22.10.2013 Aufrufe

Versuch einer Analyse: Frau Klein - Frommann-Holzboog

Versuch einer Analyse: Frau Klein - Frommann-Holzboog

Versuch einer Analyse: Frau Klein - Frommann-Holzboog

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

von mir fernzuhalten. Nichtsdestoweniger machte sich der Junge während<br />

dieser sehr unregelmäßigen <strong>Analyse</strong> keines einzigen Vergehens schuldig,<br />

wurde aber während der Unterbrechung wieder delinquent und daraufhin<br />

sofort in die Besserungsanstalt eingeliefert. All meine <strong>Versuch</strong>e, ihn nach<br />

m<strong>einer</strong> Rückkehr wieder in die <strong>Analyse</strong> zu holen, schlugen fehl. In Anbetracht<br />

sämtlicher Umstände zweifle ich nicht im mindesten daran, daß er<br />

eine kriminelle Laufbahn eingeschlagen hat (1927 b, S. 277).<br />

Bezüglich der Einzelheiten des Falles sei auf Melanie <strong>Klein</strong>s einschlägigen Artikel<br />

verwiesen – wie so manche Arbeit von Melanie <strong>Klein</strong>, die sie nach ihrer Übersiedlung<br />

Mitte 1926 nach London veröffentlicht hat, findet eine Publikation und<br />

Rezeption im deutschsprachigen Raum erst Jahrzehnte später statt. Unter dem<br />

Titel Über kriminelle Triebregungen bei normalen Kindern erschien diese Arbeit erstmals<br />

1985. In die Gesammelten Schriften ist sie nun in der Übersetzung von Elisabeth<br />

Vorspohl mit dem Titel Kriminelle Strebungen bei normalen Kindern eingegangen.<br />

Manche Aspekte aus den Behandlungsnotizen habe ich anderenorts<br />

beschrieben (vgl. Frank, 2000).<br />

In diesem Rahmen möchte ich darauf abheben, daß Melanie <strong>Klein</strong> 1921 – wenige<br />

Wochen nachdem sie nach Berlin übersiedelt war – auch gegenüber diesem<br />

»verwilderten« Jungen sich um ein analytisches Verstehen bemüht und damit eine<br />

grundsätzlich andere Haltung einnimmt als Hug-Hellmuth mit ihrer heilerziehlichen<br />

<strong>Analyse</strong>, in die moralisierende Momente einfließen. Wie sah nun dieser<br />

<strong>Versuch</strong> aus? Was das Setting betrifft, so ist den Unterlagen zu entnehmen, daß<br />

Melanie <strong>Klein</strong> ihren Patienten aufforderte, sich auf die Couch zu legen und frei<br />

zu assoziieren – beides rief immer wieder seinen Widerstand hervor. Sie konzeptualisiert<br />

das Material auf dem Hintergrund des von Sigmund Freud beschriebenen<br />

Ödipus-Komplexes. Mit Hilfe von Freuds Arbeit Verbrecher aus<br />

Schuldbewußtsein (1916 d) versucht sie, seine kriminellen Strebungen zu verstehen.<br />

Melanie <strong>Klein</strong> notierte aber auch das Material, das sich ihrem Verständnis offensichtlich<br />

teilweise entzog. So hält sie in den sieben Seiten umfassenden Behandlungsnotizen<br />

zweimal fest, daß ihr Patient wiederholt auf »Phantasien von<br />

der Elektrischen« zu sprechen kommt. Aus den Notizen geht hervor, daß die<br />

Phantasie dahingehend lautet, daß die Elektrische auf dem Rückweg von der<br />

321<br />

Claudia Frank

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!