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Leseprobe - Feder & Schwert GmbH

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24<br />

Sie sah zu dem Dach aus prächtigem Herbstlaub über ihr auf,<br />

Ocker, Purpur, verblassendes Grün. Die Morgensonne brach<br />

durch die Lücken im Blätterhimmel, und Sonnenstrahlen tanzten<br />

auf ihrem ausgewaschenen Alltagskleid.<br />

„Wenn er mich wirklich heiraten will, dann weiß ich wenigstens,<br />

was auf mich zukommt. Ich muß allerdings sagen, es ist<br />

desillusionierend, so etwas sachlich und explizit in einem Buch<br />

zu lesen.“ Sie zog eine Grimasse. „Ich hatte mehr Romantik erwartet.<br />

Wenn man es nüchtern betrachtet, ist es nicht anders als<br />

die Paarung von Tieren, und die ist mir nicht fremd, schließlich<br />

leben wir auf dem Lande. Zucht. Stuten und Hengste. Bullen und<br />

Kühe. Männer und Frauen.“ Sie hielt inne und lächelte verlegen.<br />

„Ich sollte solche Dinge nicht sagen. Aber ich weiß, du wärst nicht<br />

schockiert. Du warst nie schockiert. Deine Meinung zu all dem<br />

wäre mir wichtig gewesen.“ Sie preßte das Blatt an ihre Wange.<br />

„Deine Liebe wäre mir wichtig gewesen. Mit dir wäre es mehr<br />

gewesen als ... Zucht.“<br />

Sie stand auf und strich über ihr einfaches, unmodisches Kleid.<br />

Zweiglein und Blätter hingen daran fest.<br />

„Ich muß fort“, seufzte sie. „Er kommt mit einer ganzen Gesellschaft.<br />

Übermorgen. Ich muß noch meine guten Kleider in<br />

Ordnung bringen und mein Haar. Damit ich attraktiv aussehe,<br />

wie eine Kuh auf dem Viehmarkt. Eine Jagdgesellschaft. Das gibt<br />

uns immerhin einen Vorwand, einander zu sehen, ohne daß es so<br />

wirkt, als würde er zur Begutachtung der Ware anreisen. Dennoch<br />

sind acht Gäste auf einmal viel, wo wir so zurückgezogen leben.<br />

Die Köchin hat jetzt schon Zustände. Ich hätte gar nicht herkommen<br />

sollen. Aber wer weiß ...“<br />

Sie konnte den Satz nicht beenden. Sie wußte nicht, ob sie je<br />

hierher zurückkommen konnte, wenn sie erst verheiratet war. Sie<br />

würde ihr Zuhause vermissen und ihren sanftmütigen Onkel, der<br />

zu Lebzeiten ihrer Eltern nie auch nur die Schwelle des Anwesens<br />

hätte überschreiten dürfen. Doch am allermeisten würde sie diesen<br />

Ort vermissen mit all seinen Erinnerungen an Vertrauen und<br />

Freundschaft, Fröhlichkeit und Liebe.<br />

LESEPROBE

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