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Bad Berka und seine Mühlen (Teil 1) - Kurstadt Bad Berka

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<strong>Bad</strong> <strong>Berka</strong> <strong>und</strong> <strong>seine</strong> <strong>Mühlen</strong><br />

Von der Mühllache zum „Kleinen Venedig“<br />

Das wohl bekannteste Bildmotiv von <strong>Bad</strong> <strong>Berka</strong> ist das idyllisch, mitten in der Stadt<br />

gelegene „Klein Venedig“. Seit über 100 Jahren ziert es Postkarten, befindet sich auf<br />

Fotos, Prospekten <strong>und</strong> anderen Veröffentlichungen. Maler verewigten es in Öl,<br />

Pastell <strong>und</strong> Kohle.<br />

Schon den <strong>Bad</strong>egästen der 1890er Jahre, die zum <strong>Teil</strong> regelmäßig zur <strong>Bad</strong>ekur<br />

kamen, gefiel dieser romantische Ort. Sie mögen sich amüsiert haben über die<br />

Kinder, die sich mit einem alten Kahn im Wasser tummelten oder Fische fingen. Für<br />

die Städter interessant waren die unmittelbar am Wasser gelegenen <strong>Mühlen</strong>werke<br />

der Mahlmühle, Säge- <strong>und</strong> Massemühle. Was sie über die beiden Anwesen der<br />

gleichnamigen Familien König gedacht haben, ist nicht bekannt. Der eine spülte als<br />

Fleischer auf einem in das Wasser hinein ragenden Steg die Därme eines eben<br />

geschlachteten Schweins, der andere wässerte daneben als Gerber <strong>seine</strong> Felle. Das<br />

Bild wurde vervollständigt durch die Frauen, die ihre Wäsche wuschen, Wasser<br />

schöpften <strong>und</strong> die zahlreichen Pferde, die an den Wochenenden ein wohlverdientes<br />

Reinigungsbad erhielten. Vielleicht haben sie mit den Köpfen geschüttelt, wenn es im<br />

Brauhaus ans Bierbrauen ging. War im Brunnen nicht genügend Wasser vorhanden,<br />

holte man es im Mühlteich oder in der Mühllache, wie das Gewässer damals hieß.<br />

Irgendwann mag einer der Gäste sich an ähnliche Situationen in Venedig erinnert<br />

haben. Schnell war die Bezeichnung vom „Kleinen Venedig“ geboren.<br />

Das Leben spendende Nass, das von der Ilm <strong>und</strong> vom Steingrabenbach in die Stadt<br />

geführt wurde, fand eine vielseitige Verwendung. Seine Hauptaufgabe bestand<br />

jedoch darin, die an <strong>seine</strong>m Lauf liegenden Wasserräder der <strong>Berka</strong>er <strong>Mühlen</strong><br />

anzutreiben.<br />

Da war zunächst die Obermühle. Zu ihr gehörte die schon erwähnte Mahlmühle. Das<br />

markante Gebäude Bleichstraße 4 wird heute zu Wohnzwecken genutzt. Ihm<br />

gegenüber, auf dem Parkplatz Bleichstraße befanden sich einst eine Sägemühle <strong>und</strong><br />

eine Massemühle. Über einen 96m langen <strong>und</strong> 4 m breiten, mit einem Ober- <strong>und</strong><br />

Unterlauf versehenen Kanal, dem Mühlgraben, wurde das Wasser zur Untermühle<br />

befördert. Hier, in der ältesten Mühle unserer Stadt, befand sich zu früherer Zeit eine<br />

weitere Mahl-, eine Öl- <strong>und</strong> zeitweilig eine Lohmühle. Heute beherbergt der<br />

Gebäudekomplex Wohnungen <strong>und</strong> einen Versammlungsraum.<br />

Seit über 700 Jahren wurden an diesem Gewässer Korn zu Mehl gemahlen, aus<br />

Raps <strong>und</strong> Lein Öl gepresst, Korn <strong>und</strong> Braumalz geschrotet, Lohe zerkleinert, Balken<br />

<strong>und</strong> Bretter gesägt <strong>und</strong> Porzellanmasse geschlagen.<br />

Den einstigen - die <strong>Mühlen</strong> verbindenden Wasserlauf - verfüllte man 1964, nutzte ihn<br />

als Garagenstandort <strong>und</strong> legte ihn 2009 wieder frei. Wenn die <strong>Mühlen</strong> heute auch<br />

nicht mehr existieren, so erinnert das nun entstandene Bauwerk doch an ein<br />

wichtiges Stück <strong>Bad</strong> <strong>Berka</strong>er Geschichte.


Klein Venedig um 1900<br />

<strong>Mühlen</strong> als erste technische Einrichtungen<br />

Die Erfindung der <strong>Mühlen</strong> war ein wichtiger Schritt bei der Entwicklung der<br />

Menschheit. Vom einfachen Reibstein bis zur von Wasser oder Wind angetriebenen<br />

Mühle vergingen Jahrtausende. Ehrfurchtsvoll begegneten die Menschen den ersten<br />

Maschinen. Für die damalige Zeit waren sie in stattlichen Bauten errichtet <strong>und</strong> zogen<br />

die Aufmerksamkeit auf sich. Sie gaben Tag <strong>und</strong> Nacht keine Ruhe, ihre hölzernen<br />

Getriebe klapperten, ächzten <strong>und</strong> stöhnten. Deshalb waren <strong>Mühlen</strong> <strong>und</strong> ihre<br />

Umgebung oft als unheimlich verschrien. Man sah sie als Aufenthaltsort von Geistern<br />

an <strong>und</strong> brachte sie nicht selten mit Bluttaten in Verbindung. In kriegerischen Zeiten<br />

wurden sie wegen des vermuteten Reichtums ihrer Besitzer oft als erste aufgesucht.<br />

Überdies waren Müller <strong>und</strong> Müllerin häufig als „unehrlich“ verschrien. Das hatte<br />

<strong>seine</strong>n Gr<strong>und</strong> darin, dass Korn <strong>und</strong> Mehl in der Mühle nicht gewogen wurden. Der<br />

Müller benutzte bei der Annahme des Getreides <strong>und</strong> Abgabe des Mehls die „Metze“,<br />

ein Behältnis, mit dem er beides schöpfte. Als Mahllohn erhielt er kein Geld, sondern<br />

er nahm sich diesen mit der „Metze“ vom Getreide des Mahlgastes. Dabei wurde ihm<br />

oft unterstellt, er betrüge, indem er am Behältnis bzw. am Beutelsystem <strong>seine</strong>r Mühle<br />

<strong>und</strong> anderen Geräten manipuliere. Erst mit dem Voranschreiten der Technik im<br />

<strong>Mühlen</strong>wesen konnte man diese Unterstellungen zurückweisen.<br />

Zisterzienserinnen als <strong>Mühlen</strong>besitzer<br />

Die Existenz einer Mühle in <strong>Berka</strong> wurde erstmals 1280 in einer Urk<strong>und</strong>e im<br />

Kopialbuch des ehemaligen <strong>Berka</strong>er Zisterzienserinnenklosters erwähnt. Aus ihr geht<br />

hervor, dass Gräfin Elsa von Rabenswald als Besitzerin von <strong>Berka</strong> auf die<br />

Lehensherrlichkeit, d.h. auf ihr Obereigentum der von den Klosterfrauen erworbenen<br />

<strong>und</strong> geschenkten Güter <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>stücke, verzichtete. Sie überließ diese den<br />

Nonnen zum alleinigen Besitz. Unter den erwähnten Gütern befand sich die Mühle.<br />

In der Urk<strong>und</strong>e heißt es: „.....daß wir die Mühle zu <strong>Berka</strong>, gelegen bei dem Kirchhofe,<br />

welche Mühle der Convent der heiligen Klosterfrauen, die sie um ihre Pfennige kauft<br />

haben, in Besitz bekommen hat, die dann alle Jahre jährlichen Zins gibt: Zehen<br />

Malter <strong>und</strong> 4 Speckschweine....“


Aus der Urk<strong>und</strong>e ist zu entnehmen, dass sich die benannte Mühle an der Stelle der<br />

Untermühle an der Pfarrgasse befand, das südlich vor der Kirche gelegene Gärtchen<br />

wurde nach der Klostergründung als Kirchhof (Friedhof) genutzt. Weiter erfahren wir,<br />

dass die Klosterfrauen die Mühle nicht selbst betrieben, sondern verpachtet hatten.<br />

Auch die jährliche Einnahme von zehn Maltern Getreide <strong>und</strong> vier fetten<br />

Speckschweinen wurde mit der Urk<strong>und</strong>e von der Fürstin bestätigt. Es war damals<br />

üblich, Pachtbeträge in Naturalien zu zahlen.<br />

Wer die Mühle kaufte, erbaute oder wie sie ausgesehen haben mag, wissen wir<br />

nicht, ebenso wenig wie die Tatsache, warum sie nicht direkt am Wasserlauf der Ilm<br />

stand, sondern an der abseits gelegenen Stelle. Eine Ursache könnte darin<br />

bestehen, dass die Ilm einstmals viel mächtiger <strong>und</strong> höher war. Wir wissen, dass sie<br />

sich an der gegenüberliegenden Stelle teilte <strong>und</strong> ein Arm in Richtung Lindenplatz <strong>und</strong><br />

Harlache floss. Für eine Mühle an der Ilm wären in der damaligen Zeit große<br />

Bauwerke notwendig gewesen. Doch davor scheute man sich. Erst in den späteren<br />

Jahrh<strong>und</strong>erten gab es dazu die technischen Möglichkeiten. So errichtete man eine<br />

Mühle lieber an einem kleineren, beherrschbaren Wasserlauf. Das waren in <strong>Berka</strong><br />

ein Nebenarm der Ilm an Stelle des heutigen oberen Mühlgrabens sowie der<br />

Steingraben <strong>und</strong> der Hungerbach, die sich am heutigen Klein Venedig vereinigten<br />

<strong>und</strong> der Mühle zuflossen. Das Gewässer wurde gleichzeitig zur Wasserversorgung<br />

des in diesem Bereich entstehenden Ortes genutzt. Außerdem errichteten die<br />

Nonnen ein Brauhaus, das die Bierversorgung für sie <strong>und</strong> die Bürger über<br />

Jahrh<strong>und</strong>erte sicherte.<br />

1414 wurde <strong>Berka</strong> erstmalig als Stadt bezeichnet. Dazu waren schon damals<br />

Bedingungen zu erfüllen. So musste sich die Stadt wirtschaftlich <strong>und</strong><br />

verfassungsrechtlich vom Dorf abheben, eine städtische Regierung, ein Rathaus <strong>und</strong><br />

eine Stadtbefestigung vorweisen, ebenso Marktrecht, Handel <strong>und</strong> Handwerk. Die<br />

Einwohnerzahl dürfte damals auf mehrere H<strong>und</strong>ert angestiegen sein. Der Ort hatte<br />

sich vom Kloster über die heutige Stadtmitte in westlicher Richtung ausgedehnt.<br />

Irgendwann in dieser Zeit mag auch die Kapazität der kleinen Mühle nicht mehr<br />

gereicht haben. Zu einer Vergrößerung brauchte man aber mehr Wasser <strong>und</strong> eine<br />

erhöhte Wasserkraft. Vermutlich wurden in dieser Zeit der Mühlgraben ausgebaut,<br />

Wehre <strong>und</strong> Schleusen geschaffen sowie ein Ablaufgraben, der heutige<br />

Schleusengraben, errichtet. All das erforderte einen großen Bauaufwand mit vielen<br />

Arbeitskräften. Derartige Tätigkeiten mussten die <strong>Berka</strong>er im Auftrag der Fürsten als<br />

Fronepflichten erfüllen.<br />

Die Mühle - ein Opfer von Feuer <strong>und</strong> Wasser<br />

Mehr als 300 Jahre später berichtet ein Dokument, <strong>und</strong> zwar eine „Kaufberedung“<br />

vom 14. Februar 1611, über das weitere Schicksal der <strong>Berka</strong>er Mühle. In diesem<br />

Schriftstück wurde vereinbart, dass die Witwe <strong>und</strong> die Töchter des verstorbenen<br />

Besitzers von <strong>Berka</strong>, Georg Albrecht von Witzleben, ihren erblichen Besitz in <strong>Berka</strong><br />

verkaufen. Käufer war die „Fürstl. S. junge Herrschaft zu Weimar“. Gemeint sind<br />

damit die neun unmündigen Söhne des verstorbenen Herzogs Johann. Die<br />

Kaufsumme betrug 4000 Gulden. Verkaufsobjekte waren der Beulwitzer Hof mit<br />

allen „Zubehörungen“ (ein Freihof auf dem Gelände des heutigen Thüringer<br />

Forstamtes <strong>Bad</strong> <strong>Berka</strong> in der Ilmstraße). Weiterhin erwarben die Weimarer Fürsten<br />

die Brandstätte der 1608 beim großen Stadtbrand abgebrannten Mühle. Im<br />

Dokument heißt es: „…eine Mahlmühle, welche sindermahls abgebrennet“ auch<br />

„den bei der Mühle vorhandenen Vorrat an Steinen <strong>und</strong> in Brand übrig gebliebenen<br />

Eisenwerg“. Von der Mühle war also nach dem Brand nur noch eine Ruine übrig<br />

geblieben. Über die „Zubehörungen“ zum Kaufobjekt Mühle schrieb man: „Der


Mühlgraben vom Wehr bis zur Mühle, Fischwasser über den Wehr, Wiesen <strong>und</strong><br />

Weiden. Weiterhin Krautfleck, Garten <strong>und</strong> Baumgarten mit einem Haus an der<br />

„Stopffel-Gassen“ <strong>und</strong> das „Fisch-Helterlein“. Letzteres war ein Fischbehälter in der<br />

Ilm, in dem sich ständig Fische tummelten. Die „Stopffel-Gassen“ war die heutige,<br />

zum Bolzplatz hinführende Bleichstraße, die man im 19.Jh. auch als Schlippergasse<br />

bezeichnete. Sie war ein wichtiger Verkehrsweg <strong>und</strong> führte durch eine Furt im<br />

Schleusengraben direkt zur Kuhsteigbrücke.<br />

Aus einem Schriftstück an die Witwe des Georg Albrecht von Witzleben von 1611<br />

ging hervor, dass Marthen Weimar bisheriger Pächter der Mühle war. Er schrieb,<br />

dass die Mühle bei der großen Feuersbrunst vernichtet <strong>und</strong> er dabei großen<br />

Schaden erlitten habe. Er versicherte, denen von Witzleben immer treulich gedient zu<br />

haben <strong>und</strong> bat um Berücksichtigung bei der Vergabe einer anderen Müllerstelle.<br />

Wenig später nahmen die traurigen Überreste der Mühle weiteren großen Schaden.<br />

Bei der Hochwasserkatastrophe im Jahre 1613, bekannt als die „Thüringer Sündflut“,<br />

wurden auch die Wehre <strong>und</strong> der Mühlgraben stark beschädigt bzw. vernichtet.<br />

Strenge Gesetze für einen <strong>Mühlen</strong>pächter<br />

Nach dem Wiederaufbau der Mühle durch die Weimarer Fürsten erschien 1618 der<br />

Müller Valten Schreper aus Öttern als neuer Pächter. Der Amtsschösser Quirin Hans<br />

von Volgstedt, Beauftragter des Herzogs in <strong>Berka</strong>, schloss einen umfangreichen<br />

Vertrag mit ihm ab. Gr<strong>und</strong>lage des Vertrages war die 97 Artikel umfassende<br />

Fürstliche <strong>Mühlen</strong>ordnung aus dem Jahre 1589. Danach erhielt Schreper die neue<br />

Mühle zunächst nur für ein Jahr. Als Pacht hatte er den Wert von16 Malter<br />

Weimarisch Gemäß(1 Mlt.= ca. 150 Ltr.= 100-110 kg) Gemenge (Getreidegemisch)<br />

<strong>und</strong> für 80 Gulden Mastschweine zu liefern. Dazu noch 15 Schock (1 Schock = 60<br />

Stck.) Hühnereier. Zu Beginn des Vertrages hieß es: „Herrunter will er auch schuldig<br />

<strong>und</strong> pflichtig sein Korn, Gerste, Malz <strong>und</strong> andere Getreidich vor Mensch <strong>und</strong> Vieh so<br />

viel was deßes vor die Haushaltung bedürftig angemeßt zu mahlen“. Er war<br />

verpflichtet, von jedem Malter Korn 15 Pf<strong>und</strong> Mehl <strong>und</strong> 3 Pf<strong>und</strong> Kleie von den<br />

Mahlgästen zu entnehmen <strong>und</strong> als Mahlsteuer in das Fürstliche Amt zu liefern.<br />

Weiter folgten im Vertrag Artikel, die dem Müller Pflichten im Umgang mit der ihm<br />

überlassenen Mühle <strong>und</strong> den Geräten auferlegten, aber auch zum Verhalten des<br />

Müllers, <strong>seine</strong>r Familie <strong>und</strong> des Gesindes. Er wurde ermahnt, sich jeglichen<br />

Betruges zu enthalten <strong>und</strong> die Pflichten gegenüber der Obrigkeit zu erfüllen. Auch<br />

an den christlichen Lebenswandel wurde gedacht: „Vor allen dingen aber neben<br />

<strong>seine</strong>n weibe, Kindern <strong>und</strong> gesinde sich der Gottesfurcht, <strong>und</strong> des lieben gebeths<br />

befleißigen, Fluchens, phwehrens (schwören) <strong>und</strong> anderer Gotteslesterung gründlich<br />

enthalten“.<br />

Vorgeschrieben wurde dem Müller auch die richtige Handhabung der Mühle, darunter<br />

die Einstellung des Kammrades, der Getriebe <strong>und</strong> der Räder, die richtige Einstellung<br />

der Mahlsteine <strong>und</strong> ihre Beschaffenheit zur Verhinderung von Verlusten beim<br />

Mahlvorgang. Er hatte sich gefallen zu lassen, dass <strong>seine</strong> Mühle regelmäßig durch<br />

Beamte des Herzogs kontrolliert <strong>und</strong> ihm sogar genau vorgeschrieben wurde, wie<br />

viel Vieh er halten durfte. Gr<strong>und</strong>sätzlich verboten war die Haltung von Tauben.<br />

Die Annahme des Mahlgutes <strong>und</strong> die Ausgabe von Mehl, Kleie, Schrot <strong>und</strong> Malz<br />

durfte nur der Müller selbst im Beisein eines städtischen Wagemeisters <strong>und</strong> mit einer<br />

geeichten Waage vornehmen. Der Wagemeister war eine im Ort gewählte Person,<br />

die zum Ältestenrat (Stadtrat) gehörte <strong>und</strong> neben den Müllern auch die Bäcker <strong>und</strong><br />

Fleischer auf Einhaltung richtiger Gewichte zu überprüfen hatte. Er musste dabei


noch ein Register über die Menge des angenommenen Getreides <strong>und</strong> des<br />

abgegebenen Mahlgutes für die fürstlichen Beamten führen.<br />

Neben weiteren Artikeln, die dem Pachtmüller die Existenz erschwerten, das<br />

Einkommen des Fürsten aber sicherten, enthielt die <strong>Mühlen</strong>ordnung auch eine<br />

Gebührenordnung. Darin war genau festgelegt, welchen Lohn der Müller für das<br />

Mahlen des Getreides oder Malzes zu erhalten hatte.<br />

Wie schon erwähnt, erhielt er kein Geld, sondern <strong>seine</strong>n Lohn in Form von Mehl <strong>und</strong><br />

Malz. In einer Tabelle war festgelegt, wie viel er vom Mahlgut erhielt. So durfte er<br />

vom Zentner Getreide 11 Pf<strong>und</strong> Mehl <strong>und</strong> beim Schrot <strong>und</strong> Malz 7 Pf<strong>und</strong> entnehmen.<br />

Diese Art der Entlohnung war im Interesse der Obrigkeit. Es hatte <strong>seine</strong>n Gr<strong>und</strong><br />

darin, dass die meisten Leute kein oder nur selten Geld besaßen <strong>und</strong> dadurch nicht<br />

oder erst später bezahlen konnten. Erhielt der Müller kein Geld, konnte er <strong>seine</strong><br />

Pacht nicht pünktlich zahlen. Nahm er sich aber Mehl als Lohn <strong>und</strong> verkaufte es an<br />

die Bäcker, konnte er <strong>seine</strong>n Verpflichtungen an den Fürsten nachkommen. Das<br />

Getreide für das fürstliche Amt musste der Müller kostenlos mahlen. Allerdings<br />

erhielt er dafür Stroh für <strong>seine</strong> Esel <strong>und</strong> Brennholz.<br />

Abgeschlossen wurde der Pachtvertrag mit der Vereidigung des Müllers <strong>und</strong> <strong>seine</strong>s<br />

Knechtes vor dem Vertreter des Herzogs in <strong>Berka</strong>, dem Amtmann.<br />

Interessant ist auch die Beschreibung der Mühle im Pachtvertrag. So erfahren wir,<br />

dass die neue Mühle „vier mahlgenge mit büdenen Steinen <strong>und</strong>t leuffern Kamp- <strong>und</strong><br />

Wasserräder gut <strong>und</strong>t ganghafft“ besaß (d.h. die Mahlgänge waren mit Boden- <strong>und</strong><br />

Läufersteinen ausgerüstet, angetrieben von den Wasserrädern über Kammräder).<br />

Weiterhin gab es eine Stube, Küche <strong>und</strong> Schlafkammer für den Müller <strong>und</strong> <strong>seine</strong><br />

Familie sowie zwei Kammern für das Gesinde, einen Kuh- <strong>und</strong> einen Eselstall.<br />

Mittelalterliche Mahlmühle mit zwei oberschlächtigen Wasserrädern<br />

Schon 1631 war die Mühle jedoch erneut in schlechtem Zustand. Ein Hochwasser<br />

hatte wieder große Schäden angerichtet. Die Fürstliche Kammer wurde beauftragt,<br />

für Reparaturen am Bollwerk, Schleuse <strong>und</strong> Brücke sowie dem Rinnenwerk Holz aus<br />

den <strong>Berka</strong>er Wäldern zur Verfügung zu stellen. Ein Jahr später hieß es sogar:<br />

„nachdem die Mahlmühle gänzlich eingegangen“. Der Amtsschösser Daniel<br />

Leonhardt erhielt vom Herzog den Auftrag, die Mühle wieder einzurichten. Er sollte<br />

Kostenanschläge einholen <strong>und</strong> dabei Meister Kilian Briefer, einen alten Müller, <strong>und</strong><br />

den Zimmerer Hans Wetterhahn zu Rate ziehen. Die Reparaturen erwiesen sich als


umfangreich. Zu den schon bekannten Schäden kamen noch der Fachbaum, das<br />

Gr<strong>und</strong>werk wie auch die Herd,- Brust <strong>und</strong> Seitenmauer, die erneuert werden<br />

mussten. Auch die Herstellung von vier neuen Wasserrädern durch den Tonndorfer<br />

Müller <strong>und</strong> Radmacher Veit Latermann war notwendig. Forstmeister Wilhelm<br />

Schieferdecker wurde ermahnt, das benötigte Holz anzuweisen, „damit die<br />

<strong>Mühlen</strong>nutzung so eher so besser wiederumb befördert werden möge“. Auch die<br />

Instandsetzung des durchgebrochenen Mühlgrabens bei Caspar Dehnes Garten<br />

wurde mit aufgelistet. Insgesamt kam man auf die stattliche Summe von 300<br />

Gulden, 13 Groschen <strong>und</strong> 4 Pfennig.<br />

Die <strong>Mühlen</strong>pächter wechseln oft - eine weitere Mühle entsteht<br />

Wahrscheinlich hatte man 1637 die Mühle wieder fertig aufgebaut. In jenem Jahr<br />

pachtete der Tannrodaer Matthes Schrepffer die <strong>Berka</strong>er Amtsmühle auf drei Jahre.<br />

Schrepffer betrieb schon in Tannroda eine Mühle <strong>und</strong> war sicher ein Nachkomme<br />

des <strong>Berka</strong>ers Valten Schreper aus dem Jahre 1618. Auch mit ihm wurde ein<br />

umfangreicher Pachtvertrag abgeschlossen. Geändert hatte sich inzwischen die<br />

Pachtsumme. Sie betrug nun 260 Gulden im Jahr. Auferlegt wurde ihm weiterhin,<br />

den Mühlgraben im Winter eisfrei zu halten <strong>und</strong> ihn beim Abfischen durch den<br />

Schösser (Amtmann) abzulassen. Er selbst musste beim Fischen helfen. Auch hatte<br />

er die schriftliche Einwilligung <strong>seine</strong>s Gerichtsherren, des Herrn Rudolf von Bünau in<br />

Tannroda, zur Pacht der <strong>Berka</strong>er Mühle zu erbringen.<br />

Sicher war die <strong>Berka</strong>er Amtsmühle kein gutes Pachtobjekt. In den nachfolgenden<br />

Jahrzehnten wechselten die Müller immer wieder.1654 erschien Nicol Geyer als<br />

Pachtmüller, schon 2 Jahre später Hironimus Weiße. Letzterer beschwerte sich 1662<br />

in einem Schreiben beim Landesherren über den Schneidemüller, der ihm oft das<br />

Wasser zum Mahlen entzog.<br />

In diesem Dokument ist erstmals von einer weiteren Mühle in <strong>Berka</strong> die Rede. Es war<br />

eine Sägemühle, in der man Bretter <strong>und</strong> Balken sägte. Betrieben wurde sie vom<br />

Schneidemüller Nicol Kühne. War er Eigentümer dieser Mühle oder auch nur<br />

Pächter? Wann war sie entstanden? Wo befand sie sich? Die ersten beiden Fragen<br />

können wir nicht beantworten, die letztere nur vermuten. Sicher lag die<br />

Schneidemühle des Kühne oberhalb des Mühlgrabens am Standort der späteren<br />

Obermühle. Behauptete Weiße doch, Kühne entziehe ihm das Wasser „<strong>und</strong> solches<br />

nach <strong>seine</strong>n gefallen braucht <strong>und</strong> wenn er viel Bretter <strong>und</strong> Bloche schneidet“. In<br />

<strong>seine</strong>r Beschwerde führte Weiße weiterhin an, dass auch das Wehr sehr baufällig<br />

<strong>und</strong> <strong>und</strong>icht sei <strong>und</strong> er wegen Wassermangel oft nicht mahlen könne <strong>und</strong> <strong>seine</strong><br />

K<strong>und</strong>schaft verliere. Sich selbst bezeichnete er als armen Mehlmüller, der aus den<br />

angeführten Gründen <strong>seine</strong>n jährlichen Zins (Pacht) von 12 Malter Korn <strong>und</strong> 2<br />

Speckschweinen nicht zahlen kann.<br />

1673 folgen der Mehlmüller Hans Schmid <strong>und</strong> der Schneidemüller Leonhard Trübel.<br />

Aber schon 1679 der Mahlmüller Fischer, 1699 Georg Gensen <strong>und</strong> 1701 Meister<br />

Georg Paul Eberhardt. Sie alle bezeichneten sich als Fürstliche Pachtmüller.<br />

1713 kam es zum Streit zwischen <strong>Berka</strong>er <strong>und</strong> Hetschburger Müllern. Der <strong>Berka</strong>er<br />

Pachtmüller Joh. David Koch behauptete in einem Schreiben an den Landesfürsten,<br />

dass ihm der Müller Haans Christian Kühn in Hetschburg <strong>seine</strong> K<strong>und</strong>en aus den<br />

„Erfurter Dörfern“ (Gutendorf, Meckfeld, Troistedt) abgeworben habe. Er bat um<br />

Festlegung, wer wo mahlen müsste <strong>und</strong> damit um Wiedereinführung des<br />

„Mahlzwangs“. Damit sollte <strong>seine</strong> ehemalige K<strong>und</strong>schaft zu ihm zurück gezwungen<br />

werden. Der Pachtmüller in Hetschburg wies die Anschuldigung zurück <strong>und</strong><br />

protestierte gegen die Wiedereinführung des „Mahlzwanges“. Er war der Meinung,


Koch sei selbst schuld. Durch <strong>seine</strong> Art wie er <strong>seine</strong> Mahlgäste behandele <strong>und</strong> wie er<br />

mit ihnen umgehe, habe er sie selbst vertrieben.<br />

Sägemühle um 1750 mit Blick auf den Gatterkeller <strong>und</strong> Sägeboden.<br />

Die <strong>Berka</strong>er Pachtmühle wird Eigentumsmühle<br />

Das ist aus einem Bittgesuch des Müllers Georg Paul Eberhardt 1722 an <strong>seine</strong>n<br />

Landesherren zu erfahren. In <strong>seine</strong>m Schreiben bezeichnete er sich zunächst als<br />

„armer Untertan <strong>und</strong> hiesiger Mahlmüller“. Er habe die Mühle mit allem Zubehör für<br />

4500 Gulden erb– <strong>und</strong> eigentümlich gekauft <strong>und</strong> auch bisher 2000 Gulden angezahlt.<br />

Nun bat er den Herzog, da ihm <strong>seine</strong> Beamten dies abgelehnt, dass man ihm die<br />

nächsten fälligen Zahlungen st<strong>und</strong>en möge. Als Gr<strong>und</strong> führte er den dringend<br />

notwendigen Mühlwehrbau an. Mit dem Kauf der Mühle vom Weimarer Fürstenhaus<br />

war der Müller nun auch Eigentümer des Mühlgrabens, <strong>seine</strong>r Wehre <strong>und</strong> Schleusen<br />

<strong>und</strong> musste sie erhalten. Die hohen Kosten dafür hatten ihn in finanzielle<br />

Schwierigkeiten getrieben. Noch mehr aber bedrückte ihn eine andere Situation. Wie<br />

er schrieb, hatte er seit Wochen vier Soldaten zur Execution (Zwangseinquartierung)<br />

erhalten. Täglich müsse er ihnen für 16 Groschen Speise <strong>und</strong> Trank reichen.<br />

Manchmal verlangten sie auch mehr. Tag <strong>und</strong> Nacht hielten sie sich in <strong>seine</strong>n Stuben<br />

auf, suchten Streit mit dem Gesinde <strong>und</strong> wollten mit den Frauen anbandeln. Er selbst<br />

habe mit <strong>seine</strong>r Familie <strong>und</strong> dem Gesinde, insgesamt sieben Personen <strong>und</strong> fünf<br />

unmündigen Kindern, kaum Platz <strong>und</strong> ausreichend Essen. Er bat, dass ihm die „sehr<br />

beschwerliche <strong>und</strong> geldfressende Execution abgenommen werde“. Gleichzeitig<br />

versprach er, dass er dann auch <strong>seine</strong> Schulden bezahlen könne.<br />

Interessante Angaben mit technischen Details über die <strong>Mühlen</strong> im Ilmtal enthält ein<br />

Verzeichnis von 1740. Es befanden sich damals in Tannroda zwei <strong>Mühlen</strong>, die<br />

Ober- <strong>und</strong> die Untermühle. Beide besaßen zwei Mahlgänge für Getreide, die<br />

Obermühle noch einen Mahlgang für Öl. In Hetschburg befand sich eine Mühle mit<br />

zwei Gängen für Getreide <strong>und</strong> einer für Öl. In Buchfart eine Mühle mit drei<br />

Getreidegängen. Für <strong>Berka</strong> wurden angegeben: eine Mühle mit vier Getreidegängen<br />

<strong>und</strong> einem Ölgang sowie eine Schneidemühle.<br />

Wie lange die Eberhardts <strong>Mühlen</strong>besitzer in <strong>Berka</strong> waren, ist nicht überliefert. 1752<br />

scheint jedoch wieder ein Besitzerwechsel vor sich gegangen zu sein. Erstmalig<br />

wurde in den Ratsrechnungen ein Müller Gruber erwähnt. 1757 erschien Johann<br />

Sebastian Gruber als Besitzer der Sägemühle <strong>und</strong> 1772 der gleiche als Besitzer der<br />

Säge- wie auch der Mahlmühle. Anscheinend konnten Grubers ihren Besitz<br />

erweitern. 1782 betrieb Nicolaus Gruber, vermutlich ein Sohn, die Untermühle sowie<br />

die Sägemühle <strong>und</strong> eine daneben neu erbaute Mahlmühle, die spätere Obermühle.


Die Oschatz-Dynastie<br />

1802 heiratete die einzige Tochter des Müllermeisters Nicolaus Gruber, Sophia<br />

Elisabetha Friederika, den Müller August Heinrich Oschatz, genannt Just, aus Tiefurt.<br />

Durch den plötzlichen Tod Meister Grubers im gleichen Jahr wurden Just Oschatz<br />

<strong>und</strong> <strong>seine</strong> Frau, Besitzer der <strong>Berka</strong>er <strong>Mühlen</strong>. Eine wirtschaftlich schwere Lage<br />

begann in dieser Zeit für das Land, unsere Stadt <strong>und</strong> somit auch für die <strong>Mühlen</strong>. Der<br />

Krieg, mit dem Napoleon ganz Europa überzog, brachte Teuerung, Not <strong>und</strong> Elend<br />

für <strong>seine</strong> Bewohner. Besonders die <strong>Mühlen</strong> waren betroffen. Dort vermutete man<br />

Wohlstand <strong>und</strong> Reichtum. Bei Ausschreibungen von Kriegssteuern wurden sie mit<br />

den höchsten Beträgen veranschlagt, ebenso bei Getreide- <strong>und</strong> Futterlieferungen,<br />

Vorspannung für Kriegsfuhren <strong>und</strong> bei den dauernden Einquartierungen von<br />

Soldaten. Kam es zu Plünderungen oder anderen Ausschreitungen, waren die Müller<br />

oft die ersten Opfer. So erzählte man sich in der Familie Oschatz, dass die<br />

Müllersfrau, die Gattin von Just Oschatz, ihr Kind in einem Stall oder Scheune zur<br />

Welt bringen musste. Ihr gesamter Wohnraum war von französischen Soldaten<br />

belegt, Nahrungsmittel <strong>und</strong> persönlicher Besitz entzogen. Sie <strong>und</strong> ihr Kind starben<br />

wenige Tage später. August Heinrich (Just) Oschatz folgte <strong>seine</strong>r Frau ein Jahr<br />

später, 1814, mit 37 Jahren in den Tod - aus Gram <strong>und</strong> auf Gr<strong>und</strong> von Nervenfieber.<br />

Zurück blieben zwei unmündige Kinder, der 1811 geborene August Christian<br />

Friedrich Oschatz <strong>und</strong> <strong>seine</strong> ältere Schwester Marie. Beide wurden von ihren<br />

Großeltern in der Mühle in Tiefurt aufgenommen <strong>und</strong> dort erzogen.<br />

Welche <strong>Mühlen</strong> nachfolgend in <strong>Berka</strong> in Betrieb waren, ist nicht eindeutig bekannt.<br />

Noch im Besitz der beiden Erben, August <strong>und</strong> Marie Oschatz, waren sie vermutlich<br />

an fremde Müller verpachtet. So lesen wir in städtischen Akten 1814 <strong>und</strong> 1816 von<br />

einem Pachtmüller Neumann, 1820 <strong>und</strong> 1822 vom Pachtmüller Helbig. Die <strong>Mühlen</strong><br />

selbst wurden aber immer wieder als Oschatz’sche <strong>Mühlen</strong> bezeichnet.<br />

1830 wurde die an der Untermühle befindliche Lohmühle, ein <strong>Mühlen</strong>werk zum<br />

Zerkleinern von Eichenrinde für die Gerber, durch Hochwasser völlig zerstört. Man<br />

konnte sie erst Jahre später wieder aufbauen.<br />

1833 erwarb der junge Müllermeister August Oschatz das Bürgerrecht in <strong>Berka</strong> <strong>und</strong><br />

übernahm <strong>seine</strong>n <strong>und</strong> <strong>seine</strong>r Schwester Besitz. Mit viel Tatendrang <strong>und</strong><br />

Unternehmergeist ging er ans Werk. Zunächst erfolgten umfangreiche<br />

Gr<strong>und</strong>stückserwerbungen aus städtischem <strong>und</strong> privatem Besitz zur Erweiterung<br />

<strong>seine</strong>r <strong>Mühlen</strong>. Ab1838 erschien er als alleiniger Besitzer. Vermutlich durch <strong>seine</strong><br />

Heirat mit der Müllerstochter Ernestine Hage aus Mellingen finanziell gut gestellt,<br />

wurden nun Schleusen <strong>und</strong> Wehre erneuert, der Schleusengraben in den heutigen<br />

Formen ausgebaut <strong>und</strong> die Sägemühle neu errichtet. Ein höherer Wasserstand<br />

sorgte nun für mehr Wasserkraft für die Mühlräder. Die <strong>Mühlen</strong> wurden<br />

leistungsfähiger. Es führte aber auch zu Streit <strong>und</strong> Auseinandersetzungen mit den<br />

Anliegern des Mühlgrabens <strong>und</strong> der Stadt <strong>und</strong> selbst zu mehreren Prozessen. So<br />

machte die Stadt Oschatz verantwortlich für Hochwasser im Bereich des<br />

Mühlgrabens <strong>und</strong> der Mühllache, das nun durch <strong>seine</strong> baulichen Veränderungen<br />

angeblich öfter auftrat. Ein regelrechter Brückenstreit entbrannte. Oschatz sperrte<br />

den uralten Übergang über den Mühlgraben für die Bürger, auch für die auf der<br />

Ilminsel Wohnenden. Er war der Meinung, ihm gehöre der Mühlgraben <strong>und</strong> damit<br />

auch die Brücke. Ebenso untersagte er das Betreten <strong>seine</strong>s Gr<strong>und</strong>stückes zum<br />

Wasserschöpfen oder zum Wässern der Felle durch den Gerber. Die Stadt dagegen<br />

verweigerte ihm die Genehmigung zur Vergrößerung <strong>seine</strong>r Mahlmühle. Oschatz<br />

konterte <strong>und</strong> stellte nun <strong>seine</strong>rseits keine Pferde mehr zum Fahren der Spritze bei<br />

Feueralarm in benachbarte Orte zur Verfügung. Er begründete es damit, dass <strong>seine</strong><br />

Pferde dabei „zu Schande getrieben“ würden. Er habe schon eines verloren. Die


Aufzählungen der Auseinandersetzungen <strong>und</strong> Prozesse lassen sich weiter<br />

fortsetzen. Immer wieder mussten besonders bau- <strong>und</strong> wasserrechtliche Streitfälle<br />

geklärt werden.<br />

1856 hatte Oschatz in <strong>seine</strong>m Besitz: die Obermühle mit 4 Wasserrädern. Sie<br />

dienten zum Treiben der Mahlmühle mit 4 Mahlgängen <strong>und</strong> einer<br />

Reinigungsmaschine sowie der daneben liegenden Sägemühle. Weiterhin die<br />

Untermühle mit 3 Wasserrädern, die wiederum die Mahlmühle mit 4 amerikanischen<br />

Mahlgängen <strong>und</strong> 2 Reinigungsmaschinen, die Ölmühle <strong>und</strong> eine Lohmühle<br />

antrieben.. Oschatz gehörten außerdem umfangreiche Ländereien in <strong>Berka</strong>s Fluren,<br />

Stallungen im Bereich der heutigen Bleichstraße <strong>und</strong> an der Untermühle <strong>und</strong> der<br />

gesamte Mühlgraben mit Wehren <strong>und</strong> Schleusen. Mit zielstrebiger Arbeit <strong>seine</strong>r<br />

großen Familie, Glück bei <strong>seine</strong>n wirtschaftlichen Unternehmungen, aber auch Härte<br />

<strong>und</strong> Strenge gegenüber <strong>seine</strong>n Untergebenen, gelangte Oschatz zu Wohlstand. Laut<br />

Steuerkataster war er in dieser Zeit der wohlhabendste Bürger in <strong>Berka</strong>.<br />

Besitzteilung – ein geniales Bauwerk entsteht<br />

1869 erschienen zwei der neun Oschatz-Kinder als Pächter der <strong>Mühlen</strong>. Constantin<br />

betrieb die Obermühle, sein Bruder Carl August die Untermühle. Schon 1875<br />

bezeichneten sich beide als Besitzer. Der Mühlgraben <strong>und</strong> die Mühllache mit Wehren<br />

<strong>und</strong> Schleusen von der Ableitung an der Ilm bis zur Untermühle blieben<br />

gemeinschaftliches Eigentum. Wie der Vater, so versuchten auch die Söhne ihren<br />

Besitz zu mehren. Der Obermüller Constantin Oschatz nahm sich der Idee des<br />

Gutsbesitzers Heubel von München an, eine Sägemühle, das heutige Martinswerk an<br />

der Straße nach München zu errichten. Nach dem Landerwerb begann er 1874 mit<br />

dem Bau. Auf Gr<strong>und</strong> von Beschwerden von Anliegern, die durch den Stau der Ilm<br />

Hochwasser befürchteten, erhielt er zunächst von den Behörden keine<br />

Genehmigung. Erst 1879, nach Beseitigung der Mängel am Wehr, konnte er mit der<br />

Produktion beginnen. Ausgestattet war der Betrieb mit einem Sägegatter sowie einer<br />

Bandsäge <strong>und</strong> Fräsmaschine für die Leistenproduktion.<br />

Im gleichen Jahr begannen die beiden Brüder ein gemeinsames Bauwerk an ihrem<br />

<strong>Mühlen</strong>standort in <strong>Berka</strong>. Sie stellten beim Direktor des I. Verwaltungsbezirkes<br />

Weimar den Antrag zur „Genehmigung eines Projektes zur Zusammenlegung der<br />

Gefälle ihrer <strong>Mühlen</strong>“. Der Gr<strong>und</strong>gedanke war eine Leistungssteigerung der<br />

<strong>Mühlen</strong>werke. Erreichen wollten sie das durch die Anschaffung leistungsfähiger<br />

oberschlächtiger Wasserräder gegenüber den bisherigen unterschlächtigen. Dazu<br />

mussten sie aber die Wasserläufe erhöhen. Weiterhin war es notwendig, oberhalb<br />

der Obermühle ein <strong>Teil</strong>ungsgrieswerk, bestehend aus zwei Gerinnen <strong>und</strong> Schleusen<br />

zum Steuern des Wassers zu errichten. Über eines dieser Gerinne sollte das Wasser<br />

zum oberschlächtigen Wasserrad der Obermühle geführt werden. Nach <strong>seine</strong>m<br />

Absturz war geplant, das Wasser durch einen 96m langen Viadukt zur Untermühle<br />

fließen zu lassen. Das zweite Gerinne sollte nun in einem offenen Kanal auf dem<br />

Viadukt zur Untermühle geführt werden, um dort die oberschlächtigen Wasserräder<br />

in Bewegung zu setzen. Nach der Vereinigung beider Wasser sollte es zur Ilm<br />

fließen. Trotz Einsprüchen einiger Anlieger erhielten die Bauherren die Genehmigung<br />

<strong>und</strong> begannen 1880 mit den Arbeiten. In kürzester Zeit mussten die beiden<br />

Steinhauer Otto Huschke <strong>und</strong> Louis Seyfarth nach einer Ausschreibung Sandsteine<br />

in bester Qualität aus ihren Brüchen an der Trebe liefern. Im März begannen die<br />

Maurermeister Börmel <strong>und</strong> Hetzer sowie Zimmermeister Linke mit der Errichtung des<br />

Bauwerkes, im August waren die Arbeiten beendet. Mit höherer Leistung konnten<br />

nun die Wasserräder ihre Arbeit aufnehmen.


Bau des Mühlgrabens an der Bleichstraße 1880<br />

So genial wie dieses Bauwerk ausgedacht war (in dieser Zeit einmalig in ganz<br />

Deutschland) so schlecht <strong>und</strong> rücksichtslos war es ausgeführt worden.<br />

Ausgenommen war nur der unterirdische Viadukt. Er dokumentierte eine<br />

hervorragende Arbeit der <strong>Berka</strong>er Handwerker <strong>und</strong> gab den Behörden keinen Anlass<br />

zur Kritik. Umso schlechter hatte man aber den darüber geführten offenen Kanal<br />

ausgeführt. Seine Sohle war zwar, wie gefordert, in Zementmörtel ausgeführt, die<br />

Seiten aber nur in die Erde eingeschnitten <strong>und</strong> mit einem aufgeschütteten Damm aus<br />

Bauschutt, Erde <strong>und</strong> Sand versehen. Zum Schutze des an der rechten Seite des<br />

Kanals befindlichen Hauses von Schuhmacher Friedrich Kanz (Bleichstr. 6) sowie<br />

am Garten des Fuhrmannes <strong>und</strong> Gastwirtes Christian Schenk (Bleichstr. 8 ) hatte<br />

man Planken aus Holz angebracht <strong>und</strong> mit Erde hinterfüllt. Da der Wasserspiegel<br />

des neuen oberen Kanals gegenüber des alten Mühlgrabens um 1 1/2 m höher lag,<br />

befanden sich nun die Gr<strong>und</strong>stücke tiefer <strong>und</strong> wurden durch die porösen Dämme<br />

unter Wasser gesetzt. In kürzester Zeit waren die aus Sandstein bestehenden<br />

Gr<strong>und</strong>mauern des Hauses feucht <strong>und</strong> der Garten der Schenks stand unter Wasser.<br />

Besonders hart hatte es den Gerber Bernhard König (Bleichstr. 9) getroffen. Seit<br />

Einrichtung <strong>seine</strong>r Gerberei vor 50 Jahren wurde das Wasser über eine Gosse in den<br />

unmittelbar vorbei fließenden alten Mühlgraben geleitet. Da nun der neue Graben<br />

höher lag als <strong>seine</strong> Werkstatt, war dies nicht mehr möglich. Darüber hinaus hatte<br />

ihm Carl August Oschatz untersagt, <strong>seine</strong> Felle weiterhin im Mühlgraben zu wässern.<br />

Auch mit den Grenzen nahmen es Oschatzens nicht so genau. <strong>Teil</strong>weise waren die<br />

Dämme auf privaten <strong>und</strong> städtischen Gr<strong>und</strong>stücken errichtet worden. Den Umbau<br />

der Krämerbrücke, zu dem sie vom Landbaumeister zur Gewährleistung des<br />

Durchflusses des Wassers durch die Erhöhung des Grabens verpflichtet worden<br />

waren, nahmen sie gar nicht erst in Angriff. Auch das in ihrem eigenen Interesse<br />

liegende <strong>Teil</strong>ungsgrieswerk war zunächst noch unvollständig <strong>und</strong> nicht fertig gestellt.<br />

Es kam zu Beschwerden der Anlieger. Die Stadt <strong>und</strong> die Landesbehörden mussten<br />

eingreifen, Gutachten <strong>und</strong> Gegengutachten wurden erstellt <strong>und</strong> alles endete in<br />

endlosen Prozessen. Nur langsam wurden Nachbesserungen <strong>und</strong><br />

Entschädigungszahlungen der Bauherren an die Betroffenen erzwungen. Das


Hauptübel, die Einfassung des oberen Kanals von der Obermühle zur Untermühle,<br />

wussten beide über Jahre zu verzögern. Erst nach erneuten Prozessen mussten sie<br />

endlich handeln. 1896 erfolgte die Einfassung des Mühlgrabens mit Betonmauerwerk<br />

an <strong>seine</strong>r rechten <strong>und</strong> 1900 an der linken Seite.<br />

Inzwischen aber waren die beiden Brüder selbst heillos zerstritten <strong>und</strong> verfeindet.<br />

Man verkehrte nur noch über Anwälte miteinander. Der Hauptgr<strong>und</strong> war die<br />

gemeinsame Unterhaltspflicht für Mühlgraben, Mühllache sowie Schleusen, Wehre<br />

<strong>und</strong> Brücken, insbesondere der Krämerbrücke. Bei notwendigen Reparaturen oder<br />

Arbeiten konnten sie sich meistens nicht einigen. Es kam zu Streit, keiner der beiden<br />

gab nach. Gerichte <strong>und</strong> Anwälte mussten die Fälle kostenaufwendig schlichten. Die<br />

Brüder versuchten sogar, sich zu schaden. So erzählte man sich in der Familie, der<br />

Untermüller habe das im Jahr 1899 errichtete Sägewerk Linke in <strong>Berka</strong> finanziert, um<br />

<strong>seine</strong>m Bruder, dem Obermüller, ein Konkurrenzunternehmen zu schaffen.<br />

Andererseits hatte der Obermüller die heutige Bleichstraße gesperrt, damit sein<br />

Bruder, der Untermüller, Umwege fahren musste, um in sein Gr<strong>und</strong>stück zu<br />

gelangen. Auch der endgültigen Fertigstellung des <strong>Teil</strong>ungsgrieswerkes an der<br />

Obermühle 1904 war erst ein kostspieliger <strong>und</strong> langwieriger Prozess voraus<br />

gegangen, ebenso dem Bau der Krämerbrücke. Die Arbeiten waren eine<br />

Zwangsmaßnahme <strong>und</strong> standen unter der Leitung des unabhängigen Bauinspektors<br />

Gang in Weimar.<br />

Trotzdem hatten sich beide <strong>Mühlen</strong>unternehmen zu leistungsstarken Betrieben, auch<br />

über unsere Region hinaus, entwickelt. Die Untermühle war ausgestattet mit einer<br />

Korn- <strong>und</strong> einer Weizenmühle. Diese besaßen jede zwei moderne französische<br />

Mahlgänge, zwei Walzenstühle <strong>und</strong> eine Reinigungsmaschine. Weiterhin waren<br />

vorhanden: eine Griesputzerei, Kreissäge <strong>und</strong> Holzhackmaschine. Zum Besitz<br />

gehörten ferner eine umfangreiche Landwirtschaft mit Wiesen <strong>und</strong> Feldern sowie 3-4<br />

schwere Pferdegespanne. Carl August Oschatz betrieb einen schwunghaften<br />

Getreide- <strong>und</strong> Getreideprodukthandel. Er kaufte in der Umgebung <strong>und</strong> in entfernten<br />

Regionen Getreide auf, verarbeitete es in <strong>Berka</strong> <strong>und</strong> brachte die Produkte mit<br />

eigenen Fuhrwerken nach Erfurt, Gotha, Jena <strong>und</strong> anderen Orten zum Verkauf. Auch<br />

in <strong>seine</strong>r Mühle befand sich eine Mehlhandlung für die Bewohner. Um dem ständig in<br />

den Sommermonaten auftretenden Wassermangel in der Ilm entgegen zu wirken,<br />

schaffte er 1892 eine Dampfmaschine an. Carl August Oschatz bezeichnete <strong>seine</strong><br />

Mühle nun als „Kunstmühle mit Wasser <strong>und</strong> Dampfkraft“.<br />

Auch der Obermüller Constantin Oschatz hatte umfangreich investiert <strong>und</strong> <strong>seine</strong>n<br />

Besitz gemehrt. Am Standort Obermühle befand sich ebenfalls eine Mahlmühle. In ihr<br />

arbeiteten drei deutsche <strong>und</strong> ein französischer Mahlgang sowie eine<br />

Reinigungsmaschine <strong>und</strong> eine Quetschwalze. In der Schneidemühle befanden sich<br />

drei Vertikalgatter, eine Kreissäge sowie eine Dreh- <strong>und</strong> Bohrbank. Als dritte Mühle<br />

war eine Massemühle eingerichtet worden. In ihr wurde mit 56 Läufern <strong>und</strong> 4<br />

Schleppern Porzellanmasse gemahlen. Den Betrieb stellte man allerdings1899<br />

wieder ein. Zum weiteren Besitz zählte die Holzpappenfabrik Martinswerk, die<br />

Mahlmühle in Hetschburg (sie wurde 1903 wieder verkauft) sowie das<br />

Mehrfamilienhaus in der Kirchstraße, heute Nr. 4. Constantin Oschatz besaß wie<br />

sein Bruder eine große Landwirtschaft mit Hof <strong>und</strong> Ställen an der heutigen<br />

Bleichstraße, dazu zahlreiche Pferdegespanne zum Transport <strong>seine</strong>r Holzprodukte,<br />

vorwiegend in den Raum Erfurt. Er befasste sich mehr mit <strong>seine</strong>m Sägewerk <strong>und</strong><br />

dem Holzhandel sowie mit der Holzpappenfabrik. Seine Mahlmühle hatte er an den<br />

Müller Karl Seyfarth verpachtet.<br />

Über die 35jährige Tätigkeit der beiden Brüder in ihren <strong>Mühlen</strong> zeugen umfangreiche<br />

Akten <strong>und</strong> Dokumente, besonders zu Streitigkeiten <strong>und</strong> Prozessen, die beide bis an


ihr Lebensende miteinander führten. Sogar die Belegschaft der beiden <strong>Mühlen</strong> war<br />

einbezogen. Mehrfach eskalierten die Auseinandersetzungen zu Tätlichkeiten.<br />

Hatten sie allerdings Streit mit der Stadt oder den Anliegern des Mühlgrabens,<br />

konnten beide sogar einig sein. So führten sie einen jahrelangen Kampf um die<br />

Erhöhung des Wasserstandes in der Mühllache, der mehrfach schon illegal<br />

ausgeführt, aber immer wieder von der Stadt <strong>und</strong> den Behörden aus<br />

Sicherheitsgründen für die Anwohner abgelehnt <strong>und</strong> unterb<strong>und</strong>en wurde.<br />

Bei alle Streit bewiesen beide Brüder dennoch immer wieder ein Herz für ihren<br />

Heimatort. Constantin Oschatz wirkte viele Jahre auf dem Gebiet des<br />

Feuerlöschwesens. Er war Bezirkslöschinspektor <strong>und</strong> verantwortlich für den Bezirk<br />

<strong>Berka</strong> <strong>und</strong> Umgebung. Carl August Oschatz war viele Jahre Vorsitzender des<br />

Verschönerungsvereines <strong>Berka</strong>. In <strong>seine</strong> Zeit fällt die Errichtung des Paulinenturmes.<br />

Soweit uns dies die vorhandenen Akten überliefern, hatte er als Organisator die<br />

größten Lasten <strong>und</strong> Schwierigkeiten beim Bau des Turmes zu tragen. Darüber<br />

hinaus übernahm er mit <strong>seine</strong>n Gespannen den kostenlosen Transport des<br />

Baumaterials zum Turm.<br />

Generations - <strong>und</strong> Besitzerwechsel in den <strong>Mühlen</strong><br />

1906 übernahm Anton Oschatz von <strong>seine</strong>m Vater Carl August die Untermühle. Er<br />

führte umfangreiche Investitionen durch. 1910 fanden Umbauten statt, ein neues<br />

Turbinenhaus wurde errichtet <strong>und</strong> anstatt der alten Wasserräder eine Francisturbine<br />

angeschafft. Es folgte eine Stromerzeugungsanlage <strong>und</strong> die Ausstattung des<br />

gesamten Betriebes mit einer elektrischen Lichtanlage. Ob er sich finanziell<br />

übernommen hatte, ist nicht bekannt. 1916 musste Anton Oschatz aber Konkurs<br />

anmelden. <strong>Mühlen</strong>verwalter Friedrich Dieckhoff versteigerte das Objekt <strong>und</strong> schon<br />

1918 erscheint der Kaufmann Emil Nitze aus Berlin als neuer Besitzer der<br />

Untermühle.<br />

Kunst- Mühle von Emil Nitze um 1923<br />

Auch in der Obermühle bahnte sich ein Generationswechsel an. Fritz Oschatz, Sohn<br />

von Constantin Oschatz, übernahm durch die Krankheit <strong>seine</strong>s Vaters die Leitung der<br />

Obermühle. Er modernisierte <strong>und</strong> investierte ebenfalls. Es wurde eine<br />

Dampfmaschine angeschafft. Ihr folgten eine Turbine <strong>und</strong> ein Generator zur<br />

Stromerzeugung. Auch die Obermühle erhielt elektrische Beleuchtung. Im Sägewerk<br />

liefen neben einem Vertikalgatter zwei neue Horizontalgatter. 1910, nach dem Tode<br />

des Vaters, wurde Fritz Oschatz Eigentümer der Obermühle.


Auch in den 1920er <strong>und</strong> 30er Jahren herrschte kein Frieden am <strong>Mühlen</strong>gewässer.<br />

Bedingt durch die unterlassenen Entschlammungen des Mühlgrabens kam es immer<br />

wieder zu Hochwasser in diesem Gebiet. Besonders die Besitzer von Flurstücken am<br />

Liebfrauenweg setzten sich energisch zur Wehr <strong>und</strong> verklagten die beiden<br />

<strong>Mühlen</strong>besitzer. Fleischermeister Karl König, der Gr<strong>und</strong>stücke am Mühlgraben <strong>und</strong><br />

Klein-Venedig besaß, führte einen langjährigen Prozess wegen der Zerstörung<br />

<strong>seine</strong>r Ufermauer <strong>und</strong> anderer Wasserschäden.<br />

Untereinander führten die beiden <strong>Mühlen</strong>besitzer ebenfalls einen langwierigen<br />

Kleinkrieg. So verlangte Emil Nitze von Fritz Oschatz die Stilllegung eines kleinen<br />

Springbrunnens mit einem Spielzeug-Wasserrad für <strong>seine</strong> Kinder im Mühlgarten. Zur<br />

Begründung gab er an, das Wasser würde aus dem Mühlgraben entnommen, der zu<br />

<strong>seine</strong>r Mühle führe <strong>und</strong> laut Wasserrecht von 1854 ihm gehöre. Fritz Oschatz konnte<br />

ihm aber beweisen, dass die kleine Anlage schon vor dieser Zeit von <strong>seine</strong>m<br />

Großvater angelegt worden sei <strong>und</strong> somit Bestandsschutz habe. Auch die alte Furt<br />

im Gewässer der alten Mühllache, nun als Klein-Venedig bezeichnet, führte zu Streit<br />

zwischen beiden. Vor Jahrh<strong>und</strong>erten ging hier der Weg durch die Lache nach der<br />

alten Kuhsteigbrücke in Richtung Blankenhain. Nach dem Bau der Blankenhainer<br />

Straße nach dem großen Stadtbrand von <strong>Berka</strong> 1816 diente die Furt nicht mehr zur<br />

Durchfahrt, sondern von beiden Seiten zum Eintreiben der Pferde, zum Waschen<br />

<strong>und</strong> Tränken. Nitze behauptete nun, die Furt verändere den Wasserlauf <strong>und</strong> er<br />

erhalte dadurch weniger Wasser in sein Gerinne. Seine Forderung führte allerdings<br />

zu erheblichen Protesten der <strong>Berka</strong>er Pferdebesitzer. Sie nutzten alle, genau wie<br />

Oschatz mit <strong>seine</strong>n Mühlpferden, die Pferdeschwämme. Beide konnten sich 1924 mit<br />

einer gleichmäßigen Verteilung des Triebwassers einigen. Die alte Furt wurde<br />

allerdings später aus Sicherheitsgründen mit der Errichtung von Mauern<br />

geschlossen.<br />

Transport eines Baumstammes zum Gatter im Sägewerk Oschatz 1930<br />

Der Obermühlenbesitzer Fritz Oschatz widmete sich immer mehr dem Handel mit<br />

Schnittholz. Seine Spezialität waren Laubhölzer, besonders Eiche in allen<br />

Dimensionen. Hinzu kamen in den 1930er Jahren die Herstellung <strong>und</strong> der Verkauf<br />

von Holzwolle. Seine Mahlmühle hatte er an den Bruder, Müllermeister Paul Oschatz<br />

<strong>und</strong> von 1938 bis zum Kriegsausbruch an den Müller Josef Schneider verpachtet.


1940 wurde sie einschließlich der Nebengebäude von Fritz Oschatz <strong>und</strong> <strong>seine</strong>m<br />

Sohn Hans, der als Mitbesitzer erscheint, an Walter Nitze verkauft. Dieser erwarb sie<br />

sicher aus wirtschaftlichen Gründen. Das Mühlrad drehte sich aber nur noch kurze<br />

Zeit zur Stromerzeugung <strong>und</strong> zum zeitweiligen Schroten von Getreide. Noch<br />

während des Krieges begann Nitze in der alten Mühle Wohnungen einzurichten.<br />

Die Untermühle hatten Emil Nitze <strong>und</strong> <strong>seine</strong> beiden Söhne Helmut <strong>und</strong> Walter<br />

indessen zu einer modernen <strong>und</strong> leistungsfähigen Mühle umfunktioniert. Zunächst<br />

erfolgte 1919/20 der Ausbau des Dampfkraftwerkes, nachfolgend die Anschaffung<br />

von zwei LKW zum Abtransport der Getreideprodukte <strong>und</strong> 1932 der Einbau einer<br />

neuen Francis-Wasserturbine. Ihnen folgten die Erweiterung des Turbinenhauses<br />

<strong>und</strong> die Anschaffung eines Einzylinder-Dieselmotors von 60 PS, eines Elektromotors<br />

mit 30 KW sowie von zwei Gleichstromaggregaten von 110 V zur Energiegewinnung.<br />

Gleichzeitig wurden dabei die beiden Nachbarhäuser der Familien Kaufmann <strong>und</strong><br />

das Haus der Familie Langenberg mit Elektroenergie versorgt, in den nachfolgenden<br />

Jahren über eine Freileitung auch die Heizung der Kirche. Die Erzeugung von<br />

Energie mit Dampfkraft wurde aufgegeben. 1932 erfolgte der Bau eines Silos.<br />

Wurden in den vergangenen Jahren täglich 5t Getreide vermahlen, konnte man nun<br />

mit Motor- <strong>und</strong> Wasserkraft 12t erreichen. Die Einrichtung der Mühle ist in dieser Zeit<br />

mit drei einfachen <strong>und</strong> drei Doppelwalzenstühlen, einem Mahlgang zur<br />

Mehlherstellung <strong>und</strong> einem Schrotgang von je 120m Durchmesser <strong>und</strong> einem<br />

Schrotstuhl angegeben. Seit dieser Zeit erscheint der Kaufmann <strong>und</strong> Müllermeister<br />

Walter Nitze als alleiniger Besitzer der Kunstmühle Emil Nitze. Obwohl <strong>seine</strong> Mühle<br />

nun nicht mehr abhängig von einer ausreichenden Wasserzuführung der Ilm war,<br />

bemühte sich Walter Nitze ständig um die Nutzung der Wasserkraft <strong>und</strong> deren<br />

Erhöhung. Aus diesem Gr<strong>und</strong>e installierte er auf dem von ihm in Kranichfeld<br />

erworbenen Gr<strong>und</strong>stück eine Pumpe zur Förderung des Wassers vom<br />

„Stubenbrunnen“ zur Ilm. So konnte nun das Wasser verlustloser zur Ilm gebracht<br />

werden. Das Gr<strong>und</strong>stück war einst im Besitz der beiden Brüder Oschatz. Sie hatten<br />

es unter Protest der Kranichfelder 1890 zur Sicherung der Wasserzufuhr zur Ilm<br />

erworben. Zu Beginn des II. Weltkrieges erfolgte der Einzug der beiden<br />

Lastkraftwagen zum Kriegsdienst. Dafür erhielt die Mühle zwei Pferde. 1944 wurden<br />

zwei neue Walzenstühle eingebaut.<br />

Die Kunstmühle Emil Nitze wird enteignet<br />

In den schweren Nachkriegsjahren waren die <strong>Mühlen</strong> wichtige Einrichtungen zur<br />

Versorgung der Menschen, auch die Kunstmühle Emil Nitze in <strong>Bad</strong> <strong>Berka</strong>. Hier war<br />

nicht nur das ablieferungspflichtige Getreide der Landwirte anzuliefern. Auch für den<br />

Eigenbedarf der Bürger wurde Getreide angenommen <strong>und</strong> gegen Mehl eingetauscht.<br />

Das geschah allerdings nur gegen Vorweisen von Mahlscheinen, die von den<br />

Behörden ausgestellt wurden. Auch über Kleinstmengen, erworben durch mühsames<br />

„Ährenlesen“, musste ein Nachweis erbracht werden. Besonders nach der Ernte bis<br />

weit in den Winter hinein war oft Hochbetrieb an der Pfarrgasse. Pferde,- Kuh- <strong>und</strong><br />

Ochsengespanne beladen mit Getreidesäcken reihten sich aneinander. Dazwischen<br />

drängten sich Bürger mit Handwagen, Tragkörben <strong>und</strong> anderen Behältnissen, um<br />

ihre wenigen Pf<strong>und</strong>e Getreide zur Nahrungsaufbesserung in Mehl umzutauschen.<br />

Auch die Mühle hatte in dieser Zeit große Schwierigkeiten zur Aufrechterhaltung ihrer<br />

Tätigkeit. Wegen Mangel an Kraftstoff konnte der Dieselmotor oft nicht eingesetzt<br />

werden. Hatte man auch noch Wassermangel (was oft vorkam), war man auf Energie<br />

aus dem Netz angewiesen. Da diese ebenfalls nur beschränkt zur Verfügung stand,<br />

kam es oft zum Stillstand.


1948 erfolgte die Verhaftung des <strong>Mühlen</strong>-Besitzers Walter Nitze durch die staatlichen<br />

Organe. Man warf ihm vor, Getreide ohne Mahlscheine gemahlen <strong>und</strong> verteuert<br />

weiter verkauft zu haben. Er war an Schwarzhändler geraten, die Getreide von<br />

sowjetischen Offizieren bezogen <strong>und</strong> es in <strong>seine</strong>r Mühle mahlen ließen. Obwohl er<br />

den Behörden <strong>seine</strong>n Verdacht äußerte, wurde er angewiesen, diese Leute<br />

bevorzugt zu behandeln, da sie in Verbindung mit der Besatzungsmacht ständen. Er<br />

konnte aber nicht ahnen, dass er es bei dem Beamten mit einem Mittäter zu tun<br />

hatte. Als man später die Täter verhaftete, geriet Walter Nitze mit in den Kreis der<br />

Verdächtigen. Um sich selbst zu retten, wurde Nitze schwer verleumdet. Die<br />

Behörden nutzten die Situation zur Enteignung der Mühle <strong>und</strong> <strong>seine</strong>s gesamten<br />

Vermögens. Andere Gründe hatten gegen Nitze nicht vorgelegen. Er war weder<br />

Mitglied der NSDAP noch einer ihrer Organisationen gewesen. Im Gegenteil - bei ihm<br />

eingesetzte ausländische Zwangsarbeiter sowie für Bauarbeiten kurzzeitig<br />

abkommandierte Buchenwaldhäftlinge behandelte er menschlich <strong>und</strong> versorgte sie<br />

heimlich. Ein befre<strong>und</strong>etes jüdisches Ehepaar wurde während des Krieges auf einem<br />

auswärtigen Besitz untergebracht <strong>und</strong> dort längere Zeit versteckt. Auch<br />

Leum<strong>und</strong>szeugnisse, ausgestellt von der Belegschaft der Mühle, der Orts-<br />

Gewerkschaftsleitung, des Orts-Antifa-Blockes <strong>und</strong> der evangelischen<br />

Kirchgemeinde, konnte die Gerichte nicht umstimmen. Selbst der Bürgermeister der<br />

Stadt <strong>Bad</strong> <strong>Berka</strong> hatte ihm ein korrektes Verhalten bescheinigt <strong>und</strong> erwähnt, dass<br />

Walter Nitze mit Mehlspenden dafür sorgte, dass alle Schulkinder in der Pause ein<br />

Roggen-, später sogar ein Weizenbrötchen kostenlos erhielten. Bekannt ist auch,<br />

dass Nitze beim Kleinstumtausch von Getreide der Bürger, bei nicht vorhandenen<br />

Genehmigungen großzügig handelte.<br />

Während der Haft schwer misshandelt, musste er sich 1949 in eine Klinik begeben.<br />

Zur Verwaltung der Mühle wurde ein Treuhänder von staatlichen Stellen eingesetzt.<br />

Vor einer weiteren Verhaftung konnte er sich nur durch die Flucht retten.1952 wurde<br />

Walter Nitze enteignet.<br />

Am 18. Juli 1952 wurde die Untermühle in Volkseigentum überführt. Betriebsleiter<br />

war fortan der Müllermeister <strong>und</strong> <strong>Mühlen</strong>baumeister Karaus.<br />

Schärfen der Mahlsteine in der Untermühle 1955


Durch Rationalisierungsmaßnahmen wurde die ehemalige Belegschaft von 16<br />

Angestellten auf 10 gesenkt 1963 erfolgte der Einbau von zwei neuen<br />

Doppelwalzenstühlen sowie eines neuen modernen Plansichters. Auch der Bau einer<br />

Schüttgosse für angeliefertes Getreide <strong>und</strong> die Ausfuhr des Mehles mit Tankwagen<br />

trug zur Erhöhung der Arbeitsproduktivität bei. Nach der Errichtung einer Trafostation<br />

1964 gab man die Nutzung der Wasserkraft auf. Stadtverordnete <strong>und</strong> Stadträte<br />

beschlossen anschließend die Verfüllung des Mühlgrabens an der Bleichstraße<br />

Ausgeführt wurden diese Arbeiten im Rahmen des Nationalen Aufbauwerkes durch<br />

Betriebe <strong>und</strong> zahlreiche Bürger. 1970 gliederte man die Mühle in das<br />

<strong>Mühlen</strong>kombinat <strong>Bad</strong> Langensalza ein. Aus „volkswirtschaftlichen Gründen“ wurde<br />

sie am 18. Juli 1977 stillgelegt.<br />

Am Standort der Obermühle drehte sich in den Nachkriegsjahren kein Wasserrad<br />

mehr. Während die Mahlmühle zu Wohnzwecken genutzt wurde, erfolgte im<br />

Sägewerk die Energieerzeugung mit einer Turbine von 38 PS <strong>und</strong> durch Dampfkraft.<br />

Gearbeitet wurde in zwei Schichten. 18 Beschäftigte erzeugten Schnittholz <strong>und</strong><br />

Holzwolle. Alleiniger Besitzer war Fritz Oschatz. Da sein Sohn Hans im Krieg<br />

geblieben war, übernahm Schwiegersohn Günter Frühauf immer mehr die Leitung<br />

des Unternehmens. 1956 ging der Betrieb in Konkurs. Neuer Eigentümer wurde<br />

Helmut Gleitz. Ausgelöst durch Blitzschlag in den Mittagsst<strong>und</strong>en des 15. Juli 1958<br />

kam es in den Morgenst<strong>und</strong>en des nachfolgenden Tages zu einem schweren Brand<br />

im Sägewerk. Das Großfeuer vernichtete in kurzer Zeit den gesamten Betrieb.<br />

Das Martinswerk<br />

Fortsetzungsreihe über Entstehung, Entwicklung <strong>und</strong> das Schicksal der <strong>Bad</strong> <strong>Berka</strong>er<br />

<strong>Mühlen</strong> – ein Stück Handwerks- <strong>und</strong> Industriegeschichte inmitten unserer Stadt:<br />

Obwohl dieser Betrieb außerhalb <strong>Bad</strong> <strong>Berka</strong>s in Richtung Tannroda liegt, hat auch er<br />

Verbindung zur <strong>Mühlen</strong>geschichte unserer Stadt. Wie schon berichtet, eröffnete der<br />

Obermühlenbesitzer Constantin Oschatz 1874/75 dort ein Sägewerk mit einer<br />

Leistenfabrik. Für den Antrieb mit Wasserkraft baute er Mühlgraben, Wehr <strong>und</strong><br />

Schleuse. Sein neues Werk entstand an der Stelle, in deren Bereich es schon einmal<br />

eine Mühle gegeben haben soll. Es war die Mühle des hier im Ilmtal gelegenen<br />

Dorfes Weidehausen, an anderer Stelle auch als Niederweidehausen bezeichnet.<br />

Das Dorf wird allerdings in älteren Schriften, ohne nähere Angaben, schon im 14. Jh.<br />

als „wüst“ bezeichnet. In alten <strong>Berka</strong>er Akten tauchten noch im 19. Jh. Flurstücke in<br />

diesem Gebiet mit der Bezeichnung „In der Weydingsgemeinde“ auf. Constantin<br />

Oschatz erhielt erst 1879 wegen Mängel am Wehr die endgültige<br />

Betriebsgenehmigung. Schon 1881 wurde das Werk durch einen Brand zerstört.<br />

Nach dem Wiederaufbau entstand nun eine Holzschleiferei. Der hier gewonnene<br />

Holzschliff wurde an Papier <strong>und</strong> Pappe herstellende Betriebe geliefert. In den<br />

nachfolgenden Jahren erweiterte Oschatz sein Unternehmen, errichtete ein<br />

Trockenhaus <strong>und</strong> stellte selbst Hartpappe her. 1901 erschien der Betrieb erstmalig<br />

als „Martinswerk“. Nach der Erneuerung des Wehres 1905 verkaufte Constantin<br />

Oschatz ein Jahr später das Unternehmen an <strong>seine</strong>n Sohn Rudolf. Dieser<br />

bezeichnete <strong>seine</strong>n Betrieb als „Holzstoff- <strong>und</strong> Holzpappen-Fabrik Martinswerk“.<br />

Noch 1908 erfolgte die Auswechslung des bisherigen 4,80 m großen Wasserrades<br />

gegen ein 5,20 m großes Rad.<br />

1909 wurde Georg Meißner neuer Besitzer. Er ließ noch im gleichen Jahr eine<br />

Zwillingsturbine mit einer Leistung von 180 PS einbauen <strong>und</strong> anschließend eine<br />

elektrische Lichtanlage.


1917 kauften die Unternehmer Hetzer <strong>und</strong> Walter aus Leipzig den Betrieb. Sie<br />

bauten eine Dampfmaschine ein, um Betriebsstillstände wegen öfteren<br />

Wassermangels zu verhindern. Hergestellt wurde Hartpappe aus Holzschliff <strong>und</strong><br />

Lumpen, später auch aus Altpapier. Nach 1945 arbeiteten im Betrieb 18<br />

Beschäftigte. Sie produzierten Hartpappe <strong>und</strong> arbeiteten in zwei Schichten.<br />

Hauptabnehmer des volkswirtschaftlich wichtigen Produktes waren der Betrieb Agfa<br />

Wolfen, der Export <strong>und</strong> zahlreiche kleinere Unternehmen. Es wurde zunächst nur<br />

noch mit Wasserkraft gearbeitet. Zur Verfügung standen eine Zwillingsturbine mit 150<br />

PS <strong>und</strong> eine Francisturbine mit 85 PS. Wegen ständiger Planuntererfüllung,<br />

verursacht durch unregelmäßige Wasserzufuhr, wurde 1958 eine Trafostation<br />

errichtet <strong>und</strong> nach Bedarf zusätzlich Energie aus dem Netz entnommen. Dadurch<br />

konnten nun jährlich 580 t <strong>und</strong> bis 1964 700 t Hartpappe erzeugt werden. Der privat<br />

geführte Betrieb nannte sich „Martinswerk Hetzer <strong>und</strong> Walter Kom.-Ges.“<br />

Geschäftsführer war Erich Walter. 1964 musste staatliche Beteiligung aufgenommen<br />

werden <strong>und</strong> 1972 wurde der Betrieb volkseigen. Zu Beginn der 1980er Jahre wurde<br />

die Produktion eingestellt <strong>und</strong> das Werk geschlossen.<br />

Belegschaft des Martinswerkes Hetzer <strong>und</strong> Walter 1958<br />

Kurze Zeit später übernahm die BHG-Kranichfeld die Gebäude, um in ihnen eine<br />

Mosterei einzurichten. 1985 verließen die ersten Most- <strong>und</strong> Saftflaschen das einstige<br />

Martinswerk. 1995 musste aber auch diese Produktion wieder eingestellt werden.<br />

Heute dient ein <strong>Teil</strong> des Unternehmens noch zur Gewinnung von Elektroenergie. Mit<br />

einer doppelregulierten Kaplanturbine werden jährlich zwischen 400 – 730000 KW<br />

Strom erzeugt <strong>und</strong> an das Netz abgegeben.<br />

Konkurs, Feuer, aber auch politische <strong>und</strong> wirtschaftliche Zwänge brachten die<br />

einstmaligen <strong>Bad</strong> <strong>Berka</strong>er <strong>Mühlen</strong> zum Stillstand. Fast 700 Jahre haben in ihnen<br />

Menschen gewirkt, haben für das tägliche Brot für sich, ihre Familien <strong>und</strong> Mitbürger<br />

gesorgt. Glücklich konnte man sich damals schätzen, hatte man <strong>Mühlen</strong> am Ort.<br />

Viele Menschen mussten weite Wege gehen, um ihr mühevoll geerntetes Getreide zu<br />

Mehl mahlen zu lassen. Als <strong>Berka</strong> nach einem Verzeichnis des Fürstentums Weimar<br />

1740 schon über 100 Jahre eine Schneidemühle besaß, waren im gesamten<br />

Fürstentum nur weitere zwei Schneidemühlen vorhanden. Mühevoll wurden in<br />

anderen Orten von Hand Bretter gesägt <strong>und</strong> Balken mit dem Beil zu gehauen. Bei


allem Streit, der oft unter den Müllern herrschte, schufen die beiden Brüder Oschatz<br />

in <strong>Berka</strong> mit ihren beiden übereinanderliegenden Wasserläufen ein Bauwerk, das<br />

damals einmalig war <strong>und</strong> später Nachahmung fand. Als der elektrische Strom noch<br />

nicht alle Menschen erreicht hatte, war es der Müller Nitze, der Nachbarn <strong>und</strong> die<br />

Kirche damit versorgte. So trugen die <strong>Berka</strong>er <strong>Mühlen</strong> <strong>und</strong> die Menschen, die in<br />

ihnen tätig waren, nicht nur zur Entwicklung unserer Heimatstadt, sondern auch ein<br />

klein wenig zum technischen Fortschritt bei.<br />

Ludwig Häfner

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