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pdf-file: 09.01.2005 - Friedenskirche Göttingen

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Predigt zum Jahres-Eröffnungs-Gottesdienst am 9.1.2005<br />

über Lk 22,32, <strong>Friedenskirche</strong> <strong>Göttingen</strong>, Pastor Ralf Reuter<br />

Liebe Gemeinde,<br />

im Eröffnungs-Gottesdienst zum neuen Jahr noch mit dem Glanz und den Lichtern des<br />

Weihnachtsfestes an der Seite und im Rücken, und doch schon den Blick nach vorne<br />

gerichtet, in diesem Jahr schon im März das Osterfest, gehen wir dem Licht der Auferstehung<br />

entgegen.<br />

Im Woher – Wohin des Weges geborgen, schauen wir in diesen noch jungen Wochen nach<br />

Südostasien, sind mit dem Herzen bei den Opfern und Betroffenen dieser Naturkatastrophe<br />

unvorstellbaren Ausmaßes, die da am 2. Weihnachtstage hereinbrach.<br />

Ich habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre, diese Worte von Jesus Christus, die<br />

Jahreslosung 2005, wir mögen sie den Menschen sagen wollen: Was auch immer passiert ist,<br />

hör nicht auf, an diese Welt, an den Sinn deines Lebens zu glauben, dass dein Glaube nicht<br />

aufhöre!<br />

Dies auch für uns, in einer Welt, zu der auch Natur-Katastrophen gehören, wir hatten es fast<br />

vergessen. Schon Immanuel Kant, nach dem schweren Erdbeben 1755 in Lissabon, versuchte<br />

sich Kenntnisse zu verschaffen von der Erde, „dem inwendigen Bau des großen Klumpens,<br />

den wir bewohnen“ und betonte zum Schluss das menschliche Unvermögen, die<br />

„demüthigende Erinnerung ..., dass er doch niemals etwas mehr als ein Mensch sei.“ Etwas<br />

mehr als ein Mensch, wenig niedriger als Gott, so im 8. Psalm, der Mensch als Ebenbild<br />

Gottes zwischen Schöpfung und Sintflut, zwischen Wissen und Ohnmacht.<br />

Der Glaube, der gebraucht wird zu dieser Welt, um immer wieder neu aufzubauen, was<br />

zerstört wurde, der Glaube, der auch nicht irre wird durch Terror und Blutvergießen, auch<br />

durch keinen 11.September.<br />

Der Glaube, der hindurchträgt in Krankheiten und in schweren Schicksalen, die immer wieder<br />

persönlich erfahren werden, da sollen wir dennoch leben, leben und lieben mit der ganzen<br />

Kraft, die Gott uns immer wieder schenkt. Und selbst da, wo wir nicht mehr bitten können, da<br />

bittet Jesus zu Gott für uns: Ich habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre.<br />

Das ist die Botschaft für das neue Jahr, für uns als Gesellschaft, als Kirchengemeinde, als<br />

Familie, als Mensch. Dass dein Glaube nicht aufhöre in deinem Tun und Handeln, in deinem<br />

Bemühen und Streben, in deinen Aufgaben und Sorgen, in dem, was du dir vorgenommen<br />

hast und in dem, was dir auferlegt wird, in den vielen Prozessen der Veränderung des neuen<br />

Jahres.<br />

Von den Veränderungsprozessen will ich etwas erzählen, damit wir durch den Glauben die<br />

Kraft finden, sie mit zu gestalten: unsere Welt, unser Berufsleben, unsere Wirtschaft, unsere<br />

Kirchengemeinden, das Alter, die Bevölkerungsstruktur, die Beziehungen, alles ist im<br />

Wandel, ist in Veränderung, ist in einem ständigen Erneuerungsprozess und will gesteuert<br />

werden. Hier hat uns Gott mit ins Boot gesetzt und uns das Ruder in die Hand gedrückt:<br />

Verkriech dich nicht, dreh auch nicht durch, sondern halte Kurs, mit „festem Herz und weitem<br />

Horizont“ (Traugott Giesen).


Veränderungsprozesse steuern, - auch seine eigenen, privaten-, dazu ist es wichtig, die<br />

verschiedenen Phasen zu kennen und sie einzuhalten, wie die einzelnen Stationen bei der<br />

Überquerung eines Meeres. Die erste Frage, ohne die die ganze Mission schief gehen wird, ist:<br />

Unter welcher Flagge segeln wir? Was ist die Vision, welches Bild treibt uns an?<br />

Die Macht der inneren Bilder, so hat es der Göttinger Neurobiologe Gerald Hüther genannt,<br />

welche Muster haben wir im Gehirn abgespeichert, die uns steuern, die Visionen von dem,<br />

was wir erreichen wollen. Da mag Jesus immer wieder für uns beten, dass wir von guten,<br />

hilfreichen Bildern bestimmt sind, vom Licht und nicht von der Finsternis, vom lebendigen<br />

Brot des Lebens, von Shalom und Friede auf Erden. Bilder der Bibel, Bilder der Erfüllung<br />

(Eugen Drewermann) und, so die Hoffnung von Hüther am Ende seines Buches, von<br />

„Zuversicht“.<br />

Mit Zuversicht beginnen, und dann die Betroffenen zu Beteiligten machen, was uns bewegt,<br />

einbringen, die bisherigen Erfahrungen schildern. Diese zweite Station verlangt Zuhören, ja,<br />

anderen zuhören, sie zu Wort kommen lassen, und sich selber auch, das eigene Herz<br />

ausschütten, mit allen Ängsten, Verletzungen, Schrammen, Altlasten.<br />

Aber immer auch: Von den gelingenden Erfahrungen, vom Wissen, von den Weisheiten, die<br />

sich angesammelt haben. Wer sich auf die Reise begibt, muß Klarheit haben über das Gepäck,<br />

das er da mitschleppt.<br />

Veränderungsmanagement in einer Kirchengemeinde beginnt immer zuerst mit einer<br />

Vorstellung, einem Bild, wo wir mit Gottes Hilfe in 5 Jahren sein wollen, nimmt dann als<br />

zweites das Potential und die Erfahrungen der Menschen mit ins Boot, und diskutiert als<br />

drittes, was wir wie und wo verändern wollen, die Suche nach dem richtigen Weg: Wie kann<br />

es gelingen, die Attraktivität des Hagenbergs zu steigern, jungen Familien den Zuzug<br />

erleichtern, das Gemeinwesen zu stärken? Was müssen wir als Kirchengemeinde<br />

sinnvollerweise verändern, im Angebot der Gottesdienste, in den Kreisen und Gruppen, im<br />

Kindergarten, in der Ausstrahlungskraft unserer Mitglieder.<br />

An dieser Stelle werden viele innerlich mitgehen, aufblühen, und andere etwas<br />

zusammenzucken, Angst bekommen. Deshalb hier noch einmal der Sinn von Veränderung:<br />

Immer ist unser Leben auf dem Weg, so wie das Volk Gottes schon bei Mose von Station zu<br />

Station zog, so wie Jesus ein wandernder Gottessohn war, so wie Martin Luther die<br />

Reformation wiederentdeckt hat, das ständige Reformieren, so wie wir heute neu sehen: Wenn<br />

wir uns nicht aktiv verändern und mitgestalten, so werden wir verändert und gestaltet durch<br />

andere.<br />

Es ist die Kraft des Glaubens, die uns hier ganz behutsam nach vorne trägt und ohne Scheu<br />

mitwirken lässt, - Salz der Erde und Licht der Welt sein. Es ist gut zu hören, wie Jesus für uns<br />

sagt: Ich habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre, dass du dein Leben immer<br />

wieder neu gestaltest.<br />

Dass wir als Kirche uns immer wieder auf den Weg machen. „Wer glaubt, denkt weiter“, so<br />

ist das in meinem Studium in Hamburg formuliert worden.<br />

Und dann, nach einem offenen und freien Hin und Her aller Beteiligten, muß eine<br />

Entscheidung getroffen werden: das sind unsere Ziele für die nächsten Jahre, darauf legen wir<br />

uns jetzt fest, bekennen uns dazu, unterschreiben alle, als Zeichen, wir stehen dahinter.<br />

Bekenntnis bringt Klarheit, - auch dies müssen wir wohl neu lernen, die Unverbindlichkeit<br />

verwirrt und bringt nichts zustande -, Klarheit für uns, wohin die Reise gehen soll, damit wir<br />

nicht jeden Morgen neu überlegen müssen, welche Schuhe wir uns anziehen sollen und was


zu tun ist. Und Klarheit für andere, „dahin sind sie unterwegs“, damit sie uns unterstützen<br />

können, oder auch kritisieren, was ja hilfreich ist.<br />

Erst durch das Bekenntnis, der vierten Station, entsteht so etwas wie ein Kraftfeld, entsteht<br />

Power, ein Sog in die Zukunft, eine Schneise durch das lähmende und pessimistische Umfeld<br />

hindurch.<br />

Ein Ziel haben, Menschen die mitgehen, die sich einbringen, einen Weg gefunden haben, sich<br />

entschieden haben, „diesen Weg und nicht jenen“, dann erst geht es wirklich los, dann kann<br />

umgesetzt werden. Da sind wir schon an der 5. von 6 Stationen angelangt. Wer auf dem Meer<br />

ist, sollte seine Aufmerksamkeit auf die Fahrt übers Meer richten. Wer als Mutter oder Vater<br />

in der Kinderphase ist, muß Bezugsperson sein, und selbst als Großeltern ist jetzt die schönste<br />

Zeit mit den Enkeln angesagt, die sollte man sich nicht entgehen lassen.<br />

Und anderes: wenn Examen ist, ist Examen, wenn die Orgel renoviert wird, ist<br />

Orgelrenovierung (so voraussichtlich hier in diesem Jahr), wenn Operation ist, ist Operation,<br />

wenn Abschied, ist Abschied, wenn Neuanfang, ist Neuanfang. Es ist wichtig zu erkennen, an<br />

welcher Station man steht, in den Vorhaben und Abläufen des Lebens und Arbeitens. Hier, an<br />

der 5. Station, ist direkter Einsatz gefragt, da muß man rudern und segeln, was das Zeug hält,<br />

und braucht Geduld, um durchzustehen, die Zeit optimal zu nutzen.<br />

Und dann wird gefeiert, die 6. Station. Wer das vergisst, hat vom Leben nichts verstanden, ist<br />

undankbar Gott und den Menschen gegenüber. Es hat einen tiefen Sinn, etwas bewusst zu<br />

beginnen und etwas bewusst zu beenden, es ausklingen lassen, noch einmal zu schauen,<br />

welche Wegstrecke man miteinander zurückgelegt hat.<br />

Die Bilder des Jahres zeigen, wie wir gleich im Gemeindehaus. Damit nicht nur Stress und<br />

Anstrengung da ist, sondern auch die Vergewisserung: Sieh doch, wie wunderbar Gott uns<br />

geführt hat.<br />

Der feierliche Abschluss, dies gilt auch für jeden einzelnen Tag: Feiere am Abend diesen Tag,<br />

mit allen Mühen und allen Freuden, schließ ihn ab und leg ihn in Gottes Hand. Und schau dir<br />

auf keinen Fall in der letzten halben Stunde vor dem Schlafengehen noch die neuesten<br />

Schreckensnachrichten im Fernsehen an! Nimm ein positives Bild mit in den Schlaf, in den<br />

Traum, und beginn den neuen Tag mit einem guten Bild, mit Hoffnung und Zuversicht!<br />

Wie im Kleinen, so im Großen: die Stationen gehen immer wieder von vorne los, das<br />

Beständige liegt im Weitergehen, im Verändern, „nur wer sich ändert, bleibt sich treu“ (Wolf<br />

Biermann).<br />

Ob der Tag, die Woche, das Jahr, die Projekte, die Vorhaben, die Geschäfte, die Beziehungen,<br />

die Gemeinde, die Anliegen in Gesellschaft und Politik, die Hilfsmaßnahmen für Menschen in<br />

Not, sie alle durchlaufen immer wieder diese 6 Stationen: Die Vision, die Beteiligung der<br />

Betroffenen, das Suchen nach dem Weg, die Entscheidung, die Umsetzung und das Feiern.<br />

Pass auf, dass du immer mit Herz, Verstand und Einsatz genau dort bist, wo dein Anliegen,<br />

dein Leben sich befindet, auf der Höhe der Zeit.<br />

Und so lassen wir in diesem Jahr mit der Jahreslosung für die ganze Welt, für unsere<br />

Gemeinde, für uns alle und ganz persönlich jeder für sich Jesus Christus bitten und sprechen:<br />

Ich habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre. Amen.

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