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Belletristik Festgebundene Schmöker Warum du mich verlassen hast Paul Ingendaay Gebunden, 505 S., 24,80 € Eine Internatsgeschichte aus Deutschland: Der autobiografisch gefärbte Roman erzählt von Leid und Lust des jungen Marko, der in alter Familientradition in einem katholischen Internat von Mönchen erzogen wird. Wenn der Alltag zu absurd wird, flüchtet er sich in die Welt der Bücher, was dem Roman eine reizvolle zweite Erzählebene verleiht. Marko träumt davon, endlich ein Mädchen kennen zu lernen; die schwulen Aspekte des Internatslebens bekommt er trotzdem zu spüren. Ingendaay beschreibt die unglaublichen Zustände in dieser Klosterschule mit viel Humor und verschafft dem Leser damit ein sehr unterhaltsames Leseerlebnis mit ernstem Hintergrund. Melnitz Charles Lewinsky Gebunden, 772 S., 24,90 € Die fast 800 Seiten starke Saga der jüdischen Familie des Salomon Meijer: Als 1871 nachts ein entfernter Verwandter an die Tür der Meijers klopft, ahnt noch keiner in der Familie, wie radikal sich ihr Leben ändern wird. Über vier Generationen erstreckt sich ihre Geschichte voller Liebesglück und Lebenstrauer, ihr Kampf um Erfolg und Anerkennung. Charles Lewinsky erzählt mit einer Gestaltungskraft, die den Leser unweigerlich zu einem bangenden, hoffenden und fiebernden Teil dieser Familie werden lässt. So und ähnlich begeistert zeigten sich die Kritiker, und sie haben Recht. Und: nicht nur für unsereins dürfte der schwule Arzt Arthur eine der eindrücklichsten Figuren dieses wunderbaren Romans werden. Wintereyes Lev Raphael Gebunden, 339 S., 24,00 € Der Held dieses Roman, Stefan Borowski, ist ein Teenager, dessen Eltern als polnische Juden den Holocaust überlebt haben und jetzt in Manhattan leben. Seine Eltern haben ihre traumatischen Erlebnisse verdrängt, sind verbittert und leben ein völlig zurückgezogenes Leben, so dass auch Stefan nach und nach zum kontaktscheuen Einzelgänger wird. Einziger Lichtblick ist sein Onkel Sasha, ein alleinstehender Musiklehrer, bei dem Stefan Klavierunterricht nimmt. Als seine Eltern sich scheiden lassen, zieht Stefan zu seinem Onkel. Und dann lernt er einen anderen Jungen kennen, der sich für ihn zu interessieren scheint. Stefan beginnt, seine bisher nicht eingestandenen schwulen Sehnsüchte zu akzeptieren … Lev Raphaels Roman, bereits 1992 erschienen, wurde in der amerikanischen Kritik als eines der besten Bücher gelobt, die die Perspektiven jüdischen und schwulen Lebens behandeln. Eine Freude, dass es Verlage gibt, die solche Juwelen fürs deutsche Publikum ans Licht bringen; und sei es mit vielen Jahren Verspätung! 6 Berliner Verhältnisse Raul Zelik Gebunden, 318 S., 18,00 € Mario wohnt mit seinem schwulen Mitbewohner Piet und den Rumänen Wassilij und Didi in einer WG in Kreuzberg. Daseinsformen wie Hundebesitzer am Kottbusser Tor, antifaschistisches Kollektiv, offene Fünferbeziehung hat er hinter sich, und jetzt, mit 32 Jahren, kommt die Sinnkrise. Plötzlich geht ihm der WG-Lärm auf die Nerven: Die Rumänen müssen raus! Wassilij und Didi, Bauarbeiter ohne Arbeitsgenehmigung, warten aber noch auf ihren Lohn. Erst wenn der eingetrieben wird, besteht Hoffnung. Man gründet ein Inkasso-Unternehmen und ist gerade wegen der Dämlichkeit, mit der man dabei zugange ist, unerwartet erfolgreich. Die Berliner Verhältnisse treiben dem Umsturz entgegen. Zeliks Unterschichtenroman ist politische Gesellschaftskritik in Form pechschwarzer Komödie und derart unverschämt lustig, dass kein Auge trokken bleibt. Grotesk, durchgeknallt, rasant und einfach grandios! Angelo Luchino Visconti Gebunden, 178 S., 17,80 € Der Leopard, Tod in Venedig und natürlich Ludwig II mit Helmut Berger in der Titelrolle – Filme, die man unwillkürlich mit dem Namen Visconti verbindet. Dass er auch literarisch tätig war, wussten bisher nur wenige. Diese Erzählung beschreibt das erwachsen Werden eines vierzehnjährigen Jungen – voller Sinnlichkeit und mit großer atmosphärischer Dichte – und, wie man unschwer feststellen kann: autobiografisch inspiriert. Schon dieser frühe Text, in dem das Leben eines Jungen aus der Vorstadt in Armut und Sinnlichkeit geschildert wird, verrät das Auge des späteren Regisseurs: Der zarte und empfindsame Angelo ist froh, nach einer Tuberkulose-Erkrankung wieder zu seiner geliebten Mama zurück zu dürfen. Aber jetzt gibt es dort einen Untermieter, Tonino, mit dem er das Zimmer teilen muss …
Belletristik K r i m i n e l l e s Wie man sie zum Schweigen bringt Leena Lehtolainen Taschenbuch, 383 S., 8,90 € Der Innenarchitekt und Stadtrat Petri Ilvesniemi wird auf dem Weg zu einer Sitzung überfallen und stirbt an seinen Verletzungen. Haben Rechtsradikale den bekennenden Schwulen umgebracht? Oder vielleicht Stadtratskollege Kari Rahnasto, dessen Schwiegersohn eine Affäre mit dem Toten hatte? Die Liste der Verdächtigen ist damit noch lange nicht vollständig. Eines bekommt Maria Kallio recht schnell heraus: Jemand hat den Kleinkriminellen Marko angeheuert, um Petri einen Denkzettel zu verpassen. Doch das hilft Maria nicht weiter, denn kurz danach wird die Leiche des Ganoven auf einer Müllhalde entdeckt. Die Anweisung von oben, den Fall damit für beendet anzusehen, schmeckt ihr überhaupt nicht, und so ermittelt sie auf eigene Faust weiter und lässt sich dabei noch nicht einmal von einer Bombe vor ihrer eigenen Haustür aufhalten. Die Toten von Santa Clara Robert Wilson Gebunden, 507 S., 19,90 € Während ganz Sevilla unter der Hitze des Sommers leidet, wird Chefinspektor Javier Falcon in eine der klimatisierten Villen des Nobelvororts Santa Clara gerufen. Dort scheint der reiche Bauunternehmer Rafael Vega seinem Leben durch eigene Hand ein Ende bereitet zu haben. Die Staatsanwaltschaft will den Fall schnell zu den Akten legen, denn dieser Tod ist ein Skandal für Sevillas gute Gesellschaft. Falcon aber ermittelt privat weiter … Wie in Falcons erstem Fall (Der Blinde von Sevilla, TB, 640 S., 9,90 €) spielt bald auch das Thema Homosexualität bzw. Pädophilie eine Rolle: Der eben volljährige Sohn eines der Beteiligten wurde gerade zu einer Haftstrafe verurteilt, weil er einen achtjährigen Jungen missbraucht haben soll. Falcon zweifelt seine Schuld bald an, denn mit Kinderhandel und organisiertem Missbrauch scheinen ganz andere Leute ihr Geld zu verdienen … Das Krimi-Modethema Pädo-Netzwerke ist nun wirklich nicht mehr neu, aber Robert Wilson schreibt einfach um Klassen besser als der Durchschnitt: Top-Krimi mit düsterer Atmosphäre. 7
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