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MS-Bro 2005_Kern - Evangelisches Diakoniewerk Gallneukirchen

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Gegebenheit akzeptiert, nur: Es soll schnell gehen. Denn man möchte keinem<br />

zur Last fallen. Besonders ausgeprägt ist die Furcht vor einer dementiellen<br />

Erkrankung, die – so denken viele – zu einer Zerstörung der lebensgeschichtlichen<br />

Identität führt.<br />

6. Die religiöse Biographie<br />

Ein besonderer Reichtum, dessen man sich im Alter bewusst werden kann, ist die<br />

religiöse Biographie. Um sie sich zu erschließen, versuchen wir drei Lebensabschnitte<br />

und deren Berührungen zu der Entwicklung der Glaubensgeschichte zu<br />

beschreiben:<br />

6.1 Ursprungssituation: der Glaube der Kindheit<br />

Der Glaube in der Kindheit ist geprägt von Erfahrungen des Vertrauens, der Geborgenheit<br />

und anderen grundlegenden Gefühlserfahrungen. Gottesbild und<br />

Gotteserfahrungen prägen bei dem Kind eine Art „privaten Gott“, der mit zwischenmenschlichen<br />

Gefühlserfahrungen korrespondiert. Gefühle von Abhängigkeit<br />

und Hilflosigkeit gegenüber einer höheren, manchmal unheimlichen Macht<br />

entstehen auch in dem Erleben der religiösen Beziehung der Eltern. Wenn die<br />

Eltern zum Beispiel im Gebet Ehrerbietung vor einem noch größeren Wesen zeigen,<br />

bildet sich die Vorstellung, dass es eine noch höhere Instanz und Macht<br />

geben muss.<br />

Auf der anderen Seite ist Gott auch die Begegnung mit der christlichen Tradition,<br />

die sich vor allem im Erzählen von biblischen Geschichten und im Erleben<br />

von christlichen Symbolen ereignet, dies prägt den Glauben der Kindheit. Einen<br />

wesentlichen Beitrag für die religiöse Entwicklung leisten Persönlichkeiten, die<br />

neben den Eltern die Traditionen des Glaubens vermitteln und die für die älter<br />

werdenden Kinder durch den praktizierten Glauben im Alltag und in besonderen<br />

Krisensituationen zum Garanten des eigenen Glaubens werden.<br />

Um den Reichtum religiöser Biographie zu entdecken, können folgende Impulsfragen<br />

zur Anregung dienen:<br />

16<br />

Was ist meine erste Erinnerung? Mit welchen Bildern und Sinneseindrücken<br />

ist diese Erinnerung verbunden? An welche frühesten religiösen Erlebnisse<br />

kann ich mich erinnern? Mit welchen Orten ist diese Erinnerung verbunden?<br />

Was war davon prägend und zukunftsweisend? Welche religiösen Traditio-<br />

nen, welche Konventionen waren in der frühen Kindheit wichtig? Habe ich<br />

heute unangenehme Gefühle dabei oder denke ich gerne daran zurück?<br />

Wie habe ich heilige Zeiten, heilige Räume, heilige Gegenstände erlebt?<br />

Erinnere ich mich an besondere Gebete? Was erzählen mir andere von meiner<br />

Taufe?<br />

Welche Rolle haben Vater und Mutter in meiner religiösen Erziehung<br />

gespielt? Kann ich meine religiöse Welt beschreiben? Erinnere ich mich an<br />

bestimmte Situationen, in denen mir Gott besonders nahe war, oder auch<br />

besonders fern? Welche alltäglichen Rituale waren für mich wichtig? Welche<br />

religiösen Anteile gab es dabei?<br />

Wie habe ich die religiöse Gemeinschaft erlebt? Welche Persönlichkeiten<br />

sind mir dabei besonders wichtig gewesen? Erinnere ich mich an Worte,<br />

Gesten, Verhalten, die mich besonders beeindruckt haben? Gab es irgendwelche<br />

kuriosen Begebenheiten, an die ich mich erinnere? Wodurch war die<br />

religiöse Praxis bestimmt? Wer war mir Vorbild? Wo sind Widersprüche deutlich<br />

geworden? Welche besonderen Höhepunkte sind mir in Erinnerung?<br />

Wenn ältere Menschen auf den Glauben der Kindheit zurückschauen, lassen sich<br />

folgende Beobachtungen machen: Der Glaube der Kindheit wird als religiöse<br />

und gesellschaftliche Selbstverständlichkeit erinnert, die nicht hinterfragt wird.<br />

Hohe Bedeutsamkeit wird religiösen Konventionen wie Kirchgang, kirchliche<br />

Feste, gemeinsame Gebete, das Halten der Gebote (vor allem 4., 6. und 7.Gebot)<br />

zugesprochen. Entscheidend ist aber, dass die Vorstellung von Gott als „Weltenlenker“<br />

und als Geheimnis einer höheren Macht auch den Glauben älterer Menschen<br />

stark bestimmt. Dem „Kinderglauben“ wird großes Gewicht zugemessen,<br />

es ist das Gefühl einer umfassenden Geborgenheit und eine selbstverständliche<br />

Grundbeziehung, die mit dem Gefühl einer fraglosen Hingabe verbunden ist. Der<br />

Glaube ist dann wie die „wiedergefundene Kindheit“, es wird dem älteren Menschen<br />

eine Art „zweite Naivität“ geschenkt, in dem es gelingt, sich selbst als<br />

Kind und den Gott der eigenen Kindheit wiederzufinden.<br />

Der Kinderglaube ist zudem für viele ältere Menschen die Kontinuität in der<br />

Lebensgeschichte. Er muss erhalten werden, um sich der eigenen Herkunft und<br />

Biographie gewiss zu bleiben.<br />

6.2 Der Glaube beim Erwachsenwerden:<br />

Widerspruch und Glaubwürdigkeit<br />

Im Mittelpunkt der religiösen Entwicklung in diesem Lebensabschnitt steht die<br />

Profilierung der eigenen Glaubenspraxis gegenüber der Religiosität des Eltern-<br />

17

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