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AFRIKABILDER - Arbeit und Leben Bremen eV

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Die Darstellung Afrikas im Museum –<br />

historische Einblicke am Beispiel <strong>Bremen</strong>s<br />

Silke Seybold<br />

Das Museum als Medium<br />

M<br />

useumsarbeit bedeutet zu sammeln, zu bewahren,<br />

<strong>und</strong> zu forschen, aber auch der Öffentlichkeit ausgewählte<br />

Inhalte zu übermitteln. Museen sind Medien.<br />

Viele Faktoren beeinflussen diese <strong>Arbeit</strong>. Bei der Konzeption<br />

von Ausstellungen spielen z. B. die Verfügbarkeit der Objekte,<br />

der Zeitgeist, die Qualifikation der Mitarbeitenden, die finanziellen<br />

<strong>und</strong> zeitlichen Ressourcen, die Auswahl der Themen,<br />

die Architektur oder auch die Zielgruppe eine Rolle. Die<br />

Komposition der Objekte <strong>und</strong> ihr Design sollen die Intention<br />

der Ausstellung unterstützen. Diese visuellen Informationen<br />

empfangen die Besucherinnen <strong>und</strong> Besucher simultan. Sie sind<br />

konkret, leicht zu verarbeiten <strong>und</strong> memorabel. Allerdings<br />

haben bildliche Informationen auch ihre Grenzen, weswegen<br />

sie fast immer durch sprachliche Informationen ergänzt werden.<br />

Ein Text wird nacheinander Wort für Wort, manchmal<br />

auch nur teilweise <strong>und</strong> selektiv gelesen <strong>und</strong> verarbeitet. Er<br />

kann Inhalte, Abstraktionen, Zeiten oder Gefühle vermitteln<br />

<strong>und</strong> benennt die Objekte. Letztendlich kann in einer Ausstellung<br />

nie alles kontrolliert werden. Ein kalter Hauch, eine dröhnende<br />

Lüftung, der Geruch von Essen oder eine persönliche<br />

Abneigung gegen eine Farbe – neben bewussten Aussagen<br />

sendet jede Ausstellung viele unbewusste Botschaften. Nicht<br />

zuletzt bringen Besuchende eigene Erfahrungen <strong>und</strong> Verhaltensweisen<br />

mit.<br />

Welche Faktoren aber haben die frühe Phase der Museumsarbeit<br />

in <strong>Bremen</strong> geprägt? Hat die damalige Darstellung Afrikas<br />

Spuren hinterlassen?<br />

Die Darstellung Afrikas im Museum<br />

Seit Ende des 18. Jahrh<strong>und</strong>erts gab es erste museale Vorläufer<br />

in <strong>Bremen</strong>, doch spielten afrikanische Objekte darin kaum eine<br />

Rolle. Noch am 30. 9. 1879 berichteten die Bremer Nachrichten<br />

über die Städtische Sammlung für Naturgeschichte <strong>und</strong><br />

Ethnographie: »Alles, was von afrikanischen Sachen […] vorhanden<br />

ist, ist nicht mehr als der Inhalt eines einzigen Schrankes.«<br />

Erst durch wachsende Kontakte von Händlern <strong>und</strong> Missionaren<br />

zu Afrika kamen verstärkt materielle Zeugnisse in die<br />

Stadt. Auch für die Handels- <strong>und</strong> Kolonialausstellung, die als Teil<br />

der Nordwestdeutschen Gewerbe- <strong>und</strong> Industrieausstellung<br />

1890 in <strong>Bremen</strong> gezeigt wurde, akquirierte man zahlreiche<br />

Ethnografika. Die Gestaltung dieser Ausstellung sollte nachhaltig<br />

auf die Präsentation von anderen Kulturen in <strong>Bremen</strong><br />

wirken. Eine Kombination von warenk<strong>und</strong>lichen <strong>und</strong> ethnografischen<br />

Objekten, die mit echten Pflanzen, präparierten Tieren,<br />

Modellen, lebensgroßen Gipsfiguren, Architekturbauten, Gemälden<br />

<strong>und</strong> Texten angereichert war, wurde zum Besuchermagnet.<br />

Ausgehend von diesem Erfolg wurde am Hauptbahnhof das<br />

Städtische Museum für Natur-, Völker- <strong>und</strong> Handelsk<strong>und</strong>e errichtet,<br />

das heutige Übersee-Museum. Alle in <strong>Bremen</strong> vorhandenen<br />

Sammlungen vereinte man in diesem Neubau. Über den<br />

großen Lichthof <strong>und</strong> die Galerien kam viel Tageslicht in die<br />

Ausstellung. Eine elektrische Beleuchtung wurde erst einige<br />

Jahre später installiert. Einige Abteilungen setzten sich erstmals<br />

interdisziplinär mit ihren Thematiken auseinander. Wie in<br />

der Handelsausstellung prägten lebensgroße Inszenierungen,<br />

echte Pflanzen, Gemälde usw. die Museumslandschaft. Neben<br />

der wissenschaftlichen <strong>Arbeit</strong> war das Ziel des Museums vor<br />

allem der Gedanke der Volksbildung, der Unterhaltung <strong>und</strong><br />

Belehrung aller, aber auch die Unterweisung von Kaufleuten.<br />

Das Konzept fand Gefallen. In den ersten 18 Monaten nach<br />

der Eröffnung im Januar 1896 kamen r<strong>und</strong> 250.000 Interessierte,<br />

doppelt so viele Menschen wie die Einwohnerzahl <strong>Bremen</strong>s<br />

zu jener Zeit. Eintritt wurde nur an speziellen Tagen erhoben,<br />

an denen der Besucherstrom deutlich geringer ausfiel.<br />

Das Publikum kam nicht nur aus <strong>Bremen</strong>, sondern auch aus<br />

dem Umland <strong>und</strong> weiter entfernten Regionen. Sonntags war<br />

das Museum oft überfüllt. Auffallend hoch war auch die Zahl<br />

der jungen Menschen. Bremer Volksschülerinnen <strong>und</strong> -schüler<br />

waren sogar verpflichtet, das Museum zwei Mal im Jahr zu besuchen.<br />

So wurde das Haus auch morgens an den Werktagen<br />

nur für Schulklassen geöffnet.<br />

Welchem Afrikabild begegneten all diese Menschen im Museum?<br />

Schon beim Betreten des Museums wurden sie von zwei<br />

Sphinx-Nachbildungen an der Außentreppe sowie von weiteren<br />

alt-ägyptischen Objekten im Foyer empfangen. Im Lichthof dominierte<br />

die sogenannte Maschukulumbe-Gruppe das Bild (südliches<br />

Afrika, heute Sambia), eine Inszenierung mit Haus <strong>und</strong><br />

lebensgroßen Gipsfiguren. In mehreren Vitrinen wurden Objekte<br />

aus Süd- <strong>und</strong> Westafrika gezeigt. Ebenfalls im Erdgeschoss<br />

gab es einen Bereich zu den Kolonien <strong>und</strong> Handelswaren.<br />

Das Konzept blieb über viele Jahrzehnte bestehen. Im Detail<br />

wur de umgestellt <strong>und</strong> verdichtet, denn durch die verstärkten<br />

kolonialen Aktivitäten <strong>und</strong> Handelskontakte kamen immer<br />

mehr Objekte in das Haus – darunter auffallend viele aus<br />

Afrika. Eine wissenschaftliche Bearbeitung fand oft nur rudimentär<br />

statt.<br />

Schon im Jahresbericht von 1898 klagt der Direktor Hugo<br />

Schauinsland, dass zu wenig Personal für die anfallende <strong>Arbeit</strong><br />

zur Verfügung stünde. Es gab nur einen völker k<strong>und</strong>lichen<br />

Mitarbeiter, der von Hilfskräften unterstützt wurde.<br />

Das folgende Beispiel der Herero-Gruppe zeigt, wie unter<br />

den damaligen Bedingungen ein neuer Ausstellungsbereich<br />

konzipiert wurde <strong>und</strong> welches Bild dieser von den Herero<br />

vermittelte.<br />

Die Herero-Gruppe<br />

Am 12. Januar 1904 brach der Krieg zwischen den Herero <strong>und</strong><br />

der deutschen Kolonialmacht im damaligen Deutsch-Südwestafrika,<br />

dem heutigen Namibia, aus. Dieser Krieg war auch in<br />

<strong>Bremen</strong> ein Thema. Der Direktor des Bremer Museums <strong>und</strong><br />

sein am 1. Januar 1904 neu angestellter völkerk<strong>und</strong>licher Mitarbeiter<br />

reagierten schnell auf das wachsende Interesse an der<br />

Kolonie. Bereits im April 1904 planten sie eine lebensgroße<br />

Abb.: Fotograf unbekannt, Übersee-Museum um 1930<br />

(Historisches Bildarchiv P.20747)<br />

Herero-Gipsfiguren-Gruppe. Als ein Bildhauer deren Fertigung<br />

nach fotografischen Vorlagen (vermutlich) im November 1904<br />

begann, waren der Krieg mit der Schlacht am Waterberg im<br />

August 1904 beendet <strong>und</strong> die Herero nahezu ausgelöscht.<br />

Heute spricht man offiziell von einem Genozid. Die Gipsfiguren<br />

wurden mit den wenigen Kleidungs- <strong>und</strong> Schmuckstücken der<br />

Herero bestückt, die bereits in der Museumssammlung waren.<br />

Weiterhin bemühten sich die Museumsmitarbeiter über Mittelsleute<br />

fehlende Objekte zu beschaffen. Das erwies sich als<br />

schwierig. Einer von ihnen, Herr Hälbich, schrieb am 20. 8. 1908<br />

an das Museum, dass alles, was an die alte Zeit erinnert, verloren<br />

sei. Er schlug vor, Gegenstände neu anfertigen zu lassen.<br />

Das Museum folgte diesem Rat <strong>und</strong> ließ Haushaltsgegenstände<br />

von, wie man vermutet, einem alten Herero anfertigen. Was<br />

Schmuck- <strong>und</strong> Kleidungsstücke anbelangte, entschied man,<br />

dass man davon in <strong>Bremen</strong> genug habe. Die Herero-Gruppe<br />

wurde erst 1911 nach der Erweiterung des Museums in einen<br />

zweiten Lichthof ausgestellt. Sie bestand aus fünf lebensgroßen<br />

Gipsfiguren, einer präparierten Ziege sowie einem halbr<strong>und</strong>en<br />

Haus aus Lehm, an dem zahlreiche Haushaltsgegenstände<br />

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