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MS-Bro 2005_Kern - Evangelisches Diakoniewerk Gallneukirchen

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Aufnahmekapazität. Um die Jahrtausendwende waren durchschnittlich 30 % der<br />

BewohnerInnen der Wohneinrichtungen für Menschen mit intellektueller Behinderung<br />

in den Niederlanden 50 Jahre und älter. Erwartet wird (Maaskant, 2001),<br />

dass im Jahre 2011 39 % der BewohnerInnen dieser Einrichtungen 50 Jahre oder<br />

älter sein werden.<br />

In Österreich und Deutschland spricht Weber über eine „verzögerte Alterswelle“<br />

der intellektuell behinderten Menschen. Bekanntlich leben hier weniger alte<br />

Menschen mit intellektueller Behinderung. Aber auch in Österreich und Deutschland<br />

wird in den kommenden Jahren diese Anzahl sehr stark zunehmen.<br />

Da bei intellektuell Behinderten häufig bereits in jüngerem Alter Alterserscheinungen<br />

wie die Alzheimersche Krankheit auftreten, stellt die Vergreisung ein<br />

drückendes Problem dar. Daher muss die Begleitung dieser Bewohnergruppe neu<br />

durchdacht werden. Viele MitarbeiterInnen machen bei der Begleitung mit älteren<br />

intellektuell behinderten Menschen die Erfahrung, in schwierigen Situationen<br />

über zu wenige Kenntnisse und nicht über die erforderlichen Fertigkeiten zu<br />

verfügen.<br />

2. Fehlende Kenntnisse und Fertigkeiten<br />

Zur Illustration solcher Mängel möchte ich von zwei persönlichen Erfahrungen<br />

berichten. Ich arbeite als Gesundheitspsychologe und Heilpädagoge bei „Pepijn<br />

en Paulus“ in Echt, einer Trägerorganisation für Wohnheime und Tagesstätten für<br />

intellektuell behinderte Menschen.<br />

Meine erste diesbezügliche Erfahrung stammt aus der Mitte der achtziger Jahre,<br />

als ich anfing bei „Pepijn en Paulus“ als Gesundheitspsychologe und Heilpädagoge<br />

zu arbeiten.<br />

Diese persönliche Erfahrung beeindruckte mich sehr und führte dazu, mich intensiver<br />

in den Alterungsprozess intellektuell Behinderter zu vertiefen.<br />

76<br />

Der Fall Jan<br />

Ich kann mich noch sehr gut an einen Fall erinnern, als ich gerade bei<br />

„Pepijn en Paulus“ angefangen hatte. Die Begleiter baten mich um Rat bei<br />

Jan, einem älteren Bewohner mit Down-Syndrom, der sich sehr provozierend<br />

verhielt. An manchen Tagen kleidete er sich ganz normal und problemlos<br />

an, an anderen Tagen aber zog er sich beispielsweise seine Hose<br />

über den Kopf.<br />

Wir wollten ihm das abgewöhnen, denn wozu er an dem einen Tag fähig<br />

war, dazu musste er an einem anderen Tag auch imstande sein. Das war<br />

bei der Begleitung unser Ausgangspunkt.<br />

Jan reagierte auf unsere strengeren Anforderungen sehr heftig. Er wurde<br />

wütend, aggressiv und war verärgert. Unser Vorgehen hatte also eine entgegengesetzte<br />

Wirkung und führte lediglich zu mehr Aggressionen.<br />

Jan hatte in dieser Zeit bestimmt kein angenehmes Leben.<br />

Zum Glück kam jemand schließlich auf die Idee, es könnte sich um Demenz<br />

handeln. Ich war nicht derjenige. Wenn ich daran zurückdenke, empfinde<br />

ich noch heute tiefe Scham. Nun passten wir seine Begleitung an. Wir halfen<br />

Jan jetzt immer dann, wenn er nicht imstande war, sich selbst anzuziehen.<br />

Seine Laune besserte sich sichtlich, und er verbrachte noch ein paar<br />

gute Jahre bei uns.<br />

Ein häufiges Problem beim Altern ist das Dementieren. Keine seltene Erscheinung<br />

ist die Alzheimersche Krankheit, denn bei vielen Bewohnern mit Down-<br />

Syndrom treten Symptome dieser Krankheit bereits relativ früh auf. Aus dem<br />

Beispiel dürfte klar geworden sein, dass zur Früherkennung der Demenz entsprechende<br />

Kenntnisse vorhanden sein müssen. Die BegleiterInnen müssen wissen,<br />

welche Verhaltensweisen erste Anzeichen für das Dementieren sein können.<br />

Man muss jedoch ebenfalls wissen, dass Schilddrüsenabweichungen oder Intoxikationen<br />

und auch Depressionen manchmal zu ähnlichem Verhalten führen. Es<br />

muss ausgeschlossen werden können, dass es sich um diese Erkrankungen handelt.<br />

Diese sind oft gut zu behandeln.<br />

Im Folgenden werde ich nicht weiter auf die dafür erforderlichen Kenntnisse,<br />

sondern auf die für ältere und dementierende Menschen mit intellektueller Behinderung<br />

entwickelte Begleitungsmethodik zu sprechen kommen.<br />

Zunächst möchte ich von einer zweiten persönlichen Erfahrung berichten, die<br />

auch den Mangel an Kenntnissen und Fertigkeiten illustriert.<br />

„Pepijn en Paulus“ wurde 1970 eröffnet, in einer Zeit, als viele derartige große<br />

Einrichtungen gebaut wurden. In den siebziger Jahren wurden in diese Einrichtungen<br />

viele Kinder und Jugendliche aufgenommen. Hinzu kam in diesen Jahren<br />

eine große Anzahl von Einweisungen intellektuell Behinderter aus psychiatrischen<br />

Kliniken. Damals war es üblich, intellektuell behinderte Kinder in sonderpädagogische<br />

Einrichtungen einzuweisen, an die Sonderschulen gekoppelt wa-<br />

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