Artikel als PDF-Datei - Franz Hörmann
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Alternativen zum abgabenfinanzierten Staat<br />
Weshalb muss der Staat (der gesamte Währungsraum) sich überhaupt<br />
verschulden? Weshalb verschuldet er sich paradoxer Weise bei privaten<br />
Institutionen mit Gewinnabsicht, die in Wahrheit selbst wieder Bestandteil des<br />
Währungsraums sind?<br />
Prof. Dr. <strong>Franz</strong> <strong>Hörmann</strong> 1<br />
1. Vorbemerkungen und Zielsetzung .........................................................1<br />
2. Konzeptionelle Bausteine des Wirtschaftssystems .................................2<br />
3. Evolutionäre Modellstrukturen ..............................................................3<br />
4. Technologische und geistige Prämissen der Umsetzung ........................3<br />
5. Die Systemische Gesellschaftswissenschaft <strong>als</strong> Notwendigkeit..............4<br />
6. Conclusio ..............................................................................................5<br />
1. Vorbemerkungen und Zielsetzung<br />
Zurzeit werden „die Märkte“ von der „Gefahr des Staatsbankrotts“ in Atem<br />
gehalten. Angeblich hätten in den vergangenen Jahren etliche „Länder“ (gemeint<br />
sind natürlich die StaatsbürgerInnen, und hier wieder nicht die Finanzinvestoren<br />
oder Bankeigentümer!) „über ihre Verhältnisse gelebt“ und daher sollten die lokalen<br />
Regierungen dort „sparen“ (wohlgemerkt im Sozial-, Gesundheits- und<br />
Bildungsbereich, selbstredend wieder nicht bei den „Bankenrettungspaketen“).<br />
Völlig (bewußt?) ausgeblendet wird hierbei jedoch der Umstand, dass die<br />
„Schieflage“ etlicher Länder in der EU eine unmittelbare Folge der globalen<br />
Ausweitung der Geldmenge (durch „aus Luft erschaffenes“ Geld, sog. Fiat Money)<br />
war. Diese Gelder wurden im Kredit von diversen Geschäftsbanken erzeugt und von<br />
den Mitgliedern der „Finanzelite“ für spekulative Nullsummenspiele am sog.<br />
Kapitalmarkt verwendet.<br />
Unter tätiger Mithilfe sog. Bewerter und ihrer Organisationen wurde und wird<br />
Politik und Bevölkerung vorgelogen, diese manipulierten Kursänderungen hätten<br />
irgendetwas mit einem (ohnehin wissenschaftlich noch niem<strong>als</strong> tauglich definierten!)<br />
„Wert“, der einer konkreten Zahlungsmittelmenge entspräche, zu tun. Durch<br />
einfachste Manipulationen (z.B. das Schätzen zukünftiger Zahlungsflüsse, die<br />
willkürliche Auswahl einer Referenzgröße - „Kalkulationszinssatz“ - bzw. fingierte<br />
Transaktionen – im Falle des Fair Value Accounting Fraud) können Banken<br />
jederzeit dazu verleitet werden, durch Kreditvergabe Geld zu erzeugen, welches<br />
danach („gesichert“ durch die fiktiven, rein rechnerischen Papierwerte) den Insidern<br />
dieser Spiele ausgehändigt wird.<br />
Einer autoritären, teils auf Gehirnwäschemethoden basierenden „akademischen“<br />
Ausbildung in Verbindung mit (angeblich nach wie vor) intakten hervorragenden<br />
Karrierechancen in den einschlägigen Berufsständen (Investmentbanker,<br />
Unternehmensberater, Wirtschaftsprüfer etc.), somit einer Form von Korruption, ist<br />
es zu danken, dass diese absurden, mittelalterlichen Denkmodelle mit dem in ihnen<br />
angelegten horrenden Betrugspotential noch nicht flächendeckend von Politik und<br />
Bevölkerung <strong>als</strong> solche entlarvt wurden. Schon die Grundidee, der Staat müsse sich<br />
„verschulden“ ist absurd, eine Verschuldung bei privaten, gewinnorientierten<br />
Unternehmen hingegen wider die Logik und barer Betrug. Anleihebesitzer<br />
profitieren von leistungslosen Einkommen, welche von den SteuerzahlerInnen<br />
(unfreiwillig, unter gesetzlichem Zwang!) geleistet werden müssen! Erst mit der<br />
Beendigung dieses gefährlichen Unfugs wird die Politik wieder befreit von den<br />
(Schein-)Zwängen des „Budgets“ und kann sich erstm<strong>als</strong> den Interessen der<br />
Gesamtbevölkerung zuwenden und nicht bloß jenen der Gelderfinder und -verleiher<br />
1 Ao.Univ.-Prof. Dr. <strong>Franz</strong> <strong>Hörmann</strong>, Wirtschaftsuniversität Wien und<br />
Universität Linz<br />
1
(Banken). Ziel dieses Beitrags ist es aufzuzeigen, welche alternativen Methoden zur<br />
Geldversorgung von Wirtschaftsräumen basierend auf aktueller Technologie schon<br />
heute zur Verfügung stehen.<br />
2. Der mittelalterliche Irrglaube des „Geldwerts“<br />
Finanzielle Werte sind empirisch wissenschaftlich weder überprüfbar noch<br />
f<strong>als</strong>ifizierbar. Sie sind stets nur das Ergebnis von Schätzungen bzw. Berechnungen<br />
und können daher durch kein konkretes nachfolgendes Ereignis bestätigt oder<br />
widerlegt werden. Schon die doppelte Buchhaltung war eine Erfindung für<br />
oberitalienische Kaufleute. Selbstverständlich kann man für (Handels-)waren<br />
(allgemein: Umlaufvermögen) einen Geldbetrag <strong>als</strong> Schätzung des zukünftigen<br />
Verkaufserlöses ansetzen, um diese (zusammen mit den Barmitteln) den Schulden<br />
am selben Stichtag gegenüberzustellen. Doch schon eine „finanzielle Bewertung“<br />
von Anlagevermögen ist, genau genommen, überhaupt nicht möglich! Historische<br />
Anschaffungskosten unterstellen diesfalls nämlich, dass genau dieser Betrag in den<br />
zukünftigen Umsatzerlösen verdient werden (und zwar in einem über die<br />
Nachbeschaffung des erforderlichen Umlaufvermögens hinausgehenden Ausmaß)!<br />
Falls die Anschaffungskosten jedoch in den zukünftigen Umsatzerlösen nicht wieder<br />
verdient werden können, so war die Bewertung schon ex ante f<strong>als</strong>ch! Schon die<br />
ursprüngliche Anschaffung wäre diesfalls <strong>als</strong> Fehlinvestition zu qualifizieren und<br />
schon zum Anschaffungszeitpunkt in voller Höhe <strong>als</strong> Aufwand zu erfassen.<br />
Der zentrale Denkfehler der „finanziellen Bewertung“ von Vermögen ist, dass der<br />
Eigentümer immer nur ENTWEDER über den Vermögensgegenstand ODER<br />
den diesem entsprechenden Geldbetrag verfügt – niem<strong>als</strong> jedoch über beides<br />
zugleich! Genau dies jedoch suggeriert der „finanzielle Wert“ von Vermögen den<br />
Kreditgebern oder Investoren. Finanzielle Werte können stets nur über nachfolgend<br />
realisierte (Ver-)Kaufpreise empirisch bestätigt bzw. f<strong>als</strong>ifiziert werden. Da<br />
Anlagevermögen jedoch genutzt wird und für die Nutzung keine diskreten<br />
Einzahlungen nachgewiesen werden können (die Aufteilung der Umsatzerlöse auf<br />
Gebäude, Grund, Maschinen, Patente und Lizenzen etc. ist STETS<br />
WILLKÜRLICH), stellt die finanzielle Bewertung von Anlagevermögen keinen<br />
Bestandteil empirischer Wissenschaft, sondern einen Trugschluss basierend auf<br />
mittelalterlichem Aberglauben dar.<br />
Historische Anschaffungskosten sind jene Geldbeträge, die für die Anschaffung<br />
von Vermögen bezahlt wurden und daher im Unternehmen nicht mehr<br />
vorhanden sind. Dennoch werden sie in Bilanzen (welche diesem<br />
„Bewertungsparadigma“ folgen) ausgewiesen – eine irreführende und<br />
unwissenschaftliche Unsitte (wissenschaftlich) ungebildeter „Praktiker“!<br />
Aktuelle Marktwerte (besser: Marktpreise) können jederzeit (z.B. durch Schenkung<br />
des erforderlichen Geldbetrags!) beliebig manipuliert werden. Bei ihnen handelt es<br />
sich um Geld, das ANDERE MARKTTEILNEHMER besitzen und für ähnliche<br />
Vermögensgegenstände ausgeben würden. Auch diese Beträge werden jedoch (in<br />
Bilanzen, welche dem „Bewertungsparadigma des Fair Value“ folgen) in Bilanzen<br />
ausgewiesen – ebenfalls hohe Missbrauchsgefahr und wissenschaftlich<br />
abzulehnen!<br />
Die sogenannten „Discounted Cash Flows“ hingegen werden aus zukünftigen<br />
Zahlungsflüssen abgeleitet, die zum Bewertungszeitpunkt NOTORISCH<br />
UNBEKANNT sind. Der „Bewertungstheorie“ ist es bis heute nicht gelungen eine<br />
empirisch überprüfbare (= ex ante f<strong>als</strong>ifizierbare) Methode zur Schätzung dieser<br />
Zahlungsflüsse zu entwickeln.<br />
Somit ist der „Wert (gemessen) in Geld“ wissenschaftlich widerlegt.<br />
Auch der „Wert des Geldes“ ist hingegen ein wissenschaftlich unhaltbares Konzept!<br />
Die Umrechnung einer Währungseinheit in eine Gewichtseinheit (Edelmetall) hätte<br />
nur dann Sinn, wenn nicht dieses Edelmetall selbst ebenfalls wieder einen in der<br />
Währung festgelegten Preis hätte! In diesem Falle jedoch handelt es sich um eine<br />
Tautologie, einen Zirkelschluss. Die Deckung von Geld durch Schuldscheine kann<br />
ebenfalls nicht funktionieren (da Schulden schließlich nichts anderes sind <strong>als</strong><br />
zukünftig zu bezahlendes Geld). Daher ist auch der „Wert des Geldes“<br />
wissenschaftlich widerlegt.<br />
2
3. Vom Warengeld zum Informationsgeld<br />
Trennt man sich von der mittelalterlichen Vorstellung eines „Geldwerts“ bzw. eines<br />
„Werts in Geld“, so wird sehr schnell deutlich, dass Geld in einem<br />
Wirtschaftssystem eine ganz spezielle Funktion erfüllt: die Lenkung von Waren- und<br />
Leistungsflüssen. Waren und Dienstleistungen bewegen sich stets in Richtung der<br />
jeweils höchsten Kaufkraft. Dies kann <strong>als</strong> erwünscht oder unerwünscht klassifiziert<br />
werden, jedenfalls ist es die Konsequenz einer Geldwirtschaft. Wenn nun aber Geld<br />
nicht mehr <strong>als</strong> Ware funktioniert (ungedecktes Kreditgeld) und darüberhinaus bloß<br />
in den Computern der Banken erzeugt wird, dann sollte es durchaus möglich sein,<br />
diesen „Währungseinheiten“ zusätzliche Fähigkeiten hinzuzufügen, welche über die<br />
reine Abzählbarkeit (analog zu Goldstücken) hinausgehen.<br />
Hier wäre zunächst an personalisiertes Geld bzw. „Geld mit Gedächtnis“ zu denken.<br />
Die alte Weisheit, wonach „Geld kein Mascherl“ besitzt (d.h. Währungseinheiten<br />
stets anonym und spurlos weitergegeben werden) trifft zwar, ohne unvertretbaren<br />
Aufwand, auf bloße Goldstücke zu, im elektronischen Umfeld hingegen kann die<br />
Bezahlung eines Geldbetrages durchaus mit dem zugrundeliegenden Kontrakt<br />
verbunden bleiben, wodurch zu jedem Zahlungsstrom auch sofort die Gegenleistung<br />
bzw. die Vertragspartner ersichtlich wären. Durch die permanente Verbindung<br />
zwischen Vertragspartnern, Vertrag, Leistung und Gegenleistung (Bezahlung) kann<br />
das „Geld“ nicht mehr aus dem System entnommen werden. Es verbindet vielmehr<br />
die hintereinander ausgeführten Transaktionen, wodurch „Geld“ seine eigenständige<br />
Existenz verliert und nur noch den Charakter einer bestimmten Phase der<br />
Transaktionsprozesse annimmt (nämlich nach Erbringung der eigenen Leistung und<br />
in Erwartung einer Gegenleistung aus dem Währungsraum).<br />
Eine weitere, technisch jederzeit umsetzbare, Möglichkeit wäre funktionales Geld,<br />
d.h. Geld, welches nur für bestimmte Zwecke ausgegeben werden könnte (z.B. für<br />
Konsum in der Realwirtschaft). Dies könnte z.B. durch spezielle Rechnungskreise,<br />
in welchen diese virtuellen Währungen zirkulieren sehr einfach implementiert<br />
werden.<br />
Die zentrale Funktion der Preise im System der Geldwirtschaft ist jene der korrekten<br />
Darstellung von Knappheits-Relationen. Durch die permanenten Informations- und<br />
Macht-Asymmetrien jedoch werden Preise stets zur Bereicherung der jeweils<br />
mächtigeren (bzw. besser informierten) Marktparteien missbraucht, sodass die<br />
ursprüngliche Informationsfunktion der Preise von diesen nicht mehr erfüllt werden<br />
kann.<br />
Die Geldschöpfung erfolgt im heutigen Wirtschaftssystem durch (Geschäfts- und<br />
Zentral-)Banken. Diese erzeugen Geld stets gegen (verzinste) Schuld, sodass<br />
letztendlich auch immer der für die Zinsen erforderliche Betrag fehlt, weshalb neue<br />
Kredite aufgenommen werden müssen, welche wieder verzinst werden etc. Der<br />
Grund für dieses Problem ist <strong>als</strong>o ganz offensichtlich die Gewinnabsicht hinter der<br />
Geldschöpfung. Es ist auch unmittelbar einsichtig, dass die Erschaffung des<br />
zentralen Informationsmediums für sämtliche Transaktionsprozesse des<br />
Wirtschaftsraums nicht nach denselben Spielregeln erfolgen kann, wie die Geschäfte<br />
im Wirtschaftsraum selbst. Aus diesem Grunde sollte die Geldschöpfung ein<br />
kollektiver Akt der gesamten Wirtschaftssubjekte sein, d.h. für gewünschte<br />
Leistungen werden kollektiv angemessene (Geld- oder Sach-)Preise ausgeschrieben.<br />
Jene Personen, welche diese Leistungen sodann nachweislich erbracht haben,<br />
können den (Geld-)Preis danach auch öffentlich entgegennehmen und auch coram<br />
publico genießen, denn schließlich erzeugt dies nicht den Neid, der in unserer<br />
heutigen Gesellschaft zu bemerken ist, weil ja alle Menschen genau wissen, für<br />
welche konkreten Leistungen der Preis vergeben wurde. Im Gegenteil: der<br />
öffentliche Genuss dieses Preisgeldes wird für andere MitbürgerInnen sogar ein<br />
Ansporn sein, ebenfalls seine/ihre besten Fähigkeiten in den Dienst der<br />
Gemeinschaft zu stellen!<br />
3
4. Conclusio<br />
Die heute aktuelle Sichtweise von „Geldwerten“, „Wert des Geldes“ sowie „Natur<br />
des Geldes“ entstammen dem Mittelalter und sollten so schnell wie möglich von der<br />
gesamten Gesellschaft überwunden werden. Es ist völlig unverständlich, weshalb<br />
gerade der Berufsstand der Kaufleute seine beschränkte Weltsicht so nachhaltig der<br />
gesamten westlichen Kultur aufprägen konnte (und nicht etwa die Ärzte, die Lehrer<br />
oder die Künstler!). In jedem Akt der Erzeugung und Verteilung von Waren oder<br />
Dienstleistungen einen Eins-zu-Eins-Tausch (nach Kaufmannsbrauch!) zu sehen ist<br />
sicherlich wesentlich absurder <strong>als</strong> einen Heilungsprozess, einen Lernprozess oder<br />
aber eine Wohltat für die Seele (Kunstgenuss)!<br />
Die Zeit ist reif, dass Sichtweisen organistorisch und gesetzlich umgesetzt werden<br />
um die Selbstversorgung der aufgeklärten Gesellschaften nachhaltig und im Einklang<br />
mit der Natur und den Bedürfnissen sämtlicher beteiligter bzw. betroffener<br />
Menschen sowie sonstiger Lebewesen zu ermöglichen. Nur wenn diese alternative<br />
Sicht rechtzeitig von der gesamten Bevölkerung verinnerlicht und tagtäglich gelebt<br />
wird, hat die menschliche Art eine realistische Überlebenschance im dritten<br />
Jahrtausend!<br />
Literaturverzeichnis<br />
Heinsohn, Gunnar, Steiger, Otto: Eigentumsökonomik, Marburg 2005<br />
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