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El Caballero de la Triste Figura

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wurzeln könnte. 40 Sie ist ‚grundlos’ 41 und in diesem Verständnis ein ‚Ungrund’. 42 O<strong>de</strong>r<br />

an<strong>de</strong>rs gewen<strong>de</strong>t: Sie verzeichnet kein Subjekt, kein Hypokeimenon, kein<br />

Zugrun<strong>de</strong>liegen<strong>de</strong>s. Sie ist (als Struktur) auch nichts Abgrenzbares und eher in <strong>de</strong>r<br />

Metapher <strong>de</strong>s Rhizoms vorstellbar. 43 Nahebei liegen<strong>de</strong> Bil<strong>de</strong>r wären auch das <strong>de</strong>r ‚Liste’<br />

o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r ‚listenförmigen Verzettelung’. 44<br />

In einer ersten, daran anschließen<strong>de</strong>n Überlegung kann man schnell erkennen, daß die<br />

anthropo-ontologische Konstruktion <strong>de</strong>r Adresse im Erziehungssystem nichts ist: als die<br />

Adressenkonstruktion dieses Systems. An<strong>de</strong>rs ausgedrückt: Sie ist (aus <strong>de</strong>r Perspektive <strong>de</strong>r<br />

Polykontexturalität) kontingent, also we<strong>de</strong>r notwendig noch unmöglich. Sie wird jedoch im<br />

System ontologisiert und damit als invio<strong>la</strong>te level in die Zone <strong>de</strong>r Fraglosigkeit beför<strong>de</strong>rt.<br />

Sie löst im System die Frage nach <strong>de</strong>r Bedingung <strong>de</strong>r Möglichkeit <strong>de</strong>r Erziehung und die<br />

nach <strong>de</strong>m telos erzieherischer Operationen. Sie setzt <strong>de</strong>n Menschen als Person an, die<br />

ausgestattet ist mit <strong>de</strong>n Merkmalen <strong>de</strong>r Autonomie, <strong>de</strong>r Freiheit, <strong>de</strong>r Individualität, <strong>de</strong>r<br />

Selbstreferenz und fügt im selben Zuge <strong>de</strong>m heterarchen Zuschnitt <strong>de</strong>s gesellschaftlichen<br />

Adressenformu<strong>la</strong>rs einen weiteren Topos an, <strong>de</strong>r sich ‚einreiht’ in die Heterotopie <strong>de</strong>r<br />

primären Differenzierung. Sie schreibt sich, wie man sagen könnte, <strong>de</strong>r textologischen<br />

Unabschließbarkeit <strong>de</strong>s listenförmigen Adressenformu<strong>la</strong>rs ein. Sie gibt und nimmt:<br />

zugleich. 45<br />

Diese Überlegung achtete auf die Differenz zwischen <strong>de</strong>r Adressenkonstruktion <strong>de</strong>s<br />

Erziehungssystems und <strong>de</strong>m Adressenformu<strong>la</strong>r funktionaler Differenzierung. Der Befund<br />

40<br />

Franz Kafka (Über das Schreiben, hrsg. von Erich Heller und Joachim Beug, Hamburg 1983, S.112) schreibt über seine<br />

Schreibschwierigkeiten: "Alle Dinge nämlich, die mir einfallen, fallen mir nicht von <strong>de</strong>r Wurzel aus ein, son<strong>de</strong>rn erst<br />

irgendwo gegen ihre Mitte. Versuche sie dann jemand zu halten, versuche jemand ein Gras und sich an ihm zu halten, das<br />

erst in <strong>de</strong>r Mitte <strong>de</strong>s Stengels zu wachsen anfängt. Das können wohl einzelne, zum Beispiel japanische Gaukler, die auf<br />

einer Leiter klettern, die nicht auf <strong>de</strong>m Bo<strong>de</strong>n aufliegt, son<strong>de</strong>rn auf <strong>de</strong>n emporgehaltenen Sohlen eines halb Liegen<strong>de</strong>n,<br />

und die nicht an <strong>de</strong>r Wand lehnt, son<strong>de</strong>rn nur in die Luft hinaufgeht."<br />

41<br />

Vgl. zum Problem <strong>de</strong>r 'Gründigkeit" auch Hei<strong>de</strong>gger, M., Vom Wesen <strong>de</strong>s Grun<strong>de</strong>s, Frankfurt a.M. 1965(5); <strong>de</strong>rs., Der<br />

Satz vom Grun<strong>de</strong>, Pfullingen 1971(4).<br />

42<br />

Siehe zu diesem Wort Schelling, F.W.J., Sämtliche Werke, Bd. VII, Darmstadt 1968, S.407/408.<br />

43<br />

Direkt einschlägig: Wartenpfuhl, B., Dekonstruktion von Geschlechtsi<strong>de</strong>ntität, Transversale Differenzen, Eine<br />

theoretisch-systematische Grundlegung, Op<strong>la</strong><strong>de</strong>n 2000, S.156ff. Locus c<strong>la</strong>ssicus: Deleuze, G./Guattari, F., Tausend<br />

P<strong>la</strong>teaus, Kapitalismus und Schizophrenie, Berlin 1997 (Mille p<strong>la</strong>teaux Paris 1980).<br />

44<br />

Vgl. symptomatisch Latour, B., Wir sind nie mo<strong>de</strong>rn gewesen, Versuch einer symmetrischen Anthropologie, Frankfurt<br />

a.M. 1998 (Paris 1991), S.7ff.; Borges, J.L., Das Eine und die Vielen, Essays zur Literatur, München 1966, und unter<br />

literaturwissenschaftlicher Perspektive Mainberger, S., die Kunst <strong>de</strong>s Aufzählens, Berlin - New York 2003.<br />

45<br />

Die Konsequenz ist sehr schön von Borges durchbuchstabiert wor<strong>de</strong>n. „Dem an<strong>de</strong>ren, Borges, passiert immer alles. Ich<br />

schlen<strong>de</strong>re durch Buenos Aires und verweile mich, vielleicht schon unwillkürlich, um ein geschwungenes Hoftor und das<br />

Türgatter zu betrachten; von Borges erhalte ich Nachrichten durch die Post und erblicke seinen Namen in einem<br />

Professorenkolleg o<strong>de</strong>r in einem biographischen Lexikon. Ich habe Spaß an Sanduhren, an Landkarten, an <strong>de</strong>r<br />

Typographie <strong>de</strong>s 18. Jahrhun<strong>de</strong>rts, an <strong>de</strong>m Aroma von Kaffee und an <strong>de</strong>r Prosa Stevensons; <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re teilt zwar diese<br />

Vorlieben, aber in aufdringlicher Art, die sie zu Attributen eines Schauspielers macht. Es wäre übertrieben zu behaupten,<br />

daß wir auf schlechtem Fuß miteinan<strong>de</strong>r stün<strong>de</strong>n; ich lebe, ich lebe so vor mich hin, damit Borges seine Literatur<br />

ausspinnen kann, und diese Literatur ist meine Rechtfertigung. Ich gebe ohne weiteres zu. daß ihm hie und da haltbare<br />

Seiten gelungen sind, aber diese Seiten können mich nicht retten, vielleicht, weil das Gute schon nieman<strong>de</strong>s Eigentum<br />

mehr ist, auch nicht <strong>de</strong>s an<strong>de</strong>ren Eigentum, son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r Sprache o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Tradition angehört. Im übrigen bin ich dazu<br />

bestimmt, mich zu ruinieren, und nur irgen<strong>de</strong>iner meiner Augenblicke wird in <strong>de</strong>m an<strong>de</strong>ren fortzuleben vermögen.<br />

Allmählich trete ich ihm alles ab, obwohl mir seiner wi<strong>de</strong>rwärtige Art. zu verfälschen und zu vergrößern, bekannt ist.<br />

Spinoza war <strong>de</strong>r Auffassung, daß alle Dinge in ihrem Sein beharren wollen; <strong>de</strong>r Stein will bis in alle Ewigkeit Stein und<br />

<strong>de</strong>r Tiger Tiger sein. Ich muß in Borges verbleiben, nicht in mir (sofern ich überhaupt jemand bin), aber ich erkenne mich<br />

in seinen Büchern nicht so sehr wie<strong>de</strong>r wie in vielen an<strong>de</strong>ren o<strong>de</strong>r wie im beflissenen Gezupf einer Gitarre. Vor Jahren<br />

wollte ich unser Verhältnis lösen; von <strong>de</strong>n Mythologien <strong>de</strong>r Außenviertel ging ich zu <strong>de</strong>n Spielen mit <strong>de</strong>r Zeit und mit<br />

<strong>de</strong>m Unendlichen über, doch treibt heute Borges diese Spiele. Und ich wer<strong>de</strong> mich nach etwas an<strong>de</strong>rem umsehen müssen.<br />

So ist mein Leben eine Flucht, und alles geht mir verloren und fällt <strong>de</strong>m Vergessen anheim o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m an<strong>de</strong>ren. Ich weiß<br />

nicht einmal, wer von uns diese Seite schreibt." Borges, J.L., zit nach Hofstadter. D.R./Dennett, D.C. (Hrsg.), Einsichten<br />

ins Ich, Fantasien und Reflexionen über Selbst und Seele, Stuttgart 1982(2), S.27.<br />

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