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El Caballero de la Triste Figura

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Polykontexturalität müßte also (und paradoxerweise) eine Form realisieren, in <strong>de</strong>r es eine<br />

Mehrheit von Universa gibt, die je<strong>de</strong>s für sich ein generalisiertes Tertium-non-Datur<br />

eingerichtet haben, eine Mehrheit also von Kontexturen, die sich aus <strong>de</strong>r jeweiligen<br />

Kontextur heraus nicht transzendieren <strong>la</strong>ssen, eine Pluralität mithin von nur regional<br />

gültigen Ontologien. 27 Es gäbe nicht mehr die eine Welt, die sich als universitas rerum, als<br />

aggregatio corporum begreifen ließe, als Hierarchie, in <strong>de</strong>r das Leibnizsche principium<br />

gran<strong>de</strong> ‚Nihil est sine ratione’ durchgängig Bestand hätte. Nicht einmal eine Vielwelten-<br />

Theorie ließe sich aufrechterhalten, wenn dann noch die eine Welt <strong>de</strong>r vielen Welten<br />

mitgedacht wür<strong>de</strong>.<br />

Diese I<strong>de</strong>e ist bizarr, aber sie trifft exakt auf die mo<strong>de</strong>rne Gesellschaft zu. Sie ist auf <strong>de</strong>r<br />

Ebene ihrer primären Differenzierung eine Konstel<strong>la</strong>tion autonom operieren<strong>de</strong>r, exklusiv<br />

nur eine Funktion bedienen<strong>de</strong>r Systeme, die ihren Einzugsbereich über strikt binäre Co<strong>de</strong>s<br />

in sich ordnen und (je<strong>de</strong>nfalls in <strong>de</strong>n Erfolgsfällen) Drittheitsmöglichkeiten ausschließen.<br />

Wirtschaft unterschei<strong>de</strong>t Zahlung von Nichtzahlung (Eigentum/Nicht-Eigentum), Politik<br />

das Innehaben von Ämtern von ihrem Nicht-inne-haben, Wissenschaft wahr von unwahr,<br />

Religion Immanenz von Transzen<strong>de</strong>nz, Recht Recht von Unrecht, Kunst schön von<br />

häßlich, Gesundheit krank von gesund, Sport Gewinnen von Verlieren etc. Alle diese<br />

Systeme beobachten die Welt auf <strong>de</strong>r Basis ihrer Co<strong>de</strong>s totalisierend, und kein System ist<br />

vorstellbar, daß die Pluralität dieser Beobachtungen zurückführen könnte auf die eine<br />

Perspektive, die schlechthin die Gesamtheit zu sehen gestattete, ein hinter allen<br />

Perspektiven stehen<strong>de</strong>s, gemeinsames Prinzip. Die Einheit dieser Gesellschaft ist die<br />

Verschie<strong>de</strong>nheit, aber selbst diese Formulierung ist standortgebun<strong>de</strong>n, hier an <strong>de</strong>n point <strong>de</strong><br />

vue <strong>de</strong>r systemtheoretisch inspirierten Soziologie. 28<br />

Polykontexturalität be<strong>de</strong>utet zugleich Heterarchie 29 , wenn damit eine nichthierarchisierbare<br />

Architektur gemeint ist, die Kontexturen ‚auflistet’, die sich nicht in eine<br />

Rangordnung, in eine prioritäre Beziehung bringen <strong>la</strong>ssen. 30 Es gibt keine ‚heiligen’<br />

Grün<strong>de</strong>, keine Äquifinalität o<strong>de</strong>r Äquipotenz <strong>de</strong>r Regionen. 31 Da ist niemand, <strong>de</strong>r steuert<br />

o<strong>de</strong>r gesteuert wer<strong>de</strong>n könnte. Bezeichnend dafür ist, daß we<strong>de</strong>r die Gesellschaft noch ihre<br />

27 Vgl. Rombach, H., Welt und Gegenwelt, Um<strong>de</strong>nken über die Wirklichkeit: Die philosophische Hermetik, Basel 1983.<br />

Siehe dazu, daß solche Überlegungen auch in <strong>de</strong>r Physik eine Rolle spielen, Rohrlich, F., Pluralistic Ontology and<br />

Theory Reduction in the Physical Sciences, in: Brit.J.Phil.Sci. 39, 1988, S.295-312.<br />

28 Die sich nicht darüber wun<strong>de</strong>rt, daß ihr Bild dieser beson<strong>de</strong>ren Verschie<strong>de</strong>nheit spätestens seit <strong>de</strong>r Romantik korreliert<br />

mit Vorstellungen <strong>de</strong>r Fragmentarisierung und Zersplitterung, kurz: <strong>de</strong>r Nicht-Einheit. Ein schönes Symptom sind die<br />

Titel <strong>de</strong>r Aphorismensammlungen (wie übrigens <strong>de</strong>r Boom <strong>de</strong>r Aphoristik selbst): „Spora<strong>de</strong>n (Hilsbecher), Blütenstaub<br />

(Novalis), Splitter (Jellinek und Bukofzer), Brocken (Hamann), Späne (Goethe), Grillen (Hamann), Lichtstrahlen<br />

(Bruno), Apokryphen (Seume), Senker (Novalis), Fingerzeige (Jean Paul), I<strong>de</strong>eenwürfeln (Jean Paul), Sprikker (Wilhelm<br />

Busch), minima moralia (Adorno), Fermente (Novalis und Baa<strong>de</strong>r), Hobelspähne (Vierordt), Funken (Ritter),<br />

Monogramme (Adorno)." Neumann, G., I<strong>de</strong>enparadiese, Untersuchungen zur Aphoristik von Lichtenberg, Novalis,<br />

Friedrich Schlegel und Goethe, München 1976, S.37/38. Die Fülle <strong>de</strong>r Homo-Formeln ist nicht min<strong>de</strong>r bezeichnend:<br />

homo sapiens, homo sapiens sapiens,homo faber, homo symbolicus, homo symbioticus, homo oecologicus, homo<br />

integralis, homo militans, homo viator, homo patiens, homo optionis, homo necans, homo oeconomicus, homo politicus,<br />

homo sociologicus, homo lu<strong>de</strong>ns, homo compensator, homo, psychologicus, homo fanaticus, homo rhetoricus etc. Vgl.<br />

Kopperschmidt, J., Was weiß die Rhetorik vom Menschen? (Thematisch einleiten<strong>de</strong> Bemerkungen), in <strong>de</strong>rs. (Hrsg.),<br />

Rhetorische Anthropologie, Studien zum Homo rhetoricus, München 2000, S.7-37, S.22.<br />

29 Man könnte auch von Heterotopie sprechen. Vgl. etwa (bezugnehmend auf Foucault) Brauns, J., Heterotopien, in:<br />

Wissenschaftliche Zeitschrift, Hochschule für Architektur und Bauwesen 'Weimar', H.3/4, 1992, S. 163-169.<br />

30 Wie die Einkaufszettel meiner Frau. Vgl. im übrigen Ditterich et al., 1985, a.a.O., S.96.<br />

31 Vgl. Serres, M., Hermes I, Kommunikation, Berlin 1991, S.14.<br />

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