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pdf-file:12.06.2005 - Friedenskirche Göttingen

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Predigt am 12.6.2005 zur Visitation „Vom verlorenen Sohn“<br />

<strong>Friedenskirche</strong> <strong>Göttingen</strong>, Pastor Ralf Reuter<br />

Alter rück den Zaster raus, die Konfirmanden haben mit ihrem Lied die Geschichte vom<br />

Verlorenen Sohn auf den Punkt gebracht, liebe Gemeinde!<br />

Den Zaster, es geht hier um Geld, worum sonst, wer ein Teil eines Erbes bekommen kann, der<br />

geht doch shoppen, schönes Leben machen. Im Konfirmandenunterricht gestern meinten<br />

einige: Klar, Haus kaufen, Klamotten, Ferrari. Andere sagten nach einigem Nachdenken: Nee,<br />

besser ist es, einen vernünftigen Beruf bekommen, das Geld sinnvoll anlegen.<br />

Der Zaster, der Stoff, aus dem die Träume sind, der Zaster muß nicht nur das Geld sein, das<br />

können auch die eigenen Gaben und Fähigkeiten sein. Dann ist mit dem Alten Gott gemeint:<br />

Ich nehme all das, was du in mir angelegt hast, durch Gene und Ausbildung, all mein Wissen,<br />

meine Kraft, mein Können, mein Aussehen, meinen Charme, und mache damit, was ich will,<br />

ohne dich.<br />

Wenn wir an keine Gebote, keine Moral, keinen Glauben mehr gebunden wären, dann, ja dann<br />

bräuchten wir keine Rücksicht nehmen, dann nehmen wir uns, was wir kriegen können. Mag<br />

uns Gott vieles geschenkt haben, mögen unsere Eltern uns vieles gegeben haben, nun sind wir<br />

sie los und machen freies Spiel der Kräfte.<br />

Die Geschichte vom verlorenen Sohn ist an dieser Stelle auch erschreckend. Ohne<br />

Rückbindung an Werte, ohne Halt auf die Menschheit losgelassen, das ist grausam, da landen<br />

Menschen nicht nur in der Gosse, da werden sie gewalttätig, da morden sie, betrügen, beuten<br />

aus.<br />

Auch hier gibt es die vernünftigere Möglichkeit: Mit seinen Gaben und Fähigkeiten etwas<br />

sinnvolles machen, das geht ja auch ohne Gott. Bis dann die Abstürze kommen, die<br />

Hungersnot plötzlich, die ja eine Entlassung sein kann aus dem geliebten Beruf, oder eine<br />

Krankheit oder Behinderung, mit der es sich nicht mehr so gut leben lässt. Und die anderen<br />

Menschen sind oft hart wie der, an den sich der verlorene Sohn hielt, dieser Bürger eines<br />

Landes, der ihn zum Schweinehüten schickt, ihm aber nichts zu essen gibt.<br />

Heute ist das oft die Haltung gegenüber Arbeitslosen, Kranken, Behinderten: Klar, ich helfe<br />

dir, nur an meinem Leben lasse ich dich nicht teilnehmen, da gebe ich dir nichts ab.<br />

Und dann wird die Geschichte richtig interessant: Ist eine Umkehr möglich? Hat eine Krise<br />

immer auch Chancen? Wie geht es zurück zu den Wurzeln, zu dem, was einen erst groß und<br />

stark gemacht hat, zum Elternhaus wie zu Gott? Wie lernt man wieder das Leben lieben, und<br />

sich und seine Erfahrungen annehmen und verarbeiten?<br />

Und er ging in sich, heißt es da. Was immer das heißt, ob es ein Nachdenken war, oder eine<br />

Therapie, oder eine religiöse Erfahrung oder alles zusammen, hier ist plötzlich ein Halt, und<br />

eine neue Reise beginnt. Jetzt nicht mehr heraus aus dem Elternhaus und von Gott weg,<br />

sondern eine neue Reise hin zu den Wurzeln, zu Gott, auf der Suche nach dem Lebensgrund,<br />

dem Sinn hinter allem.<br />

Das ist spannend, wie er sich selber plötzlich zurücknimmt und nur noch Knecht bei seinem<br />

Vater sein will, nicht mehr Sohn. Er setzt im Leben tiefer an, um nicht gleich wieder zu<br />

scheitern. Und dann hat er den Mut loszugehen, seinen Vater wiederzusehen.


Wunderbar, wie der Alte ihn aufnimmt, das würden nur wenige Väter wirklich machen, ohne<br />

Vorwürfe „wo ist mein ganzes Geld geblieben“, „warum hast du mir das angetan“. An dieser<br />

Stelle wird es richtig schön menschlich, und es ist eine Mahnung an alle, die ihre Kinder, aus<br />

welchen Gründen auch immer, verfluchen und nicht mehr haben wollen. Hier geht es anders,<br />

besser zu.<br />

Und dann ist da in unserer Deutung noch Gott. Was macht Gott, im Beispiel dieses Vaters<br />

gesehen? Er küsst ihn, - du gehörst zu mir -, er lässt ihm das beste Gewand holen – du bist<br />

unendlich viel wert -, er gibt ihm einen Ring an seine Hand – ich glaube dir, hier hast du mein<br />

Siegel – und er reicht ihm Schuhe – du sollst deine Freiheit wiederbekommen. Und dann<br />

feiert er mit ihm ein Fest, mit dem gemästetem Kalb und allem, was dazugehört.<br />

Wie immer wir zu Gott stehen, diese Geschichte sagt: Gott sieht in uns seinen Lebensentwurf<br />

und möchte, dass wir uns entfalten und entwickeln. Und wo uns dieser Lebensentwurf<br />

verloren geht, da tut Gott alles, um uns wieder auf die Spur eines sinnvollen Lebens zu<br />

bringen.<br />

Es sind die Menschen, die diese Güte Gottes manchmal gar nicht gut sehen können. Der ältere<br />

Sohn, der ist sauer: er hat alles durchgebracht, aber mir, der immer deine Gebote gehalten hat,<br />

mir hast du noch nie ein Fest geschenkt. Klar, so denken wir, wer wollte sich davon<br />

freimachen.<br />

Und doch ist auch dieser Schluß so wahnsinnig interessant: Wenn der Vater ein Beispiel für<br />

Gott ist, dann ist der ältere Sohn ein Beispiel für die im guten Sinne Frommen, für uns<br />

Gemeindemitglieder, die sich in der Gemeinde engagieren, die Gottes Werte und seine Gebote<br />

achten, die sich einsetzen für andere, die helfen.<br />

Und gerade die sehen dies Wunder nicht: Da war jemand verloren, und er ist<br />

wiedergewonnen, da war jemand ganz fern von Gott und allem Sinn des Lebens und nun ist er<br />

wieder zu den Wurzeln allen Lebens zurückgekehrt.<br />

Es braucht wohl ein großes Fest, um hier aufzutauen, um vergeben zu können und sich<br />

mitzufreuen. Manchmal haben die es einfacher, die schon einmal ganz draußen waren, sie<br />

können das Wunder ermessen, wenn jemand zurückkehrt zum Urgrund allen Lebens.<br />

Und trotzdem, bei allem Zaster, ich wünsche niemandem, dass er hinauszieht mit dem Spruch<br />

Alter rück den Zaster raus, und hoffe gleichzeitig, dass ich annehmen kann, mich freuen kann<br />

über die, die umkehren und wiederkommen, wo und wann auch immer.<br />

Amen.

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