Gesundheit und Fitness für Fussballerinnen - Fifa
Gesundheit und Fitness für Fussballerinnen - Fifa
Gesundheit und Fitness für Fussballerinnen - Fifa
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
100 YEARS FIFA 1904 - 2004<br />
Fédération Internationale de Football Association<br />
FIFA-Strasse 20 Postfach 8044 Zürich Schweiz<br />
Tel.: +41-(0)43-222 7777 Fax: +41-(0)43-222 7878 www.FIFA.com<br />
<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> <strong>und</strong> <strong>Fitness</strong><br />
<strong>für</strong> <strong>Fussballerinnen</strong><br />
Ein Leitfaden <strong>für</strong> Spielerinnen <strong>und</strong> Trainer
<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> <strong>und</strong> <strong>Fitness</strong><br />
<strong>für</strong> <strong>Fussballerinnen</strong><br />
Ein Leitfaden <strong>für</strong> Spielerinnen <strong>und</strong> Trainer
2 CONTENT | HEALTH AND FITNESS IN THE FEMALE FOOTBALL PLAYER<br />
HEALTH AND FITNESS IN THE FEMALE FOOTBALL PLAYER | CONTENT 3<br />
Inhalt<br />
<strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> <strong>und</strong> <strong>Fitness</strong> <strong>für</strong> <strong>Fussballerinnen</strong><br />
Grusswort des FIFA-Präsidenten 4<br />
Verletzungen bei Frauen – wann <strong>und</strong> warum bin ich gefährdet? 6<br />
Wie beuge ich Verletzungen vor? 12<br />
Knöchelverletzungen <strong>und</strong> wie ich sie vermeide 16<br />
Wie Risse des vorderen Kreuzbandes verhindert werden können 24<br />
Kopfverletzungen <strong>und</strong> wie ich sie vermeide 36<br />
Die richtige Fussballkost – <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>, <strong>Fitness</strong> <strong>und</strong> Leistung fördern 42<br />
Wie schütze ich meine Knochen? 50<br />
Fragen <strong>und</strong> Antworten zum Frauenfussball 56
4 GRUSSWORT DES FIFA-PRÄSIDENTEN | GESUNDHEIT UND FITNESS FÜR FUSSBALLERINNEN<br />
GESUNDHEIT UND FITNESS FÜR FUSSBALLERINNEN | GRUSSWORT DES FIFA-PRÄSIDENTEN<br />
5<br />
Grusswort des FIFA-Präsidenten<br />
Liebe Mitglieder unserer weltweiten Fussballfamilie,<br />
wenn der Frauenfussball auch schon seit über<br />
30 Jahren fest in der Sportwelt verankert ist, so<br />
erfolgte doch nach der ersten von der FIFA veranstalteten<br />
Frauen-Weltmeisterschaft in der Volksrepublik<br />
China im November 1991 ein geradezu<br />
sprunghafter Aufstieg. Heute gibt es gemäss der<br />
letzten Übersicht von Big Count 26 Millionen<br />
Mädchen <strong>und</strong> Frauen, die in 180 Ländern weltweit<br />
Fussball spielen.<br />
Das hohe Spielniveau, die Entwicklung neuer Weltjugendmeisterschaften,<br />
die Etablierung von professionellen<br />
Ligen in zahlreichen Ländern, die<br />
Aus dehnung des Breitenfussballs auf Frauen <strong>und</strong><br />
das stetig wachsende Interesse des Publikums<br />
sind Zeugen des unaufhaltsamen Aufschwungs in<br />
diesem Sportbereich.<br />
Das bedeutet allerdings nicht, dass sich die FIFA<br />
auf ihren Lorbeeren ausruhen kann. Um unserem<br />
Motto „Für das Spiel. Für die Welt.“ gerecht zu<br />
werden, muss die FIFA bei beiden Geschlechtern<br />
<strong>und</strong> auf jedem Spielniveau alle mit dem Spiel in<br />
Zusammenhang stehenden Aspekte einbeziehen.<br />
Nur so kann der Frauenfussball sein beeindru-<br />
Die FIFA muss sich auch um Aspekte<br />
kümmern, die über das eigentliche Spiel<br />
hinausgehen, um sicherzustellen, dass der<br />
Frauenfussball sein imposantes Wachstum<br />
auf wirklich solider Basis fortsetzen kann.<br />
ckendes Wachstum auf einer wirklich breiten <strong>und</strong><br />
soliden Gr<strong>und</strong>lage fortsetzen.<br />
In dieser Hinsicht spielen die medizinischen Aspekte<br />
zweifellos eine herausragende Rolle. Es versteht<br />
sich von selbst, dass dem Frauenfussball in der<br />
medizinischen Forschung <strong>und</strong> Ausbildung dieselbe<br />
Aufmerksamkeit gebührt wie dem Männerfussball.<br />
Darüber hinaus müssen den Mädchen <strong>und</strong> Frauen<br />
im Training <strong>und</strong> zur Vorbeugung von Verletzungen<br />
Informationen <strong>und</strong> Strategien zur Verfügung stehen,<br />
die genau auf ihre besonderen Bedürfnisse<br />
zugeschnitten sind.<br />
Ich hoffe, dass diese Broschüre genau diesen<br />
Anliegen gerecht wird <strong>und</strong> Frauen <strong>und</strong> Mädchen<br />
hilft, ihren Lieblingssport sicher <strong>und</strong> mit ungetrübter<br />
Freude spielen zu können.<br />
Joseph S. Blatter<br />
FIFA-Präsident
Verletzungen bei Frauen –<br />
wann <strong>und</strong> warum bin ich gefährdet?
8 VERLETZUNGEN BEI FRAUEN – WANN UND WARUM BIN ICH GEFÄHRDET? | GESUNDHEIT UND FITNESS FÜR FUSSBALLERINNEN<br />
GESUNDHEIT UND FITNESS FÜR FUSSBALLERINNEN | VERLETZUNGEN BEI FRAUEN – WANN UND WARUM BIN ICH GEFÄHRDET? 9<br />
Verletzungen bei Frauen – wann <strong>und</strong> warum bin ich gefährdet?<br />
Der Spass am Fussball kann manchmal dadurch getrübt werden, dass wir jedes Mal,<br />
wenn wir den Platz betreten, die Möglichkeit einer Verletzung in Kauf nehmen müssen.<br />
Der überwiegende Teil der fussballmedizinischen Forschung befasst sich mit Männern, zumeist<br />
Profi s. Die Forschung über Frauen hat demgegenüber noch einen weiten Weg vor sich. Hier<br />
ein kurzer Überblick über das, was wir über Fussballverletzungen von Frauen wissen.<br />
Die wenigsten sind sich dessen bewusst, doch das derzeitige<br />
Wachstum im Fussball weltweit ist vor allem darauf<br />
zurückzuführen, dass mehr <strong>und</strong> mehr Frauen Fussball spielen.<br />
Gemäss Zahlen der FIFA hat der Anteil der Frauen im<br />
Fussball in den letzten zehn Jahren in den USA um 210 %,<br />
in der Schweiz um 250 % <strong>und</strong> in Deutschland um 160 %<br />
zugenommen. Viele andere Länder weisen ein ähnlich<br />
beeindruckendes Wachstum des Frauenfussballs auf.<br />
Die FIFA hat diesem Wachstum Rechnung getragen. Die<br />
erste FIFA Frauen-Weltmeisterschaft fand 1991 in China<br />
statt <strong>und</strong> wird derzeit wie diejenige der Männer im Vier-<br />
Jahres-Rhythmus durchgeführt. Die höchste Zuschauerzahl,<br />
die bisher bei einer Frauen-Sportveranstaltung registriert<br />
wurde, betrug 90 000. Das war beim Finale der<br />
USA gegen China bei der FIFA Frauen-Weltmeisterschaft<br />
1999; dieses Spiel wurde weltweit übertragen. Frauenfussball<br />
ist heute eine olympische Disziplin <strong>für</strong> Nationalteams.<br />
Seit 2002 hält die FIFA ausserdem alle zwei Jahre<br />
Weltmeisterschaften <strong>für</strong> U-20-Spielerinnen ab, ab 2008<br />
wird es auch regelmässige Weltmeisterschaften <strong>für</strong> U-17-<br />
Spielerinnen geben.<br />
Diese Entwicklung eröffnet allen Mädchen <strong>und</strong> Frauen die<br />
Möglichkeit, das Spiel zu spielen <strong>und</strong> aktiv an der weltweiten<br />
Fussballgemeinschaft teilzunehmen. Mehr <strong>und</strong> mehr<br />
Frauen geniessen so die gesellschaftlichen <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>heitlichen<br />
Vorteile des Sports, <strong>und</strong> dies über alle Kulturen<br />
<strong>und</strong> Altersklassen hinweg. Trotz dieser zunehmenden<br />
Bedeutung des Frauenfussballs richtete <strong>und</strong> richtet sich die<br />
Erforschung verschiedenster Aspekte des Spieles vor allem<br />
an Männern aus, nur wenige Studien befassen sich mit<br />
Frauen. Das aber bedeutet, dass die meisten Fortschritte<br />
im Frauenfussball auf Ergebnissen von Untersuchungen<br />
basieren, die Männern galten.<br />
In ähnlicher Weise beruht unser Wissen hinsichtlich Verletzungen<br />
ebenfalls mehrheitlich auf Männern, zumeist Profi -<br />
spielern, bei grossen Turnieren. Die besten Untersuchungen<br />
zu Verletzungen von Frauen konzentrieren sich auf Profi -<br />
oder andere Spitzenspielerinnen. Mit wenigen Ausnahmen<br />
ist die Verletzungsrate bei Frauen allgemein niedriger als<br />
bei Männern. Wir beschränken uns hier auf die FIFA-Forschungsergebnisse,<br />
da die gleichbleibenden Erhebungsmethoden<br />
der Daten den Vergleich zwischen verschiedenen<br />
Turnieren <strong>und</strong> auch mit Männern erleichtern.<br />
Verletzungen bei FIFA-Frauenturnieren<br />
Die FIFA verfügt über Daten von 184 Frauenspielen bei<br />
sieben internationalen Turnieren: die FIFA Frauen-Weltmeisterschaften<br />
1999 <strong>und</strong> 2003, die Olympischen Spiele<br />
2000 <strong>und</strong> 2004 <strong>und</strong> die Jugendweltmeisterschaften<br />
(U-19 2002 <strong>und</strong> 2004; U-20 2006). Insgesamt wurden<br />
348 Verletzungen berichtet, was 2,2 Verletzungen pro<br />
Spiel ausmacht. Bei Männern liegt diese Rate bei 2,7. Die<br />
beiden FIFA Frauen-Weltmeisterschaften hatten die niedrigste<br />
Verletzungsrate (1,5 Verletzungen pro Spiel) <strong>und</strong> die<br />
Jugendweltmeisterschaften die höchste (2,7 Verletzungen<br />
pro Spiel). Warum verletzen sich jüngere Spielerinnen häufi<br />
ger als ältere? Das ist eine gute Frage, denn dieser Trend<br />
zeigt sich auch bei Männern. Möglicherweise sind jüngere<br />
Spielerinnen weniger erfahren auf diesem hohen Niveau,<br />
oder sie spielen engagierter, um aufzufallen <strong>und</strong> eventuell<br />
auch <strong>für</strong> die älteren Teams ausgewählt zu werden.<br />
Nehmen wir also an, wir hätten uns verletzt. Wie schlimm<br />
ist diese Verletzung? Die übliche Weise, die Schwere einer<br />
Verletzung einzuschätzen, ist die Zeit, <strong>für</strong> die eine Spielerin<br />
aussetzen muss. In der Forschung bedeutet ein Ausfall<br />
<strong>für</strong> sieben oder weniger Tage eine leichte Verletzung. Die<br />
FIFA-Daten der grossen internationalen Turniere zeigen,<br />
dass nur die Hälfte der Verletzungen einen Spielausfall<br />
nach sich zieht. 78 % der Verletzungen mit Ausfall können<br />
als leicht bezeichnet werden, <strong>und</strong> viele Spielerinnen<br />
müssen gar nicht aussetzen. Vollständige Bänderrisse <strong>und</strong><br />
Knochenbrüche verursachen die längsten Auszeiten.
10 VERLETZUNGEN BEI FRAUEN – WANN UND WARUM BIN ICH GEFÄHRDET? | GESUNDHEIT UND FITNESS FÜR FUSSBALLERINNEN<br />
GESUNDHEIT UND FITNESS FÜR FUSSBALLERINNEN | VERLETZUNGEN BEI FRAUEN – WANN UND WARUM BIN ICH GEFÄHRDET? 11<br />
Kopf 16 %<br />
Obere Extremität 8 %<br />
Unterschenkel 11 %<br />
Wie zu erwarten, betrafen zwei Drittel der Verletzungen<br />
die Beine. Der am zweithäufigsten verletzte Körperteil<br />
war der Kopf mit knapp unter 20 % aller Verletzungen,<br />
gefolgt von Körperstamm <strong>und</strong> Arm. Die Verteilung der<br />
Verletzungen bei Frauen <strong>und</strong> Männern ist ähnlich. Die<br />
Mehrzahl der Verletzungen betreffen wie erwähnt die<br />
Beine, vor allem Knöchel, Knie <strong>und</strong> Oberschenkel. Die<br />
meisten Verletzungen sind Prellungen, Verstauchungen<br />
oder Bänderrisse <strong>und</strong> Muskelzerrungen oder -risse. Die<br />
am häufi gsten auftretende Verletzung überhaupt ist die<br />
Knöchelverstauchung. Nahezu alle Studien zu Verletzungen<br />
bei Fussballspielerinnen unterstreichen die hohe Rate<br />
an Knie- <strong>und</strong> besonders vorderen Kreuzbandverletzungen<br />
(VKB). In dieser Broschüre haben wir den Verletzungen<br />
von Knöchel, Knie <strong>und</strong> Kopf deshalb eigene Kapitel<br />
gewidmet, in denen auf Verletzungen dieser Regionen im<br />
Detail eingegangen wird.<br />
Oberkörper 9 %<br />
Oberschenkel 12 %<br />
Knie 11 %<br />
Knöchel 24 %<br />
Für viele Spielerinnen überraschend, betreffen die Verletzungen<br />
im Zweikampf sowohl die angreifende (45 %) als<br />
auch die Spielerin in Ballbesitz (55 %). Dies im Gegensatz<br />
zu den Männern, wo 26 bis 34 % der verletzten Spieler<br />
die Angreifer sind. Darüber hinaus sind Spielerinnen bei<br />
Angriffen mit Hineingrätschen deutlich mehr, bei Angriffen<br />
von hinten aber weniger gefährdet als Männer.<br />
Zu welchem Zeitpunkt eines Spiels ist das Verletzungsrisiko<br />
am grössten? Zu Beginn der ersten oder der zweiten<br />
Spielhälfte, wenn man unbedingt zu spielen beginnen<br />
möchte? Oder später in einer Halbzeit, wenn wir langsam<br />
müde werden? Die richtige Antwort wäre: jeweils<br />
gegen Ende der beiden Halbzeiten. Die ersten 15 Minuten<br />
jeder Spielhälfte weisen dagegen die niedrigste Ver-<br />
„Nach meiner Erfahrung ist die am<br />
meisten ge<strong>für</strong>chtete Verletzung eine<br />
Kreuzbandverletzung.“<br />
Fran Hilton-Smith, technische Leiterin Frauenfussball<br />
des südafrikanischen Fussballverbandes<br />
letzungsrate auf. Danach werden Verletzungen immer<br />
häufiger. Ein Zusammenhang mit der Spielzeit besteht<br />
<strong>für</strong> Verletzungen allgemein, nicht aber in derselben Weise<br />
<strong>für</strong> die jeweiligen unterschiedlichen Arten von Verletzungen.<br />
Wer lange genug spielt <strong>und</strong> häufiger reist, wird früher<br />
oder später Spiele auf Kunstrasen absolvieren. Es gibt<br />
heftige Diskussionen darüber, ob Verletzungen auf Kunstrasen<br />
seltener oder häufiger sind als auf Naturrasen.<br />
Aufgr<strong>und</strong> der bisherigen Forschung können wir ruhigen<br />
Gewissens sagen: Die Verletzungsrate auf Kunst- <strong>und</strong><br />
Naturrasen ist ähnlich, <strong>und</strong> zwar sowohl im Training als<br />
auch im Spiel.<br />
Was können wir zusammenfassend über<br />
Verletzungen bei Frauen sagen?<br />
1. Die allgemeine Verletzungsrate von Frauen ist niedriger<br />
als diejenige von Männern.<br />
2. Das Verteilungsmuster der Verletzungen ist bei Männern<br />
<strong>und</strong> Frauen mehr oder weniger gleich, aber Frauen<br />
erleiden mehr Kopf- <strong>und</strong> Kniebänderverletzungen als<br />
Männer.<br />
3. Die Verletzungsrate im Spiel ist deutlich höher als im<br />
Training.<br />
4. Bisher konnten Studien keine Unterschiede in den Verletzungen<br />
fi nden, wenn Frauen auf Natur- oder Kunstrasen<br />
spielen.<br />
Abb. 1: Verletzungslokalisation bei Fussballspielerinnen bei FIFA-Turnieren Autor:<br />
Don Kirkendall, PhD<br />
Spiel, Training, Natur- oder Kunstrasen – spielt<br />
das eine Rolle?<br />
Basierend auf folgenden Artikeln:<br />
Gefährliche Situationen im Spiel<br />
– Junge A, Dvorak J (2007) Injuries of Female Football Players<br />
Aus Erfahrung wissen wir, dass die meisten Verletzun-<br />
during Top-level International Tournaments. Br J Sports Med,<br />
Was würden wir sagen, wenn man uns nach den gefährgen<br />
im Spiel auftreten, wenn Einsatz <strong>und</strong> Spieleifer am<br />
41 Suppl. I: i3-i7<br />
lichsten Spielsituationen fragen würde? Vermutlich wür-<br />
grössten sind. Dies wird durch die Forschung bestätigt: – Fuller CW, Dick RW, Corlette J, Schmalz R (2007) Comparison<br />
den wir alle Tackling als ziemlich gefährlich bezeichnen.<br />
Der Vergleich zeigt eine sechs- bis achtmal höhere Ver-<br />
of the incidence, nature and cause of injuries sustained on grass<br />
Die überwiegende Zahl von Verletzungen ist tatsächlich<br />
letzungsrate im Spiel verglichen mit Training. Gr<strong>und</strong>sätz-<br />
and new generation artifi cial turf by male and female football<br />
genau darauf zurückzuführen – Tackling – nur 16 % aller<br />
lich werden die Beine sowohl im Spiel als auch im Trai-<br />
players. Part 1: Match injuries. Br J Sports Med, Suppl. I: i20-i26<br />
Verletzungen geschehen ohne jede Fremdeinwirkung.<br />
ning am häufi gsten verletzt. Manche Verletzungen sind – Tscholl P, O’Riordan D, Fuller CW, Dvorak J, Gutzwiller F,<br />
Nahezu 30 % der durch Tackling bedingten Verletzungen<br />
aber situationsbedingt unterschiedlich häufi g, z. B. gibt<br />
Junge A (2007) Causation of Injuries in Female Football Players<br />
bei Frauen gehen auf ein Foul zurück, bei Männern sind<br />
es im Spiel weit mehr Kopf- <strong>und</strong> Nackenverletzungen als<br />
during Top-level Tournaments. Br J Sports Med, Suppl.: i8-i14<br />
dies die Hälfte aller Verletzungen während des Spiels.<br />
Somit scheint sich also das Muster der Verletzungen bei<br />
Frauen <strong>und</strong> Männern doch deutlich zu unterscheiden.<br />
im Training.
Wie beuge ich Verletzungen vor?
14 WIE BEUGE ICH VERLETZUNGEN VOR? | GESUNDHEIT UND FITNESS FÜR FUSSBALLERINNEN<br />
GESUNDHEIT UND FITNESS FÜR FUSSBALLERINNEN | WIE BEUGE ICH VERLETZUNGEN VOR? 15<br />
Wie beuge ich Verletzungen vor?<br />
Wenn wir uns <strong>für</strong> den Fussball entscheiden, denken wir zweifellos zuletzt<br />
an mögliche Verletzungen, die uns auf die Ersatzbank oder sogar zum Aufhören<br />
zwingen könnten.<br />
Viele Sportverletzungen sind Unfälle, die einfach passieren,<br />
andere dagegen folgen einem vorhersagbaren Muster.<br />
Wenn die Umstände einer Verletzung aber vorhersagbar<br />
sind, dann könnte es auch einen Weg geben, sie zu<br />
verhindern. Wenn wir Verletzungen vermeiden, sind wir<br />
gesünder, bleiben auf dem Spielfeld aktiv <strong>und</strong> werden so<br />
besser. Vermeiden wir Verletzungen, steigen unsere Chancen,<br />
uns als Spielerinnen weiterzuentwickeln.<br />
Es gibt unzählige Ratschläge, wie man Verletzungen verhindern<br />
kann. Viele scheinen einleuchtend, doch Mediziner<br />
ziehen es vor, zu prüfen, ob ein Vorbeugungsprogramm<br />
wirksam ist, <strong>und</strong> diese Wirkung zu beweisen. Ärzte<br />
wollen Beweise, nicht etwas, das einfach einleuchtet.<br />
Vorbeugungsprogramme können allgemein sein, das<br />
heisst, sie sind so angelegt, dass sie auf Verletzungen<br />
gr<strong>und</strong>sätzlich abzielen, oder sie können sich gezielt einer<br />
bestimmten Verletzung widmen. Der Vorgang, um zu<br />
beweisen, dass ein Programm wirkt, ist weitgehend vereinheitlicht.<br />
Zuerst gilt es festzustellen, wie häufig eine<br />
Verletzung auftritt. Als Nächstes wird ermittelt, wie eine<br />
Verletzung geschieht. Als Drittes wird ein Vorbeugungsprogramm<br />
entwickelt <strong>und</strong> in der Praxis umgesetzt. Als<br />
Letztes wird die Verletzungsrate nach Einführen des Programms<br />
ermittelt. Wirkt es, wird die neue Verletzungsrate<br />
unter der zu Beginn ermittelten liegen.<br />
Ein anderes Konzept, um den Ablauf von Verletzungen zu<br />
erforschen, ist die Bestimmung typischer Risikofaktoren <strong>für</strong><br />
eine Verletzung. Dazu muss eine grössere Zahl von Spielerinnen<br />
untersucht werden, anschliessend werden die<br />
Daten der Spielerinnen, die die Verletzung erlitten haben,<br />
genauer untersucht <strong>und</strong> häufig vorkommende Gemeinsamkeiten<br />
als Risikofaktoren angesehen.<br />
Bei allen Vorbeugungsprogrammen ist die Regelmässigkeit<br />
ein Schlüsselfaktor. Das beste Programm wird wenig<br />
Wirkung zeigen, wenn es nur einmal pro Woche, dagegen<br />
weit mehr, wenn es drei- bis fünfmal oder noch häufi ger<br />
pro Woche absolviert wird. Es ist tatsächlich gar nicht so<br />
entscheidend, was genau wir tun, sondern dass wir es<br />
regelmässig tun!<br />
Autor:<br />
Don Kirkendall, PhD<br />
Basierend auf folgendem Artikel:<br />
– van Mechelen W, Hlobil H, Kemper HC (1992) Incidence,<br />
severity, aetiology and prevention of sports injuries. A review<br />
of concepts. Sports Med 14 (2): 82-99<br />
„Frauen verletzen ihre Knie häufiger als Männer. Deshalb<br />
ist Vorbeugung ganz entscheidend, insbesondere, was Koordination,<br />
Kraft <strong>und</strong> Beweglichkeit angeht. Die Vorbeugung von Verletzungen muss<br />
während des ganzen Jahres in das Trainingsprogramm integriert werden.<br />
Hochwertiges Training heisst weniger Belastung <strong>für</strong> den Körper.“<br />
Tina Theune-Meyer, frühere Cheftrainerin des deutschen Frauennationalteams
Knöchelverletzungen<br />
<strong>und</strong> wie ich sie vermeide
18 KNÖCHELVERLETZUNGEN UND WIE ICH SIE VERMEIDE | GESUNDHEIT UND FITNESS FÜR FUSSBALLERINNEN<br />
GESUNDHEIT UND FITNESS FÜR FUSSBALLERINNEN | KNÖCHELVERLETZUNGEN UND WIE ICH SIE VERMEIDE 19<br />
Knöchelverletzungen <strong>und</strong> wie ich sie vermeide<br />
Knöchelverstauchungen sind die Verletzungen, die im Fussball am häufi gsten zu einem<br />
Ausfall führen. Konkret heisst das: Die Spielerin kann mehrere Wochen lang weder trainieren<br />
noch spielen. Während viele Verletzungen Unfälle sind, die einfach passieren, folgen Knöchelverstauchungen<br />
einem vorhersagbaren Muster. Wenn wir die erste Verstauchung auch meist<br />
nicht verhindern können, so können wir doch viel tun, um weitere zu vermeiden.<br />
Sind die typischen Umstände einer Verletzung bekannt,<br />
fragen sich Trainer, Spielerinnen <strong>und</strong> Ärzte, ob es damit<br />
nicht auch möglich ist, die Verletzung zu verhindern. Wird<br />
eine Verletzung verhindert, bleibe ich als Spielerin ges<strong>und</strong><br />
<strong>und</strong> kann weiterspielen – <strong>und</strong> damit besser werden. Viele<br />
Forschungsprogramme setzen sich zum Ziel, Knöchelverstauchungen<br />
zu verhindern, doch die Frage ist, ob diese<br />
Programme auch wirksam sind.<br />
Knöchelverstauchungen sind die allgemein häufigsten<br />
Gelenksverletzungen im Sport. Im Fussball machen sie<br />
etwa 15 % aller Verletzungen aus. Bei Spielerinnen amerikanischer<br />
Universitätsteams liegt die allgemeine Verletzungsrate<br />
bei 20 Verletzungen pro 1000 Spielst<strong>und</strong>en.<br />
Von diesen sind ungefähr 3 bis etwas über 4 Verletzungen<br />
pro 1000 Spielst<strong>und</strong>en Knöchelverstauchungen. Diese Verletzungsrate<br />
steigt mit dem Spielniveau: Bei FIFA-Turnieren<br />
liegt die Rate an Knöchelverletzungen bei 10 pro 1000<br />
Spielst<strong>und</strong>en.<br />
Wie kommt es zu Knöchelverstauchungen?<br />
Die häufi gste Verstauchung wird Inversionsverstauchung<br />
genannt. Dabei kommt es beim Umknicken nach aussen zu<br />
einer Verletzung der Bänder am Aussenknöchel. Zumeist<br />
geschieht dies bei Bodenunebenheiten des Spielfeldes <strong>und</strong><br />
beim Treten auf den Fuss einer anderen Spielerin beim<br />
Laufen oder beim Landen. Ein sehr typisches Unfallmuster<br />
im Fussball ist es, wenn eine Gegnerin von der Seite in den<br />
Lauf grätscht, dabei die Innenseite des Beines trifft <strong>und</strong> es<br />
so zum Umknicken bzw. Vertreten des Fusses direkt beim<br />
Zusammenprall oder infolge einer spontanen Ausweichreaktion<br />
auf das Grätschen kommt.<br />
Davon abgesehen konnten folgende Einfl ussfaktoren einer<br />
Knöchelverstauchung ausgemacht werden: die Knöchelkraft,<br />
der Bewegungsumfang, die Haltungskontrolle, die<br />
Propriozeption (unser Stellungssinn, der dem Gehirn sagt,<br />
wo sich unsere Glieder gerade befi nden) <strong>und</strong> frühere Knöchelverletzungen.<br />
Ausmass, Vorhandensein oder Fehlen<br />
dieser Risikofaktoren bestimmen das persönliches Risiko<br />
einer Spielerin, sich den Knöchel zu verstauchen.<br />
Was kann ich tun, um eine Knöchelverstauchung<br />
zu verhindern?<br />
Als Spielerin kann ich alle oben genannten Risikofaktoren<br />
kontrollieren, mit Ausnahme einer früheren Knöchelverstauchung:<br />
Entweder hatte ich eine solche bereits oder<br />
eben nicht. Bei den übrigen Faktoren aber entscheide ich<br />
selbst, ob ich mich ihnen im Training widmen will oder<br />
nicht. Das bedeutet, dass der Erfolg eines Vorbeugungsprogramms<br />
nicht zuletzt von meiner persönlichen Verletzungsvorgeschichte<br />
abhängt.<br />
Eine sehr wichtige gr<strong>und</strong>sätzliche Erkenntnis der meisten<br />
Untersuchungen zu Vorbeugungsprogrammen ist, dass die<br />
Konsequenz, mit der ich die Übungen ausführe, das Risiko<br />
<strong>für</strong> nahezu alle Verletzungen senkt – nicht nur, sondern<br />
einschliesslich der Knöchelverstauchungen. Und nun zu<br />
den wichtigen Einzelheiten bei Knöchelverstauchungen.<br />
Eine häufi g verwendete vorbeugende Massnahme ist die<br />
eine oder andere Art von Knöchelstütze, sei es eine halbstarre<br />
oder eine mit Luft gefüllte Schiene. Taping dagegen<br />
scheint zur Vermeidung von Knöchelverstauchungen nicht<br />
wirksam zu sein, <strong>und</strong> zwar unabhängig von der persönlichen<br />
Vorgeschichte. Ausserdem ist Taping teuer <strong>und</strong> zeitaufwändig.<br />
Der Gebrauch der starren oder luftgefüllten Knöchelstützen<br />
ist dagegen bei Spielerinnen mit einer vorhergehenden Verstauchung<br />
sehr wirksam, umso mehr, wenn diese in derselben<br />
Saison auftrat. Ein wichtiges Forschungsergebnis zur<br />
Vorbeugung ist, dass ein verstauchter Knöchel nach einer<br />
stattgef<strong>und</strong>enen Verletzung <strong>für</strong> einige Monate geschützt<br />
werden sollte. Wenn die meisten Spielerinnen in einer Knö-<br />
„Ich habe meine Knöchel während Spiel <strong>und</strong> Training<br />
immer getapt. Ich wurde auch mehrfach operiert <strong>und</strong> musste oft<br />
Schmerzmittel nehmen, um spielen zu können. Heute mache ich immer<br />
noch Gleichgewichtsübungen auf dem Wackelbrett <strong>und</strong> benutze<br />
manchmal nach dem Spiel noch Coldpacks. Aber vor allem habe ich<br />
mich an den Schmerz gewöhnt <strong>und</strong> gelernt, damit zu leben.“<br />
Prisca Steinegger, 30, Spielführerin des schweizerischen Nationalteams,<br />
die unter wiederholten Knöchelverletzungen leidet
20 KNÖCHELVERLETZUNGEN UND WIE ICH SIE VERMEIDE | GESUNDHEIT UND FITNESS FÜR FUSSBALLERINNEN<br />
GESUNDHEIT UND FITNESS FÜR FUSSBALLERINNEN | KNÖCHELVERLETZUNGEN UND WIE ICH SIE VERMEIDE 21<br />
„Als ich meinen Knöchel verletzte, war das eine sehr schwere<br />
Verstauchung. Es ist kaum zu glauben, was ich alles an Balanceübungen<br />
auf dem Wackelbrett, Eisbädern, Beweglichkeits- <strong>und</strong> Stärkungsübungen<br />
mit Bändern <strong>und</strong> Tiefenmassage machte. Ich hob Gewichte, machte<br />
Zehenübungen <strong>und</strong> Wadenstretching. Es hat aber ziemlich lang<br />
gedauert, bis sich mein Knöchel wieder so anfühlte<br />
wie vor der Verletzung.“<br />
Abby Warmbach, 27, Stürmerin des amerikanischen Nationalteams<br />
chelverstauchung auch nur ein lästiges Ärgernis sehen: Es<br />
ist wirklich entscheidend, diesen Knöchel anschliessend zu<br />
schützen, damit er nicht erneut verletzt wird.<br />
Propriozeptives <strong>und</strong> Koordinationstraining mit Knöchelscheiben<br />
haben sich zur Verhinderung erneuter Knöchelverstauchungen<br />
als wirksam erwiesen. Gleichgewichtstraining<br />
<strong>und</strong> propriozeptives Training können auf dem<br />
Boden, auf einem Wackelbrett oder mit Knöchelscheiben<br />
praktiziert werden. Wackelbretter haben eine bewegliche<br />
Plattform, auf der man stehen <strong>und</strong> versuchen muss, sein<br />
Gleichgewicht zu halten (siehe Kasten).<br />
Die Übungen zielen darauf ab, die Kontrolle über die<br />
Bewegungen unserer Gliedmassen <strong>und</strong> unseres Körpers<br />
insgesamt zu verbessern sowie auch unsere Fähigkeit, das<br />
Gleichgewicht zu halten. Auch hier gilt: Der Nutzen eines<br />
propriozeptiven oder Gleichgewichtstrainings ist <strong>für</strong> Spielerinnen<br />
mit einer vorhergehenden Knöchelverstauchung<br />
am grössten.<br />
Kraft <strong>und</strong> Beweglichkeit des Knöchels lassen sich durch<br />
spezielle Methoden wie Widerstands- <strong>und</strong> Flexibilitätstraining<br />
verbessern, aber die Beweise <strong>für</strong> die Wirksamkeit dieser<br />
Massnahmen sind nicht so eindeutig wie diejenigen <strong>für</strong><br />
Knöchelstützen <strong>und</strong> Gleichgewichtstraining.<br />
Was kann ich gewinnen,<br />
wenn ich gezielt vorbeuge?<br />
Wie so oft in der medizinischen Forschung gilt auch <strong>für</strong><br />
die Frage nach der Wirksamkeit einer Behandlung in der<br />
Regel, dass ihr Erfolg von verschiedenen Einfl ussfaktoren<br />
abhängt. Bei Knöchelverstauchungen ist der Effekt eines<br />
Vorbeugungsprogramms vor allem von der persönlichen<br />
Vorgeschichte einer Spielerin hinsichtlich dieser Verletzung<br />
abhängig. Generell können wir wohl nur sehr wenig tun,<br />
um die erste Knöchelverstauchung zu verhindern. Es gibt<br />
jedoch überzeugende Beweise, dass die Verwendung halbstarrer<br />
Orthesen oder einer luftgefüllten Schiene eine weitere<br />
Verstauchung verhindern kann.<br />
Darüber hinaus kann ein zusätzliches Training, das sich auf<br />
Gleichgewicht <strong>und</strong> Stellungssinn konzentriert, bei Spielerinnen<br />
mit einer früheren Verstauchung einiges bewirken.<br />
Wir mögen einen verstauchten Knöchel nur als lästiges<br />
Ärgernis ansehen, aber eine erlittene Verletzung ist <strong>und</strong><br />
bleibt der grösste Risikofaktor <strong>für</strong> eine weitere Verletzung<br />
am selben oder einem anderen Ort. Die Vorbeugungsforschung<br />
besagt zudem, dass eine ungenügend auskurierte<br />
Verletzung eine weitere Verletzung geradezu vorherbestimmt<br />
– <strong>und</strong> diese ist womöglich noch schwerer als die<br />
ursprüngliche. Fazit: Habe ich schon einmal eine Verstauchung<br />
gehabt, tue ich gut daran, auf meinen Arzt zu<br />
hören, der mir wahrscheinlich das Tragen einer Schiene<br />
<strong>für</strong> bis zu sechs Monate empfehlen wird. Sie schützt den<br />
verletzten Knöchel <strong>und</strong> senkt so das Risiko einer erneuten<br />
sowie einer weiteren schwereren Verletzung.<br />
Wackelbrettübungen zur Vorbeugung<br />
von Knöchelverstauchungen<br />
Gr<strong>und</strong>sätze<br />
1. Regelmässige Wackelbrettübungen erst beginnen, wenn<br />
der Arzt es ausdrücklich erlaubt hat.<br />
2. Vor jedem Wackelbretttraining gr<strong>und</strong>sätzlich mit leichtem<br />
Jogging, Dehnen <strong>und</strong> sorgfältigem Durchbewegen<br />
von Rumpf, Lendenwirbelsäule, Hüften, Quadrizeps,<br />
hinteren Oberschenkel- <strong>und</strong> Wadenmuskeln, Achillessehnen,<br />
Unterschenkeln <strong>und</strong> Füssen <strong>für</strong> zehn Minuten<br />
aufwärmen. Beim Ausführen der Wackelbrettübungen<br />
darauf achten, sich gerade zu halten <strong>und</strong> fliessende,<br />
kontrollierte Bewegungen zu machen. In den ersten<br />
Wochen sollte man sich vor allem auf Koordination<br />
<strong>und</strong> Bewegungsablauf konzentrieren <strong>und</strong> nicht darauf,<br />
möglichst viele Wiederholungen zu machen. Nimmt die<br />
Geschicklichkeit allmählich zu, die Bewegungen zunehmend<br />
schneller durchführen, dabei aber immer auf<br />
Gleichgewicht <strong>und</strong> Haltung achten.<br />
3. Die Übungen nur in ausgeruhtem Zustand machen<br />
– nie, wenn man müde ist.<br />
4. Die Ausgangsposition <strong>für</strong> sportliche Aktivitäten jeglicher<br />
Art besteht gr<strong>und</strong>sätzlich immer in einer leichten Knie-<br />
<strong>und</strong> Hüftbeugung. Dementsprechend sollten auch die<br />
Wackelbrettübungen mit leicht gebeugten Knien ausgeführt<br />
werden.<br />
5. Zu Beginn der Übungen des Gleichgewichtsprogramms<br />
zunächst den Körper stabilisieren, indem man bei den<br />
Übungen im Einbeinstand die Zehen des unbelasteten<br />
Fusses hinter sich aufsetzt. Dagegen läuft der Gebrauch<br />
der Hände, um das Gleichgewicht zu halten, dem beabsichtigten<br />
Zweck der Wackelbrettübungen zuwider.<br />
6. Der Schwierigkeitsgrad jeder Gleichgewichtsübung<br />
kann gesteigert werden, wenn man Hanteln in die Hände<br />
nimmt oder die Augen schliesst.
22 KNÖCHELVERLETZUNGEN UND WIE ICH SIE VERMEIDE | GESUNDHEIT UND FITNESS FÜR FUSSBALLERINNEN<br />
GESUNDHEIT UND FITNESS FÜR FUSSBALLERINNEN | KNÖCHELVERLETZUNGEN UND WIE ICH SIE VERMEIDE 23<br />
Anfängerübungen<br />
Diese ersten zwei Übungen entwickeln Gleichgewicht <strong>und</strong><br />
Koordination des ganzen Körpers. Gleichzeitig verbessern<br />
sie auch die Haftung <strong>und</strong> Standsicherheit der Füsse <strong>und</strong><br />
Zehen auf dem Brett, was wiederum ermöglicht, zu den<br />
schwierigeren Übungen überzugehen.<br />
1. Gleichgewicht halten im Zweibeinstand bei gleichzeitigem<br />
Balancieren von Seite zu Seite: Einfach <strong>für</strong> 30<br />
Sek<strong>und</strong>en die Position halten, ohne dass die Ränder des<br />
Bretts den Boden berühren.<br />
2. Seit-zu-Seit-Randaufsetzer: Eine Minute lang langsam<br />
<strong>und</strong> bestimmt jeweils mit den Seitenrändern des Bretts<br />
den Boden berühren (linker Rand, dann rechter Rand,<br />
links, rechts etc.). Diese Beweglichkeits- <strong>und</strong> Kräftigungsübung<br />
sollte unter voller Kontrolle ausgeführt<br />
werden, ohne dass das Brett dabei zu rasch von Seite zu<br />
Seite schwingt.<br />
3. Seit-zu-Seit-Randaufsetzer: Eine Minute lang langsam<br />
<strong>und</strong> bestimmt jeweils mit den Seitenrändern des Bretts<br />
den Boden berühren (linker Rand, dann rechter Rand,<br />
links, rechts etc.). Diese Beweglichkeits- <strong>und</strong> Kräftigungsübung<br />
sollte unter voller Kontrolle ausgeführt<br />
werden, ohne dass das Brett dabei zu rasch von Seite zu<br />
Seite schwingt.<br />
Anfängerübungen<br />
4. Vorder-Hinterrand-Aufsetzer: Eine Minute lang langsam<br />
<strong>und</strong> bestimmt jeweils mit dem vorderen <strong>und</strong> hinteren<br />
Rand des Bretts den Boden berühren (Vorderrand, dann<br />
Hinterrand, vorn, hinten etc.). Auch hier wiederum auf<br />
fl iessende, rhythmische Bewegungen achten <strong>und</strong> plötzliche<br />
Ausschwünge des Bretts vermeiden.<br />
Mittlerer Schwierigkeitsgrad<br />
Die Anfängerübungen im Einbeinstand ausführen. Das<br />
kann allerdings zunächst praktisch nicht durchführbar<br />
sein, ohne das Gleichgewicht zu verlieren. Dann einfach<br />
die Grosszehe des anderen, nicht belasteten Fusses hinter<br />
dem Brett auf den Boden setzen. Sobald man sich mit dieser<br />
leichten Hilfestellung sicher fühlt, die Übungen ohne<br />
Aufsetzen der Zehe versuchen.<br />
Übungen <strong>für</strong> Fortgeschrittene<br />
Die folgenden Übungen <strong>für</strong> Fortgeschrittene fördern Koordination,<br />
Balance, Kraft <strong>und</strong> Beweglichkeit der Fuss-, Knöchel-,<br />
Bein-, Hüft- <strong>und</strong> Rumpfmuskulatur. Die Übungen <strong>für</strong><br />
Fortgeschrittene erfordern ein gut ausgebildetes Körpergefühl.<br />
Um sie korrekt durchführen zu können, muss man<br />
sich immer wieder mit ihrem Ablauf auseinandersetzen.<br />
Deshalb sollten sie idealerweise mindestens vier- bis fünfmal<br />
pro Woche absolviert werden.<br />
Abb. 1 <strong>und</strong> 2: Gleichgewicht halten im Zweibeinstand Abb. 3 <strong>und</strong> 4: Seit-zu-Seit-Randaufsetzer<br />
1. Seit-zu-Seit-Randaufsetzer: Einen Fuss in der Mitte<br />
eines Bretts aufsetzen, das in allen Richtungen instabil<br />
ist. Eine Minute lang langsam <strong>und</strong> bestimmt jeweils mit<br />
den Seitenrändern des Bretts den Boden berühren (linker<br />
Rand, dann rechter Rand, links, rechts, etc.). Dabei<br />
jederzeit die Kontrolle behalten <strong>und</strong> schnelle, unkoordinierte<br />
Bewegungen des Bretts vermeiden. Ist die Übung<br />
zunächst noch zu schwierig, zum besseren Halten des<br />
Gleichgewichts die Zehen des anderen Fusses hinter<br />
dem Wackelbrett aufsetzen. Anschliessend mit dem<br />
anderen Fuss wiederholen.<br />
2. Vorder-Hinterrand-Aufsetzer: Die gleiche Übung, jedoch<br />
nun abwechselnd mit dem vorderen <strong>und</strong> hinteren Rand<br />
des Bretts den Boden berühren. Eine Minute lang, dann<br />
mit dem anderen Fuss wiederholen.<br />
3. Randkreise: Den Fuss in der Mitte des Wackelbretts<br />
aufsetzen. Langsam <strong>und</strong> bewusst einen Brettrand aufsetzen<br />
<strong>und</strong> diesen Rand anschliessend im Uhrzeigersinn<br />
auf dem Boden r<strong>und</strong>um bewegen. Die Bewegung<br />
sollte langsam <strong>und</strong> kontrolliert ohne Pause eine Minute<br />
lang ausgeführt werden. Wenn das zu schwierig ist, die<br />
Zehen des anderen Fusses auf den Boden aufsetzen. Mit<br />
dem anderen Fuss wiederholen.<br />
4. Randkreise entgegen dem Uhrzeigersinn: dieselbe Übung<br />
wie zuvor, aber nun entgegen dem Uhrzeigersinn.<br />
Mittl. Schwierigkeitsgrad<br />
Übungen <strong>für</strong> Fortgeschrittene<br />
Abb. 5: Übungen im Einbeinstand Abb. 6, 7 <strong>und</strong> 8: Aufsetzer <strong>und</strong> Randkreise<br />
Autor:<br />
Don Kirkendall, PhD<br />
Basierend auf folgenden Artikeln:<br />
– Fuller CW, Dick RW, Corlette J, Schmalz R (2007) Comparison<br />
of the incidence, nature and cause of injuries sustained on<br />
grass and new generation artifi cial turf by male and female<br />
football players. Part 1: Match injuries. Br J Sports Med, 41<br />
Suppl. I: i20-i26<br />
– Junge A, Dvorak J (2007) Injuries of Female Football Players<br />
during Top-level International Tournaments. Br J Sports Med, 41<br />
Suppl. I: i3-i7<br />
– Verhagen E, van der Beek A, Twisk J, Bouter L, Bahr R, van<br />
Mechelen W (2004) The effect of a proprioceptive balance<br />
board training program for the prevention of ankle sprains: a<br />
prospective controlled trial. Am J Sports Med 32(6):1385-93
Wie Risse des vorderen Kreuzbandes<br />
verhindert werden können
26 WIE RISSE DES VORDEREN KREUZBANDES VERHINDERT WERDEN KÖNNEN | GESUNDHEIT UND FITNESS FÜR FUSSBALLERINNEN<br />
GESUNDHEIT UND FITNESS FÜR FUSSBALLERINNEN | WIE RISSE DES VORDEREN KREUZBANDES VERHINDERT WERDEN KÖNNEN 27<br />
Wie Risse des vorderen Kreuzbandes verhindert werden können<br />
Risse des vorderen Kreuzbandes treten meistens ohne äusseren Einfl uss in Sportarten auf,<br />
bei denen plötzliches Anhalten, Landen <strong>und</strong> Körperdrehungen häufi g sind – so wie im Fussball.<br />
Spielerinnen erleiden diese Verletzung bis zu zehnmal häufi ger als Spieler. Das heisst jedoch<br />
nicht, dass sie Frauenschicksal wären: Das persönliche Risiko kann nämlich ganz<br />
entscheidend gesenkt werden.<br />
Knieverletzungen sind im Sport allgemein häufi g. Im Fussball<br />
gehören Risse des vorderen Kreuzbandes zu den häufi<br />
gsten Verletzungen überhaupt. Das vordere Kreuzband<br />
(VKB) ist eines der wichtigsten Bänder, um unser Knie zu<br />
stabilisieren. Vereinfacht gesagt verhindert das Band übermässige<br />
Bewegungen des Unterschenkels gegenüber dem<br />
Oberschenkel. Im Gegensatz zu anderen Bändern im Körper<br />
kann das Kreuzband auch gänzlich ohne äussere Krafteinwirkung<br />
verletzt werden. Tatsächlich entstehen 70 %<br />
aller VKB-Verletzungen ohne jeglichen Körperkontakt.<br />
Die restlichen 30 % werden durch Fremdeinwirkung wie<br />
Kontakt mit einer Gegenspielerin, einem Torpfosten oder<br />
anderen Hindernissen auf dem Spielfeld verursacht.<br />
Verletzungen durch Fremdeinwirkung sind kaum vorherzusehen<br />
<strong>und</strong> einzuschätzen <strong>und</strong> lassen uns dementsprechend<br />
wenig Möglichkeiten, sie zu verhindern. Bei den<br />
Verletzungen ohne Körperkontakt dagegen könnte es<br />
helfen, wenn wir ihren typischen Ablauf verstehen, um<br />
ihnen vorbeugen zu können. Typische Verletzungsmuster<br />
im Fussball sind abruptes Abbremsen, ein plötzlicher Richtungswechsel,<br />
das Landen nach einem Sprung mit beinahe<br />
oder ganz gestrecktem Knie <strong>und</strong> Hüfte oder einfach nur<br />
eine Sek<strong>und</strong>e der Unaufmerksamkeit.<br />
Mögliche Einflussfaktoren auf die Häufigkeit von<br />
VKB-Rissen bei Frauen <strong>und</strong> Mädchen<br />
• Zwischen Männern <strong>und</strong> Frauen gibt es zahlreiche Unterschiede<br />
in der Kniearchitektur. Lange Zeit vermutete man,<br />
dass dies eine Erklärung <strong>für</strong> das höhere Risiko von Spielerinnen<br />
sei. Bis heute ist die wissenschaftliche Datenlage<br />
dazu jedoch nicht schlüssig.<br />
• Kniebandagen: Die Wirksamkeit von speziellen Kniebandagen<br />
zur Verhinderung von Selbstverletzungen des VKB<br />
ist nicht bewiesen, <strong>und</strong> ihre Verwendung kann deshalb<br />
nicht empfohlen werden.<br />
• Spieluntergr<strong>und</strong> <strong>und</strong> Schuhe: Bodenunebenheiten können<br />
eine Rolle spielen, wie das Landen oder Treten auf<br />
ein Loch im Gras oder den Fuss einer anderen Spielerin,<br />
aber auch das Bewässern des Platzes.<br />
• Wetter: Kaltes Wetter scheint mit einem niedrigeren Verletzungsrisiko<br />
<strong>für</strong> Knie <strong>und</strong> Knöchel verb<strong>und</strong>en zu sein,<br />
sowohl auf Natur- als auch auf Kunstrasen.<br />
• Hormone: Es gibt derzeit keinen Anhalt <strong>für</strong> eine erhöhte<br />
Verletzungshäufi gkeit in einer bestimmten Phase des<br />
weiblichen Zyklus.<br />
• Muskelkraft <strong>und</strong> -gleichgewicht sind entscheidend, um<br />
unser Knie zu stabilisieren. Im Wesentlichen wirkt der<br />
Muskel, der das Knie streckt, genannt Quadrizeps, dem<br />
VKB entgegen, während die Kniebeuger, auch Hamstrings<br />
<strong>für</strong> die hintere Oberschenkelmuskulatur genannt, wie das<br />
VKB wirken. Diese beiden Muskelgruppen sollten gleich<br />
stark sein, um unser Knie optimal zu stabilisieren. Wenn<br />
die Hamstrings schwach sind oder nicht genau auf den<br />
Quadrizeps abgestimmt reagieren, steigt das Verletzungsrisiko<br />
<strong>für</strong> das VKB. Dasselbe gilt <strong>für</strong> das Landen nach einem<br />
Sprung mit gestreckter Hüfte oder gestrecktem Knie.<br />
Im Durchschnitt bedeutet eine VKB-Verletzung mit nachfolgender<br />
wiederherstellender Operation <strong>und</strong> Rehabilitation<br />
ungefähr sechs bis neun verlorene Wettkampfmonate.<br />
Bei etwa zwei Dritteln der vollständigen VKB-Risse werden<br />
gleichzeitig Meniskus oder Gelenkknorpel geschädigt.<br />
Langfristig können vollständige VKB-Risse zu einem instabilen<br />
Knie <strong>und</strong> frühem Einsetzen einer Gelenksabnutzung<br />
(Arthrose) führen. Eine Arthrose tritt normalerweise erst in<br />
späteren Jahren als Folge des Alterungs- <strong>und</strong> Abnutzungsprozesses<br />
auf. Wird das VKB durch eine Operation wiederhergestellt,<br />
senkt dies das Risiko <strong>für</strong> spätere Verletzungen<br />
<strong>und</strong> Schäden erheblich, kann sie aber leider nicht vollständig<br />
verhindern. Deshalb sollte man einen VKB-Riss am besten<br />
von vornherein vermeiden.<br />
Wie wir unser Kreuzband schützen können<br />
Es gibt verschiedene Programme zur Vorbeugung von<br />
Kreuzbandrissen im Fussball. Sie können schwere VKB-Verletzungen<br />
zu etwa 60 bis 89 % verhindern. Bevor ein solches<br />
Programm seine Schutzwirkung entfalten kann, muss<br />
es allerdings ungefähr sechs bis acht Wochen konsequent<br />
durchgeführt werden. Wir stellen hier das PEP-Programm<br />
(Prevent injury Enhance Performance) der Santa Monica<br />
Orthopaedic and Sports Medicine Research Fo<strong>und</strong>ation vor<br />
(http://www.aclprevent.com/pepprogram.htm).<br />
Dieses Vorbeugungsprogramm besteht aus Aufwärmen,<br />
Dehnen, Stärken, dem so genannten plyometrischen Training<br />
<strong>für</strong> Antrieb <strong>und</strong> Explosivkraft (Spring-, Hüpf- <strong>und</strong><br />
Absprungübungen) <strong>und</strong> fussballtypischen Bewegungsabläufen,<br />
um die Kraft <strong>und</strong> Koordination jener Muskeln zu<br />
fördern, die unser Knie stabilisieren. Es ist sehr wichtig,<br />
diese Übungen korrekt durchzuführen. Deshalb muss einer<br />
guten Haltung, der Vermeidung von übermässigen Seit-zu-<br />
Seit-Bewegungen beim Springen <strong>und</strong> einer weichen Landung<br />
volle Aufmerksamkeit geschenkt werden.<br />
Dieses Programm sollte mindestens zwei- bis dreimal pro<br />
Woche durchgeführt werden <strong>und</strong> nimmt etwa 15 Minuten<br />
in Anspruch. Es passt in jeden normalen Trainingsablauf,<br />
Feld 4 – Beweglichkeit<br />
Pendellauf/Diagonallauf<br />
Feld 3 – Plyometrische Übungen<br />
Seitwärtsspringen, vorwärts-<br />
<strong>und</strong> rückwärtsspringen<br />
Abb. 1: Das PEP-Programm – Feldeinteilung<br />
Feld 5 – Stretching<br />
Nach dem Training<br />
da es das übliche Aufwärmen ersetzt. Zu jeder Übung wird<br />
die ungefähre Zeit angegeben, die darauf jeweils verwandt<br />
werden sollte. Dies soll helfen, das Aufwärmen zügig <strong>und</strong><br />
wirkungsvoll durchzuführen<br />
Das PEP-Programm – Verletzungen<br />
verhindern <strong>und</strong> Leistung verbessern<br />
1. Aufwärmen<br />
Feld 2 – Kraft<br />
Ausfallschritt, hintere Oberschenkelmuskeln,<br />
Zehenstand<br />
Aufwärmen <strong>und</strong> Abkühlen sind in jedem Trainingsprogramm<br />
unverzichtbar. Der Sinn des Aufwärmens ist, deinen<br />
Körper auf die nachfolgenden Übungen vorzubereiten.<br />
Durch das Aufwärmen der Muskeln senkst du dein<br />
Verletzungsrisiko ganz erheblich.<br />
Anmerkung:<br />
Das Feld sollte zehn Minuten vor<br />
dem Aufwärmen entsprechend<br />
vorbereitet werden. Damit ist<br />
ein reibungsloser <strong>und</strong> rascher<br />
Wechsel zwischen den Übungen<br />
gewährleistet.<br />
Feld 1 – Aufwärmen<br />
Jogging, Pendellauf, Rückwärtslauf
28 WIE RISSE DES VORDEREN KREUZBANDES VERHINDERT WERDEN KÖNNEN | GESUNDHEIT UND FITNESS FÜR FUSSBALLERINNEN<br />
GESUNDHEIT UND FITNESS FÜR FUSSBALLERINNEN | WIE RISSE DES VORDEREN KREUZBANDES VERHINDERT WERDEN KÖNNEN 29<br />
1A. Trab von Linie zu Linie (Kegel zu Kegel)<br />
Zeit 0–30 Sek<strong>und</strong>en<br />
Ziel Einüben einer guten Lauftechnik: Hüfte, Knie<br />
<strong>und</strong> Knöchel befinden sich in einer Linie, ohne<br />
dass das Knie nach innen einknickt oder die<br />
Füsse zur Seite abweichen.<br />
Anleitung langsamer Trab von einer zur anderen Seitenlinie<br />
1B. Pendellauf (Seite zu Seite)<br />
Zeit 30–60 Sek<strong>und</strong>en<br />
Ziel Bewusster Einsatz der inneren <strong>und</strong> äusseren<br />
Oberschenkelmuskulatur. Vermeiden eines Einknickens<br />
des Knies nach innen. Diese Übung soll<br />
die Laufgeschwindigkeit erhöhen.<br />
Anleitung Startposition mit leicht gebeugtem Knie. Der<br />
rechte Fuss führt den Seitwärtssprung, der linke<br />
Fuss stösst ab. Beim Abstossen darauf achten,<br />
dass Hüfte, Knie <strong>und</strong> Knöchel in einer Linie sind.<br />
Seitenwechsel nach der Hälfte des Spielfeldes.<br />
1C. Rückwärtslauf<br />
Zeit 1.–1,5. Minute<br />
Ziel Fortsetzen des Aufwärmens, bewusster Einsatz<br />
der Hüftstrecker <strong>und</strong> hinteren Oberschenkelmuskeln.<br />
Du landest nur auf deinen Zehenspitzen<br />
<strong>und</strong> hältst das Kniegelenk immer unter<br />
Kontrolle. Achte beim Zurücksetzen des Fusses<br />
darauf, dass dein Knie leicht gebeugt ist.<br />
Anleitung Rückwärtslaufen von einer Seitenlinie zur anderen.<br />
Du landest auf den Zehenspitzen, ohne dass<br />
dein Knie dabei rückwärts gleitet. Bleibe auf den<br />
Zehenspitzen, <strong>und</strong> halte die Knie die ganze Zeit<br />
leicht gebeugt.<br />
2. Dehnen<br />
Es ist ganz wichtig, sich vor dem Dehnen aufzuwärmen:<br />
Dehne niemals einen kalten Muskel! Die hier beschriebenen<br />
Übungen steigern <strong>und</strong> erhalten das Bewegungsausmass,<br />
mindern Gelenksteifi gkeit sowie Muskelschmerzen<br />
nach dem Training <strong>und</strong> reduzieren das Verletzungsrisiko.<br />
Die Gesamtbeweglichkeit <strong>und</strong> Leistung wird verbessert.<br />
• Wärme deine Muskeln vor dem Dehnen durch schnelles<br />
Gehen <strong>für</strong> fünf bis zehn Minuten auf.<br />
• Keine ruckartigen Bewegungen <strong>und</strong> kein Zerren beim<br />
Dehnen. Dehne vorsichtig, bis du eine Spannung spürst,<br />
<strong>und</strong> halte diese Stellung.<br />
• Halte die Dehnung <strong>für</strong> 30 Sek<strong>und</strong>en. Konzentriere dich<br />
beim Dehnen ganz auf die Verlängerung der Muskeln.<br />
• Atme normal. Halte deinen Atem nicht an.<br />
2A. Wadendehnung (30 Sek<strong>und</strong>en x 2 Wiederholungen)<br />
Zeit 1,5.–2,5. Minute<br />
Ziel Dehnung des Wadenmuskels am Unterschenkel<br />
Anleitung Im Stehen das rechte Bein vorstellen. Du beugst<br />
dich nach vorn <strong>und</strong> berührst mit beiden Händen<br />
den Boden (V-Stellung). Dabei hältst du das<br />
rechte Knie leicht gebeugt <strong>und</strong> das linke Knie<br />
gestreckt. Der linke Fuss bleibt mit der ganzen<br />
Sohle am Boden. Vermeide jede ruckartige<br />
Bewegung beim Dehnen. Halte die Spannung<br />
<strong>für</strong> 30 Sek<strong>und</strong>en. Seitenwechsel <strong>und</strong> Wiederholung<br />
mit dem anderen Bein.<br />
2B. Quadrizepsdehnung (30 Sek<strong>und</strong>en x 2 Wiederholungen)<br />
Zeit 2,5.–3,5. Minute<br />
Ziel Dehnung des Quadrizepsmuskels am vorderen<br />
Oberschenkel<br />
Anleitung Du legst deine linke Hand auf die linke Schulter<br />
deiner Partnerin. Fasse mit deiner rechten Hand<br />
deinen rechten Knöchel <strong>und</strong> ziehe die Ferse zum<br />
Gesäss. Das Knie zeigt zum Boden. Halte das<br />
rechte Bein eng am linken Bein <strong>und</strong> vermeide<br />
ein Abweichen des Knies zur Seite. Nicht in der<br />
Taille beugen. Halte die Spannung <strong>für</strong> 30 Sek.,<br />
anschliessend Seitenwechsel.<br />
2C. Dehnung der hinteren Oberschenkelmuskulatur<br />
(30 Sek<strong>und</strong>en x 2 Wiederholungen)<br />
Zeit 3,5.–4,5. Minute<br />
Ziel Dehnung der hinteren Oberschenkelmuskeln<br />
Anleitung Auf dem Boden sitzend streckst du das rechte<br />
Bein nach vorn aus. Nun beugst du dein linkes<br />
Knie <strong>und</strong> legst die linke Fusssohle an die<br />
Innenseite deines rechen Oberschenkels. Jetzt<br />
versuchst du mit geradem Rücken deine Brust<br />
zum rechten Knie zu bringen. Den Rücken dabei<br />
nicht krümmen. Wenn möglich versuchst du<br />
deine Zehen zu fassen <strong>und</strong> zum Oberkörper zu<br />
ziehen. Ruckartige Bewegungen vermeiden.<br />
Halte die Spannung <strong>für</strong> 30 Sek<strong>und</strong>en, <strong>und</strong> wiederhole<br />
die Übung mit dem anderen Bein.
30 WIE RISSE DES VORDEREN KREUZBANDES VERHINDERT WERDEN KÖNNEN | GESUNDHEIT UND FITNESS FÜR FUSSBALLERINNEN<br />
GESUNDHEIT UND FITNESS FÜR FUSSBALLERINNEN | WIE RISSE DES VORDEREN KREUZBANDES VERHINDERT WERDEN KÖNNEN 31<br />
2D. Innenschenkeldehnung (20 Sek<strong>und</strong>en x 3 Wiederholungen)<br />
Zeit 4,5.–5,5. Minute<br />
Ziel In-die-Länge-Ziehen der inneren Oberschenkelmuskeln<br />
(so genannte Adduktoren)<br />
Anleitung Immer noch auf dem Boden sitzend, streckst<br />
du beide Beine gleich weit zur Seite aus. Jetzt<br />
beugst du dich mit geradem Rücken nach vorn<br />
zur Mitte. Du solltest eine Dehnung an der<br />
Innenseite der Oberschenkel spüren. Nun fasst<br />
du mit der rechten Hand zum rechten Fuss. Den<br />
linken Arm über den Kopf bringen <strong>und</strong> nach<br />
rechts dehnen. Die Spannung halten <strong>und</strong> auf<br />
der Gegenseite wiederholen.<br />
„Ich rannte den Flügel hinunter<br />
<strong>und</strong> wollte den Ball abfangen. Als ich<br />
umdrehte, verfing sich mein Fuss irgendwie,<br />
<strong>und</strong> in meinem Knie knallte es ... Manchmal<br />
durchfährt mich der Gedanke, dass es noch<br />
einmal passieren könnte, wenn ich eine<br />
ähnliche Bewegung mache. Ich habe mit<br />
einem Sportpsychologen gearbeitet,<br />
um meine Verletzungsangst<br />
zu überwinden.“<br />
Kelly Smith, 29, Mittelfeldspielerin des englischen<br />
Nationalteams, erlitt eine Kreuzbandverletzung, die sie acht<br />
Monate spielunfähig machte.<br />
2E. Dehnung der Hüftbeuger<br />
(30 Sek<strong>und</strong>en x 2 Wiederholungen)<br />
Zeit 5,5.–6,5. Minute<br />
Ziel In-die-Länge-Ziehen der Hüftbeuger an der<br />
Vorderseite des Oberschenkels.<br />
Anleitung Du machst mit dem rechten Bein einen Ausfallschritt<br />
nach vorn <strong>und</strong> setzt das linke Knie auf<br />
den Boden auf. Nun legst du beide Hände auf<br />
den rechten Oberschenkel <strong>und</strong> beugst dich in der<br />
Hüfte nach vorn. Die Hüften sollten sich in einer<br />
Ebene mit den Schultern befinden. Während du<br />
das Gleichgewicht hältst, fasst du deinen linken<br />
Knöchel <strong>und</strong> ziehst die Ferse zum Gesäss. Halte<br />
die Spannung <strong>für</strong> 30 Sek<strong>und</strong>en <strong>und</strong> wiederhole<br />
die Übung auf der anderen Seite.<br />
3. Stärkung<br />
Dieser Programmteil verbessert die Beinkraft. Durch die<br />
gesteigerte Kraft im Bein wird das Knie stabiler. Hier ist<br />
die richtige Technik von allergrösster Bedeutung. Um Verletzungen<br />
zu vermeiden, ist unbedingt auf eine korrekte<br />
Durchführung der Übungen zu achten.<br />
3A. Ausfallschritte im Gehen (3 Sätze mit je 10 Wiederholungen)<br />
Zeit 6,5.–7,5. Minute<br />
Ziel Kräftigung des Quadrizepsmuskels<br />
Anleitung Du machst einen Ausfallschritt nach vorn mit<br />
dem rechten Bein. Dann stösst du mit dem<br />
rechten Bein ab <strong>und</strong> bringst das linke Bein weit<br />
nach vorn. Das hintere Knie zeigt gerade nach<br />
unten. Achte darauf, dass sich das vordere Knie<br />
genau über dem Knöchel befindet. Kontrolliere<br />
die Bewegung <strong>und</strong> vermeide ein Abweichen des<br />
vorderen Knies nach innen. Du musst die Zehen<br />
sehen können.<br />
3B. Stärkung der hinteren Oberschenkelmuskulatur<br />
(3 Sätze mit je 10 Wiederholungen)<br />
Zeit 7,5.–8,5. Minute<br />
Ziel Stärkung der hinteren Oberschenkelmuskeln<br />
Anleitung Auf dem Boden knien, Hände seitlich hängen<br />
lassen. Deine Partnerin hält dich an den Knöcheln.<br />
Mit geradem Rücken nach vorne beugen,<br />
Hüfte voraus. Deine Knie, Hüfte <strong>und</strong> Schulter<br />
bilden dabei eine Linie. Die Taille gerade halten,<br />
nicht beugen. Du solltest spüren, wie die Muskeln<br />
an deiner Oberschenkelrückseite arbeiten.<br />
Du führst insgesamt 30 Wiederholungen durch.<br />
3C. Zehenstand (30 Wiederholungen pro Bein)<br />
Zeit 8,5.–9,5. Minute<br />
Ziel Diese Übung stärkt den Wadenmuskel <strong>und</strong> verbessert<br />
das Gleichgewicht.<br />
Anleitung Aufrechtstehen, die Arme seitlich hängen<br />
lassen. Du beugst das linke Knie <strong>und</strong> ziehst es<br />
nach oben, dabei hältst du das Gleichgewicht.<br />
Geh mit dem rechten Fuss langsam auf die<br />
Zehen. Es kann helfen, die Arme nach vorne<br />
auszustrecken. Wiederhole diese Bewegung<br />
langsam 30 Mal, <strong>und</strong> wechsle dann die Seite.<br />
Wenn du im Verlauf stärker wirst, ist es empfehlenswert,<br />
mehr Wiederholungen durchzuführen,<br />
um die Wirkung der Übung zu erhalten.<br />
4. Plyometrische Übungen<br />
Diese Übungen helfen, Antrieb, Kraft <strong>und</strong> Schnelligkeit<br />
zu verbessern. Bei der Ausführung musst du ganz besonders<br />
auf die Landung achten: Sie muss sanft sein! Wenn<br />
du nach einem Sprung landest, solltest du dein Gewicht<br />
zunächst mit den Ballen auffangen <strong>und</strong> dann langsam<br />
zur Ferse hin abrollen, wobei das Knie gebeugt <strong>und</strong> die<br />
Hüfte gestreckt sein sollten. Diese Übungen scheinen<br />
einfach, aber es ist entscheidend, dass sie korrekt durchgeführt<br />
werden. Nimm dir genügend Zeit, um diese<br />
Übungen wirklich sicher <strong>und</strong> präzise auszuführen.
32 WIE RISSE DES VORDEREN KREUZBANDES VERHINDERT WERDEN KÖNNEN | GESUNDHEIT UND FITNESS FÜR FUSSBALLERINNEN<br />
GESUNDHEIT UND FITNESS FÜR FUSSBALLERINNEN | WIE RISSE DES VORDEREN KREUZBANDES VERHINDERT WERDEN KÖNNEN 33<br />
4A. Seitensprünge über Kegel (20 Wiederholungen)<br />
Zeit 9,5.–10. Minute<br />
Ziel Verbesserung des Antriebs <strong>und</strong> der Kraft durch<br />
bewusste Muskelkontrolle<br />
Anleitung Du stehst rechts von einem etwa 15 cm hohen<br />
Kegel. Springe nach links über den Kegel, wobei<br />
du sanft mit gebeugten Knien auf den Ballen<br />
landest. Wiederhole die Übung, indem du nach<br />
rechts springst.<br />
4B. Vorwärts-Rückwärts-Sprünge über Kegel<br />
(20 Wiederholungen)<br />
Zeit 10.–10,5. Minute<br />
Ziel Verbesserung des Antriebs <strong>und</strong> der Kraft durch<br />
bewusste Muskelkontrolle.<br />
Anleitung Du springst nach vorn über den Kegel, wobei<br />
du mit gebeugten Knien sanft auf den Ballen<br />
landest. Anschliessend springst du mit derselben<br />
Technik rückwärts. Das Knie sollte dabei nicht in<br />
die Streckung zurückgleiten, sondern die ganze<br />
Zeit leicht gebeugt sein. Wiederhole dies 20 Mal.<br />
4C. Einbeinsprung über Kegel (20 Wiederholungen x 2)<br />
Zeit 10,5.–11. Minute<br />
Ziel Verbesserung des Antriebs <strong>und</strong> der Kraft durch<br />
bewusste Muskelkontrolle<br />
Anleitung Auf dem rechten Fuss stehend, springst du nach<br />
vorn über den Kegel, wobei du sanft mit gebeugten<br />
Knien auf den Ballen landest. Anschliessend<br />
springst du mit derselben Technik rückwärts. Das<br />
Knie sollte dabei nicht in die Streckung zurückgleiten,<br />
sondern die ganze Zeit leicht gebeugt<br />
sein. Wiederhole dies 20 Mal. Anschliessend wiederholst<br />
du die Übung mit dem linken Bein. Steigere<br />
die Zahl der Wiederholungen nach Bedarf.<br />
4D. Sprung aus dem Stehen (20 Wiederholungen x 2)<br />
Zeit 11.–11,5. Minute<br />
Ziel Steigerung der Sprunghöhe<br />
Anleitung Du stehst aufrecht <strong>und</strong> lässt die Arme seitlich<br />
hängen. Dann gehst du leicht in die Kniebeuge<br />
<strong>und</strong> stösst dich zum Sprung nach oben ab.<br />
Achte auf die richtige Landetechnik, fang das<br />
Gewicht mit den Ballen auf <strong>und</strong> halte die Knie<br />
leicht gebeugt. Wiederhole dies 20 Mal, <strong>und</strong><br />
wechsle dann die Seite.<br />
4E. Scherensprung (20 Wiederholungen)<br />
Zeit 11,5.–12. Minute<br />
Ziel Erhöhung des Antriebs <strong>und</strong> der Kraft beim<br />
Sprung nach oben<br />
Anleitung Du machst einen Ausfallschritt nach vorn mit<br />
dem rechten Bein. Halte dein Knie genau über<br />
dem Knöchel. Jetzt drückst du dich mit dem<br />
rechten Fuss ab <strong>und</strong> bringst dabei das linke Bein<br />
nach vorn in Ausfallstellung. Achte darauf, dass<br />
das Knie weder nach innen noch nach aussen<br />
abweicht. Es sollte stabil <strong>und</strong> direkt über dem<br />
Knöchel gehalten werden. Denk an die richtige<br />
Landetechnik, fang das Gewicht mit den Ballen<br />
auf, <strong>und</strong> halte die Knie leicht gebeugt. 20 Wiederholungen.<br />
„Ein Kreuzbandriss ist eine verheerende<br />
Verletzung, die <strong>für</strong> eine Spielerin oft das<br />
Ende der Karriere bedeutet, sie aber in<br />
jedem Fall mindestens ein Jahr kostet. Jede<br />
Saison haben wir mindestens ein bis drei<br />
verletzte Spielerinnen, was sich auch<br />
auf die Teamleistung auswirkt.“<br />
April Heinrichs, ehemalige Cheftrainerin<br />
des amerikanischen Nationalteams<br />
5. Typische Bewegungsabläufe<br />
5A. Pendellauf mit Vorwärts-Rückwärts-Lauf<br />
Zeit 12.–13. Minute<br />
Ziel Erhöhung der dynamischen Stabilität des<br />
Knöchel-Knie-Hüft-Komplexes<br />
Anleitung Du startest beim ersten Kegel, sprintest nach<br />
vorn zum zweiten, läufst rückwärts zum dritten,<br />
sprintest wieder nach vorn zum vierten Kegel<br />
(etc.).<br />
5B. Diagonallauf (3 Durchläufe)<br />
Zeit 13.–14. Minute<br />
Ziel Erlernen der richtigen Technik zur Stabilisierung<br />
des äusseren Fusses<br />
Anleitung Du stehst mit dem Gesicht nach vorn <strong>und</strong> läufst<br />
zum ersten Kegel links. Dort stösst du dich mit<br />
dem linken Fuss ab <strong>und</strong> rennst zum zweiten<br />
Kegel. Hier stösst du dich mit dem rechten Fuss<br />
ab <strong>und</strong> läufst weiter zum dritten Kegel. Achte<br />
darauf, dass das äussere Bein nicht nach innen<br />
einknickt. Halte das Knie leicht gebeugt <strong>und</strong><br />
immer direkt über dem Knöchel.
34 WIE RISSE DES VORDEREN KREUZBANDES VERHINDERT WERDEN KÖNNEN | GESUNDHEIT UND FITNESS FÜR FUSSBALLERINNEN<br />
GESUNDHEIT UND FITNESS FÜR FUSSBALLERINNEN | WIE RISSE DES VORDEREN KREUZBANDES VERHINDERT WERDEN KÖNNEN 35<br />
5C. Lauf mit angezogenen Knien (40 m)<br />
Zeit 14.–15. Minute<br />
Ziel Erhöhung der Hüftbeweglichkeit beim Beugen,<br />
steigert Antrieb <strong>und</strong> Geschwindigkeit<br />
Anleitung Start von einer Seitenlinie. Du läufst nun zur<br />
anderen Seitenlinie, indem du die Knie zur Brust<br />
ziehst. Dabei ziehst du die Knie so hoch wie möglich.<br />
Lande mit leicht gebeugtem Knie <strong>und</strong> gerader<br />
Hüfte auf den Fussballen. Erhöhe die Distanz,<br />
wenn dir die Übung leichter zu fallen beginnt.<br />
6. Alternative Übungen – Aufwärmen <strong>und</strong><br />
Abkühlen<br />
Es ist sehr wichtig, den Körper abzukühlen. Dieser Programmteil<br />
sollte auf keinen Fall ausgelassen werden.<br />
Er erlaubt den Muskeln, die während des Trainings hart<br />
gearbeitet haben, sich wieder zu dehnen <strong>und</strong> verhindert<br />
spätere Muskelschmerzen. Das Abkühlen sollte etwa zehn<br />
Minuten dauern. Idealerweise beginnt es mit langsamem<br />
Traben, damit sich die Herzfrequenz vor dem Dehnen <strong>und</strong><br />
einigen leichten Kraftübungen wieder normalisieren kann.<br />
Wir empfehlen zwei Kraftübungen (A <strong>und</strong> B). Abschliessend<br />
dehnst du deine hintere Ober- <strong>und</strong> Unterschenkelmuskulatur,<br />
die Oberschenkelinnenseite, den Quadrizeps<br />
<strong>und</strong> die Lendenwirbelsäule wie oben beschrieben. Zusätzlich<br />
zu diesen Gr<strong>und</strong>dehnübungen solltest du die unter<br />
C, D <strong>und</strong> E beschriebenen zusätzlichen Dehnübungen <strong>für</strong><br />
drei oft vergessene Muskelgruppen durchführen. Während<br />
des Abkühlens solltest du immer eine Wasserfl asche<br />
griffbereit haben <strong>und</strong> genügend trinken.<br />
6A. Brücke (30 Wiederholungen x 2)<br />
Ziel Stärkung der äusseren Hüftmuskeln (so genannte<br />
Hüftabduktoren, Hüftbeuger) <strong>und</strong> der<br />
Gesässmuskeln<br />
Anleitung Du liegst mit angezogenen Beinen auf dem<br />
Rücken, Füsse am Boden. Du hebst das Gesäss<br />
vom Boden weg <strong>und</strong> drückst es nach oben. Nun<br />
hebst du das rechte Bein an, wobei die rechte<br />
Hüfte nicht absinken sollte. Anschliessend stellst<br />
du den Fuss wieder auf den Boden <strong>und</strong> hebst das<br />
linke Bein. 30 Wiederholungen pro Seite. Wenn<br />
du stärker wirst, kannst du die Füsse auf einen<br />
Ball stellen <strong>und</strong> die Übung so ausführen.<br />
6B. Bauch: Crunches (30 Wiederholungen x 2)<br />
Ziel Stärkung der Bauchmuskeln<br />
Anleitung Du liegst mit angezogenen Beinen auf dem<br />
Rücken. Jetzt nimmst du die Hände hinter den<br />
Kopf, die Ellbogen zeigen dabei weit nach aussen,<br />
oder kreuze deine Arme über der Brust. Tief einatmen,<br />
beim Ausatmen die Bauchmuskeln zusammenziehen.<br />
30 Wiederholungen. Anschliessend<br />
legst du die Beine zur rechten Seite ab. Langsam<br />
nach oben kommen mit weit gespreizten Ellbogen.<br />
Du solltest deine schrägen Bauchmuskeln an<br />
der Rumpfseite arbeiten spüren. 30 Wiederholungen,<br />
dann die Seite wechseln.<br />
6C. Knie zur Brust, einzeln <strong>und</strong> gemeinsam<br />
(30 Sek<strong>und</strong>en x 2 Wiederholungen)<br />
Ziel In-die-Länge-Ziehen der Muskeln im unteren<br />
Rückenbereich<br />
Anleitung Du liegst auf dem Rücken. Nun bringst du das<br />
rechte Knie zur Brust <strong>und</strong> umfasst es. Dabei hältst<br />
du das linke Bein nach vorne ausgestreckt. Du solltest<br />
die Streckung im unteren Rücken <strong>und</strong> Gesäss<br />
spüren. Halte die Spannung <strong>für</strong> 30 Sek<strong>und</strong>en,<br />
dann wechsle die Seite. Anschliessend bringst du<br />
beide Knie zur Brust. Wenn du dabei Schmerzen<br />
in der Lendenwirbelsäule spürst, solltest du die<br />
Übung abbrechen <strong>und</strong> deinen Trainer informieren.<br />
6D. Gesässmuskeldehnung auf dem Rücken liegend<br />
(30 Sek<strong>und</strong>en x 2 Wiederholungen)<br />
Ziel In-die-Länge-Ziehen des Muskels, der die Hüfte<br />
dreht<br />
Anleitung Du liegst auf dem Rücken mit angezogenen<br />
Beinen. Du verschränkst beide Hände hinter dem<br />
rechten Oberschenkel <strong>und</strong> ziehst das rechte Knie<br />
zur Brust. Du solltest eine Dehnung im Gesäss<br />
links <strong>und</strong> an der Oberschenkelseite spüren. Halte<br />
die Spannung <strong>für</strong> 30 Sek<strong>und</strong>en, <strong>und</strong> wiederhole<br />
die Übung auf der anderen Seite. Wenn du dabei<br />
Schmerzen im Rücken verspürst, lege beide Beine<br />
langsam ab, <strong>und</strong> informiere deinen Trainer.<br />
6E. Schmetterlingsdehnung im Sitzen<br />
(30 Sek<strong>und</strong>en x 2 Wiederholungen)<br />
Ziel In-die-Länge-Ziehen der Muskeln an der Oberschenkelinnenseite<br />
(so genannte Adduktoren)<br />
Anleitung Im Sitzen ziehst du die Beine so an, dass die<br />
Fusssohlen aneinanderliegen. Dann legst du<br />
beide Ellbogen auf die Knie <strong>und</strong> drückst diese<br />
vorsichtig nach unten. Dabei fühlst du eine<br />
deutliche Dehnung am Innenschenkel. Halte die<br />
Spannung <strong>für</strong> 30 Sek<strong>und</strong>en, <strong>und</strong> wiederhole die<br />
Übung zwei- bis dreimal.<br />
Autoren:<br />
Dr. Katharina Grimm<br />
Holly Silver, PT<br />
Bert Mandelbaum, MD<br />
Basierend auf folgenden Artikeln:<br />
– Mandelbaum BR, Silvers HJ, Watanabe DS, Knarr JF, Thomas<br />
SD, Griffi n LY, Kirkendall DT, Garrett W Jr. (2005) Effectiveness<br />
of a neuromuscular and proprioceptive training program in<br />
preventing anterior cruciate ligament injuries in female athletes:<br />
2-year follow-up. Am J Sports Med 33:1003–10<br />
– Silvers HJ, Mandelbaum BR (2007) Prevention of Anterior<br />
Cruciate Ligament Injury in the Female Athlete. Br J Sports<br />
Med, 41 Suppl. I: i52-i59
Kopfverletzungen<br />
<strong>und</strong> wie ich sie vermeide
38 KOPFVERLETZUNGEN UND WIE ICH SIE VERMEIDE | GESUNDHEIT UND FITNESS FÜR FUSSBALLERINNEN<br />
GESUNDHEIT UND FITNESS FÜR FUSSBALLERINNEN | KOPFVERLETZUNGEN UND WIE ICH SIE VERMEIDE 39<br />
Kopfverletzungen <strong>und</strong> wie ich sie vermeide<br />
Die häufi gste Kopfverletzung im Sport ist eine Prellung, die in ihrer Schwere allerdings erheblich<br />
variiert. Viele Kopfverletzungen im Fussball entstehen durch ungenügende Spieltechnik. Die<br />
Häufi gkeit ihres Auftretens kann durch entsprechende Fertigkeiten, eine optimale medizinische<br />
Versorgung <strong>und</strong> sicherheitsfördernde Spielregeln vermindert werden.<br />
Die häufi gste im Fussball beobachtete Verletzung bei Männern<br />
<strong>und</strong> Frauen ist eine Unterschenkelprellung. Die am<br />
meisten beunruhigenden Verletzungen jedoch, <strong>und</strong> dies<br />
nicht nur im Fussball, sondern in allen Kontaktsportarten,<br />
sind Kopfverletzungen. Das können Prellungen <strong>und</strong> Schürfungen,<br />
Zahn- oder Augenverletzungen (z. B. Netzhautablösungen),<br />
Platzw<strong>und</strong>en, Knochenbrüche oder Gehirnerschütterungen<br />
sein. Die zweifellos am meisten beachtete<br />
Verletzung aber ist die Hirnerschütterung. Warum dies so<br />
ist? Weil eine Hirnerschütterung erhebliche langfristige Folgen<br />
haben kann: Beeinträchtigung des Gedächtnisses <strong>und</strong><br />
der Konzentration, des Planungs- <strong>und</strong> Problemlösungsvermögens<br />
<strong>und</strong> mehr.<br />
Was ist eine Gehirnerschütterung?<br />
Eine Gehirnerschütterung ist ein verletzungsbedingter vorübergehender<br />
Ausfall der normalen Hirnfunktion. Ein Spieler muss nicht<br />
bewusstlos werden, um eine Gehirnerschütterung zu haben. Der<br />
Spieler kann <strong>für</strong> einige Zeit verwirrt oder zeitlich <strong>und</strong> örtlich desorientiert<br />
sein. Andere typische Symptome sind Kopfschmerzen,<br />
Schwindel, Übelkeit, Unsicherheit oder Gleichgewichtsverlust. Die<br />
Hirnerschütterung kann zu schweren Kopfschmerzen oder eben<br />
auch zu Bewusstlosigkeit führen.<br />
Kopfverletzungen sind vorhersehbar. In der Regel treten<br />
sie nahe der Mittellinie auf, wenn Spielerinnen im Spiel<br />
um Kopfbälle, Torschüsse oder lange Pässe etc. kämpfen.<br />
Sie können aber, wenn auch erheblich seltener, ebenso im<br />
Strafraum beim Kampf um Querpässe oder Eckbälle auftreten.<br />
Kopfverletzungen kommen bei Stürmerinnen, Mittelfeldspielerinnen<br />
oder Verteidigerinnen mehr oder weniger<br />
gleich häufi g vor. Torhüterinnen sind besonderen Gefahren<br />
ausgesetzt, wenn sie sich einer anlaufenden Stürmerin<br />
entgegenwerfen oder in der Nähe der Torpfosten agieren.<br />
Die meisten Verletzungen gehen auf Zusammenstösse des<br />
Kopfes mit dem Kopf oder Ellbogen einer anderen Spielerin,<br />
dem Boden oder anderen harten Widerständen wie einem<br />
Fuss, Knie, Torpfosten oder einem Gegenstand in der Nähe<br />
der Auslinie zurück. Gr<strong>und</strong>sätzlich treten Kopfverletzungen<br />
bei Frauen vor allem durch Kopf-zu-Kopf-, bei Männern<br />
durch Kopf-zu-Ellbogenkontakt auf. Deshalb hat das<br />
FIFA-Zentrum <strong>für</strong> medizinische Auswertung <strong>und</strong> Forschung<br />
(F-MARC) dem International Football Association Board<br />
(IFAB) empfohlen, die Spielregeln anzupassen <strong>und</strong> jeden Ellbogenstoss<br />
konsequent mit einer roten Karte zu ahnden.<br />
Eine Hirnerschütterung kann auftreten, wenn der Ball den<br />
Kopf in einem Moment trifft, in dem wir nicht darauf vorbereitet<br />
sind. Dagegen birgt bewusstes Köpfen nur ein geringes<br />
Risiko. Gutes Köpfen ist zweifellos eine anspruchsvolle<br />
Aufgabe. Es erfordert Geschick, Mut, richtiges Timing <strong>und</strong><br />
Entscheiden. Um den Ball zu köpfen, müssen die Nackenmuskeln,<br />
die den Kopf mit dem Rumpf verbinden, angespannt<br />
werden, um ein genügend grosses Gegengewicht<br />
zur Masse des Balles zu schaffen. Darüber hinaus müssen<br />
die eigenen Bewegungen während des Laufens nach<br />
vorn, zur Seite oder rückwärts sowie auch während des<br />
Hochspringens aus dem Ein- oder Zweibeinstand an die<br />
Geschwindigkeit <strong>und</strong> die Richtung des Balles angepasst<br />
<strong>und</strong> gleichzeitig auch die Reaktion der Gegnerin einkalkuliert<br />
werden, um den Ball dann in eine bestimmte Richtung<br />
lenken zu können. Und all dies muss in Bruchteilen einer<br />
Sek<strong>und</strong>e erfolgen. Es gibt Spielerinnen, die sehr geschickt<br />
im Köpfen sind <strong>und</strong> jede Gelegenheit dazu nutzen, während<br />
andere dies wenn immer möglich zu vermeiden suchen.<br />
Kopfverletzungen sind durchaus nicht selten. Nimmt man<br />
alle Untersuchungen zusammen, so betreffen 4 % bis<br />
20 % aller Verletzungen im Fussball den Kopf. R<strong>und</strong> die<br />
Hälfte der Kopfverletzungen sind einfache Verletzungen<br />
wie Prellungen oder Schürfungen. Bei Männern folgen der<br />
Häufi gkeit nach Platzw<strong>und</strong>en, bei Frauen dagegen Hirnerschütterungen.<br />
Bei Männern kommt eine Hirnerschütte-<br />
„Ich hatte eine schwere Gehirnerschütterung, als ich vor einigen Jahren<br />
einen Schlag auf den Kopf erhielt. Ich konnte sechs Monate lang nicht spielen.<br />
Das war sehr schwierig <strong>für</strong> mich, aber ich wusste, dass ich im Interesse meiner<br />
Karriere eine Auszeit nehmen musste. Die Ärzte sagten, ich solle gr<strong>und</strong>sätzlich<br />
möglichst wenig tun, <strong>und</strong> daran habe ich mich gehalten. Als ich dann<br />
zurückkam, hat es einige Zeit gedauert, bis ich wieder in Form war.“<br />
Lori Chalupny, 23, Mittelfeldspielerin des amerikanischen Nationalteams<br />
rung erst an vierter Stelle der häufi gsten Verletzungen. In<br />
einigen Studien liegt die Rate der Hirnerschütterungen bei<br />
Frauen nahezu zweieinhalb Mal höher als jene bei Männern.<br />
Warum dies so ist? Frauen scheinen sich bei Zusammenstössen<br />
anders zu verhalten, was sich darauf auswirken<br />
könnte, wie gut sie mit der Krafteinwirkung auf den<br />
Kopf umgehen können.<br />
Es gibt zwei wichtige Punkte, die jede Aktive kennen sollte:<br />
erstens, wie man überhaupt erkennt, dass eine Gehirnerschütterung<br />
aufgetreten ist, <strong>und</strong> zweitens, wann einer<br />
Spielerin erlaubt werden darf, wieder zu spielen. Der erste<br />
entscheidende Punkt ist das Erkennen der Verletzung. Eine<br />
weitverbreitete Annahme ist, dass es bei einer Gehirnerschütterung<br />
immer zum Bewusstseinsverlust kommt,<br />
was allerdings nicht wahr ist. Medizinische Definitionen<br />
der Gehirnerschütterung besagen, dass es dabei zu einer<br />
schnell auftretenden kurzzeitigen Beeinträchtigung der<br />
Gehirnfunktion kommt. Ein Zusammenstoss, gar nicht<br />
einmal unbedingt mit dem Kopf, kann zu einer solchen<br />
Beeinträchtigung führen. Wenn also zwei Spielerinnen mit<br />
den Köpfen zusammenstossen <strong>und</strong> eine sich anschliessend<br />
vorüberbeugt, ihren Kopf hält <strong>und</strong> das Geschehen um sich<br />
herum nicht mehr wahrnimmt, ist die Chance gross, dass<br />
bei ihr eine derartige kurzzeitige Minderung ihrer normalen<br />
Gehirnfunktion besteht.<br />
Im Zweifel kein Einsatz<br />
Es ist also ganz entscheidend, überhaupt zu erkennen,<br />
dass eine Spielerin verletzt wurde, damit sie aus dem Spiel
40 KOPFVERLETZUNGEN UND WIE ICH SIE VERMEIDE | GESUNDHEIT UND FITNESS FÜR FUSSBALLERINNEN<br />
GESUNDHEIT UND FITNESS FÜR FUSSBALLERINNEN | KOPFVERLETZUNGEN UND WIE ICH SIE VERMEIDE 41<br />
Anzeichen (von anderen beobachtet) Symptome (von der Spielerin berichtet)<br />
Spielerin scheint benommen Kopfschmerz<br />
vor sich hinstarrender, unbeteiligter Gesichtsausdruck Übelkeit oder Erbrechen<br />
Verwirrung, Fehler auf dem Spielfeld Gleichgewichtsstörungen, Schwindel<br />
desorientiert zu Spiel, Position, Spielstand verschwommenes oder doppeltes Sehen<br />
unangemessene oder stark schwankende Stimmungslage leicht irritierbar<br />
verminderte Koordination, unbeholfen fühlt sich benommen, benebelt, neben sich stehend<br />
verlangsamte oder falsche Antworten veränderter Schlafrhythmus (Dauer, Einsetzen, Qualität)<br />
Bewusstseinsverlust kann sich schlecht konzentrieren oder Aufmerksamkeit auf etwas richten<br />
Veränderung im Verhalten oder der Persönlichkeit gereizt, gefühlsbetont, traurig<br />
kann sich nicht an Geschehen vor dem Ereignis erinnern Gedächtnisstörungen<br />
kann sich nicht an Geschehen nach dem Ereignis erinnern Konzentrations- <strong>und</strong> Erinnerungsstörungen<br />
fühlt sich müde, kraftlos fühlt sich müde, antriebslos<br />
Tabelle 1: Mögliche Anzeichen <strong>und</strong> Symptome nach einer Gehirnerschütterung<br />
genommen <strong>und</strong> beurteilt werden kann. Wenn es auch<br />
zahlreiche Empfehlungen gibt, wann einer Spielerin wieder<br />
erlaubt werden darf zu spielen, so ist es immer noch<br />
das Sicherste, sie so lange vom Spielfeld fernzuhalten, bis<br />
ihr eine medizinische Fachperson die Spielerlaubnis erteilt.<br />
In der Regel sind weder der Trainer noch die Spielerin<br />
selbst in der Lage, diese Entscheidung auf dem Spielfeld<br />
zu treffen, so dass die beste Empfehlung ist, beim geringsten<br />
Zweifel nicht zu spielen. Auch nicht alle Mediziner<br />
sind ausreichend gerüstet, um eine Gehirnerschütterung<br />
korrekt beurteilen <strong>und</strong> behandeln zu können, so dass sich<br />
Teams einen Neurologen suchen sollten, der mit Hirnerschütterungen<br />
im Sport vertraut ist.<br />
„Meine schlimmste Gehirnerschütterung erlitt ich bei einem Hallenwettbewerb.<br />
Ich wurde gefoult <strong>und</strong> fiel direkt auf meinen Hinterkopf. Ich hatte sofort starke<br />
Kopfschmerzen <strong>und</strong> Übelkeit, die über zwei Wochen anhielten. Danach habe ich das Köpfen<br />
<strong>für</strong> eine Weile vermieden <strong>und</strong> war vorsichtiger im Zweikampf.“<br />
Vanessa Bernauer, 19, Mittelfeldspielerin des schweizerischen Nationalteams, die bereits mehrere Kopfverletzungen <strong>und</strong><br />
Hirnerschütterungen hatte. Nach dem beschriebenen Zwischenfall musste sie <strong>für</strong> zwei Wochen absolute Ruhe halten.<br />
Ein Problem ist, dass man eine Gehirnerschütterung nicht<br />
sehen kann. Ein verstauchter Knöchel oder ein Knochenbruch<br />
ist meist offensichtlich. Mit einer Muskelzerrung<br />
kann man nicht spielen. Aber eine Hirnerschütterung? Ich<br />
mag im Spiel einen Schlag abbekommen haben, mich ein<br />
bisschen merkwürdig fühlen, aber trotzdem das Gefühl<br />
haben, weiterspielen zu können. Das allerdings dürfte gar<br />
keine gute Idee sein ...<br />
Die Entscheidung sollte davon abhängen, was die Spielerin<br />
selbst sagt <strong>und</strong> was Trainer, Eltern, Lehrer oder Fre<strong>und</strong>e<br />
beobachtet haben. Nicht alle Anzeichen sind unmittelbar an<br />
der Seitenauslinie erkennbar, <strong>und</strong> ausserdem kann sich die<br />
Situation im Laufe der Zeit ändern. Einige Probleme können<br />
auch erst einige St<strong>und</strong>en oder gar Tage nach der Verletzung<br />
berichtet werden oder sichtbar sein (siehe Tabelle 1).<br />
Je mehr wir über Gehirnerschütterungen wissen, umso<br />
mehr zögern wir, eine Spielerin wieder spielen zu lassen,<br />
solange sie noch irgendwelche Anzeichen, Symptome oder<br />
Einschränkungen zeigt. Hat eine Spielerin noch Probleme,<br />
kann ein weiterer Schlag auf den Kopf die Erholungsphase<br />
verlängern <strong>und</strong> zu mehr <strong>und</strong> länger andauernden Symptomen<br />
sowie stärkeren Beschwerden führen.<br />
Die Erholungsphase ist von Spielerin zu Spielerin sehr<br />
unterschiedlich <strong>und</strong> kann von einigen Minuten bis zu<br />
Monaten oder gar länger anhalten <strong>und</strong> alle Aspekte des<br />
täglichen Lebens in Mitleidenschaft ziehen. Einige Forschungsergebnisse<br />
deuten darauf hin, dass Frauen nach<br />
einer Kopfverletzung längere Erholungszeiten brauchen<br />
als Männer. Es gibt jedoch immer noch viel zu lernen über<br />
diese komplizierte Verletzung.<br />
Nimm eine Kopfverletzung niemals auf die<br />
leichte Schulter. Kein Spiel ist so wichtig!<br />
Autor:<br />
Don Kirkendall, PhD<br />
Basierend auf folgenden Artikeln:<br />
– Aubry M, Cantu R, Dvorak J, Graf-Baumann T, Johnston K, Kelly<br />
J, Lovell M, McCrory P, Meeuwisse W, Schamasch P; Concussion<br />
in Sport Group (2002) Summary and agreement statement<br />
of the First International Conference on Concussion in Sport,<br />
Vienna 2001. Recommendations for the improvement of safety<br />
and health of athletes who may suffer concussive injuries.<br />
Simultaneous publication in Br J Sports Med 36(1): 6-10 and<br />
Clin J Sport Med 12(1): 6-11<br />
– Dvorak J, McCrory P, Kirkendall DT Head injuries in the female<br />
football player: incidence, mechanisms, risk factors and<br />
management. British Journal of Sports Medicine 41(Suppl 1): 44-46<br />
– McCrory P, Johnston K , Meeuwisse W, Aubry M , Cantu<br />
R, Dvorak J, Graf-Baumann T, Kelly J, Lovell M, Schamasch<br />
P (2005) Summary and agreement statement of the 2nd International. Conference on Concussion in Sport, Prague<br />
2004. Simultaneous publications in Br J Sports Med 39:196–<br />
204 and in Clin J Sport Med Mar;15(2): 48-55.
Die richtige Fussballkost – <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>,<br />
<strong>Fitness</strong> <strong>und</strong> Leistung fördern
44 DIE RICHTIGE FUSSBALLKOST – GESUNDHEIT, FITNESS UND LEISTUNG FÖRDERN | GESUNDHEIT UND FITNESS FÜR FUSSBALLERINNEN<br />
GESUNDHEIT UND FITNESS FÜR FUSSBALLERINNEN | DIE RICHTIGE FUSSBALLKOST – GESUNDHEIT, FITNESS UND LEISTUNG FÖRDERN 45<br />
Die richtige Fussballkost – <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>, <strong>Fitness</strong> <strong>und</strong> Leistung fördern<br />
Wenn talentierte, motivierte <strong>und</strong> gut trainierte Spielerinnen aufeinandertreffen, liegen Sieg<br />
<strong>und</strong> Niederlage dicht beieinander. Auf Kleinigkeiten zu achten, kann hier den entscheidenden<br />
Unterschied bewirken. Nach dem Training ist der die Leistung am stärksten beeinfl ussende Faktor<br />
die Ernährung. Ich muss jedoch kein Experte sein, um davon profi tieren zu können.<br />
Es ist weder notwendig, alle Mahlzeiten genauestens<br />
zu planen, noch sich mit speziellen Diätprodukten oder<br />
Nahrungsergänzungsmitteln zu versorgen. Wenn ich <strong>für</strong><br />
Abwechslung offen bin, gern neue Nahrungsmittel <strong>und</strong><br />
Rezepte sowie verschiedene Zubereitungen bestimmter<br />
Produkte ausprobiere <strong>und</strong> alle Farben des Regenbogens<br />
kombiniere, versorge ich meinen Körper mit allem, was er<br />
<strong>für</strong> eine hervorragende Leistung braucht.<br />
Es verw<strong>und</strong>ert wahrscheinlich nicht, dass es zwar reichlich<br />
Informationen über die Ernährung <strong>und</strong> den Flüssigkeitshaushalt<br />
von Fussballspielern gibt, man nach denselben <strong>für</strong> Spielerinnen<br />
jedoch lange suchen muss. Dementsprechend werden<br />
die <strong>für</strong> Spieler entwickelten Richtlinien zu Ernährung <strong>und</strong><br />
Flüssigkeitszufuhr in gleicher Weise auf Spielerinnen angewandt.<br />
Dies ist zwar oft, aber durchaus nicht immer angemessen.<br />
Die Ernährungsbedürfnisse einer Spitzenspielerin,<br />
die während einer langen Saison an fast allen Wochentagen<br />
trainiert <strong>und</strong> mehr als einmal pro Woche ein Wettkampfspiel<br />
hat, unterscheiden sich natürlich von denen eines Mädchens<br />
oder einer Frau, die ein- bis zweimal pro Woche nur zum<br />
Spass spielt. Die Gr<strong>und</strong>regeln ihrer Ernährung sind <strong>und</strong> bleiben<br />
jedoch dieselben <strong>und</strong> zielen darauf ab, ihre <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>,<br />
<strong>Fitness</strong> <strong>und</strong> Spielleistung zu optimieren.<br />
Die Vorteile einer richtigen Ernährung in<br />
Stichworten<br />
• optimaler Nutzen des Trainingsprogramms<br />
• bessere Erholung während <strong>und</strong> nach Training <strong>und</strong> Spiel<br />
• Erreichen <strong>und</strong> Halten eines idealen Körpergewichtes<br />
<strong>und</strong> Körperbaus<br />
• geringeres Risiko von Verletzungen <strong>und</strong> Krankheit<br />
• Gewissheit, gut auf ein Spiel vorbereitet zu sein<br />
• höhere Konstanz beim Erreichen von Bestleistungen im<br />
Spiel<br />
• Freude am Essen – allein <strong>und</strong> in Gesellschaft<br />
Energiebedarf <strong>und</strong> Körperfett<br />
Typischerweise verbraucht eine Spielerin von 60 kg während<br />
eines Spiels ungefähr 1100 kcal. Schwerere Spielerinnen<br />
benötigen mehr, leichtere weniger, aber der Verbrauch<br />
hängt auch vom eigenen Einsatz <strong>und</strong> dem Spieltempo ab<br />
<strong>und</strong> variiert zudem individuell.<br />
Der Energiebedarf bemisst sich aber nicht nur an den Trainings-<br />
<strong>und</strong> Spielanforderungen, sondern auch an der täglichen<br />
körperlichen Aktivität neben dem Fussball. Natürlich<br />
brauche ich weniger Energie, wenn ich nur selten trainiere,<br />
die Trainingseinheiten kurz <strong>und</strong> einfach sind sowie während<br />
inaktiver Phasen, etwa ausserhalb der Saison oder<br />
wenn ich verletzt bin.<br />
Wer allerdings einmal oder mehrmals pro Woche spielt<br />
<strong>und</strong> an den meisten Tagen der Woche trainiert, muss<br />
unbedingt genügend essen, um dem Energiebedarf von<br />
Training <strong>und</strong> Spiel gerecht zu werden <strong>und</strong> einer chronischen<br />
Ermüdung vorzubeugen, die zu Leistungsabfall führt<br />
<strong>und</strong> Verletzungen begünstigt.<br />
Gut aussehen <strong>und</strong> gut spielen<br />
Ehrgeizige Spielerinnen müssen genügend Nahrung zu<br />
sich nehmen, um ihren Körper mit ausreichend Energie<br />
<strong>für</strong> Training, Wettkampf <strong>und</strong> ihre täglichen Aktivitäten zu<br />
versorgen. Der wichtigste Energiespeicher unseres Körpers<br />
ist sein Fett, hier wird überschüssige Energie <strong>für</strong> Notzeiten<br />
„Wir empfehlen unseren Spielerinnen, die benötigten Nährstoffe aus einer<br />
ausgewogenen Ernährung zu beziehen. Dennoch können manchmal Ergänzungsmittel<br />
benötigt werden, wenn man im Ausland spielt, wo eine angemessene Ernährung nicht<br />
immer möglich ist. Die Reinheit von Ergänzungsmitteln ist aber nie zu 100 % sicher,<br />
so dass dann immer das Risiko eines positiven Dopingtests besteht.“<br />
Helen Tunstall, verantwortlich <strong>für</strong> das Vorbeugen von Verletzungen beim neuseeländischen Fussballverband<br />
vorrätig gehalten. Die Leistung wird dann am besten sein,<br />
wenn der Körperfettanteil im optimalen Bereich liegt – der<br />
aber ist individuell unterschiedlich.<br />
Gleichzeitig möchten moderne Frauen aber auch dem gültigen<br />
Schönheitsideal entsprechen – was heute schlicht bedeutet,<br />
so dünn wie möglich zu sein. Es ist erwiesen, dass sich<br />
einige Spielerinnen in einem bedenklichen Energiegleichgewicht<br />
befi nden <strong>und</strong> ihr niedriges Gewicht durch permanente<br />
Einschränkung ihrer Energieaufnahme halten. Jede Spielerin<br />
muss sich deshalb entscheiden: Will ich so schlank wie möglich<br />
sein, oder will ich gut spielen <strong>und</strong> ges<strong>und</strong> bleiben?<br />
Wir können anhaltende Energiedefi zite nicht ohne Schaden<br />
<strong>für</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> <strong>und</strong> Leistung tolerieren. Eine zu niedrige<br />
Energiezufuhr verzögert die Erholung nach körperlicher<br />
Anstrengung, beeinträchtigt die Reaktion unseres Körpers<br />
auf Trainingsreize, sein Immunsystem <strong>und</strong> die Fortpflanzungsfähigkeit.<br />
Jede Veränderung im normalen Rhythmus<br />
der Monatsblutungen ist ein ernstzunehmendes Warnzeichen.<br />
In diesem Fall muss dringend ein Arzt aufgesucht<br />
werden, damit irreversible Knochenschäden vermieden<br />
werden (s. unten).<br />
Körperfett abbauen<br />
Das kann manchmal schwierig sein – hier hilft die fachmännische<br />
Unterstützung durch einen Arzt, Ernährungsexperten<br />
oder anderes geschultes <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong>spersonal. Vor<br />
allem ist eine Gewichtsabnahme aber vielleicht auch gar<br />
nicht notwendig. Wenn sie es ist, sollte sie vernünftig <strong>und</strong><br />
schrittweise erfolgen. Dies ist ein mittelfristiges Ziel, nicht<br />
etwas, das innerhalb einer Woche erreicht werden kann.<br />
Das Gr<strong>und</strong>prinzip ist einfach: Der Energieverbrauch sollte<br />
höher sein als die Energieaufnahme. Aber es wäre ein<br />
Fehler, die Energieaufnahme zu sehr einzuschränken: Eine<br />
zu niedrige Zufuhr macht nur müde in Training <strong>und</strong> Alltag,<br />
gleichzeitig fährt der Körper seinen Energieverbrauch<br />
generell zurück. Dadurch aber wird die Gewichtsabnahme<br />
behindert statt gefördert.<br />
Wer tatsächlich abnehmen muss, sollte es mit Folgendem<br />
versuchen:<br />
• Bei Mahlzeiten lieber kleinere Portionen wählen, als<br />
Mahlzeiten ganz ausfallen lassen.<br />
• Zwischenmahlzeiten sorgfältig aussuchen, um genügend<br />
Brennstoff <strong>für</strong> das Training zu haben. Lieber einen Teil<br />
der Mahlzeit <strong>für</strong> später aufheben, statt zusätzlich etwas<br />
zu essen.<br />
• Genügend Kohlenhydrate essen, um <strong>für</strong> das Training<br />
ausreichend mit Brennstoff versorgt zu sein.<br />
• Bei der Nahrungsmittelwahl <strong>und</strong> beim Zubereiten von<br />
Mahlzeiten zu fettarmen Varianten greifen.<br />
• Wenig oder keinen Alkohol trinken – Alkohol ist kein<br />
notwendiger Nahrungsbestandteil.<br />
• Das Sättigungsgefühl von Zwischen- <strong>und</strong> Mahlzeiten<br />
kann durch viel Salat <strong>und</strong> Gemüse <strong>und</strong> hohen Ballaststoffgehalt<br />
erhöht werden.<br />
Kohlenhydrate<br />
Unser Körper speichert Kohlenhydrate in der Leber <strong>und</strong> den<br />
Muskeln. Dieser Vorrat stellt unseren wichtigsten Brennstoff<br />
<strong>für</strong> Training <strong>und</strong> Spiel dar. Für männliche Spieler wird eine<br />
tägliche Kohlenhydrataufnahme von 5–12 g/kg Körpergewicht<br />
empfohlen, Spielerinnen aber nehmen in der Regel<br />
viel weniger zu sich. Bei US-Nationalspielerinnen unter<br />
21 wurde eine durchschnittliche Aufnahme von 4,7 g/kg<br />
pro Tag festgestellt, wobei einige Spielerinnen extrem<br />
niedrige Werte zeigten. Während die meisten Frauen mit<br />
Werten in dieser Grössenordnung gut zurechtkommen<br />
dürften, könnten jene am unteren Ende der Skala von<br />
einer Erhöhung durchaus profi tieren, ohne dass sie damit<br />
ihre übliche Energiemenge überschreiten müssten. Eine<br />
Einschränkung der Kohlenhydrataufnahme hat weitergehende<br />
Wirkungen als nur eine Leistungsminderung.
46 DIE RICHTIGE FUSSBALLKOST – GESUNDHEIT, FITNESS UND LEISTUNG FÖRDERN | GESUNDHEIT UND FITNESS FÜR FUSSBALLERINNEN<br />
GESUNDHEIT UND FITNESS FÜR FUSSBALLERINNEN | DIE RICHTIGE FUSSBALLKOST – GESUNDHEIT, FITNESS UND LEISTUNG FÖRDERN 47<br />
Bei Spielern beeinträchtigt eine ungenügende Kohlenhydratzufuhr<br />
an den Tagen vor einem Spiel die Laufl eistung,<br />
insbesondere die Sprintgeschwindigkeit während der zweiten<br />
Halbzeit. Es gibt keinen Gr<strong>und</strong> anzunehmen, dies sei<br />
bei Frauen anders. Es scheint deshalb ratsam, da<strong>für</strong> zu sorgen,<br />
dass die Kohlenhydratspeicher in den Muskeln nach<br />
jedem Training oder Spiel aufgefüllt werden. Übrigens können<br />
Frauen genauso wie Männer ihre Muskelspeicher auch<br />
gezielt über das normale Mass hin füllen – vorausgesetzt,<br />
sie essen genug Kohlenhydrate. Der grösste Fehler, den ich<br />
machen kann, ist, in den 1–6 St<strong>und</strong>en vor der Anstrengung<br />
zu wenig Kohlenhydrate zu essen – das heisst weniger als<br />
1 g pro Kilogramm Körpergewicht – <strong>und</strong> dann auch währenddessen<br />
keine Kohlenhydrate zu mir zu nehmen. Ein so<br />
geringer Kohlenhydratvorrat reicht nicht aus, um die Leistung<br />
während des Spiels zu erhalten. Wer seine Leistung<br />
optimieren will, isst während dieser 6 St<strong>und</strong>en vor dem<br />
Spiel 1–4 g Kohlenhydrate pro Kilo Körpergewicht.<br />
Eiweiss<br />
Eine ausreichende Eiweissaufnahme ist entscheidend <strong>für</strong><br />
Muskelwachstum <strong>und</strong> -wiederherstellung, ein ges<strong>und</strong>es<br />
Immunsystem <strong>und</strong> eine ganze Palette anderer Körperfunktionen.<br />
Dies betrifft insbesondere die so genannten<br />
essentiellen Aminosäuren, dies sind Eiweissbausteine, die<br />
unser Körper nicht selbst herstellen kann.<br />
Die empfohlene Eiweissmenge <strong>für</strong> Frauen <strong>und</strong> Männer ist<br />
etwa 0,8 g/kg/Tag, was mit einer ganz normalen Ernährung<br />
leicht zu erreichen ist. Auch die üblicherweise <strong>für</strong><br />
Fussballspieler empfohlene Menge von 1,4–1,7 g/kg/Tag<br />
ist mit einer typischen westlichen Ernährung kaum zu verfehlen,<br />
vorausgesetzt, man deckt seinen Energiebedarf<br />
ausreichend. Selbst eine Spielerin von 55–60 kg, die nur<br />
2200 kcal pro Tag zu sich nimmt, von denen 10–15 % aus<br />
Eiweiss stammen, wird damit bereits 55–82 g/Tag oder<br />
1–1,5 g/kg/Tag aufnehmen. Nichtsdestotrotz könnten solche<br />
Frauen, die ihre Nahrungsaufnahme stark reduzieren<br />
<strong>und</strong> ihre Lebensmittelauswahl einschränken, dennoch<br />
Gefahr laufen, ungenügend mit Eiweiss versorgt zu sein.<br />
Was den Trainingseffekt angeht, so scheint es, als ob nicht<br />
nur die Menge des Eiweisses, sondern auch der Zeitpunkt<br />
<strong>und</strong> die gleichzeitige Aufnahme oder das Fehlen weiterer<br />
Nährstoffe die Anpassung an den Trainingsreiz mitbestimmen.<br />
Durch Training werden Änderungen der Struktur <strong>und</strong><br />
Funktion unserer Muskeln angestrebt, die so die Leistung verbessern.<br />
Art <strong>und</strong> Ausmass dieser Anpassungsreaktion hängen<br />
von der Art des Reizes <strong>und</strong> der Trainingsbelastung ab.<br />
Lange Zeit nahm man an, dass die Ernährung vor allem<br />
die körperliche Erholung beeinflusst. Heute weiss man,<br />
dass richtige Ernährung dieselben Anpassungsreaktionen<br />
bei niedrigerer Trainingsbelastung erreichen kann. Dies ist<br />
<strong>für</strong> Trainer wichtig, denn es bedeutet, dass mehr Zeit <strong>und</strong><br />
Energie auf das Techniktraining verwandt werden kann<br />
<strong>und</strong> das Risiko chronischer Ermüdung <strong>und</strong> von Verletzungen<br />
gesenkt wird. Praktisch bedeutet dies, dass das Training<br />
wirksamer ist, wenn ich vor oder direkt danach eine<br />
kleine Menge Eiweiss zu mir nehme. Bestens geeignet<br />
da<strong>für</strong> sind ein belegtes Brot mit Käse, Schinken, Thunfi sch<br />
oder Ähnlichem oder auch ein Eiweissriegel.<br />
Wie viel <strong>und</strong> wann muss ich trinken?<br />
Die Flüssigkeitsaufnahme geniesst den Ruf eines erwiesenen<br />
– <strong>und</strong> erlaubten – Mittels zur Leistungssteigerung.<br />
Ein Wassermangel beeinfl usst Geschicklichkeit, Ausdauer,<br />
Arbeitsleistung <strong>und</strong> Entscheidungsfähigkeit ungünstig. Die<br />
„Das Wichtigste sind Wasser <strong>und</strong> eine<br />
optimale Kombination von Kohlenhydraten<br />
<strong>und</strong> Eiweiss. Ich muss unbedingt darauf achten,<br />
genug zu essen, besonders am Abend vor<br />
einem Spiel. Und ich muss in meiner<br />
Ernährung sehr konsequent sein.“<br />
Shannon Boxx, 30, Mittelfeldspielerin<br />
des amerikanischen Nationalteams<br />
Leistung beginnt zu leiden, wenn der durch Schweissverlust<br />
bedingte Gewichtsverlust 1–2 % des vor der Anstrengung<br />
bestehenden Körpergewichtes überschreitet. Aber<br />
wie schaffe ich es, zur richtigen Zeit das richtige Getränk<br />
in der richtigen Menge zu trinken?<br />
Dazu muss ich meine persönliche Trinkstrategie entwickeln.<br />
Ich kann meinen Flüssigkeitshaushalt selbst überwachen,<br />
indem ich auf Urinmenge <strong>und</strong> -farbe achte <strong>und</strong> darauf,<br />
wie häufi g ich Wasser lassen muss. Die Empfehlungen<br />
unten stellen eine Richtschnur dar, aber es ist wichtig, sie<br />
auf die eigene Person fein abzustimmen, um die persönliche<br />
Siegesformel zu fi nden. Allerdings sollten solche Pläne<br />
<strong>für</strong> die Flüssigkeits- <strong>und</strong> Energieaufnahme – wie neue<br />
Schuhe – nie während wichtiger Wettkämpfe ausprobiert<br />
werden. Stattdessen sollte ich sie im Alltag testen <strong>und</strong> so<br />
herausfi nden, was mir am besten bekommt.<br />
Am Tag vor einem Wettkampf muss ich zu den Mahlzeiten<br />
genügend trinken, um sicherzustellen, dass ich ausreichend<br />
mit Flüssigkeit versorgt bin. Ausserdem empfi ehlt es sich,<br />
auch während der St<strong>und</strong>en vor dem Spiel weiter Wasser<br />
oder kohlenhydrathaltige Getränke zu trinken. Bei Hitze<br />
sollten in den 60–90 Minuten vor dem Spiel etwa 500 ml<br />
Flüssigkeit getrunken werden. So erlaube ich meinem Körper,<br />
überfl üssige Flüssigkeitsmengen noch vor Spielbeginn<br />
auszuscheiden.<br />
Wann brauche ich mehr als Wasser?<br />
Ist der Schweissverlust gering, besteht wenig Gr<strong>und</strong>,<br />
während des Trainings oder Spiels zu trinken – anschliessend<br />
Wasser zu trinken genügt in diesem Fall. Sind grosse<br />
Schweissverluste absehbar, wie bei Spielen oder hartem Training<br />
in grosser Hitze, ist es wichtig, sich bereits vorher mit<br />
genügend Flüssigkeit zu versorgen. In diesen Fällen kann es<br />
besser sein, Getränke mit Kohlenhydrat- <strong>und</strong> Elektrolytzusatz<br />
statt reines Wasser zu trinken. Während eines Spiels kann ich<br />
beim Aufwärmen, in der Halbzeitpause <strong>und</strong> während Spielpausen<br />
trinken. Im Training sollte der Trainer je nach Wetter<br />
<strong>und</strong> Belastungsintensität Trinkpausen vorsehen.<br />
Eine vollständige Entleerung ihrer Brennstoffspeicher kann<br />
besonders <strong>für</strong> Spielerinnen, die aufgr<strong>und</strong> ihrer Position<br />
oder ihres persönlichen Spielstils viel laufen, zum Problem<br />
werden. Spielerinnen, die ihre Flüssigkeits- <strong>und</strong> Brennstoffaufnahme<br />
optimal abstimmen, werden nicht nur in<br />
der zweiten Halbzeit weiter <strong>und</strong> schneller laufen, sondern<br />
auch ihre Geschicklichkeit <strong>und</strong> ihr Urteilsvermögen erhalten,<br />
während sie sonst schon ermüden würden. Kommerzielle<br />
Sportgetränke mit einem Kohlenhydratgehalt von<br />
4–8 % (4–8 g/100 ml) stillen den Kohlenhydrat- <strong>und</strong> Flüssigkeitsbedarf<br />
gleichzeitig.<br />
Flüssigkeitsspeicher wieder auffüllen<br />
Die Erholung nach Training oder Spiel gehört zur Vorbereitung<br />
auf die nächste Anstrengung, <strong>und</strong> der Ersatz der<br />
Schweissverluste ist ein ganz wichtiger Teil dieses Prozesses.<br />
Sowohl das mit dem Schweiss verlorene Wasser<br />
als auch Salz müssen ersetzt werden. Für jedes verlorene<br />
Kilogramm Gewicht sollten wir etwa 1,2–1,5 Liter Flüssigkeit<br />
trinken. Wenn ich nicht gleichzeitig esse, sollte das<br />
Getränk Natrium, das hauptsächlich im Schweiss verlorene<br />
Salz, enthalten. Sportgetränke mit Elektrolyten sind<br />
hilfreich, aber Nahrungsmittel können das benötigte Salz<br />
ebenso liefern. Vorsicht ist bei Salztabletten geboten, sie<br />
können mehr schaden als nutzen.<br />
Einige Spielerinnen versuchen, ihren Schweissverlust mit<br />
Flüssigkeit auszugleichen, <strong>und</strong> nehmen dadurch während<br />
eines Trainings sogar zu. Die Idee ist aber, nur gerade so<br />
viel zu trinken, dass der Gewichtsverlust nicht mehr als<br />
1–2 % des Ausgangsgewichtes beträgt – also eben nicht<br />
genauso viel, wie man verliert. Um ein Gefühl <strong>für</strong> den<br />
eigenen Schweissverlust zu bekommen, lohnt es sich, Folgendes<br />
auszuprobieren:<br />
• Wiege dich vor <strong>und</strong> nach einer Anstrengung von mindestens<br />
einer St<strong>und</strong>e, die den Bedingungen im Spiel<br />
oder hartem Training ähnelt. Bestimme dein Gewicht<br />
(kg) jeweils nur wenig bekleidet <strong>und</strong> barfuss.<br />
• Trockne dich nach der Belastung mit einem Handtuch<br />
ab <strong>und</strong> wiege dich sobald als möglich (innerhalb von 10<br />
Minuten).<br />
• Notiere die Flüssigkeitsmenge, die du während der Belastung<br />
getrunken hast (Liter).<br />
Schweissverlust (Liter) = Körpergewicht vor Belastung (kg)<br />
– Körpergewicht nach Belastung (kg)<br />
+ Flüssigkeitsaufnahme während Belastung (l)
48 DIE RICHTIGE FUSSBALLKOST – GESUNDHEIT, FITNESS UND LEISTUNG FÖRDERN | GESUNDHEIT UND FITNESS FÜR FUSSBALLERINNEN<br />
GESUNDHEIT UND FITNESS FÜR FUSSBALLERINNEN | DIE RICHTIGE FUSSBALLKOST – GESUNDHEIT, FITNESS UND LEISTUNG FÖRDERN 49<br />
Klein, aber von grosser Bedeutung<br />
Die Nahrung muss auch genügend so genannte Mikronährstoffe<br />
enthalten (im Vergleich zu den Makronährstoffen<br />
Fett, Kohlenhydrate, Eiweiss), die <strong>für</strong> eine normale<br />
Körperfunktion unerlässlich sind. Ein Mangel ist im Allgemeinen<br />
selten, solange ich ausgewogen <strong>und</strong> ausserdem<br />
genug esse, um meinen Energiebedarf zu decken. Das<br />
Risiko eines Mangels steigt allerdings mit jeder Kosteinschränkung,<br />
wie z. B. bei Vegetariern oder Vermeidung<br />
von Milchprodukten.<br />
Eisen<br />
Eisen ist ein wichtiger Bestandteil des Hämoglobins, des<br />
Blutfarbstoffes in den roten Blutzellen, die Sauerstoff aus<br />
den Lungen zum Körpergewebe befördern. Ein niedriger<br />
Hämoglobingehalt kann zu einer Einschränkung der Leistungsfähigkeit<br />
<strong>und</strong> zu Müdigkeit führen. Frauen benötigen<br />
mehr Eisen, da sie mit der Regelblutung Blut verlieren<br />
<strong>und</strong> kleinere Mengen essen. Deshalb ist ein Eisenmangel<br />
unter Frauen häufig, aber er ist geradezu erschreckend<br />
häufi g bei Sportlerinnen. Von den Spielerinnen der schwedischen<br />
Nationalmannschaft wiesen 59 % vor der FIFA<br />
Frauen-Weltmeisterschaft einen Eisenmangel auf. Beinahe<br />
eine von drei Spielerinnen litt aufgr<strong>und</strong> ihres Eisenmangels<br />
unter einer Anämie, einem Mangel an roten Blutzellen.<br />
Eisenreiches Essen hilft, einem Eisenmangel vorzubeugen:<br />
• 3–5 mittlere Portionen roten Fleisches pro Woche<br />
• mit Eisen angereicherte Nahrungsmittel wie Frühstücksfl<br />
ocken<br />
• Kombination von pflanzlichen <strong>und</strong> nichtfleischlichen<br />
Eisenquellen (z. B. Hülsenfrüchte, Getreide, Eier, grünes<br />
Blattgemüse) mit Nahrungsmitteln, die die Eisenaufnahme<br />
in den Körper fördern (z. B. Vitamin C). Beispiele <strong>für</strong><br />
geschickte Kombinationen: Fruchtsaft oder Obst mit<br />
Frühstücksfl ocken, Chili con carne (Fleisch mit Bohnen)<br />
• Nahrungsmittel meiden, die die Eisenaufnahme behindern,<br />
wie Ballaststoffe <strong>und</strong> Tanninsäure (z. B. in Tee)<br />
Nicht empfehlenswert ist hingegen der routinemässige<br />
Gebrauch von Eisentabletten, sie können in der Tat mehr<br />
schaden als nützen. Ein Arzt wird womöglich eine Behandlung<br />
mit Eisen verordnen, wenn die Blutresultate einen<br />
durch Eisenmangel bedingten Blutmangel zeigen. Eine solche<br />
Behandlung muss durch den Arzt überwacht werden<br />
<strong>und</strong> benötigt Monate, um wirken zu können.<br />
Kalzium<br />
Der Grossteil des Kalziums unseres Körpers ist in den<br />
Knochen gespeichert <strong>und</strong> bestimmt die Knochendichte<br />
<strong>und</strong> -masse. Um die <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> meiner Knochen zu<br />
schützen – <strong>und</strong> das ist sehr ernst zu nehmen – muss ich<br />
genügend Kalzium in Verbindung mit Vitamin D zu mir<br />
nehmen. Im Kapitel „Wie schütze ich meine Knochen?“<br />
ist zu erfahren, wie eine genügende Kalziumaufnahme<br />
sichergestellt wird.<br />
Vorsicht bei Nahrungsergänzungsmitteln<br />
Wenn Nahrungsergänzungsmittel im Fussball auch weit<br />
verbreitet sind, so haben sie doch nur geringen Einfl<br />
uss auf die Leistung. Obwohl viele Hersteller von ihren<br />
Nahrungsergänzungen behaupten, dass sie Körperfett<br />
ab- <strong>und</strong> stärkere Muskeln aufbauen oder die Erholung<br />
beschleunigen können, ist es in Wirklichkeit so, dass viele<br />
Produkte entweder auf der Liste der verbotenen Substanzen<br />
stehen oder ges<strong>und</strong>heitsschädlich sind – oder<br />
sogar beides.<br />
„In einer idealen Welt sollte man keine<br />
Ergänzungsmittel benötigen <strong>und</strong> alle<br />
Nährstoffe aus einer hochwertigen <strong>und</strong><br />
ausreichenden Ernährung beziehen können ...“<br />
Dawn Scott, Sportwissenschaftler, englischer Fussballverband<br />
Gr<strong>und</strong>sätzlich besteht beim Gebrauch von Nahrungsergänzungsmitteln<br />
ein erhebliches Risiko <strong>für</strong> einen positiven<br />
Dopingtest. Oft werden die kritischen Inhaltsstoffe,<br />
die einen positiven Test nach sich ziehen können, auf<br />
dem Produkt gar nicht deklariert. Leider ist dies keine<br />
Entschuldigung: Gemäss des Welt-Anti-Doping-Kodex<br />
ist jede Spielerin selbst da<strong>für</strong> verantwortlich, was sie<br />
isst <strong>und</strong> trinkt. Deshalb sollten alle Nahrungsergänzungen<br />
von einem Arzt geprüft werden. Besteht auch nur<br />
der geringste Zweifel, sollten wir sie nicht nehmen. Es<br />
ist auch wichtig zu wissen, dass der Gebrauch von Nahrungsergänzungen<br />
niemals eine schlechte Nahrungsmittelwahl<br />
ausgleichen kann.<br />
Tipps <strong>für</strong> vielseitiges <strong>und</strong><br />
nährstoffreiches Essen<br />
• Offen sein <strong>für</strong> neue Nahrungsmittel <strong>und</strong> Rezepte<br />
• Bevorzugt bei saisongerechten Nahrungsmitteln zugreifen<br />
• Alle Sorten der verschiedenen Nahrungsmittel ausprobieren<br />
• Verschiedene Nahrungsmittel in einer Mahlzeit kombinieren<br />
• Sorgfältig abwägen, bevor eine Nahrungsmittelgruppe<br />
vom Speiseplan gestrichen wird<br />
• Früchte <strong>und</strong> Gemüse zu jeder Mahlzeit geniessen. Die<br />
intensive Farbe vieler Früchte <strong>und</strong> Gemüse ist ein Zeichen<br />
ihres hohen Gehaltes <strong>und</strong> Vitaminen <strong>und</strong> Antioxidantien.<br />
Ideal ist es, wenn ich jeden Tag Früchte <strong>und</strong> Gemüse in<br />
allen Farben des Regenbogens esse, indem ich aus jeder<br />
der folgenden Kategorien auswähle:<br />
– Weiss: z. B. Blumenkohl, Bananen, Zwiebeln, Kartoffeln<br />
– Grün: z. B. Brokkoli, Spinat, Salat, grüne Äpfel, Trauben<br />
– Blau/violett: z. B. Blaubeeren, Pfl aumen, blaue Trauben,<br />
Rosinen<br />
– Orange/gelb: z. B. Karotten, Aprikosen, Pfi rsiche, Orangen,<br />
Melonen, Mangos<br />
– Rot: z. B. Tomaten, Wassermelonen, Kirschen,<br />
Beeren, rote Äpfel, rote Paprika<br />
Autorin:<br />
Dr. Katharina Grimm<br />
Basierend auf folgenden Artikeln:<br />
– Consensus statement: Nutrition for football: The FIFA/F-MARC<br />
consensus conference. J Sports Sci 2006, 24(7): 663-664<br />
– Maughan RJ, Shirreffs SM (2007) Nutrition and hydration<br />
concerns of the female football player. Br J Sports Med, 41<br />
Suppl. I: i60-i63<br />
– Rosenbloom CA, Loucks AB, Ekblom B (2006) Special<br />
populations: the female player and the youth player. J Sports<br />
Sci 24(7): 783-93
Wie schütze ich meine Knochen?
52 WIE SCHÜTZE ICH MEINE KNOCHEN? | GESUNDHEIT UND FITNESS FÜR FUSSBALLERINNEN<br />
GESUNDHEIT UND FITNESS FÜR FUSSBALLERINNEN | WIE SCHÜTZE ICH MEINE KNOCHEN? 53<br />
Wie schütze ich meine Knochen?<br />
Bei Osteoporose werden die Knochen schwach <strong>und</strong> im wahrsten Sinne des Wortes<br />
zerbrechlich. Häufi g als „Alte-Frauen-Krankheit“ abgetan, betrifft sie heute mehr <strong>und</strong><br />
mehr junge Sportlerinnen: Osteoporose behindert erst ihre Karriere <strong>und</strong> später ihr Leben.<br />
Wir können unsere Knochen jedoch schützen <strong>und</strong> sie stark <strong>und</strong> ges<strong>und</strong> erhalten.<br />
Osteoporose bedeutet wörtlich „poröser Knochen“. Bei<br />
dieser Krankheit ist sowohl die Dichte als auch die Qualität<br />
des Knochens vermindert. Unbehandelt schreitet die Osteoporose<br />
mit den Jahren immer weiter fort, bis irgendwann<br />
ein Knochen bricht. Bis zu diesem ersten Knochenbruch<br />
geht dieser Knochenschw<strong>und</strong> jedoch typischerweise still<br />
<strong>und</strong> schmerzlos ohne irgendwelche Warnzeichen vor sich.<br />
Da osteoporotische Knochen so schwach <strong>und</strong> zerbrechlich<br />
sind, kann ein solcher Bruch bereits durch minimale Belastungen<br />
wie Vornüberbeugen, die-Sporttasche-Hochheben<br />
oder Husten verursacht werden. Bei jungen Sportlerinnen<br />
können auch wiederholte Ermüdungsbrüche ein Hinweis<br />
auf geschwächte Knochen sein.<br />
Wie stellt der Arzt eine Osteoporose fest?<br />
Die entscheidende Methode, um den Knochenzustand festzustellen,<br />
heisst Densitometrie oder kurz DEXA (<strong>für</strong> Dual Energy X-ray<br />
Absorptiometry). Dabei wird die Knochendichte der Wirbelsäule<br />
oder des Oberschenkelknochens gemessen, die dann mit dem so<br />
genannten T-Score angegeben wird. Dieser T-Score wird mit der<br />
durchschnittlichen Knochendichte von Frauen desselben Alters<br />
verglichen. Eine normale Knochendichte ist im Vergleich zu diesem<br />
Durchschnitt definitionsgemäss grösser als –1. Das American<br />
College of Sport Medicine (ACSM) verwendet die Bezeichnung<br />
„niedrige Knochendichte” <strong>für</strong> Sportlerinnen mit einem T-Score<br />
zwischen –1,0 <strong>und</strong> –2,0. Für Werte gleich oder unter –2 empfiehlt<br />
das ACSM die Bezeichnung „Osteoporose”, um das erhöhte<br />
Bruchrisiko zum Ausdruck zu bringen.<br />
Die Knochendichte hängt vom Mineralgehalt der Knochen<br />
ab. Der Knochenmineralgehalt ist abhängig von Alter,<br />
Geschlecht <strong>und</strong> Rasse. Ausserdem spielt Vererbung eine<br />
grosse Rolle. Das wichtigste Mineral in dieser Hinsicht ist<br />
Kalzium. Der grösste Teil des Kalziums unseres Körpers ist<br />
in den Knochen gespeichert, wo es die Knochendichte <strong>und</strong><br />
-masse bestimmt. Die Menge an in den Knochen eingelagertem<br />
Kalzium erreicht im jungen Erwachsenenalter ihr<br />
Maximum. Wer das Erwachsenenalter mit einer niedrigen<br />
maximalen Knochenmasse erreicht oder später grössere<br />
Verluste erleidet, ist gefährdet, Osteoporose zu bekommen.<br />
Während wir an unseren Erbanlagen, Alter oder Geschlecht<br />
nichts ändern können, können wir andere Faktoren, die<br />
den Mineralgehalt unserer Knochen bestimmen, sehr wohl<br />
beeinfl ussen. Dies betrifft unseren Lebensstil wie Rauchen<br />
<strong>und</strong> Alkoholkonsum, körperliche Aktivität <strong>und</strong> Ernährung.<br />
Unsere Hormone spielen ebenfalls eine wichtige Rolle.<br />
Hormone <strong>und</strong> Knochen<br />
Die weiblichen Geschlechtshormone beeinflussen den<br />
Kalziumspiegel bei Frauen <strong>und</strong> sind ein wichtiger Faktor<br />
<strong>für</strong> Knochenbildung <strong>und</strong> -umbau während ihres ganzen<br />
Lebens. Es ist bekannt, dass Frauen mit spät einsetzenden<br />
<strong>und</strong> früh aufhörenden Monatsblutungen ein höheres<br />
Risiko <strong>für</strong> Osteoporose haben. Tatsächlich kann aber jede<br />
Veränderung des normalen Menstruationszyklus einen<br />
direkten oder indirekten Einfluss auf die Knochendichte<br />
ausüben <strong>und</strong> ein Risiko <strong>für</strong> Knochenbrüche bedeuten.<br />
Aktive Sportlerinnen haben häufig unregelmässige oder<br />
sogar keine Monatsblutungen. Eine solche durch körperliche<br />
Anstrengung bedingte Menstruationsstörung geht auf<br />
einen Östrogenabfall zurück, dem den weiblichen Zyklus<br />
steuernden Hormon, <strong>und</strong> kann <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> <strong>und</strong> Leistung<br />
erheblich beeinträchtigen. Die Häufi gkeitsangaben einer<br />
solchen Menstruationsstörung bei Sportlerinnen liegen<br />
zwischen 6 <strong>und</strong> 79 %. Die Häufigkeit hängt davon ab,<br />
wie der jeweilige Untersucher eine Menstruationsstörung<br />
defi niert, aber auch vom jeweiligen Sport <strong>und</strong> dem Wettkampfniveau.<br />
So hat sich zum Beispiel gezeigt, dass dieses<br />
Phänomen im Fussball <strong>und</strong> im Handball erheblich seltener<br />
auftritt als bei Frauen, die Ausdauersport oder Disziplinen,<br />
wo das Aussehen besonders wichtig ist, wie Gymnastik<br />
oder Tanz, betreiben.<br />
Ein völliges Ausbleiben der Blutungen heisst Amenorrhoe<br />
<strong>und</strong> stellt die extremste Form einer Menstruationsstörung<br />
dar. Sie zeichnet sich durch niedrige Spiegel der weiblichen<br />
Geschlechtshormone aus <strong>und</strong> kann <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> <strong>und</strong><br />
Fruchtbarkeit erheblich schaden. Auch wenn uns das Ausbleiben<br />
regelmässiger Blutungen manchmal geradezu willkommen<br />
erscheinen mag, so handelt es sich dabei doch<br />
um eine sehr ernste Situation <strong>und</strong> bedeutet, dass unsere<br />
Knochen einen irreversiblen Schaden nehmen.<br />
Es gibt verschiedene Einflussfaktoren, die den Hormonhaushalt<br />
durcheinanderbringen <strong>und</strong> zu Menstruationsstörungen<br />
führen können, dazu gehören eine negative<br />
Energiebilanz, abnormale Essgewohnheiten, die Intensität<br />
von Spiel <strong>und</strong> Training, Körpergewicht <strong>und</strong> -bau sowie alle<br />
Arten von körperlichem oder seelischem Stress. Die Reaktion<br />
der Fortpflanzungsorgane einer Frau auf Sport <strong>und</strong><br />
ernährungsbedingte Faktoren ist sehr individuell.<br />
Ermüdungsbrüche<br />
Während der Knochenschw<strong>und</strong> in der Regel über lange<br />
Zeit unbemerkt bleibt, kann ein Ermüdungsbruch ein Warnzeichen<br />
sein. Vereinfacht kann man sagen: je niedriger die<br />
Knochenmasse, desto grösser das Risiko <strong>für</strong> einen Ermüdungsbruch.<br />
Dieser tritt auf, wenn der Knochen wiederholte<br />
mechanische Belastungen nicht aushalten kann – so wie<br />
sie unsere Beine im Fussball praktisch permanent aushalten<br />
müssen. Dabei verspüre ich einen örtlich begrenzten<br />
Spontan- <strong>und</strong> Druckschmerz im betroffenen Bereich.<br />
<strong>Fussballerinnen</strong> <strong>und</strong> Frauen allgemein erleiden häufiger<br />
Ermüdungsbrüche als Fussballer bzw. Männer. Darüber<br />
hinaus treten Ermüdungsbrüche bei Spielerinnen mit<br />
Menstruationsstörungen häufi ger auf. Bei einem völligen<br />
Ausbleiben der Regel ist das Risiko <strong>für</strong> einen Ermüdungsbruch<br />
zwei- bis dreimal höher. Die Gefahr von Ermüdungsbrüchen<br />
steigt, wenn eine Spielerin ihre Kalorienzufuhr<br />
einschränkt, Milchprodukte mit normalem Fettgehalt meidet,<br />
Diätprodukte konsumiert, unter Essstörungen leidet<br />
<strong>und</strong> ein niedriges Körpergewicht hat.<br />
„Wir sind uns des Problems der Osteoporose bewusst <strong>und</strong> bestärken<br />
unsere Spielerinnen immer wieder, auf eine kalziumreiche Ernährung zu<br />
achten <strong>und</strong> jegliche Änderung ihres Menstruationszyklus sofort zu melden.<br />
Wir raten ihnen von Alkohol, übermässigem Salzkonsum, Koffein <strong>und</strong><br />
Rauchen ab, um das Risiko <strong>für</strong> Osteoporose <strong>und</strong> andere<br />
Krankheiten zu senken.“<br />
Helen Tunstall, verantwortlich <strong>für</strong> das Vorbeugen von Verletzungen<br />
beim neuseeländischen Fussballverband
54 WIE SCHÜTZE ICH MEINE KNOCHEN? | GESUNDHEIT UND FITNESS FÜR FUSSBALLERINNEN<br />
GESUNDHEIT UND FITNESS FÜR FUSSBALLERINNEN | WIE SCHÜTZE ICH MEINE KNOCHEN? 55<br />
Wie schütze ich meine Knochen?<br />
Wie erwähnt, ist der Knochenschw<strong>und</strong> ein schleichender<br />
Prozess, den ich meistens erst bemerke, wenn eine damit<br />
im Zusammenhang stehende Verletzung auftritt, wie ein<br />
Ermüdungsbruch. Dennoch kann ich Osteoporose vorbeugen<br />
<strong>und</strong> viel zum Schutz meiner Knochen tun:<br />
1. Menstruationszyklus beobachten<br />
Wie oben erklärt, bedeutet jede Unterbrechung regelmässiger<br />
Blutungen ein Risiko <strong>für</strong> bleibende Knochenschäden.<br />
Jede Spielerin sollte dies als ernstes Warnzeichen verstehen<br />
<strong>und</strong> sofort handeln. Bei einer Amenorrhoe ist es ganz<br />
entscheidend, bereits im ersten Jahr einzuschreiten, da der<br />
Knochenverlust zu Beginn am stärksten ist. Deshalb ist es<br />
von höchster Wichtigkeit, dass ich so schnell wie möglich<br />
einen Arzt aufsuche, sobald es zu unregelmässigen oder<br />
gar ausbleibenden Regelblutungen kommt.<br />
Es hat sich erwiesen, dass die Verschreibung hormonhaltiger<br />
Verhütungspillen nicht nur den Zyklus normalisiert,<br />
sondern bei Sportlerinnen mit Menstruationsstörungen<br />
möglicherweise auch die Knochendichte erhöhen kann.<br />
2. Körperliche Betätigung<br />
Eine mechanische Belastung der Knochen fördert die Bildung<br />
neuen Knochens. Deshalb kann körperliche Aktivität<br />
mit Gewichtsbelastung vor Knochenverlust schützen, sie<br />
kann ihn ausserdem – wenn schon bestehend – verlangsamen<br />
oder eventuell sogar aufhalten. Die gute Nachricht<br />
ist, dass Fussballtraining die Knochenmasse der unteren<br />
Extremitäten erhöht <strong>und</strong> so das Risiko einer späteren Osteoporose<br />
mindern kann. In einer Studie mit norwegischen<br />
Sportlerinnen wiesen Fuss- <strong>und</strong> Handballspielerinnen höhere<br />
Knochendichtewerte auf als Ausdauersportlerinnen <strong>und</strong><br />
Frauen, die sich nicht sportlich betätigen. Man nimmt an,<br />
dass die mechanische Belastung beim Fussballspielen da<strong>für</strong><br />
der Hauptgr<strong>und</strong> ist.<br />
3. Energiebedarf stillen<br />
Als Spielerin sollte ich länger dauernde Perioden mit unzureichender<br />
Energieverfügbarkeit vermeiden, da sie meinen<br />
Knochen ernstlich schaden können. Was bedeutet das?<br />
Nehme ich weniger als 30 kcal pro Kilogramm meiner<br />
fettfreien Körpermasse zu mir, dann ist dies eine unzureichende<br />
Energieverfügbarkeit. Ich kann meine fettfreie Körpermasse<br />
(FFM) berechnen, indem ich von meinem Körpergewicht<br />
etwa 20 % <strong>für</strong> den normalen Körperfettanteil<br />
bei Frauen abziehe. Wer eine ausreichende Energiezufuhr<br />
sicherstellen will, muss die Energie, die beim Training <strong>und</strong><br />
im Spiel verbraucht wird, berücksichtigen.<br />
Beispiel einer unzureichenden Energieverfügbarkeit<br />
60 kg schwere Frau mit 20 % Körperfett = 48 kg fettfreie<br />
Körpermasse (FFM)<br />
Tägliche Energieaufnahme beträgt 1800 kcal (7560 kJ)<br />
Verbrauch durch körperliche Anstrengung (1 Std./Tag) = 500 kcal<br />
(2100 kJ)<br />
Verfügbare Energie = 1800–500 = 1300 kcal (5460 kJ)<br />
Verfügbare Energie = 1300/48 oder 27 kcal/kg FFM (113 kJ per kg FFM)<br />
4. Genügend Kalzium zu sich nehmen<br />
Um unsere Knochen zu schützen, müssen wir genügend Kalzium,<br />
aber auch Vitamin D zu uns nehmen. Dieses Vitamin<br />
kann auch unter Sonneneinstrahlung in der Haut gebildet<br />
werden. Nichtsdestotrotz kann eine sehr schlanke Spielerin<br />
durch zu geringe Kalziumzufuhr gefährdet sein, umso<br />
mehr, wenn sie unter einer Amenorrhoe leidet.<br />
Milchprodukte sind die beste Quelle <strong>für</strong> Kalzium. Wer sich<br />
wegen des Fettgehaltes Sorgen macht, kann zu den fettreduzierten<br />
Varianten greifen, die ein idealer Weg sind,<br />
um den Kalziumbedarf zu stillen. Man sollte versuchen,<br />
jeden Tag mindestens drei Portionen Milchprodukte zu<br />
sich zu nehmen – z. B. 200 ml fettarme Milch, 30 g Käse<br />
oder einen 200-ml-Becher fettarmer Joghurt. Kalziumangereicherte<br />
Sojaprodukte sind ebenfalls geeignet – z. B.<br />
Sojamilch, Sojajoghurt. Schwangere oder Stillende brauchen<br />
ein bis zwei Portionen mehr. Mit Gräten gegessener<br />
Fisch (z. B. Dosenfi sch wie Lachs oder Sardinen) <strong>und</strong> grünes<br />
Blattgemüse (z. B. Brokkoli, Spinat) sind weitere gute<br />
Quellen <strong>für</strong> zusätzliches Kalzium aus unserer Nahrung.<br />
Dabei ist es wichtig zu wissen, dass es keinen Anhalt gibt,<br />
wonach eine Kalziumeinnahme den Knochenverlust bei<br />
Frauen mit ausbleibenden Regelblutungen verhindern<br />
könnte. Dies bedeutet: Wie viel Kalzium auch immer meine<br />
tägliche Kost enthält, es wird einen Hormonmangel niemals<br />
ausgleichen können. Deshalb: Wenn die Regelblutung unregelmässig<br />
ist, sollten wir dringend einen Arzt aufsuchen.<br />
Autorin:<br />
Dr. Katharina Grimm<br />
Basierend auf folgenden Artikeln:<br />
– Warden SJ, Creaby MW, Bryant A L, Crossley KM (2007)<br />
Stress fracture risk factors in female football players and their<br />
clinical implications. Br J Sports Med, 41 Suppl. I: i38-i43<br />
– S<strong>und</strong>got-Borgen J, Torstveit MK (2007) The female football<br />
player, disordered eating, menstrual function and bone health.<br />
Br J Sports Med, 41 Suppl.I: i68-i72<br />
„In meiner Erfahrung gab es in den letzten acht Jahren nur einige wenige<br />
Ermüdungsbrüche, alle am Fuss <strong>und</strong> Unterschenkel <strong>und</strong> alle mit wiederholter<br />
Krafteinwirkung verb<strong>und</strong>en, ohne Anzeichen einer Osteoporose. In unserer<br />
medizinischen Betreuung der Spielerinnen spielt die Vorbeugung von<br />
Verletzungen eine entscheidende Rolle. Dies beinhaltet die sorgfältige<br />
Überwachung von Trainingsbelastung, Menstruation <strong>und</strong> Ernährung.“<br />
Helen Tunstall, verantwortlich <strong>für</strong> das Vorbeugen von Verletzungen<br />
beim neuseeländischen Fussballverband
Fragen <strong>und</strong> Antworten<br />
zum Frauenfussball
58 FRAGEN UND ANTWORTEN ZUM FRAUENFUSSBALL | GESUNDHEIT UND FITNESS FÜR FUSSBALLERINNEN<br />
GESUNDHEIT UND FITNESS FÜR FUSSBALLERINNEN | FRAGEN UND ANTWORTEN ZUM FRAUENFUSSBALL 59<br />
Fragen <strong>und</strong> Antworten zum Frauenfussball<br />
Gibt es typische „Frauenverletzungen” im Fussball?<br />
Es gibt kaum typisch „weibliche” Verletzungen, sieht man<br />
einmal von der beträchtlich höheren Rate von vorderen<br />
Kreuzbandverletzungen in den Kontaktsportarten wie<br />
Fussball, Handball <strong>und</strong> Basketball ab. Im Fussball scheinen<br />
Frauen ansonsten generell nicht anfälliger <strong>für</strong> Verletzungen<br />
als Männer. Die weiblichen Fortpfl anzungsorgane<br />
sind vor Verletzungen weit besser geschützt als die männlichen.<br />
Brustverletzungen, die eine Sorge sein könnten,<br />
sind selbst in Kontaktsportarten extrem selten. Dennoch<br />
gibt es bezüglich der Art der Verletzungen im Fussball einige<br />
Unterschiede. Insbesondere scheinen Frauen häufi ger<br />
Knöchelverstauchungen, Kniebandverletzungen <strong>und</strong> Hirnerschütterungen<br />
zu erleiden als Männer. Risse des vorderen<br />
Kreuzbandes im Knie sind ein besonderes Problem, sie<br />
können im Fussball bei Frauen bis zu zehnmal öfter als bei<br />
Männern auftreten. Die Gründe <strong>für</strong> diese höhere Rate sind<br />
nicht ganz klar (siehe Kapitel über Vermeidung von vorderen<br />
Kreuzbandverletzungen).<br />
Können Frauen während der Menstruation<br />
spielen?<br />
Es gibt überhaupt keinen Gr<strong>und</strong>, warum ich während der<br />
Periode nicht Sport treiben könnte. Alle Sportarten sind<br />
möglich, so natürlich auch Fussball. Tatsächlich kann körperliche<br />
Aktivität während der Blutung zu Schmerzen führende<br />
Krämpfe <strong>und</strong> Spasmen lindern <strong>und</strong> auch die typischen<br />
Beschwerden vor der Periode vermindern.<br />
In einer Studie zeigte sich zudem, dass mehr als 80 % der<br />
Frauen während der Periode normale oder bessere Leistungen<br />
erzielen. Die übrigen Frauen blieben unter ihrem<br />
normalen Leistungsstandard zurück. Gleichzeitig gibt es<br />
immer wieder Frauen, die gerade während ihrer Blutung<br />
persönliche Bestleistungen verzeichnen. Letztlich bedeutet<br />
dies, dass mein Körper auf die Menstruation völlig anders<br />
reagieren kann als der meiner Teamkameradinnen. Einige<br />
Spielerinnen haben Probleme, andere nicht. Deshalb ist<br />
mein persönliches Wohlbefinden oder eben Unwohlsein<br />
der alles entscheidende Faktor, wenn es um die Dauer <strong>und</strong><br />
Intensität des Trainings geht.<br />
Was ist die beste Empfängnisverhütung<br />
<strong>für</strong> <strong>Fussballerinnen</strong>?<br />
Ganz unabhängig von ihrer körperlichen Aktivität hat jede<br />
Frau andere Bedürfnisse <strong>und</strong> Erwartungen an ihre Verhütungsmethode,<br />
<strong>und</strong> diese persönlichen Faktoren können<br />
einige Methoden von vornherein ausschliessen. Zusätzlich<br />
sind weitere Punkte zu beachten, wie der Lebensstil (Rauchen!)<br />
<strong>und</strong> Krankheiten wie Diabetes (hoher Blutzucker)<br />
oder in der Vergangenheit aufgetretene Thrombosen (Bildung<br />
von Blutgerinnseln). Dementsprechend kann es die<br />
eine Methode, die <strong>für</strong> jede Spielerin zu jeder Zeit ideal ist,<br />
nicht geben. Die Wahl der Verhütungsmethode ist sehr<br />
individuell, <strong>und</strong> die Tatsache, dass eine Frau Fussball spielt,<br />
ist immer nur ein Faktor bei dieser Entscheidungsfi ndung.<br />
Abgesehen von der im Vergleich zu anderen Methoden<br />
besonders zuverlässigen <strong>und</strong> jederzeit reversiblen Wirkung<br />
von Verhütungspillen gibt es einige weitere Aspekte ihres<br />
Gebrauchs, die von Spielerinnen als Vorteil gesehen werden<br />
können:<br />
• Minderung von Beschwerden <strong>und</strong> Schmerzen vor der<br />
Periode<br />
• geringerer Blutverlust<br />
• Besserung von Blutungsunregelmässigkeiten<br />
• Möglichkeit, den Blutungszeitpunkt zu bestimmen<br />
Zudem vermag die Pille Spannungsgefühle in der Brust zu<br />
mildern <strong>und</strong> Aknesymptome zu bessern.<br />
Seit ihrer Einführung in den 60er-Jahren wurde der Hormongehalt<br />
von Verhütungspillen stetig reduziert. Als Folge<br />
davon haben auch die unerwünschten Nebenwirkungen<br />
abgenommen. Jede Pille hat bestimmte Eigenschaften, die<br />
von ihrem jeweiligen Gehalt an weiblichen Geschlechtshormonen<br />
(Östrogen <strong>und</strong> Progestin) oder einer eventuellen<br />
männlichen Hormonwirkung abhängen. Jede Frau reagiert<br />
auf die verschiedenen Bestandteile unterschiedlich, <strong>und</strong><br />
manchmal treffen bestimmte Gr<strong>und</strong>regeln einfach nicht<br />
zu. Wenn die Häufigkeit von Nebenwirkungen der Pille<br />
auch erheblich gesenkt werden konnte, so leiden manche<br />
Frauen dennoch nach wir vor unter bestimmten. Während<br />
der ersten drei Monate einer neuen Verhütungspille kann<br />
eine ganze Reihe von Nebenwirkungen auftreten (z. B.<br />
Spannungsgefühl in der Brust, Kopfschmerzen, Erbrechen,<br />
Übelkeit, Blutungsstörungen). Mit der Zeit werden diese<br />
in der Regel nachlassen. Daher sollte jede Verhütungspille<br />
mindestens <strong>für</strong> zwei bis drei Monate getestet werden.<br />
Bei allen Frauen, bei denen eine Pilleneinnahme erwogen<br />
wird, muss sorgfältig die Familiengeschichte erhoben werden,<br />
um festzustellen, ob gehäuft Herz-Kreislauf-Erkrankungen<br />
auftreten (z. B. Hirnschlag bei Eltern im Alter unter<br />
45, Herzinfarkt der Mutter, durch Blutgerinnsel verursachte<br />
Krankheiten).<br />
Es gibt Implantate, die in den Oberarm eingepfl anzt werden<br />
<strong>und</strong> dann drei Jahre lang Hormone ins Blut abgeben.<br />
Beim Fussball muss man dabei berücksichtigen, dass ein<br />
Schlag oder Schuss gegen den Oberarm zu einem Bluterguss<br />
in dem Gebiet um das Implantat führen kann.<br />
Daneben gibt es auch östrogenfreie Methoden, die in die<br />
Gebärmutter eingesetzt werden <strong>und</strong> eine langfristige Verhütung<br />
bieten. Sie eignen sich besonders <strong>für</strong> Frauen, die<br />
bereits Kinder geboren haben. Eine andere Methode ist<br />
ein fl exibler Ring, der einmal im Monat in die Scheide eingesetzt<br />
wird <strong>und</strong> langsam niedrige Dosen an Hormonen<br />
freisetzt <strong>und</strong> so eine Schwangerschaft verhindert.<br />
Alle Methoden einschliesslich der natürlichen haben im<br />
Einzelfall ihre Vor- <strong>und</strong> Nachteile. Eine individuelle Beratung<br />
durch den Arzt ist entscheidend, um herauszufi nden,<br />
was zu einem bestimmten Zeitpunkt die beste Methode<br />
<strong>für</strong> mich – als Frau <strong>und</strong> als Fussballspielerin – ist.<br />
Dabei gilt, dass völlig unabhängig von der gewählten Verhütungsmethode<br />
der Gebrauch von Kondomen selbstverständlich<br />
sein sollte, wenn ich einen neuen oder einmaligen<br />
Partner habe oder jemanden, den ich nicht besonders<br />
gut kenne. Damit schütze ich mich nicht nur vor einer<br />
Ansteckung mit HIV, sondern auch vor Hepatitis <strong>und</strong> anderen<br />
sexuell übertragenen Krankheiten.<br />
Nehme ich durch die Einnahme der Pille zu?<br />
Der Glaube, dass die Einnahme der Pille (orale Kontrazeptiva)<br />
zur Gewichtszunahme führt, ist weit verbreitet. Die wissenschaftliche<br />
Datenlage bestätigt dies jedoch nicht. Eine<br />
kürzliche Analyse so genannter randomisiert kontrollierter<br />
Untersuchungen (dem „Goldstandard“ der medizinischen<br />
Forschung) fand keinen wissenschaftlichen Beweis da<strong>für</strong>,<br />
dass orale Kontrazeptiva zu einer Gewichtszunahme führen.<br />
Von früheren Studien zur Pille wissen wir, dass die<br />
Gewichtszunahme tatsächlich ein Problem war, <strong>und</strong> zwar<br />
sowohl durch Wassereinlagerung als auch durch Fettansammlung.<br />
Diese Pillen der ersten Generation hatten<br />
allerdings verglichen mit modernen Pillen einen wesentlich<br />
höheren Hormongehalt. Es ist bekannt, dass Östrogen<br />
in hohen Dosen zur Gewichtszunahme führt. Je mehr<br />
Östrogen eine Pille enthält, desto grösser ist die Neigung<br />
zur Gewichtszunahme. Nimmt man aber eine Pille mit der<br />
niedrigsten möglichen Dosierung an Östrogen, so wird<br />
dies allenfalls zu minimaler Gewichtszunahme <strong>und</strong> Wassereinlagerung<br />
führen.<br />
Zudem muss man sich Folgendes klar machen: Wenn<br />
5–10 % der Frauen, die die Pille nehmen, eine Gewichtszunahme<br />
beklagen, beträgt der Anteil an Frauen, die ohne<br />
Einnahme der Pille zunehmen, ebenfalls 5–10 %. Mit anderen<br />
Worten: Die Gewichtszunahme ist rein zufällig <strong>und</strong> nicht<br />
ursächlich durch die Pille bedingt.<br />
Ist das Manipulieren des Zyklus nach Spielplan<br />
schädlich?<br />
Als Spielerin, die viel reist <strong>und</strong> spielt, werde ich des Öfteren<br />
den Wunsch haben, meine Periode hinauszuschieben,<br />
weil dies angenehmer <strong>und</strong> bequemer ist. Relativ einfach<br />
kann dies mit einer so genannten einphasigen Pille<br />
erreicht werden, bei der der Hormongehalt während des<br />
ganzen Einnahmezyklus gleichbleibt. Nach den ersten drei<br />
Wochen Einnahme der hormonaktiven Pille lässt man dazu<br />
die Woche mit Plazebopillen aus <strong>und</strong> nimmt stattdessen
60 FRAGEN UND ANTWORTEN ZUM FRAUENFUSSBALL | GESUNDHEIT UND FITNESS FÜR FUSSBALLERINNEN<br />
GESUNDHEIT UND FITNESS FÜR FUSSBALLERINNEN | FRAGEN UND ANTWORTEN ZUM FRAUENFUSSBALL 61<br />
unmittelbar die hormonaktiven Pillen der nächsten Phase<br />
ein. Das wird zu einer Blutung nach sechs Wochen führen.<br />
Bei einer dreiphasigen Pille, bei der drei unterschiedliche<br />
Hormondosen den „natürlichen” Zyklus imitieren sollen,<br />
ist das Überspringen einer Periode auf diese Art allerdings<br />
nicht empfehlenswert.<br />
Es gibt ausserdem Drei-Monats-Pillen, bei denen die aktive<br />
Phase 84 Tage dauert, gefolgt von einer Woche inaktiver<br />
Pillen. Die Menstruation tritt dabei in Woche 13 auf, was<br />
bedeutet, dass es nur viermal pro Jahr zu einer Periodenblutung<br />
kommt.<br />
Nimmt man keine Verhütungspille ein, so gibt es die Möglichkeit<br />
einer Progestogen enthaltenden Pille, die in den<br />
drei Tagen vor der fälligen Periode jeweils dreimal täglich<br />
eingenommen werden muss, <strong>und</strong> anschliessend so lange,<br />
wie man die Periode verschieben möchte. Wenn diese Pille<br />
abgesetzt wird, kommt es wie gewöhnlich zur Blutung.<br />
Ein Hinausschieben der Periode <strong>und</strong> die Einnahme langwirksamer<br />
Verhütungspillen wird häufig praktiziert <strong>und</strong><br />
auch von Ärzten empfohlen. Dennoch ist zu sagen, dass<br />
die langfristigen Folgen einer solchen dauernden Praxis<br />
bislang unbekannt sind. Während die akuten Nebenwirkungen<br />
der Dauerpille jenen der normalen Pille ähnlich<br />
sind, bestehen noch viele offene Fragen, z. B. was den Einfl<br />
uss einer dauernden Hormoneinnahme auf den Reifeprozess<br />
eines Mädchens angeht.<br />
Was bedeutet „Female Athlete Triad”?<br />
Dieser Begriff bezeichnet die Kombination aus Essstörung,<br />
Amenorrhoe (Ausbleiben der Periodenblutung) <strong>und</strong> Osteoporose<br />
(Knochenschw<strong>und</strong> <strong>und</strong> ungenügende -neubildung)<br />
als einem bei Sportlerinnen bekannten Phänomen.<br />
Dabei kann die Betroffene an einem, zwei oder allen drei<br />
Merkmalen leiden. Die Female Athlete Triad wird häufi g in<br />
Sportarten beobachtet , bei denen schlank sein zwingend<br />
ist, wie Gymnastik oder Ballett. Doch auch im Fussball ist<br />
eine zunehmende Fokussierung auf Figurfragen zu beobachten.<br />
Als Fussballspielerin auf hohem Niveau, die sehr<br />
hart trainiert, bin ich deshalb durchaus gefährdet: Der<br />
Fussball kann <strong>für</strong> mich so wichtig werden, dass ich nahezu<br />
alles tun würde, um meine Leistung zu verbessern.<br />
Doch anders als häufi g angenommen führt ein Gewichtsverlust<br />
nicht zwangsläufig zu einer Leistungssteigerung.<br />
Ganz im Gegenteil können andauernde Energiedefizite<br />
ohne Schaden <strong>für</strong> <strong>Ges<strong>und</strong>heit</strong> <strong>und</strong> Leistung nämlich gar<br />
nicht durchgestanden werden. Unzureichende Energiezufuhr<br />
kann nicht nur die Erholung meines Körpers nach<br />
Anstrengung verzögern <strong>und</strong> seine Anpassungsreaktion auf<br />
Trainingsreize einschränken, sondern auch das Immunsystem<br />
<strong>und</strong> die Fortpfl anzungsfähigkeit beeinträchtigen. Langfristig<br />
können die Knochen irreversiblen Schaden erleiden.<br />
Ist ein Ausbleiben der Periode gefährlich?<br />
Ein völliges Ausbleiben der monatlichen Blutung nennt<br />
man Amenorrhoe. Eine Amenorrhoe wird durch niedrige<br />
Blutspiegel des weiblichen Geschlechtshormons Östrogen<br />
verursacht <strong>und</strong> kann Folge intensiven Trainings bei gleichzeitig<br />
geringer Energiezufuhr sein. Wenn manche Spielerinnen<br />
ihre Monatsblutung auch als unnütze Belästigung<br />
ansehen mögen <strong>und</strong> ihr Ausbleiben sogar begrüssen, so<br />
ist es in der Tat gefährlich, mehrere blutungsfreie Monate<br />
einfach als belanglos abzutun. Kurzfristig kann es zu<br />
Muskelschwäche, Ermüdungsbrüchen der Knochen <strong>und</strong><br />
verminderter Leistungsfähigkeit kommen. Langfristig sind<br />
Knochenschw<strong>und</strong> <strong>und</strong> ein irreversibler Schaden der Fortpfl<br />
anzungsorgane zu be<strong>für</strong>chten. Deshalb ist es ganz entscheidend,<br />
umgehend einen Arzt aufzusuchen.<br />
Hat Fussball einen Einfluss auf die<br />
Empfängnisfähigkeit?<br />
„Ich habe bis zum siebten Monat mit dem Ball gearbeitet. Ich hatte<br />
eigentlich nie Angst, mich zu verletzen oder einen Ball abzubekommen.<br />
Allerdings war ich immer in Sorge, dass meine Herzfrequenz zu weit<br />
ansteigt, deshalb habe ich vor allem darauf geachtet. Ich hatte eine sehr<br />
gute, problemlose Schwangerschaft, da<strong>für</strong> sehr lang dauernde Wehen<br />
<strong>und</strong> eine schwierige Geburt. Danach lief alles bestens. Ich habe<br />
Rylie sechseinhalb Monate lang gestillt.“<br />
Gr<strong>und</strong>sätzlich sind Bewegung <strong>und</strong> Fruchtbarkeit eng verknüpft.<br />
Sowohl zu wenig als auch zu viel Bewegung können<br />
die Fruchtbarkeit beeinträchtigen. Dies vor allem deshalb,<br />
weil Bewegung den Körperfettanteil beeinfl usst, der<br />
wiederum bei der Östrogenproduktion eine Rolle spielt.<br />
Östrogen ist das Geschlechtshormon, das den weiblichen<br />
Zyklus reguliert. Körperliche Aktivität in Massen erhöht<br />
die Wahrscheinlichkeit, schwanger zu werden. Ausserdem<br />
haben Frauen, die regelmässig Sport treiben, zumeist eine<br />
leichtere Schwangerschaft <strong>und</strong> Geburt.<br />
Trainiere ich jedoch so viel, dass meine Periode unregelmässig<br />
wird oder gar ganz ausbleibt, werde ich<br />
wahrscheinlich nicht schwanger, da mein Körper seine<br />
Eisprungtätigkeit vorübergehend einstellt. Wie bereits<br />
Christie Rampone, 32, Verteidigerin, kehrte nur 112 Tage nach der Geburt<br />
ins US-Nationalteam zurück<br />
erwähnt, sollte ich deshalb gr<strong>und</strong>sätzlich sofort einen Arzt<br />
aufsuchen, wenn die Periode ausbleibt.<br />
Können schwangere Frauen trainieren <strong>und</strong><br />
spielen?<br />
Generell ist die Meinung, dass die positiven Wirkungen<br />
sportlicher Betätigung während der Schwangerschaft die<br />
möglichen Risiken klar überwiegen. Frauen, die Sport treiben,<br />
kontrollieren ihr Gewicht leichter <strong>und</strong> haben während<br />
Schwangerschaft <strong>und</strong> Geburt weniger Komplikationen.<br />
Studien haben gezeigt, dass ges<strong>und</strong>e Frauen mit normaler<br />
Schwangerschaft moderate <strong>Fitness</strong>programme absolvieren<br />
<strong>und</strong> so ihre körperliche <strong>Fitness</strong> ohne Schaden <strong>für</strong> ihr Baby<br />
erhalten können. Bewegung kann zur Vorbeugung von<br />
durch die Schwangerschaft ausgelösten Krankheiten wie<br />
Diabetes, Bluthochdruck, Krampfadern <strong>und</strong> depressiver<br />
Verstimmung beitragen.<br />
Obwohl allgemeine Bewegungsprogramme während der<br />
Schwangerschaft recht ausgiebig untersucht wurden,<br />
weiss man über Fussball im Speziellen nur wenig. Es gibt<br />
keine Berichte über Schäden oder gar Tod des Ungeborenen<br />
im Zusammenhang mit Unfällen oder körperlichem<br />
Kontakt während sportlicher Aktivitäten. Dessen ungeachtet<br />
empfehlen die meisten Geburtshelfer in der Regel,<br />
keine Sportarten auszuüben, die ein Risiko <strong>für</strong> Stolpern,<br />
Fallen oder Schläge <strong>und</strong> Stösse gegen den Unterleib bergen.<br />
All dies kann zu Plazentaschäden führen <strong>und</strong> letztlich<br />
die Blutversorgung des Ungeborenen stören, zu möglicherweise<br />
fatalen Folgen führen <strong>und</strong> ein erhebliches, im<br />
schlimmsten Fall lebensbedrohliches Risiko <strong>für</strong> die Mutter<br />
darstellen. Während der späten Schwangerschaft wird<br />
auch von stärkerem Auf <strong>und</strong> Ab wie beim Laufen <strong>und</strong><br />
Springen abgeraten.
62 FRAGEN UND ANTWORTEN ZUM FRAUENFUSSBALL | GESUNDHEIT UND FITNESS FÜR FUSSBALLERINNEN<br />
GESUNDHEIT UND FITNESS FÜR FUSSBALLERINNEN | FRAGEN UND ANTWORTEN ZUM FRAUENFUSSBALL 63<br />
Als Topspielerin möchte ich mein intensives Training<br />
wahrscheinlich auch während der Schwangerschaft fortsetzen.<br />
Bis heute gibt es jedoch keine Richtlinien <strong>für</strong> die<br />
empfohlene Trainingsaktivität von Hochleistungssportlerinnen.<br />
Es scheint, dass ges<strong>und</strong>e Frauen <strong>und</strong> Babys kurze,<br />
intensive Anstrengungen sowie längere Ausdauerübungen<br />
<strong>und</strong> wahrscheinlich auch andauerndes umfangreicheres<br />
Training tolerieren. Allerdings ist die wissenschaftliche<br />
Datenlage zu Training <strong>und</strong> Leistung auf maximalem<br />
Niveau spärlich <strong>und</strong> widersprüchlich. Die sichere obere<br />
Grenze körperlicher Aktivität während der Schwangerschaft<br />
ist unbekannt. Deshalb gehen die allgemeinen<br />
Empfehlungen der Experten dahin, die beschriebenen<br />
Anstrengungen zu meiden, um nicht einen spontanen<br />
Abort zu riskieren.<br />
Allgemeine Empfehlungen zum Training während<br />
der Schwangerschaft<br />
Während der Schwangerschaft steigt die Ruhefrequenz<br />
des Herzens an, während die maximale Herzfrequenz<br />
sinkt. Dies bedeutet, dass die Herzfrequenz zur Überwachung<br />
weniger genau ist: Sie wird die Anstrengungsintensität<br />
bei niedriger Belastung über- <strong>und</strong> bei hoher Belastung<br />
unterschätzen. Deshalb wurden die Zielzonen <strong>für</strong> die Herzfrequenz<br />
schwangerer Frauen angepasst.<br />
Angepasste Zielherzfrequenz <strong>für</strong> Training<br />
während der Schwangerschaft<br />
Alter der Spielerin Zielherzfrequenz (Schläge pro Minute)<br />
< 20 140–155<br />
20–29 135–150<br />
30–39 130–145<br />
> 40 125–140<br />
Anstrengendes Training in heissem <strong>und</strong> feuchtem Klima ist<br />
zu vermeiden. Vor, während <strong>und</strong> nach dem Training unbedingt<br />
genügend trinken. Nach dem Training schrittweise<br />
Abkühlen, um plötzliche Schwankungen in der Blutversorgung<br />
der Plazenta zu vermeiden. Einige Übungen sind <strong>für</strong><br />
schwangere Frauen nicht geeignet: So sollten z. B. Squats<br />
<strong>und</strong> Bauchübungen insbesondere im zweiten <strong>und</strong> dritten<br />
Trimester vermieden werden.<br />
Es ist wichtig, dass jede Frau nach ausgiebiger Beratung<br />
durch ihren Arzt <strong>für</strong> sich selbst entscheidet, ob <strong>und</strong> wie<br />
intensiv sie während ihrer Schwangerschaft trainieren will.<br />
Diese Entscheidung hängt vom Stadium <strong>und</strong> dem Verlauf<br />
der Schwangerschaft sowie der Verfassung des Kindes ab.<br />
Eine Elitespielerin sollte von einem Geburtshelfer betreut<br />
werden, der mit dem Einfluss maximaler Belastung auf<br />
schwangere Mütter <strong>und</strong> ihre Babys vertraut ist.<br />
Können stillende Mütter Fussball spielen?<br />
Mässige sportliche Betätigung während des Stillens beeinträchtigt<br />
weder die Menge noch die Zusammensetzung<br />
der Muttermilch oder das Gedeihen des Kindes. Nach<br />
maximaler Trainingsintensität kann der Milchsäuregehalt<br />
der Muttermilch erhöht sein. Es ist unklar, ob dieser vorübergehende<br />
Anstieg die Milch weniger wohlschmeckend<br />
<strong>für</strong> das Baby macht. Wenn ein Baby nach einem Training<br />
oder Spiel nicht gut trinkt, kann man versuchen, das Stillen<br />
um eine St<strong>und</strong>e hinauszuschieben, oder aber die Milch<br />
vor dem Training abpumpen.<br />
Gibt es Unterschiede zwischen Männern <strong>und</strong><br />
Frauen in Bezug auf das Ausmass körperlichen<br />
Trainings, mit dem sie zurechtkommen?<br />
Diese Frage hängt von Alter <strong>und</strong> Wettbewerbsniveau ab. Vor<br />
der Pubertät werden die Spieler auf ähnlichem Niveau trainieren,<br />
so dass es nur geringe Unterschiede zwischen dem<br />
Training von Mädchen <strong>und</strong> Jungen gibt. Nach der Pubertät<br />
erlauben Wachstum <strong>und</strong> Entwicklung den Männern, in jeder<br />
Sportart härter <strong>und</strong> länger als Frauen zu trainieren.<br />
„Ich habe zwei Wochen nach der Entbindung wieder zu trainieren<br />
begonnen <strong>und</strong> nach fünf Wochen wieder gespielt. Das Stillen erwies<br />
sich allerdings als schwierig, einerseits wegen der Milchsäurebildung <strong>und</strong><br />
andererseits wegen der starken zeitlichen Beanspruchung durch Training<br />
<strong>und</strong> Spiel. Letztlich habe ich nach acht Wochen abgestillt.“<br />
Martina Voss, frühere deutsche Nationalspielerin<br />
„Ich habe unter Kontrolle meines Arztes bis zum Ende des vierten<br />
Monats gespielt. Ich hatte eigentlich nie Angst, aber meine Gegner hatten<br />
sie, wenn sie erfuhren, dass ich schwanger war. Es war auch <strong>für</strong> meinen<br />
Trainer <strong>und</strong> die Betreuer schwierig, denn sie wussten nicht, ob sie mich<br />
spielen lassen sollten. Als ich <strong>für</strong> das Nationalteam spielte, geschah das<br />
auf meine Verantwortung, <strong>und</strong> ich verzichtete auf alle<br />
Versicherungsleistungen im Falle eines Ereignisses.“<br />
Gr<strong>und</strong>sätzlich können Frauen nicht in derselben absoluten<br />
Intensität wie Männer trainieren. Sie können jedoch<br />
im Verhältnis in derselben Intensität trainieren, nämlich<br />
bei etwa 70–75 % ihrer maximalen Kapazität, was<br />
einem langsameren Rhythmus als dem der Männer entspricht.<br />
Die absolute Intensität in Metern pro Sek<strong>und</strong>e<br />
oder Minuten pro Meile ist dabei jedoch geringer als bei<br />
Männern. Würde eine Frau versuchen, genauso schnell<br />
wie ein Mann zu laufen, so würde sie dieses Tempo nicht<br />
so lange durchhalten wie er. Biologische Unterschiede<br />
bei Frauen beeinflussen ihre Ausdauerleistung, Kraft,<br />
Geschwindigkeit, Antrieb <strong>und</strong> einige andere Faktoren.<br />
.<br />
Martina Voss, frühere deutsche Nationalspielerin<br />
Autorin:<br />
Dr. Katharina Grimm<br />
Wissenschaftliche Beratung:<br />
Professor Dr. Thomas Rabe (Deutschland)
IMPRESSUM | GESUNDHEIT UND FITNESS FÜR FUSSBALLERINNEN<br />
Impressum<br />
Offizielle Publikation der<br />
Fédération Internationale de Football Association (FIFA)<br />
Herausgeberin<br />
Fédération Internationale de Football Association<br />
Präsident Generalsekretär<br />
Joseph S. Blatter Jérôme Valcke<br />
Vorsitzender der sportmedizinischen Kommission<br />
Michel D’Hooghe, MD<br />
FIFA-Strasse 20 Postfach 8044 Zürich Schweiz<br />
Tel.: +41-(0)43-222 7777 Fax: +41-(0)43-222 7878 www.FIFA.com<br />
Redaktion <strong>und</strong> Produktion<br />
FIFA Medical Assessment and Research Centre (F-MARC)<br />
Fotos<br />
Action Images (Seite 20, 50+51), Associated Press (Seite 10, 12+13, 15, 40, 42+43),<br />
dreamstime (Seite 48), FIFA (Seite 5, 22–23, 28–35, 60), fotolia (Seite 47, 52), Foto-net (Seite 63),<br />
FotoSearch (Seite 59, 60), Getty Images Germany (Seite 8+9), Getty Images Switzerland (Titel),<br />
International Sports Images (Seite 16+17, 36+37), Imago Sportfotodienst GmbH (Seite 19, 39, 41),<br />
iStock International Inc. (Seite 46, 49, 55), medizinfoto.de (Seite 54), ozone images (Seite 6+7, 24+25),<br />
StockFood GmbH (Seite 45), Witters (Seite 56+57)<br />
Inhalt<br />
Diese Broschüre wurde von Katharina Grimm, MD, <strong>und</strong> Donald Kirkendall, PhD, verfasst, basierend auf den Originalartikeln in<br />
der Beilage zum British Journal of Sports Medicine im August 2007, herausgegeben von Jiri Dvorak, MD, Astrid Junge, PhD,<br />
Colin Fuller, PhD, <strong>und</strong> Paul McCrory, PhD.<br />
Übersetzung<br />
Dr. Katharina Grimm<br />
Graphisches Konzept / Layout<br />
Sven Müller Design, D-82319 Leutstetten<br />
Druck<br />
rva Druck <strong>und</strong> Medien AG, Altstätten, Schweiz<br />
Der Nachdruck von Artikeln – auch auszugsweise – ist nur mit Genehmigung der Herausgeber erlaubt <strong>und</strong> unter Quellenangabe<br />
(Copyright: FIFA) zu veröffentlichen.<br />
Der Nachdruck von Fotos ist mit den einzelnen Bildagenturen zu klären.<br />
Das FIFA-Signet ist ein eingetragenes Warenzeichen.