14.01.2013 Aufrufe

MEDIZIN-TELEGRAMM

MEDIZIN-TELEGRAMM

MEDIZIN-TELEGRAMM

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

+++ <strong>MEDIZIN</strong>-<strong>TELEGRAMM</strong> +++<br />

www.medizin-telegramm.com<br />

Multitalent Stammzelle<br />

Autologe Nabelschnurblut-Stammzellen im therapeutischen Einsatz<br />

München, 6. Oktober 2010 – Stammzellen aus Nabelschnurblut sind klinisch bewährt, ihre Wirkung ist<br />

erwiesen und sie sind in vielerlei Hinsicht außergewöhnlich. Sie sind sehr vital, proliferationsfähig<br />

und differenzierungsfreudig. Ihre Gewinnung ist ethisch unbedenklich. Nabelschnurblut enthält<br />

neben Blut bildenden Stammzellen auch Vorläuferzellen, die sich etwa in Haut-, Knochen- oder<br />

Nervenzellen entwickeln können. Sie sind weitgehend unbelastet von Umwelteinflüssen. Der Einsatz<br />

von Stammzellen aus Nabelschnurblut bei Kindern mit Typ-1-Diabetes, Frühkindliche Hirnschäden<br />

und die Herstellung von kardiovaskulärem Gewebe wird derzeit untersucht.<br />

Therapie des Typ-1-Diabetes mit patienteneigenen Stammzellen<br />

„Typ-1-Diabetes, die häufigste chronische Erkrankung bei Kindern nimmt in Mitteleuropa um 3 bis 4 Prozent<br />

pro Jahr zu. Eins von 600 Kindern ist betroffen. In Deutschland sind etwa 15.000 Kinder und Jugendliche im<br />

Alter von 0-14 Jahren an Typ-1-Diabetes erkrankt“, sagte Heike Boerschmann Studienkoordinatorin, Klinikum<br />

rechts der Isar, München.<br />

An der Technischen Universität München (TUM) wird im Rahmen einer Pilotstudie der Einsatz autologer<br />

Stammzellen aus Nabelschnurblut bei Kindern mit Typ-1-Diabetes untersucht. Ziel ist es, herauszufinden ob<br />

durch die Transplantation eigener Stammzellen die Beta-Zellen des Pankreas vor einer weiteren Zerstörung<br />

durch Autoimmunprozesse bewahrt werden können. Die regulatorischen Immunzellen des Nabelschnurblutes<br />

sollen den Fehler im Immunsystem, der zum Diabetes führt, beheben. Tierexperimentelle Untersuchungen<br />

ergaben eine Prävention des Typ-1-Diabetes.<br />

Die Studie ist auf 24 Monate angelegt und schließt zehn Kinder sowie eine 20-köpfige Kontrollgruppe<br />

konventionell behandelter Kinder ein. Nach dem Screening erfolgt die Behandlung mit autologem Nabelschnurblut.<br />

In regelmäßigen Abständen werden Autoantikörper, Immunmarker, HbA1c-Wert und Sicherheits-<br />

Parameter gemessen sowie ein MMTT durchgeführt. Basis dieser Studie ist die seit 2007 an der University of<br />

Florida laufende Pilotstudie von Haller et al., in der 23 Kinder mit autologem Nabelschnurblut behandelt<br />

wurden. Erste Ergebnisse zeigen, dass deutlich weniger Insulin benötigt wird (0,45 E/kg/d vs. 0,69 E/kg/d)<br />

und der HbA1c im Vergleich zu den konventionell behandelten Kindern deutlich reduziert ist (7 Prozent vs. 8<br />

Prozent). Dadurch verringert sich die Wahrscheinlichkeit schwerer Folgeerkrankungen wie Hypertonie,<br />

Neuro- oder Retinopathien.<br />

Verwendung von Nabelschnurzellen zur Herstellung kardiovaskulärer Gewebe<br />

„Derzeit werden in der Herzchirurgie mechanische oder biologische Klappenprothesen bestehend aus<br />

Fremdmaterial, mit dem Nachteil dass sie nicht mitwachsen aber eine befriedigende Funktionsfähigkeit<br />

haben, eingesetzt. Dies ist besonders bei Kindern und Jugendlichen ein schwerwiegender Nachteil, da diese<br />

aus dem Klappenersatz „herauswachsen" und somit mehrerer Korrekturoperationen bedürfen“, erläuterte Dr.<br />

Cora Lüders-Theuerkauf Leiterin des Labors Tissue Engineering des Deutschen Herzzentrums, Berlin.<br />

Eine potentielle Lösung dieser Probleme könnte die in vitro Züchtung von kardiovaskulärem Ersatzgewebe,<br />

das Tissue Engineering (TE), sein. Das grundsätzliche Prinzip des TE besteht darin, körpereigene (autologe)<br />

Zellen zu verwenden, um damit ein vitales, funktionsfähiges Ersatzgewebe zu fertigen, welches das Potential<br />

hat sich in das umgebende Gewebe zu integrieren und mitzuwachsen und damit eine lange Lebensdauer<br />

aufweist. Dieses Konstrukt aus humanen Zellen und einem Trägermaterial, z. B. einem biodegradierbaren<br />

Polymer, muss unter optimalen in vitro Bedingungen hergestellt werden, um es anschließend erfolgreich in<br />

denselben Patienten implantieren zu können.<br />

Tetraspastische Zerebralparese - Körpereigene Stammzellen in der praktischen Anwendung<br />

Frühkindliche Hirnschäden führen zu lebenslänglichen Behinderungen. Tausende Kinder sind jährlich davon<br />

betroffen. Spastische Paresen, Choreoathetosen, Ataxien oder sensomotorische Koordinationsstörungen<br />

sind die Folgen. In den USA werden die jährlichen Kosten für die Therapie und Pflege dieser Kinder auf<br />

11,5 Milliarden US Dollar geschätzt.<br />

„Aus diesen Gründen haben wir uns experimentell und klinisch auf die Untersuchung des therapeutischen<br />

Potentials von menschlichen mononukleären Zellen des Nabelschnurblutes, die Stammzellen enthalten,<br />

konzentriert, um die Förderung der funktionellen neuromuskulären Erholung nach hypoxisch-ischämischen<br />

Hirnschäden zu untersuchen“, sagte Professor Dr. med. Arne Jensen, MD Direktor der Campus Klinik<br />

Gynäkologie Bochum.<br />

In unseren Publikationen "Perinatal brain damage-from neuroprotection to neuroregeneration using cord<br />

1/2


lood stem cells"(2003) 1 und "Spastic paresis after perinatal brain damage in rats is reduced by human cord<br />

blood mononuclear cells" (2006) 2 konnte gezeigt werden, dass die systemische Transplantation menschlicher<br />

mononukleärer Zellen aus Nabelschnurblut in neugeborene Ratten, die einen experimentellen Hirnschaden<br />

erlitten hatten, sowohl zur massenhaften Einwanderung dieser Zellen in die geschädigte Hirnregion als auch<br />

zur Verhinderung der spastischen Parese führte. Die Spastik. als Leitsymptom der kindlichen Zerebralparese,<br />

war in den transplantierten Ratten praktisch nicht mehr nachweisbar.<br />

Diese international anerkannten Publikationen (NAP, AHA) 3,4 mit ermutigenden therapeutischen Effekten in<br />

einem Krankheitsbild, für das es bis heute keine causative Therapie gibt, waren die Grundlage für die<br />

Entscheidung, in die klinische Anwendung zu gehen. Am 27. Januar 2009 wurde an der Ruhr-Universität<br />

Bochum, in Zusammenarbeit zwischen der Universitätsfrauenklinik (Direktor: Prof. Dr. med. A. Jensen) und<br />

der Universitätskinderklinik (Direktor: Prof. Dr. med. E. Hamelmann), die erste von inzwischen drei autologen<br />

Transplantationen von Stammzellen aus Nabelschnurblut bei einem 2 Jahre und 8 Monate altem Jungen<br />

durchgeführt, der einen schweren hypoxisch-ischämischen Hirnschaden als Folge eines perioperativen Herzstillstands<br />

erlitten hatte (IDW, DPA Pressemitteilung). 5<br />

Eine Woche nach der Transplantation war der Junge in der Lage nach Aufforderung einfache Handlungen,<br />

wie das Drücken eines großen Knopfes auszuführen. Er begann den Kopf durch die Halsmuskulatur<br />

motorisch zu kontrollieren, und die Spastik in den Extremitäten ließ deutlich nach. Weitere vier Wochen<br />

später normalisierte sich das EEG, er begann wieder zu lachen, konnte wieder sehen, begann zu sitzen und<br />

sprach einfache Wörter. Heute, ein Jahr nach der Transplantation, ist die spastische Lähmung bis auf<br />

minimale Reste verschwunden.<br />

Diese in einem Heilversuch beobachtete bemerkenswerte funktionelle Neuroregeneration bei Frühkindlichem<br />

Hirnschaden und unsere präklinischen Befunde 2 sind nunmehr die Grundlage zur Durchführung einer<br />

placebokontrollierten Doppelblindstudie, um zu klären, ob die Zelltherapie durch autologe Transplantation von<br />

Stammzellen aus Nabelschnurblut tatsächlich die erste causative Therapie der Zerebralparese nach Hirnschaden<br />

ist. Diese klinische Studie wird derzeit durch unsere Gruppe vorbereitet.<br />

Ungeachtet der noch nicht vorliegenden Studiendaten, z. B. von J. Kurtzberg, Duke University, USA, wurde<br />

kürzlich unter Bezugnahme auf unsere präklinischen Daten 2 von der American Heart Association (AHA) eine<br />

Leitlinie herausgegeben, die zur Behandlung des Schlaganfalls bei Kindern (0-18 Jahre) die autologe<br />

Transplantation von Stammzellen aus Nabelschnurblut als eine Behandlungsoption empfiehlt. 4<br />

Literatur:<br />

1 Jensen A, Vaihinger HM, Meier C. Perinatal brain damage-from neuroprotection<br />

to neuroregeneration using cord blood stem cells. Med Klin (Munich):2003 Dec 15;98 SuppI 2:22-6.<br />

2 Meier C, Middelanis J, Wasielewski B, Neuhoff S, Roth-Haerer A, Gantert M, Dinse HR, Dermietzel R,<br />

Jensen A. Spastic paresis after perinatal brain damage in rats is reduced by human cord blood<br />

mononuclear cells. Pediatr Res:2006 Feb;59(2):244-9.<br />

3 http://www.nap.edu/openbook.php?isbn=0309095867. Cord Blood Establishing a National Hematopoietic<br />

Stern Cell Bank Prograrn. Cornrnittee on Establishing a National Cord Blood Stern Cell Bank Prograrn.<br />

Board on Health Sciences Policy. ErnilyAnn Meyer. Kathi Hanna, and Kristine Gebbie, Editors. Institute of<br />

rnedicine of The National Acadernies. Urnbilical Cord Blood in regenerative rnedicine (2005) pp 64-71.<br />

4 http://www.rnedicalnewstoday.corn/articles/126298.php AHA Issues First Guidelines On Stroke In Infants<br />

And Children, Cord B,lood Stern Cells Being Researched As Treatrnent Option. Main Category: Stroke.<br />

Also Included In: Pediatrics / Children's Health;Stern Cell Research. Articie Date: 22 Oct2008-1:OOPDT.<br />

5 http://idw-online.de/pages/de/news326529, Pressernitteilung. Bochumer Mediziner transplantieren<br />

Nabelschnurblut. Dr. König, Pressestelle, Ruhr-Universität Bochum.<br />

Quelle:<br />

Satelliten-Symposium „Körpereigene Nabelschnurblut-Stammzellen im therapeutischen Einsatz“.<br />

München, 6. Oktober 2010 – Veranstalter: VITA 34 AG, Leipzig.<br />

www.medizin-telegramm.com<br />

2/2

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!