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Robin Hobb

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Kenntnisse in der Heilkunde schien er sich selbst nicht so leicht kurieren<br />

zu können, wie es ihm bei seinen Tieren gelang. Ein- oder zweimal sah ich<br />

die Verletzung unverbunden, und mir grauste beim Anblick der gezackten<br />

Wunde, die nicht heilen wollte, sondern immer rot und geschwollen war<br />

und näßte. Anfangs verfluchte Burrich sie in allen Tonarten und biß<br />

grimmig die Zähne zusammen, wenn er sie jeden Abend reinigte und neu<br />

verband, doch als die Tage vergingen und keine Besserung eintrat,<br />

betrachtete er sie zunehmend mit dumpfer Verzweiflung. Irgendwann<br />

klang die Entzündung ab, zurück blieb eine wulstige Narbe, die sein Bein<br />

verzog und ihn zum Hinken zwang. Kein Wunder, daß er kaum einen<br />

Gedanken übrig hatte für einen kleinen Jungen, der ungefragt in seine<br />

Obhut gegeben worden war.<br />

Also genoß ich eine Freiheit, wie sie nur Kinder bis zu einem<br />

bestimmten Alter erleben, von den Erwachsenen die meiste Zeit<br />

unbeachtet. Bis das Frühlingsfest vorüber war, hatten sich die Torwächter<br />

an mein Kommen und Gehen gewöhnt. Aller Wahrscheinlichkeit nach<br />

hielten sie mich für einen Botenjungen, von denen es in der Burg viele gab,<br />

nur um weniges älter als ich. Ich gewöhnte mir an, morgens in der Küche<br />

ein herzhaftes Frühstück für Nosy und mich zu stibitzen, das eine Zeitlang<br />

vorhielt. Darüber hinaus Verpflegung zu beschaffen – verkohlte<br />

Brotkrusten aus den Backstuben, Muscheln und Tang vom Strand,<br />

Räucherfisch von unbewachten Gerüsten – bildete einen festen Teil meiner<br />

täglichen Unternehmungen. Molly Blaufleck und ich wurden mit der Zeit<br />

die dicksten Freunde. Nach jenem ersten Mal erlebte ich nicht mehr oft,<br />

daß ihr Vater sie schlug. Meistens war er zu betrunken, um sie zu finden<br />

oder, falls doch, um seine Drohungen in die Tat umzusetzen. An das, was<br />

ich an dem Tag getan hatte, verschwendete ich kaum noch einen<br />

Gedanken, nur war ich froh, daß Molly den Schwächeanfall ihres Vaters<br />

nicht mit mir in Zusammenhang brachte.<br />

Die Stadt wurde meine Welt, mit der Burg als dem Ort, wo ich hinging,<br />

um zu schlafen. Es war Sommer, die aufregendste Zeit in einem Hafen.<br />

Wohin man ging, überall in Burgstadt herrschte reges Treiben. Aus den<br />

Herzogtümern landeinwärts kamen Waren auf flachen Kähnen den<br />

Bocksfluß hinunter, bemannt von schwitzenden Flußschiffern. Sie<br />

sprachen wichtig von Untiefen und Stromschnellen und Landmarken und<br />

dem Schwanken des Wasserpegels. Ihre Fracht wurde in die Geschäfte<br />

oder Speicher des Ortes hinaufgekarrt, dann wieder nach unten, zu den<br />

Kais und in die Laderäume der Segelschiffe. Auf diesen führten fluchende

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