28.10.2013 Aufrufe

Ruth – Lebensszenen, Mutige Wege einer selbstbewussten Frau

Beim nächsten Elternsprechtag saßen wir beide uns an einem kleinen Schul­tisch gegenüber. Wir blickten uns spöttisch lächelnd an, und Ralf begann for­melhaft etwas von Alyssia vorzutragen. „Ralf, hörst du mal bitte auf, so einen Stuss zu reden!“ stoppte ich ihn. „Was sollen wir denn machen?“ fragte er hilf­los. Ich war aufgestanden, zu ihm rüber gegangen und forderte ihn auf: „Steh bitte auf, so kann man doch nicht sitzen.“ Wir standen uns direkt gegen­über, und sahen uns in die Augen. „Weißt du was der Schülerin Alyssia Stein am aller besten helfen wird, wenn du jetzt sofort und unverzüglich ihre Mutter küsst.“ erklärte ich. Er atmete tief, schaute mich mit großen Augen an, und zog mich zu sich. Obwohl ich es für mein offizielles Selbstverständnis immer abgestritten hätte, aber jetzt ging für mich ein kleiner Traum in Erfüllung. Ich presste mich an ihn, und rieb mich an sei­nem Körper. Ralf begann an meiner Bluse zu fum­meln. Ich wehrte ab. „Küs­sen, nicht ausziehen!“ erklärte ich, obwohl ich nach meinem Empfinden eigent­lich nichts dagegen, wahrscheinlich sogar nichts lieber gehabt hätte.

Beim nächsten Elternsprechtag saßen wir beide uns an einem
kleinen Schul­tisch gegenüber. Wir blickten uns spöttisch lächelnd
an, und Ralf begann for­melhaft etwas von Alyssia vorzutragen.
„Ralf, hörst du mal bitte auf, so einen Stuss zu reden!“ stoppte
ich ihn. „Was sollen wir denn machen?“ fragte er hilf­los.
Ich war aufgestanden, zu ihm rüber gegangen und forderte
ihn auf: „Steh bitte auf, so kann man doch nicht sitzen.“
Wir standen uns direkt gegen­über, und sahen uns in die Augen.
„Weißt du was der Schülerin Alyssia Stein am aller besten helfen
wird, wenn du jetzt sofort und unverzüglich ihre Mutter küsst.“
erklärte ich. Er atmete tief, schaute mich mit großen Augen an,
und zog mich zu sich. Obwohl ich es für mein offizielles
Selbstverständnis immer abgestritten hätte, aber jetzt ging
für mich ein kleiner Traum in Erfüllung. Ich presste mich an ihn,
und rieb mich an sei­nem Körper. Ralf begann an meiner Bluse
zu fum­meln. Ich wehrte ab. „Küs­sen, nicht ausziehen!“
erklärte ich, obwohl ich nach meinem Empfinden eigent­lich
nichts dagegen, wahrscheinlich sogar nichts lieber gehabt hätte.

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Erste Berührung mit Alyssia<br />

Nach dem Frühstück fuhr ich schon sehr rechtzeitig los. Auf der Intensivstation<br />

wollte man mich sofort wieder vor die Tür weisen. Ich erklärte kurz, worum es<br />

gehe und man mir gestern Abend versichert habe, ich dürfe heute tagsüber zu<br />

Alyssia ins Zimmer. Die Schwester und der Arzt schauten sich zweifelnd an.<br />

„Aber Madame, was wollen sie denn dort. Ihre Tochter wird sie nicht hören, sie<br />

wird sie nicht sehen, sie wird gar nicht bemerken, dass sie da sind. Sie befindet<br />

sich in tiefster Bewusstlosigkeit.“ versuchte mir der Arzt zu erklären. „Ich<br />

möchte meine Tochter wenigstens noch einmal lebendig berührt haben, noch<br />

einmal ihre Hand gehalten haben, bevor sie morgen vielleicht tot und kalt ist.“<br />

reagierte ich und mir kamen wieder die Tränen. Wahrscheinlich kam ich durch<br />

meine theatralischen Formulierungen leichter zum Weinen, als durch die tatsächliche<br />

Situation, in der sich Alyssia befand. Der Arzt wollte mich belehren,<br />

dass ich das so nicht sehen dürfe, mit jedem weiteren Tag potenziere sich die<br />

Hoffnung, dass sie es schaffen werde. Das sie es bis jetzt geschafft habe, sei<br />

schon ein ganz großer Schritt. Am kritischten seien die ersten Stunden nach<br />

der Operationen, aber wenn sie jetzt auch schon die ganze Nacht überstanden<br />

habe, berechtige das zu sehr guten Hoffnungen. Dann öffnete er mir die Tür<br />

und meinte noch. „Aber ganz kurz und sehr zurückhaltend.“ Es war für mich<br />

richtig erhebend, meine Alyssia wieder berühren zu können, und selbst zu spüren:<br />

„Sie lebt wirklich noch. Ihre Hände sind ganz warm.“ Ich streichelte ihr<br />

Gesicht, betastete ihre Lippen, ihre Augenbrauen, ihre Nase. Sie war es wirklich,<br />

und ich musste sie einfach wieder hier zurück lassen.<br />

Ich fragte den Arzt, wie denn das Finanzielle zu regeln sei. Sie müssten die<br />

Rechnungen nämlich an mich privat schicken und wo ich denn einen Termin<br />

beim Chef bekommen könne. Er erklärte mir alles, und als ich ins Büro vom<br />

Chef kam, war er gerade selbst anwesend. Als er mitbekam worum es ging,<br />

meinte er, ich könne ja nicht so lange warten, bis ich einen Termin bekomme,<br />

es sei ja dringend. Wenn es mir möglich wäre, solle ich doch am besten Morgen<br />

schon vor der Visite kommen. Wenn es ginge schon um 7:30 Uhr, dann<br />

hätten wir eine ganze Stunde Zeit. „So lernt man auch mal die Mutter kennen.“<br />

meinte er zum Abschied. Als ich ihn mit großen fragenden Augen anschaute,<br />

fügte er hinzu „Na von unserer süßen Poetin. C'est formidable, très formidable,<br />

Madame.“. Mittlerweile hatte es sich wohl nicht nur im Krankenhaus herum gesprochen,<br />

wer Alyssia war, es stand heute in allen Zeitungen und gestern<br />

Abend war sogar in den Nachrichten kurz erwähnt worden, dass die Ärzte um<br />

ihr Überleben kämpften. Ma chèr, ganz Frankreich nahm Anteil an ihrem<br />

Schicksal, nur sie selbst bekam nichts davon mit. Trotzdem war ich mir sicher,<br />

dass sie es schaffen würde. Einen Grund gab es dafür nicht. Allein das Gefühl,<br />

Alyssia angefasst zu haben, sie berührt und gestreichelt zu haben, bereitete<br />

mir ein kleines Hochgefühl, und auch der Professor, der von Zweifeln nichts<br />

hatte erkennen lassen und nicht zuletzt der Stationsarzt, der von der sich potenzierenden<br />

Hoffnung gesprochen hatte, verstärkten meine Sicherheit, das sie<br />

überleben werde. Ich fuhr richtig gut gelaunt zurück nach Combaillaux, und<br />

berichtete den anderen. Sie wollten mir erzählen, dass es in der Zeitung stünde,<br />

aber ich wusste ja schon aus dem Krankenhaus, dass es überall in den Zeitungen<br />

stehe, und dass es sogar in den Fernsehnachrichten erwähnt worden<br />

<strong>Ruth</strong> - <strong>Lebensszenen</strong> <strong>–</strong> Seite 115 von 209

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!