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El Caballero de la Triste Figura

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irgendwelchen Hinsichten als ‚unfertig’ <strong>de</strong>finieren und dann mit Än<strong>de</strong>rungszumutungen<br />

überziehen zu <strong>la</strong>ssen, in seiner Akzeptanz ‚verwahrscheinlicht’ wird. Sieht man (je<strong>de</strong>nfalls<br />

heute) von Strategien <strong>de</strong>r Züchtigung ab, so verbleiben nur wenige Möglichkeiten. Eine<br />

davon ist die Annahme, daß dies ein Medium <strong>de</strong>r Scheine sei, <strong>de</strong>r Testate, <strong>de</strong>r Zertifikate,<br />

<strong>de</strong>r Diplome etc., <strong>de</strong>ren Erwerbbarkeit in Aussicht gestellt wird, um Motive für<br />

gegenwärtiges Tolerieren <strong>de</strong>r erzieherischen Selektionsofferten zu verschaffen – durch <strong>de</strong>n<br />

Verweis auf zukünftige Karrierechancen zu erziehen<strong>de</strong>r Individuen.<br />

Das erscheint zunächst schlüssig, da es offenbar immer (mittlerweile bis in Kin<strong>de</strong>rgärten<br />

hinein) auf zu erwerben<strong>de</strong> Abschlüsse ankommt, ohne die das Erziehungsgeschäft kein<br />

nachweisbares En<strong>de</strong> nehmen kann. In ein solches Medium wür<strong>de</strong> sich mühelos eine<br />

Codierung wie bestan<strong>de</strong>n/nicht-bestan<strong>de</strong>n einschreiben <strong>la</strong>ssen. Die Differenz zwischen<br />

unfertig/fertig, ohne die man Erziehung kaum <strong>de</strong>nken kann, fügt sich ebenfalls paßgenau<br />

an, da <strong>de</strong>r Abschluß, <strong>de</strong>r erreicht wird, zugleich das Finale <strong>de</strong>r Erziehung (die testierte<br />

‚Fertigkeit’) darstellt. Lebens<strong>la</strong>nges Lernen mag Sinn machen; lebens<strong>la</strong>nges Erzogen-<br />

Wer<strong>de</strong>n ist ersichtlich: Unsinn. 10<br />

Gesetzt, es ginge tatsächlich um ‚Scheine’, wür<strong>de</strong> jedoch das Konzept <strong>de</strong>r Erziehung (und<br />

<strong>de</strong>r Bildung) auf Trivialisierung hinaus<strong>la</strong>ufen. 11 Testate <strong>la</strong>ssen sich erhalten, wenn auf<br />

weitgehend standardisierte (Vergleichbarkeit ermöglichen<strong>de</strong>) Abfragen die Antworten<br />

gegeben wer<strong>de</strong>n, die richtig sind, und wenn nicht, dann nicht. Die ‚Zöglinge’ <strong>de</strong>s Systems<br />

wür<strong>de</strong>n in Trivialmaschinen transformiert, die kaum über intern komplexe<br />

Informationsverarbeitungsschleifen verfügen. Vielleicht, könnte man spekulieren, wäre die<br />

Umwelt <strong>de</strong>s Systems sogar damit zufrie<strong>de</strong>n. Die allseits heraufbeschworene Effizienz <strong>de</strong>r<br />

Erziehung erschiene gewährleistet. Sie wäre leichtgängig evaluierbar, weil nur von Zeit zu<br />

Zeit geprüft wer<strong>de</strong>n müßte, ob die Testate halten, was sie versprechen. 12<br />

Glücklicherweise o<strong>de</strong>r unglücklicherweise, je nach Standpunkt, hat sich die Erziehung<br />

(und haben sich ihre Reflexionsinstanzen: Pädagogik und Erziehungswissenschaft) von<br />

Anfang an nicht mit <strong>de</strong>r Aufgabe <strong>de</strong>r Trivialisierung zufrie<strong>de</strong>n gegeben. In gewisser Weise<br />

wollte und will sie näher an die zu erziehen<strong>de</strong>n Leute heran, will sie nicht in Rubriken,<br />

Kategorien, in digitalen Bewertungsmaßstäben <strong>de</strong>nken. Sie verbin<strong>de</strong>t mit sich eine Art<br />

‚Mehrwert’ o<strong>de</strong>r ein ‚Darüber hinaus’, sie will ‚Menschen bil<strong>de</strong>n’ und nicht nur ‚Material’<br />

heranziehen, das tauglich (im Sinne von andock-fähig) für die Gesellschaft ist.<br />

Der Ausdruck für diese Intention auf Enttrivialisierung ist, daß die sozialen Adressen <strong>de</strong>r<br />

zu Erziehen<strong>de</strong>n mit <strong>de</strong>n Einträgen <strong>de</strong>r ‚Eigen-Mächtigkeit’, <strong>de</strong>r Autonomie, <strong>de</strong>r Freiheit,<br />

<strong>de</strong>r Selbstreferenz, <strong>de</strong>r ‚Eigen-Wertigkeit’ versehen wer<strong>de</strong>n, das dann – je näher man an<br />

die Gegenwart herangeht – in immer entschie<strong>de</strong>nerem Maße, ablesbar an einer durchaus<br />

eingeführten und im System irgendwie überzeugen<strong>de</strong>n kanonischen Phraseologie. 13 Das<br />

System pflegt eine eigene Anthropo-Ontologie, in <strong>de</strong>r all diese Werte miteinan<strong>de</strong>r<br />

verbun<strong>de</strong>n sind, Gegen-Trivialisierungswerte, wie man sagen könnte, die auf eine seltsame<br />

10<br />

Es wäre je<strong>de</strong>nfalls son<strong>de</strong>rbar, wenn ich mich als Erzieher meiner Studieren<strong>de</strong>n auffassen wür<strong>de</strong>, und komisch, wenn<br />

die Studieren<strong>de</strong>n sich noch erziehen ließen.<br />

11<br />

Vgl. sowohl zur Trivialisierung wie zur Enttrivialisierung von Trivialmaschinen Foerster, H., KybernEthik.<br />

Perspektiven <strong>de</strong>r Technokultur, Berlin 1993, S.126-160.<br />

12<br />

Mitunter scheint es, als gehe <strong>de</strong>r Trend dahin, als sei es mittlerweile sozial evi<strong>de</strong>nt, daß Evaluation (und alle<br />

Anrainerbeschäftigungen) einen an<strong>de</strong>ren Sinn machen als <strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Trivialisierung <strong>de</strong>r Erziehung.<br />

13<br />

Vgl. zur Formel von <strong>de</strong>r kanonischen Phraseologie Schleichert, H., Über die Be<strong>de</strong>utung von "Bewußtsein", in: Krämer,<br />

S. (Hrsg.), Bewußtsein, Philosophische Beiträge, Frankfurt a.M. 1996, S.54-65, S.54.<br />

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