliche Verhandlung nach Art. 6 Abs. 1 EMRK im<br />

verwaltungsgerichtlichen Rechtsmittelverfahren, in: EUGRZ 25 (1998), S. 495 ff. (zit. ROTH,<br />

WOLFGANG).<br />

RÖTHELI, ANDREAS/IFFLAND, JACQUES, La décotation, in: SZW 76 (2004), S. 305 ff.<br />

ROTTER, KLAUS, Die verwaltungsrechtlichen Sanktionen, in: Möllers, Thomas M.J./Rotter,<br />

Klaus (Hrsg.), Ad-hoc-Publizität: Handbuch <strong>der</strong> Rechte <strong>und</strong> Pflichten von börsennotierten<br />

Unternehmen <strong>und</strong> Kapitalanlegern, München Beck 2003, S. 237 ff.<br />

RUDOLPH, BERND/RÖHRL, HEINER, Gr<strong>und</strong>lagen <strong>der</strong> Börsenorganisation aus ökonomischer<br />

Sicht, in: Hopt, Klaus J./Rudolph, Bernd/Baum, Harald (Hrsg), Börsenreform: eine ökonomische,<br />

rechtsvergleichende <strong>und</strong> rechtspolitische Untersuchung, Stuttgart Schäffer-Poeschel<br />

1997, S.143 ff.<br />

RÜEDE, THOMAS/HADENFELDT, REIMER, Schweizerisches <strong>Schiedsgericht</strong>srecht: nach Konkordat<br />

<strong>und</strong> IPRG, 2. Auflage, Zürich Schulthess 1999.<br />

L


Literaturverzeichnis<br />

RÜEGG, VIKTOR, Das Interesse des Zivilrichters an einem liberalen Novenrecht, in: ZZZ 2004,<br />

S. 155 ff.<br />

RUFFNER, MARKUS, Der Entwurf eines B<strong>und</strong>esgesetzes über die Börsen <strong>und</strong> den Effektenhandel,<br />

in: AJP 1 (1992), S. 69 ff. (zit. Entwurf).<br />

RUFFNER, MARKUS, Die ökonomischen Gr<strong>und</strong>lagen eines Rechts <strong>der</strong> Publikumsgesellschaft:<br />

ein Beitrag zur Theorie <strong>der</strong> Corporate Governance, Zürich Schulthess 2000 (zit. Publikumsgesellschaft).<br />

RUFFNER, MARKUS, Gesteuerte Selbstregulierung <strong>der</strong> Börsen, in: Meier-Schatz, Christian<br />

(Hrsg.), Das neue Börsengesetz <strong>der</strong> Schweiz, Bern Haupt 1996, S. 7 ff. (zit. Selbstregulierung).<br />

RUFFNER, MARKUS/KOHLIK, KAREL, Einführung <strong>und</strong> Verortung neuer Schutzinstrumente<br />

beim freiwilligen Börsenrückzug, in: Waldburger, Robert/Baer, Charlotte/Bernet,<br />

Benno/Nobel, Ursula (Hrsg.), Wirtschaftsrecht zu Beginn des 21. Jahrhun<strong>der</strong>ts: Festschrift für<br />

Peter Nobel zum 60. Geburtstag, Bern Stämpfli 2005, S. 613 ff.<br />

RUFFNER, MARKUS/STUPP, ERIC, EG-Binnenmarkt für Wertpapierdienstleistungen: Die<br />

Schlüsselartikel <strong>der</strong> ISD/CAD <strong>und</strong> eine rechtsökonomische Analyse <strong>der</strong> Regulierungsprinzipien<br />

des Wertpapierdienstleistungsrechts, in: Gehrig, Bruno/Schwan<strong>der</strong>, Ivo (Hrsg.), Banken<br />

<strong>und</strong> Bankrecht im Wandel: Festschrift für Beat Kleiner, Zürich Schulthess 1993, S. 395 ff.<br />

RUST, BALZ, Die Revision im Zürcher Zivilprozess, Zürich Schulthess 1981.<br />

RÜTHERS, BERND/FISCHER, CHRISTIAN/BIRK, AXEL, Rechtstheorie: mit Juristischer Methodenlehre,<br />

6. Auflage, München Beck 2011.<br />

RYSER, ROLAND M., Outsourcing: eine unternehmensstrafrechtliche Untersuchung, Zürich<br />

Dike 2007.<br />

RYSER, ROLAND M./KUCHOWSKY, NATALIE, Die Strafbarkeit des Unternehmens, in: ST 79<br />

(2005), S. 583 ff.<br />

LI


Literaturverzeichnis<br />

SCHENKER, URS, Schweizerisches Übernahmerecht, Bern Stämpfli 2009.<br />

SCHLOSSER, PETER, Vereins- <strong>und</strong> Verbandsgerichtsbarkeit, München Goldmann 1972.<br />

SCHMID, NIKLAUS, Zu neueren Entwicklungen auf dem Gebiete des schweizerischen Börsenstrafrechts,<br />

in: Wal<strong>der</strong>, Hans Ulrich/Jaag, Tobias/Zobl, Dieter (Hrsg.), Aspekte des Wirtschaftsrechts:<br />

Festgabe zum Schweizerischen Juristentag 1994, Zürich Schulthess 1994, S.<br />

525 ff.<br />

SCHMID, NIKLAUS/BAUR, RICHARD, Art. 161 bis StGB, in: Vogt, Nedim Peter/Watter, Rolf<br />

(Hrsg.), Kommentar zum Schweizerischen Kapitalmarktrecht: B<strong>und</strong>esgesetz über die Börsen<br />

<strong>und</strong> den Effektenhandel (Börsengesetz, BEHG), B<strong>und</strong>esgesetz über die Anlagefonds (Anlagefondsgesetz,<br />

AFG), Art. 161, 161bis, 305bis, 305ter Strafgesetzbuch, Basel Helbing & Lichtenhahn<br />

1999, S. 1038 ff.<br />

SCHMID-LENZ, WERNER, Die Vereinbarkeit über die Sorgfaltspflicht <strong>der</strong> Banken, SJZ 74<br />

(1978), S. 117 ff.<br />

SCHMIDT, PETRA, Insi<strong>der</strong> trading: Massnahmen zur Vermeidung bei US-Banken, Ludwigsburg<br />

Verlag Wissenschaft & Praxis 1995.<br />

SCHMITT, RUDOLF, Strafrechtliche Massnahmen gegen Verbände: gleichzeitig ein Beitrag zur<br />

Lehre von den strafrechtlichen Unrechtsfolgen, Stuttgart W. Kohlhammer 1958.<br />

SCHREIBER, VERA, International Standards: neues Recht für die Weltmärkte?, Bern Haupt<br />

2005.<br />

SCHROTH, HANS-JÜRGEN, Unternehmen als Normadressaten <strong>und</strong> Sanktionssubjekte: eine Studie<br />

zum Unternehmensstrafrecht, Giessen 1993.<br />

SCHULTZ, HANS, Die kriminalrechtlichen Sanktionen, das Jugendstrafrecht, in: Schultz, Hans<br />

(Hrsg.), Einführung in den Allgemeinen Teil des Strafrechts, Band 2, Stämpfli Bern 1982.<br />

LII


Literaturverzeichnis<br />

SCHÜNEMANN, BERND, Placing the Enterprise Un<strong>der</strong> Supervision ("Guardianship") as a Model<br />

Sanction Against Legal and Collective Entities, in: Eser, Albin/Heine, Günther/Huber, Barbara<br />

(Hrsg.), Criminal responsibility of legal and collective entities, Freiburg i.Br.: Edition Iuscrim,<br />

1999, S. 293 ff (zit. Guardianship).<br />

SCHÜNEMANN, BERND, Strafbarkeit <strong>der</strong> juristischen Personen aus deutscher <strong>und</strong> europäischer<br />

Sicht, in: Schünemann, Bernd/Suarez Gonzalez, Carlos, Bausteine des europäischen Wirtschaftsstrafrechts:<br />

Madrid-Symposium für Klaus Tiedemann, Köln Heymanns 1995, S. 265 ff.<br />

(zit. Strafbarkeit).<br />

SCHÜTZE, ROLF, Privatisierung richterlicher Tätigkeit: Ersetzung staatlicher Gerichte durch<br />

private <strong>Schiedsgericht</strong>e?, in: ZVglRWiss 99 (2000), S. 241 ff.<br />

SCHWAB, KARL HEINZ/GOTTWALD, PETER, Verfassung <strong>und</strong> Zivilprozess, in: Habscheid,<br />

Walther J. (Hrsg.), Effektiver Rechtsschutz <strong>und</strong> verfassungsmässige Ordnung: die Generalberichte<br />

zum VII. Internationalen Kongress für Prozessrecht, Würzburg 1983/Bielefeld Walter<br />

Gieseking 1983, S. 11 ff.<br />

SCHWANDER, IVO, Wie müsste eine mo<strong>der</strong>ne Zivilprozessordnung aussehen?, in: ZZZ (2004),<br />

S. 3 ff.<br />

SCHWANDER, IVO/STACHER, MARCO, Art. 362, in: Brunner Alexan<strong>der</strong>/Gasser Dominik/Schwan<strong>der</strong><br />

Ivo (Hrsg.), Schweizerische Zivilprozessordnung (ZPO): Kommentar, Zürich<br />

Dike 2011, S. 1990 ff.<br />

SCHWARK, EBERHARD, Börsen <strong>und</strong> Wertpapierhandelsmärkte in <strong>der</strong> EG, in: WM 51 (1997), S.<br />

293 ff. (zit. Börsen).<br />

SCHWARK, EBERHARD, Börsengesetz: Kommentar zum Börsengesetz <strong>und</strong> zu den Nebenbestimmungen,<br />

2. neu bearbeitete Auflage,München Beck 1994 (zit. Kommentar).<br />

Schweizerische Bankiervereinigung, Wertpapierhandelsplatz Schweiz, Basel Schweizerische<br />

Bankiervereinigung 1988.<br />

LIII


Literaturverzeichnis<br />

SCHWOB, RENATE, Revisionsbedarf bei den Börsendelikten, in: Wohlers, Wolfgang (Hrsg.),<br />

Neuere Entwicklungen im schweizerischen <strong>und</strong> internationalen Wirtschaftsstrafrecht, Zürich<br />

Schulthess 2007, S. 19 ff.<br />

SEGNA, ULRICH, Die Rechtsform deutscher Wertpapierbörsen - Anmerkungen zur Reformdiskussion<br />

-, Arbeitspapier Nr. 75, auffindbar unter www.jura.unifrankfurt.de/ifawz1/baums/Bil<strong>der</strong>_<strong>und</strong>_Daten/Arbeitspapiere/paper75.pdf.<br />

SEILER, HANSJÖRG, Das (Miss-)Verhältnis zwischen strafprozessualem Schweigerecht <strong>und</strong><br />

verwaltungsrechtlicher Mitwirkungs- <strong>und</strong> Auskunftspflicht, in: recht 23 (2005), S. 11 ff (zit.<br />

Schweigerecht).<br />

SEILER, HANSJÖRG, Gewaltenteilung: allgemeine Gr<strong>und</strong>lagen <strong>und</strong> schweizerische Ausgestaltung,<br />

Bern Stämpfli 1994 (zit. Gewaltenteilung).<br />

SIGRIST, DIETER, Art. 6 BEHG, in: Vogt, Nedim Peter/Watter, Rolf (Hrsg.), Kommentar zum<br />

Schweizerischen Kapitalmarktrecht : B<strong>und</strong>esgesetz über die Börsen <strong>und</strong> den Effektenhandel<br />

(Börsengesetz, BEHG), B<strong>und</strong>esgesetz über die Anlagefonds (Anlagefondsgesetz, AFG), Art.<br />

161, 161bis, 305bis, 305ter Strafgesetzbuch, Basel Helbing & Lichtenhahn 1999, S. 66 ff. (zit.<br />

Art. 6 BEHG).<br />

SIGRIST, DIETER, Selbstregulierung versus staatliche Regulierung II, in: Europainstitut an <strong>der</strong><br />

Universität Basel (Hrsg.), Ein schweizerisches Börsengesetz im europäischen Kontext, Tagungsband,<br />

Basel Europa Institut 1994, S. 58 ff (zit. Selbstregulierung).<br />

SPÜHLER, KARL/DOLGE, ANNETTE/GEHRI, MYRIAM, Schweizerisches Zivilprozessrecht <strong>und</strong><br />

Gr<strong>und</strong>züge des internationalen Zivilprozessrechts, 9. Auflage, Bern Stämpfli 2010.<br />

STACHER, MARCO, Art. 353 ff. ZPO, in: Brunner, Alexan<strong>der</strong>/Gasser, Dominik/Schwan<strong>der</strong>,<br />

Ivo, Schweizerische Zivilprozessordnung (ZPO): Kommentar, Zürich Dike 2011, S. 1951 ff.<br />

STAEHELIN, ADRIAN/STAEHELIN, DANIEL/GROLIMUND, PASCAL, Zivilprozessrecht: nach dem<br />

Entwurf für eine Schweizerische Zivilprozessordnung <strong>und</strong> weiteren Erlassen - unter Einbezug<br />

des internationalen Rechts, Zürich Schulthess 2008.<br />

LIV


Literaturverzeichnis<br />

STERN, MARC PHILIP, Prozessökonomie <strong>und</strong> Prozessbeschleunigung als Ziele <strong>der</strong> zürcherischen<br />

Zivilrechtspflegegesetze, Zürich 1989.<br />

STIRNIMANN, FRANZ, Börsen- <strong>und</strong> Effektenhandelsgesetz samt Ausführungsbestimmungen<br />

soweit vorliegend, in: Nobel, Peter (Hrsg.), Aktuelle Rechtsprobleme des Finanz- <strong>und</strong> Börsenplatzes<br />

Schweiz, Bern Stämpfli 1995, S. 50 ff.<br />

STOOSS, CARL, Die Gr<strong>und</strong>züge des schweizerischen Strafrechts, Band I, Basel 1892 (zit.<br />

Gr<strong>und</strong>züge).<br />

STOOSS, CARL, Motive zu dem Vorentwurf eines Schweizerischen Strafgesetzbuches, 1893<br />

(zit. Motive).<br />

STRATENWERTH, GÜNTER, Schweizerisches Strafrecht. Allgemeiner Teil I: Die Straftat, 3.<br />

Auflage, Bern Stämpfli 2005 (zit. Strafrecht).<br />

STRATENWERTH, GÜNTER, Strafen <strong>und</strong> Massnahmen, 2. Auflage, Bern Stämpfli 2006 (zit.<br />

Strafen).<br />

STRATENWERTH, GÜNTER, Strafrechtliche Unternehmenshaftung, in: Geppert, Klaus/Bohnert,<br />

Joachim/Rengier, Rudolf (Hrsg.), Festschrift für Rudolf Schmitt zum 70. Geburtstag, Tübingen<br />

Mohr 1992, S. 295 ff. (zit. Unternehmenshaftung).<br />

STRATENWERTH, GÜNTER/JENNY, GUIDO/BOMMER, FELIX, Schweizerisches Strafrecht. Beson<strong>der</strong>er<br />

Teil, 7. Auflage, Bern Stämpfli 2010.<br />

STREMPEL, DIETER, Aussergerichtliche Konfliktlösung (Mediation) – Kosten <strong>und</strong> Nutzen einer<br />

neuen Streitkultur, in: ZRP 31 (1998), S. 319 ff.<br />

STRINGHAM, EDWARD, The Emergence of the London Stock Exchange as a Self-Policing<br />

Club, in: Journal of Private Enterprise 17 (2002), S. 1 ff.<br />

LV


Literaturverzeichnis<br />

STUDER, UELI/STUPP, ERIC, Art. 15 BEHG, in: Watter, Rolf/Vogt, Nedim Peter (Hrsg.), Börsengesetz,<br />

Finanzmarktaufsichtsgesetz: Art. 161, 161bis, 305bis <strong>und</strong> 305ter Strafgesetzbuch,<br />

2. Auflage, Basel Helbing Lichtenhahn Verlag 2011, S. 769 ff.<br />

STÜRNER, ROLF, Richterliche Vergleichsverhandlung <strong>und</strong> richterlicher Vergleich aus juristischer<br />

Sicher, in: Meier, Isaak/Riemer, Hans Michael/Weimar, Peter (Hrsg.), Recht <strong>und</strong><br />

Rechtsdurchsetzung: Festschrift für Hans Ulrich Wal<strong>der</strong> zum 65. Geburtstag, Zürich<br />

Schulthess 1994, S. 273 ff.<br />

SUTER, BENEDIKT, Gr<strong>und</strong>sätze <strong>der</strong> prozessleitenden Entscheidung im Zivilprozess: unter beson<strong>der</strong>er<br />

Berücksichtigung des baselstädtischen Rechts, Basel Helbing & Lichtenhahn 1993<br />

(zit. SUTER, BENEDIKT).<br />

SUTER, HANS R., Der Schiedsvertrag nach schweizerischem Zivilprozessrecht, in: ZSR 47<br />

(1928), S. 8 ff. (zit. SUTER, HANS).<br />

SUTTER-SOMM, THOMAS, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 2. Auflage, Zürich Schulthess<br />

2012.<br />

TAUFER, MARTIN, Allgemeine Bemerkungen über die Ad-hoc-Publizitätsvorschrift, in: AJP 9<br />

(2000), S. 1120 ff.<br />

THALMANN, CHRISTIAN, Die Sorgfaltspflicht <strong>der</strong> Banken im Privatrecht insbeson<strong>der</strong>e im Anlagegeschäft,<br />

in: ZSR II 113 (1994), S. 115 ff.<br />

TOPHINKE, ESTHER, Bedeutung <strong>der</strong> Rechtsweggarantie für die Anpassung <strong>der</strong> kantonalen Gesetzgebung,<br />

in: Schweizerisches Zentralblatt für Staats- <strong>und</strong> Verwaltungsrecht 107 (2006), S.<br />

88 ff. (zit. Rechtsweggarantie).<br />

TOPHINKE, ESTHER, Das Gr<strong>und</strong>recht <strong>der</strong> Unschuldsvermutung: aus historischer Sicht <strong>und</strong> im<br />

Lichte <strong>der</strong> Praxis des schweizerischen B<strong>und</strong>esgerichts, <strong>der</strong> EMRK-Organe <strong>und</strong> des UNO-<br />

Menschenrechtsausschusses, Bern Stämpfli 2000 (zit. Unschuldsvermutung).<br />

LVI


Literaturverzeichnis<br />

TRECHSEL, STEFAN, Human rights in criminal proceedings, Oxford Oxford University Press<br />

2006.<br />

TRECHSEL, STEFAN/AFFOLTER-EIJSTEIN, HEIDI, Art. 47 StGB, in: Trechsel, Stefan et. al<br />

(Hrsg.), Schweizerisches Strafgesetzbuch: Praxiskommentar, Zürich Dike 2008, S. 248 ff.<br />

TRECHSEL, STEFAN/JEAN-RICHARD, MARC, Art. 161 StGB, in: Trechsel, Stefan et al. (Hrsg.),<br />

Schweizerisches Strafgesetzbuch: Praxiskommentar, Zürich Dike 2008, S. 762 ff (zit. Art.<br />

161 StGB).<br />

TRECHSEL, STEFAN/JEAN-RICHARD, MARC, Art. 161 bis StGB, in: Trechsel, Stefan et al. (Hrsg.),<br />

Schweizerisches Strafgesetzbuch: Praxiskommentar, Zürich Dike 2008, S. 777 ff (zit. Art.<br />

161 bis StGB).<br />

TRECHSEL, STEFAN/NOLL, PETER, Schweizerisches Strafrecht Allgemeiner Teil I: Allgemeine<br />

Voraussetzungen <strong>der</strong> Strafbarkeit, Zürich Schulthess 2004.<br />

TRUFFER, ROLAND/DUBS, DIETER, Art. 706 OR, in: Honsell, Heinrich/Vogt, Nedim Peter/Wiegand,<br />

Wolfgang (Hrsg.), Obligationenrecht II: Art. 530-1186 OR, 4. Auflage, Basel<br />

Helbing Lichtenhahn Verlag 2008, S. 982 ff.<br />

Universität St. Gallen, Fehler <strong>und</strong> <strong>der</strong>en Korrektur in <strong>der</strong> Rechnungslegung - Enforcement<br />

durch die <strong>SIX</strong> Exchange Regulation, Studie des Instituts für Accounting, Controlling <strong>und</strong> Auditing<br />

(ACA-HSG), Mai 2010 (zit. ACA-HSG).<br />

VALLENDER, KLAUS/HETTICH, PETER/LEHNE, JENS, Wirtschaftsfreiheit <strong>und</strong> begrenzte Staatsverantwortung:<br />

Gr<strong>und</strong>züge des Wirtschaftsverfassungs- <strong>und</strong> Wirtschaftsverwaltungsrechts, 4.<br />

Auflage, Bern Stämpfli 2006.<br />

VILLIGER, MARK E., Handbuch <strong>der</strong> Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK): unter<br />

beson<strong>der</strong>er Berücksichtigung <strong>der</strong> schweizerischen Rechtslage, 2. Auflage, Zürich Schulthess<br />

1999.<br />

LVII


Literaturverzeichnis<br />

VISCHER, FRANK, Rechtliche Aspekte des neuen Börsengesetzes, in: Ein schweizerisches Börsengesetz<br />

im europäischen Kontext: Tagungsband, Basel Europa Institut 1994, S. 15 ff.<br />

VOGEL, OSCAR, Prozessuales Management am Handelsgericht, in: SJZ 88 (1992), S. 18 ff.<br />

(zit. Management).<br />

VOGEL, OSCAR, Prozessvergleich <strong>und</strong> Willensmängel, in: recht 5 (1987), S. 99 ff. (zit. Prozessvergleich).<br />

VOLK, KLAUS, Zur Bestrafung von Unternehmen, in: JZ 48 (1993), S. 429 ff.<br />

VON DER CRONE, HANS CASPAR, Die Einhaltung von Regeln betreffend die Emission von Effekten,<br />

in: Hertig, Gérard (Hrsg.), Colloque Alain Hirsch: Le fonctionnement des sociétés et<br />

le respect des règles, Zürich Schulthess 1996, S. 89 ff. (zit. Regeln).<br />

VON DER CRONE, HANS CASPAR, Verantwortlichkeit, Anreize <strong>und</strong> Reputation in <strong>der</strong> Corporate<br />

Governance <strong>der</strong> Publikumsgesellschaft, in: ZSR 119 (2000), S. 235 ff. (zit. Verantwortlichkeit).<br />

VON DER CRONE, HANS CASPAR/PACHMANN, THILO, Individuum <strong>und</strong> Verband - Legitimation<br />

<strong>der</strong> Vereinsautonomie durch Verfahren, in: Schweizer Juristenverein (Hrsg.), Festschrift Juristentag<br />

2006, Zürich 2006, S. 105 ff.<br />

VON FISCHER, MARIE, Die Ad hoc-Publizität nach Art. 72 Kotierungsreglement: unter beson<strong>der</strong>er<br />

Berücksichtigung <strong>der</strong> Haftungsfrage, Bern Stämpfli 1999.<br />

WALDER, HANS-ULRICH, Die neuen Zürcher Bestimmungen über die <strong>Schiedsgericht</strong>sbarkeit<br />

im Lichte des Konkordats, in: SJZ 72 (1976), S. 249 ff. (zit. <strong>Schiedsgericht</strong>sbarkeit).<br />

WALDER, HANS-ULRICH, Die <strong>Sanktionsordnung</strong> unter <strong>der</strong> neuen Konvention, in: WuR 39<br />

(1987), S. 226 ff. (zit. <strong>Sanktionsordnung</strong>).<br />

WALDER, HANS-ULRICH/GROB-ANDERMACHER, BÉATRICE, Zivilprozessrecht: nach den Gesetzen<br />

des B<strong>und</strong>es <strong>und</strong> des Kantons Zürich unter Berücksichtigung weiterer kantonaler Zivil-<br />

LVIII


Literaturverzeichnis<br />

prozessordnungen <strong>und</strong> <strong>der</strong> Schweizerischen Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008<br />

sowie unter Einschluss internationaler Aspekte, 5. Auflage, Zürich Schulthess 2009.<br />

WASER, ASTRID, Gr<strong>und</strong>rechte <strong>der</strong> Beteiligten im europäischen <strong>und</strong> schweizerischen Wettbewerbsverfahren,<br />

Zürich Schulthess 2002.<br />

WASSERMANN, RUDOLF, Zur Verantwortung des Richters für die Kultur <strong>der</strong> Gerichtsverhandlung,<br />

in: DRiZ 64 (1986), S. 42 ff.<br />

WATTER, ROLF, Art. 1 BEHG, in: Watter, Rolf/Vogt, Nedim Peter (Hrsg.), Börsengesetz, Finanzmarktaufsichtsgesetz:<br />

Art. 161, 161bis, 305bis <strong>und</strong> 305ter Strafgesetzbuch, 2. Auflage,<br />

Basel Helbing Lichtenhahn Verlag 2011, S. 473 ff. (zit. Art. 1 BEHG).<br />

WATTER, ROLF, Investorenschaden wegen falscher Rechnungslegung, in: von <strong>der</strong> Crone Hans<br />

Caspar, Aktuelle Fragen des Bank- <strong>und</strong> Finanzmarktrechts: Festschrift für Dieter Zobl zum<br />

60. Geburtstag, Zürich Schulthess 2004, S. 429 ff. (zit. Investorenschaden).<br />

WATTER, ROLF, Kursmanipulation unter Berücksichtigung von sogenannten Stützungskäufen,<br />

in: SZW 62 (1990), S. 193 ff. (zit. Kursmanipulation).<br />

WATTER, ROLF/DUBS, DIETER, Bedeutung <strong>und</strong> Zukunft <strong>der</strong> Selbstregulierung im Kapitalmarktrecht,<br />

in: ST 79 (2005), S. 743 ff.<br />

WATTER, ROLF/KÄGI, URS, Art. 6 BEHG, in: Watter, Rolf/Vogt, Nedim Peter (Hrsg.), Börsengesetz,<br />

Finanzmarktaufsichtsgesetz: Art. 161, 161bis, 305bis <strong>und</strong> 305ter Strafgesetzbuch,<br />

2. Auflage, Basel Helbing Lichtenhahn Verlag 2011, S. 556 ff.<br />

WEBER, PHILIPPE A./HUBER, ANDREA, Offenlegung von Managemententschädigungen <strong>und</strong><br />

Management-Transaktionen, in: Reutter, Thomas U./Werlen, Thomas (Hrsg.), Kapitalmarkttransaktionen<br />

II, Zürich Schulthess 2007, S. 99 ff.<br />

WEBER, ROLF H., Börsenrecht: Börsengesetz, Verordnungen, Selbstregulierungserlasse, Zürich<br />

Orell Füssli 2001 (zit. Börsenrecht).<br />

LIX


Literaturverzeichnis<br />

WEBER, ROLF H., Neuordnung <strong>der</strong> Rechtsprechungsorgane im Schweizer Börsenwesen?, in:<br />

SZW 83 (2011), S. 585 ff. (zit. Neuordnung).<br />

WEBER, ROLF H., Praxis <strong>der</strong> SWX Swiss Exchange zur Ad-hoc-Publizität, in: SZW 74 (2002),<br />

S. 297 ff. (zit. Ad-hoc-Publizität).<br />

WEBER, ROLF H., Selbstregulierung <strong>und</strong> Selbstorganisation bei den elektronischen Medien, in:<br />

medialex (2004), S. 211 ff. (zit. Medien).<br />

WEBER, ROLF H., Verantwortlichkeit <strong>der</strong> Unternehmensorgane für regulatorische Interventionen,<br />

in: Weber, Rolf H./Isler, Peter R. (Hrsg.), Verantwortlichkeit im Unternehmensrecht IV,<br />

Zürich Schulthess 2008, S. 115 ff. (zit. Verantwortlichkeit).<br />

WEBER ROLF H., Wirtschaftsregulierung in wettbewerbspolitischen Ausnahmebereichen: Studien<br />

zur staatlichen Wirtschaftsregulierung <strong>und</strong> zum Einsatz <strong>der</strong> Regulierungsinstrumente in<br />

den Transport-, Kommunikations- <strong>und</strong> Energiemärkten in <strong>der</strong> Schweiz <strong>und</strong> in den Vereinigten<br />

Staaten von Amerika, Baden-Baden Nomos 1986 (zit. Wirtschaftsregulierung).<br />

WEBER, ROLF H./SCHALLER, JEAN-MARC, Auf dem Weg zu einem neuen kohärenten Finanzmarktrecht<br />

in <strong>der</strong> Schweiz?, in: SZW 75 (2003), S. 177 ff.<br />

WEHRLI, DANIEL, Die <strong>Schiedsgericht</strong>sbarkeit, in: Sutter-Somm, Thomas/Hasenböhler, Franz<br />

(Hrsg.), Die künftige schweizerische Zivilprozessordnung: Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Expertenkommission<br />

erläutern den Vorentwurf, Zürich Schulthess 2003, S. 107 ff.<br />

WEIGL, BERNHARD, Schweizer Börsenrecht, Baden-Baden Nomos 1997.<br />

WERLEN, THOMAS, Konzeptionelle Gr<strong>und</strong>lagen des schweizerischen Kapitalmarktrechts, Zürich<br />

Schulthess 1994 (zit. Gr<strong>und</strong>lagen).<br />

WERLEN, THOMAS, Schweizerisches Kapitalmarktrecht als Anlegerschutzrecht?, in: SZW 67<br />

(1995), S. 270 ff. (zit. Kapitalmarktrecht).<br />

LX


Literaturverzeichnis<br />

WICKI, JODOK, Market Making <strong>und</strong> Kurspflege kotierter eigener Aktien durch Effektenhändler,<br />

Zürich 2001.<br />

WIDMER, PETER, Das neue Kotierungsreglement <strong>der</strong> Schweizer Börse, in: Nobel, Peter<br />

(Hrsg.), Aktuelle Rechtsprobleme des Finanz- <strong>und</strong> Börsenplatzes Schweiz, Bern Stämpfli<br />

1996, S. 124 ff.<br />

WIEGAND, WOLFGANG, Ad hoc-Publizität <strong>und</strong> Schadenersatz, in: Margelisch, Claude-<br />

Alain/Winzeler, Christoph (Hrsg.), Freiheit <strong>und</strong> Ordnung im Kapitalmarktrecht: Festgabe für<br />

Jean-Paul Chapuis, Zürich Schulthess 1998, S. 143 ff.<br />

WIGET, MATTHIAS, Vergleich, Klageanerkennung <strong>und</strong> Klagerückzug vor <strong>Schiedsgericht</strong>en:<br />

unter Einbezug des IPRG, des Konkordats über die <strong>Schiedsgericht</strong>sbarkeit sowie des Entwurfs<br />

einer schweizerischen Zivilprozessordnung, Zürich Schulthess 2008.<br />

WIPRÄCHTIGER, HANS, Art. 47 StGB, in: Niggli, Marcel Alexan<strong>der</strong>/Wiprächtiger, Hans<br />

(Hrsg.), Strafrecht I: Art. 1-110 StGB, Jugendstrafgesetz, 2. Auflage, Basel Helbing Lichtenhahn<br />

Verlag 2007, S. 820 ff.<br />

WOHLERS, WOLFGANG, Nemo tenetur se ipsum accusare – „an obstruction to the administration<br />

of justice“? in: Hettinger, Michael et al. (Hrsg.), Festschrift für Wilfried Küper zum 70.<br />

Geburtstag, Heidelberg: Müller 2007, S. 691 ff. (zit. Nemo tenetur).<br />

WOHLERS, WOLFGANG, Selbstregulierung- Aufsichtsrecht – Strafrecht: (Ziel-)Konflikte <strong>und</strong><br />

Interdependenzen, in: Ackermann, Jürg-Beat/Wohlers, Wolfgang (Hrsg.), Finanzmarkt ausser<br />

Kontrolle? Selbstregulierung - Aufsichtsrecht – Strafrecht, 3. Zürcher Tagung zum Wirtschaftsstrafrecht,<br />

Zürich Schulthess 2009, S. 267 ff. (zit. Selbstregulierung).<br />

WOHLMANN, HERBERT, „Typischer Aktionär“ <strong>und</strong> „Sharehol<strong>der</strong> value“, in: von Büren, Roland<br />

(Hrsg.), Aktienrecht 1992-1997: Versuch einer Bilanz: zum 70. Geburtstag von Rolf Bär,<br />

Bern Stämpfli 1998, S. 415 ff.<br />

WYSS, ALEXANDER, Verhaltensregeln für Effektenhändler, Lachen Dike 2000.<br />

LXI


Literaturverzeichnis<br />

ZEHNTNER, DOMINIK, Art. 54 StGB, in: Niggli, Marcel Alexan<strong>der</strong>/Wiprächtiger, Hans (Hrsg.),<br />

Strafgesetzbuch Bd. I Art. 1-110 StGB, Basel Helbing & Lichtenhahn 2003, S. 799 ff.<br />

ZOBL, DIETER/BLÖCHLINGER, CHRISTOPH, Risiken, Ziele <strong>und</strong> Massnahmen, in: Weber, Rolf<br />

H./Zobl, Dieter (Hrsg.), Risikomanagement durch Recht im Banken- <strong>und</strong> Versicherungsbereich,<br />

Zürich Schulthess 2006, S. 1 ff.<br />

ZOBL, DIETER/KRAMER, STEFAN, Schweizerisches Kapitalmarktrecht, Zürich Schulthess 2004.<br />

ZUFFEREY, JEAN-BAPTISTE, (Dé-, re-, sur-, auto-, co-, inter-) réglementation en matière bancaire<br />

et financière: Thèses pour un état des lieux en droit suisse, in: ZSR 123 (2004), S. 487<br />

ff.<br />

ZULAUF, URS, Finanzmarktenforcement – Verfahren <strong>der</strong> FINMA, in: GesKR (2009), S. 46 ff.<br />

(zit. Finanzmarktenforcement).<br />

ZULAUF, URS, Gläubigerschutz <strong>und</strong> Vertrauensschutz – zur Sorgfaltspflicht <strong>der</strong> Bank im öffentlichen<br />

Recht <strong>der</strong> Schweiz, in: ZSR 113 (1994), S. 359 ff (zit. Gläubigerschutz).<br />

ZULAUF, URS/WYSS, DAVID/ROTH, DANIEL, Finanzmarktenforcement: eingreifende Verwaltungsverfahren<br />

<strong>der</strong> Eidg. Bankenkommission zur Durchsetzung des Banken-, Börsen-, Kollektivanlagen-<br />

<strong>und</strong> Geldwäschereigesetzes <strong>und</strong> Ausblick auf das Finanzmarktaufsichtsgesetz,<br />

Bern Stämpfli 2008.<br />

LXII


Lebenslauf<br />

Persönliche Daten<br />

Name: Claudia Siebeneck Zivilstand: ledig<br />

Geburtsdatum: 07.06.1974 Nationalität: Deutsche<br />

Ausbildung<br />

02/2009-heute<br />

Universität St. Gallen (HSG), St. Gallen<br />

Doktoratsstudium Rechtswissenschaft<br />

Thema „<strong>Sanktionsordnung</strong> <strong>der</strong> <strong>SIX</strong> <strong>und</strong> <strong>Schiedsgericht</strong>“<br />

10/2005-06/2008 Universität St. Gallen (HSG), St. Gallen<br />

Masterstudium Law and Economics<br />

Abschluss als Master of Arts HSG (M.A. HSG) in Law and<br />

Economics<br />

10/1994-04/1999 Universität St. Gallen (HSG), St. Gallen<br />

Betriebswirtschaftsstudium mit Vertiefungsrichtung Marketing<br />

Abschluss als lic. oec HSG<br />

09/1991-07/1993 Cheltenham Ladies’ College, Cheltenham, Grossbritannien<br />

Abschluss: A-Levels in Ecoconomics, Mathematics <strong>und</strong> German<br />

08/1987-07/1991 Mallinckrodt-Gymnasium, Dortm<strong>und</strong>, Deutschland<br />

LXIII


Praktische Tätigkeit<br />

Frühlingssemester<br />

2012 <strong>und</strong> 2013<br />

Herbstsemester<br />

2011 <strong>und</strong> 2012<br />

11/2010-heute<br />

Lehrbeauftrage für B<strong>und</strong>esstaatsrecht Selbststudium<br />

Lehrbeauftragte für Privatrecht Selbststudium<br />

Universität St. Gallen (HSG), St. Gallen<br />

Assistentin (35%) im Profilbereich „Unternehmen- Recht, Innovation,<br />

Risiko“ <strong>der</strong> Law School<br />

Aufgabenbereich: admininstrative Betreuung <strong>der</strong> Vorlesungen,<br />

Unterstützung bei <strong>der</strong> Vorbereitung <strong>der</strong> Vorlesungen, Vorkorrektur<br />

von Prüfungen <strong>und</strong> Seminararbeiten.<br />

07/2009-12/2011 Universität St. Gallen (HSG), St. Gallen<br />

Assistentin (50%) am Lehrstuhl von Prof. Dr. Peter Nobel<br />

Aufgabenbereich: Mitarbeit bei folgenden Publikationen:<br />

• Unternehmenskommunikation – die rechtlichen Aspekte<br />

(erschienen: August 2009)<br />

• Schweizerisches Finanzmarktrecht <strong>und</strong> internationale<br />

Standards (erschienen: September 2010)<br />

• Transnationales <strong>und</strong> Europäisches Aktienrecht (erschienen:<br />

Januar 2012)<br />

Korrektur von Prüfungen, Master-Arbeiten <strong>und</strong> Bachelor-<br />

Arbeiten<br />

08/2001-10/2005 REWE Zentral AG, Köln<br />

Produktmanagerin Eigenmarken<br />

Aufgabenbereich: Gestaltung des Auftritts <strong>und</strong> Vermarktung diverser<br />

Vollsortiments- <strong>und</strong> Discoutmarken; enge Zusammenarbeit<br />

mit den Abteilungen Einkauf, Vertrieb, Grafik <strong>und</strong> Unternehmenskommunikation;<br />

Bearbeitung von K<strong>und</strong>enanfragen <strong>und</strong><br />

–reklamationen; Tätigkeit im Event- <strong>und</strong> Projektmarketing<br />

08/1999-05/2001 Doetsch Grether AG, Basel<br />

Junior Product Managerin im Agency Business<br />

Aufgabenbereich: Vermarktung <strong>der</strong> M<strong>und</strong>hygienemarken Odol,<br />

Dr. Best, Corega, Sensodyne <strong>und</strong> Pearl Drops sowie des<br />

Schwangerschaftstests Predictor auf dem Schweizer Markt in<br />

Zusammenarbeit mit Prinzipalen <strong>und</strong> Senior Product Manager;<br />

Vorbereitung <strong>der</strong> Planungsinstrumente, Konkurrenzbeobachtung,<br />

Bearbeitung von K<strong>und</strong>enanfragen <strong>und</strong> –reklamationen<br />

LXIV


Publikationen<br />

2009: Rechtliche Aspekte in <strong>der</strong> Krisenkommunikation, in: Schriften<br />

<strong>der</strong> Assistierenden <strong>der</strong> Universität St. Gallen (HSG), Auswirkungen<br />

von Krisen auf Wirtschaft, Recht <strong>und</strong> Gesellschaft<br />

2010: Die Durchsetzung <strong>der</strong> kommunikativen Pflichten börsenkotierter<br />

Gesellschaften, in: Schriften <strong>der</strong> Assistierenden <strong>der</strong> Universität<br />

St. Gallen (HSG), Kommunikation in Wirtschaft, Recht <strong>und</strong> Gesellschaft<br />

2011: Herausgeberin (zusammen mit Anne-Cathrine Tanner <strong>und</strong> Beat<br />

Brändli) <strong>der</strong> Schriften <strong>der</strong> Assistierenden <strong>der</strong> Universität St. Gallen<br />

(HSG), Schweiz <strong>und</strong> Europa – Auswirkungen auf Wirtschaft,<br />

Recht <strong>und</strong> Gesellschaft<br />

LXV

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!