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Kurt Kardinal Koch, Ökumene auf dem Weg zur Ikone der Trinität

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ÖKUMENE AUF DEM WEG ZUR IKONE DER TRINITÄT<br />

Meditation <strong>zur</strong> Dreifaltigkeitsikone von Rublew 1<br />

<strong>Kurt</strong> Cardinal <strong>Koch</strong><br />

Die gastronomische Mischung von Brot, Milch und Kalbfleisch, die Abraham den drei<br />

Männern bei den Eichen von Mamre anbietet, ist in sich bereits ein schönes Zeichen von<br />

menschlicher Gemeinschaft. In <strong>der</strong> menschlichen und menschheitlichen Erfahrung ist das<br />

Essen Zeichen von und <strong>Weg</strong> zu menschlicher Gemeinschaft. Angesichts <strong>der</strong> tiefen<br />

Bedeutung, die das gemeinsame Essen in sich trägt, kann man den Urwunsch <strong>der</strong> Menschen<br />

verstehen, auch Tischgemeinschaft mit Gott pflegen und Gott als Gast am gemeinsamen Tisch<br />

begrüssen zu dürfen. Dass dieser Wunsch erfüllt werden kann und in Erfüllung gegangen ist,<br />

ist eine <strong>der</strong> schönen Botschaften, die Rublews <strong>Ikone</strong> vermitteln will, in<strong>dem</strong> sie uns vor Augen<br />

führt, dass in <strong>der</strong> Gestalt <strong>der</strong> drei Männer <strong>der</strong> dreifaltige Gott selbst gegenwärtig ist. Er pflegt<br />

die Tischgemeinschaft mit uns Menschen, weil er in sich selbst Gemeinschaft ist in <strong>der</strong><br />

wun<strong>der</strong>schönen Einheit von Vater, Sohn und Geist. Das christliche Zentralgeheimnis <strong>der</strong><br />

göttlichen Dreieinigkeit bringt zum Ausdruck, dass <strong>der</strong> in <strong>der</strong> Heiligen Schrift offenbare Gott<br />

nicht einsam ist, son<strong>der</strong>n in vollendeter Gemeinschaft lebt.<br />

Dieses Gottesgeheimnis will in unserer Welt sichtbar werden in <strong>der</strong> Glaubensgemeinschaft<br />

<strong>der</strong> Kirche. Im Licht des trinitarischen Gottesgeheimnisses erscheint die Kirche als <strong>der</strong> vom<br />

dreifaltigen Gott her vorgegebene Raum des Heils o<strong>der</strong>, wie das Zweite Vatikanische Konzil<br />

betont hat, „das von <strong>der</strong> Einheit des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes her geeinte<br />

Volk“ 2 . Die Kirche ist von daher berufen, als Spiegel <strong>der</strong> trinitarischen Liebe Gottes,<br />

gleichsam als <strong>Ikone</strong> <strong>der</strong> <strong>Trinität</strong> zu leben.<br />

Das Glaubensgeheimnis <strong>der</strong> Dreifaltigkeit Gottes will auch als Leitstern für alles<br />

ökumenische Bemühen dienen. Jesus selbst erblickt in seinem hohepriesterlichen Gebet das<br />

tiefste Fundament <strong>der</strong> Einheit unter den Jüngern und <strong>der</strong> künftigen Kirche in <strong>der</strong> trinitarischen<br />

Liebeseinheit zwischen ihm und seinem Vater. Denn Jesus betet in einer sehr präzisen Weise<br />

um die Einheit seiner Jünger: „Alle sollen eins sein: Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir<br />

bin, sollen auch sie in uns sein“ (Joh 17, 21). Wenn wir diese intimste Einheit im<br />

innergöttlichen Leben mit <strong>der</strong> konkreten Situation <strong>der</strong> <strong>Ökumene</strong> heute vergleichen, dann<br />

dürfte sich <strong>der</strong> Schluss von selbst <strong>auf</strong>drängen: <strong>Ikone</strong> <strong>der</strong> <strong>Trinität</strong> kann die <strong>Ökumene</strong> nur<br />

werden, wenn in einem Prozess <strong>der</strong> Reinigung und Versöhnung die kirchentrennenden<br />

Differenzen überwunden werden und sie in einer wirklich versöhnten Verschiedenheit leben<br />

kann.<br />

Auf diese Zielbestimmung hin muss <strong>Ökumene</strong> auch heute <strong>auf</strong> <strong>dem</strong> <strong>Weg</strong> sein und dabei am<br />

Glaubensgeheimnis <strong>der</strong> göttlichen Dreieinigkeit Mass nehmen, <strong>dem</strong>gemäss im trinitarischen<br />

Leben zwei Dimensionen gleichursprünglich zum Tragen kommen: Auf <strong>der</strong> einen Seite<br />

besteht in Gott Lebensraum für den An<strong>der</strong>en und deshalb für Vielheit. Denn <strong>der</strong> Vater ist<br />

an<strong>der</strong>s als <strong>der</strong> Sohn, und <strong>der</strong> Sohn ist wie<strong>der</strong>um an<strong>der</strong>s als <strong>der</strong> Heilige Geist. Es lebt in <strong>der</strong><br />

göttlichen Dreieinigkeit eine wun<strong>der</strong>schöne Verschiedenheit <strong>der</strong> Personen. Es gibt in Gott <strong>auf</strong><br />

<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite aber auch eine wun<strong>der</strong>bare Einheit des göttlichen Lebens. Wiewohl <strong>der</strong><br />

Vater an<strong>der</strong>s ist als <strong>der</strong> Sohn und <strong>der</strong> Sohn wie<strong>der</strong>um an<strong>der</strong>s als <strong>der</strong> Heilige Geist, so leben<br />

die göttlichen Personen als himmlische Trialogpartner doch <strong>auf</strong> <strong>der</strong>selben Seinsebene: Der<br />

1 Meditation im Ökumenischen Schlussgottesdienst beim Kongress „Zwischen Reform und Reformation. Ökumenische Vergewisserung und<br />

ekklesiale Verpflichtung“ an <strong>der</strong> Katholischen Aka<strong>dem</strong>ie Schwerte am 3. Juni 2012.<br />

2 Lumen gentium, Nr. 4.<br />

1


Vater ist Gott, <strong>der</strong> Sohn ist Gott, und <strong>der</strong> Heilige Geist ist Gott. Der dreifaltige Gott ist in sich<br />

lebendige Gemeinschaft in <strong>der</strong> ursprünglichen Beziehungseinheit <strong>der</strong> Liebe.<br />

Wenn die wie<strong>der</strong> zu gewinnende ökumenische Einheit <strong>der</strong> Christen die Gemeinschaft des<br />

dreifaltigen Lebens Gottes wie<strong>der</strong> spiegeln soll, kann es sich nur um eine Einheit in Vielheit<br />

und eine Vielheit in Einheit handeln. Damit ist eine Gratwan<strong>der</strong>ung zugemutet, die bereits <strong>der</strong><br />

grosse Philosoph Blaise Pascal von gefährlichen Extremismen abgehoben hat: „Einheit, die<br />

nicht von <strong>der</strong> Vielfalt abhängt, ist Tyrannei; Vielheit, die nicht von <strong>der</strong> Einheit abhängt, ist<br />

Wirrwarr.“ Zwischen Tyrannei und Wirrwarr muss auch heute die <strong>Ökumene</strong> ihren <strong>Weg</strong><br />

suchen.<br />

Dazu gehört vor allem, dass diese Einheit nicht einfach nur eine unsichtbare sein kann. Wie<br />

Rublew das Geheimnis des dreifaltigen Gottes nicht in sich selbst darstellt, son<strong>der</strong>n im<br />

Spiegel einer konkreten geschichtlichen Begebenheit, nämlich im Besuch von drei Männern<br />

bei Abraham, in denen er aber sensibel erkennt, dass Gott selbst bei ihm eingekehrt ist, und<br />

wie das von Rublew dargestellte Zelt Abrahams an das Johannesevangelium denken lässt,<br />

dass das Wort Fleisch geworden und bei uns sein Zelt <strong>auf</strong>geschlagen hat, so muss auch die<br />

ökumenische Einheit eine sichtbare Gestalt gewinnen. Diese Sichtbarkeit wird auch zum<br />

Ausdruck gebracht in <strong>der</strong> weiteren Bitte Jesu in seinem hohepriesterlichen Gebet: „damit die<br />

Welt erkennt, dass du mich gesandt hast und die Meinen ebenso geliebt hast wie mich“ (Joh<br />

17, 23). Mit diesem Finalsatz zeigt <strong>der</strong> Evangelist Johannes, dass die Einheit unter den<br />

Jüngern Jesu kein Selbstzweck in sich ist, son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Glaubwürdigkeit <strong>der</strong> Sendung Jesu<br />

Christi und seiner Kirche in <strong>der</strong> Welt dient. Die Zielsetzung <strong>der</strong> Einheitsbitte Jesu besteht<br />

genau darin, dass durch die Einheit <strong>der</strong> Jünger die Wahrheit seiner Sendung für die Menschen<br />

sichtbar werden kann. Wenn die Einheit <strong>der</strong> Jünger von <strong>der</strong> Art sein muss, dass die Welt sie<br />

erkennen und dadurch zum Glauben kommen kann, dann wird Jesus selbst durch die sichtbare<br />

Einheit seiner Jünger legitimiert und es wird erfahrbar, dass er wirklich <strong>der</strong> Sohn ist.<br />

Wie aber kommen wir zu dieser ökumenischen Einheit? Vom hohepriesterlichen Gebet Jesu<br />

her kann es nur eine Antwort geben: Die Einheit kann nicht aus <strong>der</strong> Welt und von unseren<br />

eigenen Kräften her kommen; sie kann nur vom Vater durch den Sohn und damit von unserem<br />

Eintreten in das trinitarische Gottesgeheimnis kommen. Damit sind für unsere ökumenische<br />

Arbeit zwei wesentliche <strong>Weg</strong>weisungen gegeben:<br />

Wenn die Einheit <strong>der</strong> Jünger erstens das zentrale Gebetsanliegen Jesu ist, kann <strong>Ökumene</strong> nur<br />

Einstimmen <strong>der</strong> Christen in das trinitarische Gebet Jesu sein, in<strong>dem</strong> sie sich sein<br />

Herzensanliegen zu eigen machen. Wenn christliche <strong>Ökumene</strong> nicht einfach<br />

zwischenmenschlich o<strong>der</strong> nur philantropisch, son<strong>der</strong>n wirklich christologisch fundiert und<br />

motiviert ist, kann sie nur Teilhabe am hohepriesterlichen Gebet Jesu sein. Bei einer so<br />

verstandenen <strong>Ökumene</strong> ist und bleibt das Gebet um die Einheit <strong>der</strong> Christen zweitens das<br />

entscheidende Vorzeichen allen ökumenischen Bemühens. Wie Jesus den Jüngern die Einheit<br />

nicht befiehlt und sie auch nicht von ihnen einfor<strong>der</strong>t, son<strong>der</strong>n um sie betet, so bringen wir<br />

mit <strong>dem</strong> Gebet um die Einheit <strong>der</strong> Christen unsere Glaubensüberzeugung zum Ausdruck, dass<br />

wir die Einheit nicht selbst machen und auch nicht über ihre Gestalt und ihren Zeitpunkt<br />

befinden, son<strong>der</strong>n dass wir sie vielmehr nur als Geschenk empfangen können.<br />

Die Einheit <strong>der</strong> Christen ist das Geschenk Gottes - wie in <strong>der</strong> <strong>Ikone</strong> Rublews die Gebärden<br />

des Gebens und des Aufeinan<strong>der</strong>zu <strong>der</strong> drei göttlichen Personen reines gegenseitiges Sich-<br />

Geben und Geschenk seiner selbst sind. Wenn wir Rublews <strong>Ikone</strong> gleichsam als Magna<br />

Charta des ökumenischen Bemühens verstehen und uns mit ihr in das Glaubensgeheimnis <strong>der</strong><br />

göttlichen Dreifaltigkeit vertiefen und uns in sie hineinziehen lassen, dann sind wir in <strong>der</strong><br />

2


<strong>Ökumene</strong> <strong>auf</strong> gutem <strong>Weg</strong>, genauerhin <strong>auf</strong> <strong>dem</strong> <strong>Weg</strong>, glaubwürdige und überzeugende <strong>Ikone</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>Trinität</strong> zu werden.<br />

C:\Dokumente und Einstellungen\<strong>Kurt</strong>K\Eigene Dateien\<strong>Kurt</strong> <strong>Koch</strong>\<strong>Ökumene</strong>schwerte2012meditation.doc<br />

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