Seltene neurologische Erkrankungen - Medizin-telegramm.com
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<strong>Seltene</strong> <strong>neurologische</strong> <strong>Erkrankungen</strong><br />
M. Fabry und M. Gaucher: Häufige Differenzialdiagnosen in der Neurologie<br />
Wiesbaden, 29. September 2011 – Morbus Fabry (M. Fabry) ist eine fortschreitende, multisystemische,<br />
X-chromosomal vererbte Erkrankung, die Männer und Frauen betreffen kann. 1,2 Sie gehört zu einer<br />
Gruppe von genetischen <strong>Erkrankungen</strong>. Morbus Gaucher zählt zu den seltenen Erbkrankheiten, eine<br />
sogenannte lysosomale Speicherkrankheit. 3 Trotz ihrer Seltenheit werden in der Neurologie bei<br />
beiden Krankheiten häufige Differenzialdiagnosen gestellt. Bei Schlaganfällen, Multipler Sklerose,<br />
somatoformen Schmerzstörungen oder <strong>Erkrankungen</strong> aus dem rheumatoiden Formenkreis sollte<br />
auch an M. Fabry gedacht werden. Als Screeningparameter eignet sich besonders der Basilarisdurchmesser.<br />
Liegt der Verdacht auf Morbus Parkinson, ist es wichtig, auch den Morbus Gaucher in<br />
die Differenzialdiagnostik mit einzubeziehen. Mutationen des Glukozerebrosidase-Gens, welche M.<br />
Gaucher verursachen, stellen den stärksten bekannten genetischen Risikofaktor für Parkinson dar.<br />
Bei Morbus Fabry kommt es durch einen Defekt im GLA-Gen zu einer verminderten Aktivität des Enzyms α-<br />
Galaktosidase A. Es resultiert ein verminderter Abbau von Sphingolipiden, die in den Lysosomen verschiedener<br />
Gewebe akkumulieren und somit zu einer Erkrankung multipler Organsysteme führen. Wegen<br />
des variantenreichen klinischen Bildes ist der M. Fabry eine diagnostische Herausforderung, weshalb die<br />
Erkrankung oft unter- oder fehldiagnostiziert bleibt.<br />
Neben somatoformen Schmerzstörungen oder <strong>Erkrankungen</strong> aus dem rheumatoiden Formenkreis ist die<br />
Multiple Sklerose eine häufige Fehldiagnose beim Morbus Fabry. Grundlage dieser Fehldiagnose sind die<br />
Kombination aus sensiblen Defiziten und die regelhaft und frühzeitig vorkommenden mikroangiopathischen<br />
zerebralen Veränderungen mit progressiven Läsionen der weißen Substanz.<br />
Wann sollte man an M. Fabry denken?<br />
• Keine oligoklonalen Banden in Liquordiagnostik<br />
• In keiner LP Pleozytose nachweisbar<br />
• Keine spinalen MR-Läsionen<br />
• Stark asymmetrische Läsionslast<br />
• Ektatische Gefäße, v. a. vertebrobasiläres Versorgungsgebiet<br />
• Anamnese: Neuropathische Schmerzen? Hypohidrosis?<br />
• Signifikante Proteinurie<br />
• Angiokeratome<br />
• Familienanamnese: Frühe Niereninsuffizienz oder Herzinfarkte/Herzinsuffizienz<br />
„M. Fabry ist eine lebenslimitierende, jedoch behandelbare Erkrankung. Die <strong>neurologische</strong>n Symptome sind<br />
die häufigsten und frühesten, doch das Hauptproblem bei der Behandlung bleibt die verzögerte Diagnose und<br />
damit der verzögerte Beginn einer spezifischen Therapie. Patienten mit „atypischer MS“ können an einem<br />
unentdeckten M. Fabry leiden“, erläuterte Dr. Thomas Duning aus Münster.<br />
Ursache eines frühen Schlaganfalls, M. Fabry - was zeigt die Bildgebung?<br />
M. Fabry stellt eine relevante Differenzialdiagnose bei jungen Patienten mit Schlaganfall dar 4,5 . Wie sieht eine<br />
„Fabry-typische“ MRT aus und wie ist der Zusammenhang der typischen Bildgebungsbefunde mit den zugrundeliegenden<br />
pathophysiologischen Prozessen und den neuropsychiatrischen Symptomen bei M. Fabry?<br />
Die mittels struktureller MRT zu detektierenden Läsionsmuster bei M. Fabry resultieren aus distinkten, sich<br />
allerdings überlappenden Pathomechanismen. Es finden sich bei Männern und Frauen mit M. Fabry häufig<br />
ausgeprägte, periventrikulär betonte sogenannten „white matter lesions“ (WML) als Ausdruck der zerebralen<br />
Mikroangiopathie, die auf die endotheliale Akkumulation von GB3 zurückzuführen ist. Allerdings zeigen 30-50<br />
Prozent der erwachsenen Patienten mit M. Fabry kein das Altersmaß überschreitendes WML-Volumen, so<br />
dass WML als Screening-Parameter unbrauchbar sind.<br />
Die häufig beschriebene Dolichoektasie der größeren intrakraniellen Arterien, insbesondere die Megadolichobasilaris,<br />
ist Zeichen einer pathognomonischen zere-bralen Makroangiopathie. Sie lässt sich in der Digitalen<br />
Subtraktions Angiographie (DAS) oder in der Time-of-Flight (TOT)-Angiographie MR-tomographisch darstellen<br />
und quantifizieren und resultiert am ehesten aus einer autonomen Störung der Gefäßregulation. „Wir<br />
konnten zeigen, dass die erweiterten Durchmesser der A. Basilaris diagnostisch eine sehr gute Trennung<br />
ermöglichen, sowohl zwischen Patienten mit M. Fabry und Gesunden als auch von jungen „non-Fabry“-<br />
Schlaganfall-Patienten.<br />
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Deshalb bieten sich hier die Basilarisdurchmesser möglicherweise als einfaches Screeningverfahren an 6,7 “,<br />
erklärte Prof. Dr. Andreas Fellgiebel, Mainz.<br />
M. Fabry als Ursache einer SFN<br />
„Neben dem Schlaganfall sind die sogenannten Akroparästhesien eine sehr häufige und oft frühe klinische<br />
Manifestation des Morbus Fabry“, sagte Dr. Christian Tanislav, Gießen. Schon in der ersten Lebensdekade<br />
berichten Patienten über neuropathische Schmerzen. Diverse Arbeiten zeigten, dass eine sogenannte small<br />
fibre Neuropathie (SFN) die zugrundeliegende Störung ist, die diese Beschwerden hervorruft. Als Ergebnis<br />
intensiver Forschung wurde die SFN als eigene Krankheitsentität erkannt. Diese ist auf eine isolierte<br />
Schädigung der nicht-myelinisierten C-Fasern und myelinisierten Aδ-Fasern zurückzuführen. Diese Fasern<br />
sind insbesondere für das Leiten von Schmerz- und Temperaturempfinden verantwortlich und mit der<br />
konventionellen Elektroneurographie nicht zu erfassen.<br />
Die Referenzmethode zur Sicherung einer Schädigung der C- und Aδ-Fasern ist die Hautbiopsie. Die Quantitative<br />
Sensorische Testung wurde erst in den letzten Jahren entwickelt und wird gegenwärtig als ein<br />
gleichwertiges Verfahren zur Diagnosesicherung der SFN angesehen. Häufig kann die SFN äthiologisch nicht<br />
geklärt werden (etwa 20-30 %). Inwiefern hierbei der Morbus Fabry eine Rolle spielt, ist gegenwärtig nicht<br />
bekannt. In einer Pilotstudie wurde innerhalb einer Kohorte von 24 Patienten ein Morbus Fabry identifiziert.<br />
Da weitreichende Konsequenzen für den einzelnen Patienten damit verbunden sind wie zum Beispiel die<br />
Aussicht auf eine adäquate Therapie, sollte beim Vorfinden einer isolierten SFN unklarer Genese ein Morbus<br />
Fabry differentialdiagnostisch in Betracht gezogen werden.<br />
Morbus Gaucher bei Parkinson-Patienten<br />
Der Morbus Gaucher ist laut Prof. Christine Klein aus Lübeck, die häufigste der Lipidosen und wird durch<br />
einen rezessiv vererbten Mangel des lysosomalen Enzyms Glukozerebrosidase (GBA) verursacht. GBA-<br />
Mutationen erhöhen das Risiko, einen Morbus Parkinson zu entwickeln und werden bei 8 - 14 % aller pathologisch<br />
gesicherten Fälle von M. Parkinson gefunden. Das phänotypische Spektrum des GBA-assoziierten<br />
Parkinsonismus reicht von früh beginnendem, therapierefraktärem Parkinsonismus über ein klassisches<br />
Parkinson-Syndrom bis hin zu einem der Lewy-Körper-Demenz ähnlichen klinischen Bild. Das Erkrankungsalter<br />
von Patienten mit klinisch klassischem Parkinsonismus liegt bei Trägern einer heterozygoten GBA-<br />
Mutation nur leicht niedriger als das von Patienten ohne Mutation. Die Parkinson-Symptomatik von GBA-<br />
Mutationsträgern spricht in der Regel gut auf eine klassische dopaminerge Therapie an.<br />
In jüngster Zeit wurden sehr große Fortschritte in der Erforschung der Pathogenese des GBA-assoziierten<br />
Parkinsonismus erzielt: Ein Verlust der GBA-Funktion stört den lysosomalen Proteinabbau und führt zu einer<br />
Akkumulation von alpha-Synuklein (SNCA), dem Hauptbestandteil der Lewy-Körper. Durch aggregationsabhängige<br />
Mechanismen kommt es in der Folge zu Neurotoxizität und Zelltod. Glukosylzeramid, das Substrat<br />
von GBA, beeinflusst direkt die Amyloidbildung von SNCA, indem lösliche oligomere Zwischenprodukte<br />
stabilisiert werden. SNCA inhibiert seinerseits die lysosomale Aktivität der Wildtyp-GBA in Neuronen und in<br />
Gehirnen von Parkinson-Patienten, sodass einer Minderung von GBA auch zur Pathogenese sporadisch<br />
entstehender Synukleinopathien beiträgt. In diesem Sinne bildet der bidirektionale Effekt von SNCA und GBA<br />
eine positive Rückkopplungsschleife, die zu einer sich selbst fortsetzenden Erkrankung führt. „Eine verbesserte<br />
Steuerung von GBA zu den Lysosomen kann einen vielversprechenden, spezifischen therapeutischen<br />
Ansatz für M. Parkinson und andere Synukleinopathien darstellen“, betonte die Expertin.<br />
Referenzen:<br />
1. MacDermot KD, Holmes A, Miners AH. Anderson−Fabry disease: clinical manifestations and impact of disease in a<br />
cohort of 98 hemizygous males. J Med Genet 2001;38:750−60.<br />
2. MacDermot KD, Holmes A, Miners AH. Anderson−Fabry disease: clinical manifestations and impact of disease in a<br />
cohort of 60 obligate carrier females. J Med Genet 2001;38:769−75.<br />
3. Grabowski GA, et al., Lancet 2008; 372: 1263-1271.<br />
4.<br />
Rolfs A, Bottcher T, Zschiesche M, et al., Prevalence of Fabry disease in patients with cryptogenic stroke: a<br />
prospective study. Lancet 2005;366:1794-1796<br />
5.<br />
Fellgiebel A, Müller MJ, Ginsberg L. CNS manifestations of Fabry's disease. Lancet Neurol 2006;5:791-795<br />
6.<br />
Fellgiebel A, Keller I, Marin D, et al. Diagnostic utility of different MRI and MR angiography measures in Fabry<br />
disease. Neurology 2009;72:63-68<br />
7.<br />
Fellgiebel A, Keller I, Martus P, et al. Basilar artery diameter is a potential screening tool for Fabry disease in young<br />
stroke patients. Cerebrovasc Dis 2011;31:294-299<br />
Quelle:<br />
Satellitensymposium „<strong>Seltene</strong> <strong>Erkrankungen</strong> der Neurologie - Häufige Differenzialdiagnosen“.<br />
Wiesbaden, 29. Juni 2011 – Veranstalter: Shire Deutschland GmbH, Berlin.<br />
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