12.10.2013 Aufrufe

Leseprobe - Feder & Schwert GmbH

Leseprobe - Feder & Schwert GmbH

Leseprobe - Feder & Schwert GmbH

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

22<br />

war. Kurz darauf hatte ihr Vater einen Sturz vom Pferd nicht<br />

überlebt. Er hatte sich den Hals gebrochen. Wieder Trauerzeit,<br />

wieder keine Hochzeit, und inzwischen war Leopold zu einer<br />

Expedition ins Innere Afrikas aufgebrochen, vermutlich, um etwas<br />

Nützliches zu tun. Charly nahm an, daß die Erforschung der<br />

Erde prinzipiell nützlich war. Jedenfalls war er beschäftigt und<br />

weit weg gewesen und hatte nicht auf eine rasche Beendigung der<br />

Trauerzeit gedrängt.<br />

Tatsächlich hatte Charly nicht sehr getrauert. Sie hatte ihre Eltern<br />

nur selten gesehen. Ihr Vater war politisch aktiv gewesen, und<br />

ihre Mutter hatte ihn bei seinen Ambitionen unterstützt, war eine<br />

exzellente Gastgeberin und ein gut funktionierendes Rädchen im<br />

Getriebe der besseren Gesellschaft gewesen. Meist hatten Charlys<br />

Eltern in Wien gelebt, während Charly auf dem Lande aufwuchs,<br />

in den Bergen nahe Aussee, wo der Familienstammsitz lag. Sie<br />

nannten das Gebäude das Schlößchen, doch es war eher ein Gut<br />

mit Weiden und Wäldern, Ländereien, die der Familie ihren nicht<br />

unerheblichen Wohlstand einbrachten.<br />

Sie war in der Obhut von Gouvernanten aufgewachsen, und<br />

was sie an Liebe und Sicherheit gebraucht hatte, hatte ihr Sevyo<br />

gegeben. So hatte sie ihre Eltern nicht sehr vermißt, als sie noch<br />

lebten und noch weniger, als sie schließlich gestorben waren. Sie<br />

hatten Sevyo getötet, das hatte sie ihnen nie verziehen.<br />

Solange sie noch unmündig gewesen war, war ihr Onkel ihr<br />

Vormund gewesen. Er war zu ihr ins Schlößchen gezogen. Er<br />

war ein freundlicher Mann, ruhig und belesen. Er hatte seine<br />

Bücher und seine modernen politischen Ansichten mitgebracht,<br />

Meinungen, die ihn 1848 bei den Aufständen fast das Leben<br />

gekostet hätten. Eine gescheiterte Revolution, niedergeknüppelt<br />

und vergessen. Heute, siebzehn Jahre später, behielt Herr von<br />

Sandling seine Meinungen für sich, sprach nur in sehr privatem<br />

Rahmen darüber.<br />

Charly und er verstanden sich von Anfang an. Er war nicht der<br />

Meinung, an ihr herumerziehen zu müssen und hinderte sie nicht<br />

daran, frei ihrer Wege zu gehen, was unverheirateten Mädchen oft<br />

LESEPROBE

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!