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Textteil der Festschrift - Kultur in Ostpreußen

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Die Proben wurden unter Rosenheim mit außerordentlicher Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit<br />

abgehalten. Nicht selten wendete man an e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>ziges Stück e<strong>in</strong>e 14tägige Kulissenarbeit – von <strong>der</strong><br />

<strong>in</strong>timeren Spiegel- und Schreibtischarbeit ganz abgesehen.<br />

Auch war Rosenheim je<strong>der</strong>zeit für Neuerungen und Versuche zu haben; man denke etwa an<br />

die achtbaren Aufführungen von „St. Jakobsfahrt“ und „Je<strong>der</strong>mann“ <strong>in</strong> <strong>der</strong> Stadthalle, an die Gastspiele<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Komischen Oper und im Stadttheater. Und wo Rosenheim se<strong>in</strong>en stets schlagfertigen<br />

Geist und Mutterwitz entfalten konnte, war er vollends Herr <strong>der</strong> Situation! So wird die öffentliche<br />

Bühnenfeier von Paul Wegeners 50. Geburtstag am 11.Dezember 1924, die trauliches Familienfest,<br />

Fastnachtstreiben und Silvesterulk <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em war, jedem Teilnehmer wohl unvergeßlich bleiben.<br />

Es versteht sich von selbst, daß e<strong>in</strong> so vom Theaterteufel besessener Direktor, mochte er von<br />

Hause aus auch zu den gefürchteten „late<strong>in</strong>ischen Regisseuren“ gehören, Ohr und Herz <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong><br />

besaß, – an welcher Tatsache nicht e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong> im November 1923 vom Zaun gebrochener<br />

Schauspielerstrei k etwas än<strong>der</strong>n konnte! Rosenheim hat stets e<strong>in</strong> durchschnittlich gutes Ensemble<br />

aufgebracht, es mit Hilfe se<strong>in</strong>er Spielwarte (Grete Ilm, Dr. Wolff v. Go rdon, Oscar<br />

Walleck, Friedri ch Brandenburg, Dr. Frit z Jessner u. a.) vortrefflich e<strong>in</strong>gespielt und „an<br />

die ideale Grenze schauspielerischer Leistungsfähigkeit“ herangeführt. Es sei hier nur e<strong>in</strong>iger weniger<br />

Mitglie<strong>der</strong> gedacht: etwa des blutechten Histrionen Robert Müller, des (schon von Leopold<br />

Jessner engagierten) ebenso echtbürtigen Hans Peppler, <strong>der</strong> sich vor unseren Augen vom Faust<br />

zum König Philipp entwickelte, des „<strong>in</strong>nerlichen“ Josef Gielen; ferner Max Friedrich, Justus Paris,<br />

Rolf Prasch, Wolfgang Langhoff, Robert Marlitz, Friedrich Dom<strong>in</strong>; Lilly Eisenlohr, Hedda Berger,<br />

Regula Keller, Ellen Eichelmann, Luise Franke-Booch und unzählige an<strong>der</strong>e. Die Truppe löste sich<br />

immer wie<strong>der</strong> auf; aber die Seele des Ganzen, <strong>der</strong> Direktor, blieb, baute sie von neuem auf und<br />

schmiedete sie neu zusammen.<br />

Literarisch war Richard Rosenheim <strong>der</strong> entschiedenste För<strong>der</strong>er <strong>der</strong> jungen Dichtung, ebenso<br />

zugänglich den Kühnheiten des Expressionismus wie den Bocksprüngen <strong>der</strong> Groteske. Neben Shaw,<br />

Tagore und Hauptmann sah man, meist zum ersten Male, Wilh. v. Scholz, Rolf Lauckner, Fritz v.<br />

Unruh, Georg Kaiser, Max Mohr, Franz Werfel, Ernst Barlach und Paul Kornfeld. Dem <strong>Ostpreußen</strong><br />

Alfred Brust bereitete Rosenheim nicht nur durch drei Aufführungen, son<strong>der</strong>n auch durch e<strong>in</strong>en<br />

beson<strong>der</strong>en E<strong>in</strong>führungsabend im Goethebund den Weg. Der Prager Max Brod wurde mit nicht weniger<br />

als vier Dramen immer wie<strong>der</strong> auf se<strong>in</strong>e Bühnenverwendbarkeit h<strong>in</strong> geprüft (es g<strong>in</strong>g das<br />

Scherzwort, daß das Schauspielhaus e<strong>in</strong>e „Brod-Wage“ sei). Und es gab Zeiten, da die Uraufführungen<br />

nur so hagelten und e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>zige Spielzeit mehr davon brachte, als ehedem e<strong>in</strong> ganzes<br />

Menschenalter (Su<strong>der</strong>mann „Die Raschhoffs“, „Wie die Träumenden“, „Die Denkmalsweihe“;<br />

Dietzenschmidt: „Christhofer“ und „Verfolgung“; Franz Dülberg: „Der Tyrannenmör<strong>der</strong>“; Robert<br />

Walter: „Der Liebhaber vom Saturn“; H. Eulenberg: „Mächtiger als <strong>der</strong> Tod“; Melchior Vischer: „Die<br />

Börse“; Hanna Rademacher: „Utopia“ etc.)<br />

*<br />

Im Januar 1925 wurde bekannt, daß Rosenheim nach Berl<strong>in</strong> geht. Aber wie<strong>der</strong> wollte es e<strong>in</strong> Glücksfall,<br />

daß sofort e<strong>in</strong> E<strong>in</strong>geführter und Bewährter die Erbschaft antreten konnte. Es war dies Dr. Fritz<br />

Jessner, <strong>der</strong>, schon lange dem Hause verbundenen <strong>der</strong> letzten Spielzeit die Oberregie geführt und<br />

dabei vortrefflich abgeschnitten hatte.<br />

Die Ereignisse seit jenen Tagen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> noch zu frischer Er<strong>in</strong>nerung, als daß sie schon fe<strong>in</strong><br />

säuberlich dem Löschpapier des theatergeschichtlichen Herbariums anvertraut werden müßten. Nur<br />

sei noch erwähnt, daß die Neues Schauspielhaus-Gesellschaft am l. Dezember 1925 ihre Satzungen<br />

dah<strong>in</strong> abän<strong>der</strong>te, daß <strong>der</strong> Aufsichtsrat fortan aus neun Mitglie<strong>der</strong>n bestehen soll, von denen fünf<br />

durch die Gesellschafter-Versammlung, vier durch den Magistrat <strong>der</strong> Stadt Königsberg zu bestimmen<br />

s<strong>in</strong>d. Seitens <strong>der</strong> Gesellschaft wurden gewählt: Stadtrat Dr. Lohmann (Vorsitzen<strong>der</strong>), Kaufmann<br />

Arthur Co hn (Stellvertreter), Konsul a.D. Japha, Kaufmann Georg Thran und Konsul Dr.<br />

Wiegand. Justizrat F. St e<strong>in</strong> und Geheimrat Passarge († 1926) wurden <strong>in</strong> <strong>der</strong>selben Sitzung zu<br />

Ehrenmitglie<strong>der</strong>n ernannt.<br />

Die Saat, die Artur Berdrow e<strong>in</strong>st ausgestreut hat, ist herrlich aufgegangen. Trotz <strong>der</strong> ungeheuersten<br />

Erschütterungen, die Seele und Leib e<strong>in</strong>es Volkes nur treffen können, hat das Neue<br />

Schauspielhaus <strong>in</strong> Königsberg Pr. alle Fährnisse siegreich überstanden und sich zu e<strong>in</strong>em <strong>Kultur</strong>faktor<br />

entwickelt, <strong>der</strong> aus dem Geistesbilde Königsbergs gar nicht mehr fortzudenken ist, <strong>der</strong> aber<br />

auch darüber h<strong>in</strong>aus für das ganze deutsche Kunstleben etwas bedeutet. Deshalb sei heute se<strong>in</strong>er<br />

Grün<strong>der</strong> und Berater, se<strong>in</strong>er Leiter und Künstler, se<strong>in</strong>er Freunde und aller se<strong>in</strong>er Werkleute <strong>in</strong> ernster<br />

Dankbarkeit gedacht (wäre doch alle<strong>in</strong> noch von den künstlerischen Bei räten viel zu sagen,<br />

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