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Photochemische Polymerisation - Chemie und ihre Didaktik ...

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3.4 Photochemisch initiierte radikalische <strong>Polymerisation</strong> von PMMA<br />

Eine <strong>Polymerisation</strong> kann nicht nur thermisch, sondern auch photochemisch gestartet werden. Bei der photochemischen<br />

<strong>Polymerisation</strong> wird durch Bestrahlung ein Photosensibilisator angeregt, aus dem sich der eigentliche Initiator für die<br />

<strong>Polymerisation</strong> bildet, in diesem Falle ein oder mehrere Startradikale. Die weitere <strong>Polymerisation</strong>sreaktion verläuft wie<br />

bereits in Abschnitt 3.2 beschrieben. Eine photochemische radikalische <strong>Polymerisation</strong> hat gegenüber der thermischen<br />

den Vorteil, dass sie auch bei niedrigen Temperaturen durchgeführt werden kann. Dies ist bei lichthärtenden<br />

Beschichtungen <strong>und</strong> beim Kleben vorteilhaft, da die <strong>Polymerisation</strong> direkt am Ort der Einstrahlung ausgelöst werden<br />

kann [25]. Durch das Abschalten der Lampe kann die Bildung von Starterradikalen jederzeit abrupt abgebrochen<br />

werden [26].<br />

3.4.1 Initiatoren für photochemisch initiierte radikalische Reaktionen<br />

<strong>Polymerisation</strong>sreaktionen können photochemisch durch die Bildung von Radikalen bei der α-Spaltung von<br />

Ketoverbindungen initiiert werden. Die Initiatoren müssen dabei folgende Bedingungen erfüllen:<br />

- Der Absorptionsbereich <strong>und</strong> das –maximum müssen möglichst identisch mit dem Emissionsbereich bzw. dem<br />

Emissionsmaximum handelsüblicher Strahler sein.<br />

- Sie müssen hohe Extinktionskoeffizienten haben <strong>und</strong> mit hohen Geschwindigkeitskonstanten <strong>und</strong><br />

Quantenausbeuten dissoziieren.<br />

Natürlich müssen sie wie die thermischen Starter gut im Monomer löslich sein <strong>und</strong> gewisse Anforderungen bez.<br />

Lagerstabilität erfüllen. Selbstverständlich müssen die entstandenen Radikale effektiv mit den Monomeren reagieren<br />

können [27]. Auch muss bei Photoinitiatoren häufig auf eventuelle Nebenwirkungen wie eine zunehmende Vergilbung<br />

des Kunststoffes oder auf Wechselwirkungen mit Farbstoffen geachtet werden. Aufgr<strong>und</strong> von starken<br />

Vergilbungserscheinungen wurden in den letzten Jahren zuerst Benzoinether durch DMPA (= 2,2-Dimethoxy-2phenylacetophenon,<br />

auch bekannt als Benzildimethylketal) <strong>und</strong> anschließend DMPA durch zunehmend<br />

vergilbungsarme Initiatoren der Cyclohexylphenylketon-Klasse ersetzt (vergl. experimentelle Ergebnisse in Abschnitt<br />

5.4.3.2) [28]. In den letzten Jahren haben sich außerdem Acylphosphinoxide wie Lucirin TPO (BASF) vermehrt<br />

durchgesetzt. Im folgenden werden die im Versuchsteil benutzten Starter DMPA, 1-Hydroxycyclohexylphenylketon<br />

<strong>und</strong> 2,4,6-Trimethylbenzoyldiphenyl-phosphinoxid kurz dargestellt.<br />

DMPA ist ein weit verbreiteter Starter, der z.B. von Ciba unter dem Namen Uvicure 256 [29] vertrieben wird <strong>und</strong> von<br />

Bayer als Benzildimethylketal für Schulversuche in geringen Mengen kostenlos bestellt werden kann [30].


Abb. 3.01 <strong>und</strong> 3.02:<br />

Absorptionsspektren von DMPA <strong>und</strong> 1-Hydroxycyclohexylphenylketon<br />

Quelle: Sigma-Aldrich [31]<br />

Wie in Abb. 3.01 zu erkennen ist, gibt es neben der von den Benzolringen verursachten starken Absorptionsbande bei<br />

kurzwelliger Strahlung von weniger als 300 nm eine weitere Absorptionsbande zwischen 310 <strong>und</strong> 380 nm. Bei dieser<br />

Wellenlänge kann ein Elektron aus einem nichtbindenden p-Orbital des Sauerstoffs in das antibindende Orbital des π-<br />

Elektronensystems der Carbonylgruppe angeregt werden. Vom angeregten Singulettzustand erfolgt ein ISC zum<br />

Triplettzustand (vgl. auch Abschnitt 3.5.2) [32]. Die Carbonylgruppe hat nun Diradikalcharakter (Reaktionsschema<br />

3.08). Eine Folgereaktion mit hoher Ausbeute ist die α-Spaltung, wobei eine C-C-Bindung, die der Carbonylgruppe<br />

benachbart ist, gespalten wird (Norrish-Typ-I-Spaltung).<br />

O<br />

C<br />

H3 CO<br />

C<br />

OCH 3<br />

h•ν<br />

⎯→<br />

(nπ*)<br />

O<br />

C<br />

H3 CO<br />

C<br />

OCH 3<br />

Reaktionsschema 3.08: DMPA: Bildung eines Quasidiradikals<br />

Dabei wurde eine Abspaltung eines energiereichen Phenylradikals noch nie beobachtet [33]. Stets wird die schwächere<br />

C-C-Bildung gespalten, womit sich das Dimethoxybenzylradikal <strong>und</strong> das Benzoylradikal bilden (Reaktionsschema<br />

3.09), wobei ersteres thermisch <strong>und</strong> auch photochemisch instabil ist <strong>und</strong> somit leicht sowohl durch weitere<br />

Lichteinstrahlung als auch durch Wärme weiter zerfällt [34]. Dabei entstehen Methylbenzoat <strong>und</strong> Methylradikale,<br />

wobei letztere sehr reaktiv sind <strong>und</strong> nicht selektiv weiterreagieren (u.a. Desaktivierung durch unselektive H-<br />

Abstraktion), so dass fast ausschließlich die Benzoylradikale als <strong>Polymerisation</strong>sstarter wirksam sind [35].<br />

O<br />

C<br />

H3 CO<br />

C<br />

OCH 3


O<br />

C<br />

H3 CO<br />

C<br />

OCH 3<br />

⎯⎯→<br />

H3 CO<br />

C<br />

h•ν<br />

oder<br />

∆<br />

Reaktionsschema 3.09: DMPA: Fragmentierung<br />

OCH 3<br />

+<br />

CH 3 +<br />

1-Hydroxycyclohexylphenylketon wird unter dem Namen Uvicure 204 von Ciba vertrieben [36]. Wie aus Abb. 3.02<br />

zu erkennen ist, hat dieser Starter eine ähnliche Absorptionskurve wie DMPA, die allerdings nicht erst bei λ = 380 nm,<br />

sondern schon bei 360 nm endet. Auch hier kommt es zu einer α-Spaltung.<br />

HO<br />

O<br />

C<br />

h•ν<br />

⎯⎯→<br />

Reaktionsschema 3.10: 1-Hydroxycyclohexylphenylketon, Radikalbildung<br />

HO<br />

Das Monoacylphosphinoxid 2,4,6-Trimethylbenzoyl-diphenyl-phosphinoxid wird von BASF als Lucirin TPO<br />

angeboten <strong>und</strong> ist ein Photoinitiator für wenig vergilbende weißpigmentierte UV-Lacke <strong>und</strong> Druckfarben, der auch im<br />

langwelligen UV- <strong>und</strong> auch schon im sichtbaren Bereich photochemisch wirksam ist, wie in Abb. 3.03 zu erkennen ist.<br />

Andere Hersteller wie Ciba vertreiben das chemisch ähnliche Produkt Bis(2,4,6-Trimethylbenzoyl)-phenylphosphinoxid<br />

(Irgacure 819, vgl. Abb. 3.04) [37].<br />

C<br />

H 3<br />

CH 3<br />

+<br />

O<br />

O<br />

CH 3<br />

P<br />

O<br />

C<br />

O<br />

C<br />

OCH 3<br />

Formel 3.07: Lucirin TPO<br />

(2,4,6-Trimethylbenzoyldiphenyl-phosphinoxid)<br />

Abb. 3.03:<br />

Absorptionsspektrum von Lucirin TPO in Toluol, c = 0,00152 mol/l<br />

Quelle: BASF [38]<br />

O<br />

C


Auch hier findet eine α-Spaltung statt:<br />

C<br />

H 3<br />

CH 3<br />

O<br />

O<br />

CH 3<br />

Reaktionsschema 3.11<br />

P<br />

h•ν<br />

⎯⎯→<br />

C<br />

H 3<br />

Gegenüber den beiden zuvor vorgestellten Photoinitiatoren gibt es hier einige Besonderheiten [39]:<br />

C<br />

H 3<br />

CH 3<br />

- Das Phosphinoyl-Radikal ist gegenüber dem Benzoylradikal reaktiver gegenüber ungesättigten Verbindungen<br />

<strong>und</strong> ist somit ein besonders wirksamer Starter für radikalische <strong>Polymerisation</strong>en.<br />

- Der Chromophor, der die langwellige Absorption (λ ≈ 400 nm) ermöglicht, wird bei der Radikalbildung durch<br />

die Trennung des Kohlenstoffatoms der Carbonylgruppe von dem Phosphoratom zerstört. Die Radikale selbst<br />

absorbieren also nur bei deutlich kurzwelligerem Licht. Bei dem <strong>Polymerisation</strong>sprozess kann nach der<br />

Zerstörung der Chromophore in den äußeren Schichten die Strahlung der genannten Wellenlänge (λ ≈ 400 nm)<br />

aufgr<strong>und</strong> der fehlenden Absorption auch in tiefere Schichten eindringen. Lucirin TPO (<strong>und</strong> analog auch<br />

Irgacure 819) eignet sich somit anders als die zuvor vorgestellten Starter auch als Photoinitiator für dickere<br />

Schichten.<br />

CH 3<br />

O O CH 3<br />

CH 3<br />

P<br />

O<br />

C<br />

H 3<br />

CH 3<br />

O<br />

C<br />

CH 3<br />

+<br />

O<br />

P<br />

Abb. 3.04:<br />

Absorptionsspektrum Irgacure 819: Man erkennt einen ähnlichen Verlauf wie<br />

bei Lucirin TPO<br />

Quelle: Ciba [40]<br />

Formel 3.08:<br />

Bis(2,4,6-Trimethylbenzoyl)-phenylphosphinoxid (Irgacure 819)<br />

- Durch die Absorption von sichtbarem Licht eignet sich Lucirin TPO (bzw. Irgacure 819) als Photoinitiator<br />

auch bei einigen pigmenthaltigen Lösungen (z.B. im Beisein von Titandioxid).


- Eine Vergilbung des Kunststoffes ist im Gegensatz zu den anderen genannten α-Startern nicht zu erkennen<br />

(vgl. auch Abb. 5.122).<br />

- Die genannten Monoacyl- <strong>und</strong> Bisacylphosphinoxide enthalten anders als die zuvor vorgestellten Initiatoren<br />

Methylgruppen in ortho-Stellung, die einen nucleophilen Angriff auf das Kohlenstoffatom der Carbonylgruppe<br />

verhindern <strong>und</strong> die Löslichkeit verbessern.<br />

- Das ungepaarte Elektron des Phosphinoylradikals ist nicht so stark am Phosphoratom lokalisiert wie das<br />

ungepaarte Elektron des Benzoylradikals am Kohlenstoffatom lokalisiert ist. Folgende mesomere Schreibweise<br />

beschreibt diesen Zustand:<br />

O<br />

P<br />

O<br />

P<br />

Formel 3.09:<br />

Mesomerie bei einem<br />

Phosphinoylradikal<br />

Belegt wird der letzte Punkt durch eine Vielzahl von beobachteten Rekombinationsprodukten, die in der angegebenen<br />

Literatur [41] beschrieben werden. Außer den genannten Punkten sollen bei Lucirin TPO die entstandenen Radikale<br />

auch gegenüber anderen α-Startern auffallende magnetische Eigenschaften besitzen [42]. Ein großer Nachteil von<br />

Lucirin TPO ist, dass selbst bei verschlossener Verpackung <strong>und</strong> kühler Lagerung die Haltbarkeit vom Hersteller mit nur<br />

zwei Jahren angegeben wird [43].<br />

Neben den durch Initiatoren gestarteten photochemischen Reaktionen sind auch unsensibilisierte<br />

Photopolymerisationen möglich, bei denen das Monomer durch Strahlung angeregt wird <strong>und</strong> MMA-Diradikale<br />

entstehen können [44]. Im Falle von PMMA hat dies jedoch keine technische Bedeutung. Die ππ * -Anregung bei einer<br />

C-C-Doppelbindung benötigt offenbar mehr Energie als die nπ * -Anregung bei der Carbonylbindung. Zudem ist der<br />

Übergang zum Triplettzustand bei der C-C-Bindung weniger effektiv (vgl. Abschnitt 3.5.2).

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