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Leseprobe - Feder & Schwert GmbH

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Sie trauerte um ihn und verlor viel von ihrer Fröhlichkeit. Lange<br />

lächelte sie nicht mehr. Man steckte sie in ein teures Institut für<br />

höhere Töchter, wo man sie lehrte, ein sittsames, braves Mädchen<br />

zu sein, fromm und gehorsam. Dort sollte sie lernen, später einem<br />

geeigneten Mann eine gute Frau zu sein, und wer dieser Mann<br />

sein sollte, das hatten ihre Eltern auch schon festgelegt: Leopold<br />

von Waydt.<br />

Gegen die Disziplin des Instituts hatte sie aufbegehrt und sich<br />

den Lerninhalten verschlossen, die ihr so widersinnig und unwahrhaftig<br />

erschienen. Nutzlose Informationen für einen fühlenden,<br />

denkenden, intelligenten Menschen mit einem unabhängigen<br />

Wesen. Nach einiger Zeit gab sie auf, vergrub ihre Erinnerungen<br />

tief in sich und lernte, so zu sein, wie man es von ihr verlangte.<br />

Oder zumindest so zu scheinen. Ihre kleinen Fluchten nahm sie<br />

sich, wann immer es opportun war.<br />

Es machte keinen Unterschied. Sevyo war tot, und niemand<br />

würde je so sein wie er.<br />

Jetzt saß sie auf der kleinen, kreisrunden Waldlichtung, den<br />

Rücken an den Stamm ihrer Lieblingseiche gelehnt. Kein neuer<br />

Baum hatte den Platz des verbrannten eingenommen. Als respektierten<br />

sie das Grab eines hölzernen Freundes, wuchsen die<br />

Bäume um Sevyos zerstörtes Heim herum, das sie versteckten,<br />

jedoch nicht einnahmen. Blumen wuchsen auf der Lichtung, die<br />

niemand gepfl anzt hatte. Sie sprossen einfach aus der Erde und<br />

verwandelten Sevyos Aschegrab in ein Blumenbeet.<br />

Wenn sie seine Blumengruft besuchte, sah sie ihn in ihrem<br />

Gedächtnis ganz klar vor sich, erinnerte sich an die Spiele, die sie<br />

gespielt hatten, und an die Dinge, die er sie über das Leben und<br />

über die Natur gelehrt hatte. Darüber, was Freiheit bedeutete.<br />

Er hatte sie gelehrt, mehr auf Inhalt als auf Worte zu achten, die<br />

Gefühle anderer deutlicher zu erkennen und zu bemerken, wenn<br />

jemand sie manipulieren oder mit einem Zauber belegen wollte.<br />

All das hatte ihr mehr bedeutet als höfl iche Konversation, exzellente<br />

Manieren, die Fähigkeit, einem Haushalt vorzustehen und<br />

eine gute Gastgeberin zu sein.<br />

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