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AFRIKABILDER - Arbeit und Leben Bremen eV

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EINLEITUNG<br />

GEFÜHLS-Aus/Aufbrüche<br />

Dr. Margrit E. Kaufmann, Manfred Weule<br />

Katharina Mevissen<br />

Lässt sich denn überhaupt über ›Afrika‹ sprechen <strong>und</strong><br />

schreiben – den größten Kontinent der Erde? Und wenn<br />

dies getan wird, was wird dann darüber gesagt?<br />

Die meisten Menschen in Deutschland wissen relativ wenig<br />

über ›Afrika‹. Doch danach gefragt, was ihnen dazu einfällt,<br />

nennen sie überwiegend stereotype Bilder <strong>und</strong> Vorurteile, die<br />

kaum etwas mit den Realitäten des Kontinents, seinen Regionen<br />

<strong>und</strong> mit den dort lebenden Menschen gemein haben. Die<br />

Kommentare <strong>und</strong> Stellungnahmen reproduzieren dabei häufig,<br />

offensichtlich oder latent, historisch gewachsene Unrechts<strong>und</strong><br />

Ausbeutungsstrukturen in Verbindung mit rassistischen<br />

Gr<strong>und</strong>haltungen. Durch den Kolonialismus wurden diese<br />

aufgezwungen <strong>und</strong> bestimmen seither das Selbstverständnis<br />

weißer1 Menschen. Die häufig abwertend-stereotypen Bilder<br />

werden durch die postkolonialen <strong>und</strong> globalisierten Ungleichheitsbeziehungen<br />

auch weiterhin tradiert. Wenn weiße Europäerinnen<br />

<strong>und</strong> Europäer wie wir von ›Afrika‹ sprechen, wird<br />

der Gegensatz zum Eigenen untermauert, wodurch wiederum<br />

ein europäisches Selbstverständnis geschaffen wird. Diese Bilder<br />

sind nicht zu verwechseln mit dem realen <strong>Leben</strong> auf dem<br />

afrikanischen Kontinent. Denn die Menschen dieses Kontinents<br />

werden selten selbst dazu befragt <strong>und</strong> angehört.<br />

Die meist aus einer weißen, ›westlichen‹ Perspektive entworfenen<br />

Bilder tauchen historisch vor allem in literarischen<br />

Werken auf. Chinua Achebe, der aus Nigeria stammende<br />

Preisträger des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels<br />

von 2002, hat sich in seiner Auseinandersetzung mit der bekannten<br />

Novelle »Herz der Finsternis« (orig. 1899) des polnisch-britischen<br />

Autors <strong>und</strong> Reisenden Joseph Conrad mit den<br />

stereotypen AfrikaBildern auseinandergesetzt <strong>und</strong> diese als<br />

Projektionsfläche Europas dekonstruiert. ›Afrika‹ fungiere als<br />

»Antithese zu Europa«, als eine »Folie« <strong>und</strong> »Ort der Negation,<br />

zugleich entlegen <strong>und</strong> doch irgendwie vertraut«. 2 Diesen<br />

Bildern liege das verdrängte Bewusstsein der europäischen<br />

Beziehungen zu ›Afrika‹ zugr<strong>und</strong>e.<br />

Was hat sich seither an diesen Bildern <strong>und</strong> Beziehungen geändert?<br />

Diese Frage gab den Anstoß, eine Tagungsreihe in Kooperation<br />

von ARBEIT UND LEBEN <strong>Bremen</strong> mit dem Bremer Institut<br />

für Kulturforschung (bik) an der Universität <strong>Bremen</strong> zu organisieren,<br />

die sich mit deutschen Bildern von ›Afrika‹ <strong>und</strong> den<br />

daraus resultierenden Konsequenzen für das gesellschaftliche<br />

Zusammenleben auseinandersetzen sollte. Das heißt, dass wir<br />

uns als Organisierende <strong>und</strong> Teilnehmende zuallererst bewusst<br />

machen wollten, welche Bilder geläufig sind <strong>und</strong> wer diese<br />

maßgeblich vermittelt. Damit wollten wir zunächst einmal das<br />

westlich-weiße Selbstverständnis in Frage stellen. Im nächsten<br />

Schritt sollten andere Perspektiven thematisiert werden, indem<br />

wir uns mit AfrikaBildern aus Sicht von Menschen, die<br />

mit ›Afrika‹ verb<strong>und</strong>en werden oder sind, befassen. Eine solche<br />

Perspektive bot auf der Tagung beispielsweise der Beitrag<br />

von Dr. Aïssatou Bouba, die zu historischen europäischen<br />

Afrika Bildern forscht <strong>und</strong> anhand von Reiseberichten aus der<br />

Zeit der europäischen Expansion <strong>und</strong> Conquista im 16. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

aufzeigt, wie die Bilder des ›Anderen‹ mehr über die<br />

Beschreibenden als über die Beschriebenen aussagen.<br />

Der öffentliche Diskurs unserer Gesellschaft, der die alten<br />

Bilder tradiert <strong>und</strong> reproduziert, wird maßgeblich geprägt<br />

durch die mediale Vermittlung in Form von Literatur, Film,<br />

Radio <strong>und</strong> Fernsehen, Schulbüchern, wissenschaftlichen Veröffentlichungen,<br />

Ausstellungen, Zeitungen <strong>und</strong> dem Internet. Susan<br />

Arndt arbeitete in einer Analyse 3 heraus, wie umfassend<br />

der deutsche Afrikadiskurs weiterhin in den Medien <strong>und</strong> im<br />

Alltag von kolonialen Ungleichheitsverhältnissen bestimmt ist.<br />

Hier finden sich sowohl Formen direkter rassistischer Diskriminierung<br />

als auch institutionalisierte <strong>und</strong> latente Formen von<br />

Rassismus. Zum Kernstück der mit den AfrikaBildern verwobenen<br />

Rassismen gehört die hierarchische Gegenüberstellung<br />

eines weißen ›zivilisierten Wir/ Selbst‹ <strong>und</strong> eines Schwarzen<br />

›primitiven Anderen‹.<br />

Die Tagungsreihe wurde von uns als ein Kooperationsprojekt<br />

konzipiert <strong>und</strong> durchgeführt, von Manfred Weule von ARBEIT<br />

UND LEBEN <strong>Bremen</strong> <strong>und</strong> Dr. Margrit E. Kaufmann vom Bremer<br />

Institut für Kulturforschung (bik) der Universität <strong>Bremen</strong>.<br />

Intensiv mitgearbeitet haben sowohl Studierende des B.A.-<br />

Studiengangs Kulturwissenschaften <strong>und</strong> des M.A.-Studiengangs<br />

Transkulturelle Studien (Fachbereich 9 der Universität <strong>Bremen</strong>),<br />

insbesondere Elisabeth Dulko <strong>und</strong> Katharina Mevissen,<br />

die Promovierenden Maike Koschorreck <strong>und</strong> Janne Grote<br />

des Hans-Böckler-Promotionskollegs »Migration <strong>und</strong> soziale<br />

Ungleichheit« an der <strong>Bremen</strong> International Graduate School<br />

of Social Sciences (BIGSSS) als auch Apkene-Apollinaire Apetor-Koffi<br />

vom Autonomen Internationalen Studierendenausschuss<br />

der Universität <strong>Bremen</strong> (AISA). Des Weiteren haben<br />

uns zahlreiche Personen, Institutionen <strong>und</strong> Projekte unterstützt.<br />

Besonders wichtig für das gute Gelingen <strong>und</strong> den roten<br />

Faden des Verlaufs der Tagung war die durchgehende Moderation<br />

<strong>und</strong> Mitarbeit von Rahime Diallo, Projektofficer des African<br />

Diaspora Policy Centre in Den Haag (NL).<br />

Die Dokumentationsschrift ist ähnlich wie die Tagung in zwei<br />

Teile gegliedert: Im ersten Teil werden AfrikaBilder in deutschen<br />

Medien aus vielfältigen Perspektiven nachgezeichnet <strong>und</strong><br />

kritisch hinterfragt: Geschichtsschreibung, Museen <strong>und</strong> Sammlungen,<br />

populäre Medien wie Film, Fotografie, Journalismus <strong>und</strong><br />

Massenmedien sowie Schul- <strong>und</strong> Kinderbücher. Im zweiten<br />

Teil wird der Zusammenhang von AfrikaBildern <strong>und</strong> Alltags-<br />

Rassismen hinterfragt <strong>und</strong> das weiße Selbstverständnis einer<br />

(Selbst)Kritik unterzogen. Im Anschluss an die wissenschaftlichen<br />

Beiträge folgen Beiträge, welche von der theoretischen<br />

zur praktischen Umsetzung übergehen, Antidiskriminierungsstrategien<br />

aufzeigen <strong>und</strong> neue Formen der Begegnung dokumentieren.<br />

Im Anhang finden sich schließlich zahlreiche Literatur- <strong>und</strong><br />

Filmhinweise sowie <strong>Arbeit</strong>smaterialien <strong>und</strong> nützliche weiterführende<br />

Adressen.<br />

1 Wir setzen in dieser Dokumentationsschrift ›weiß‹ kursiv <strong>und</strong><br />

›Schwarz‹ auch als Adjektiv groß, um den Konstruktionscharakter<br />

<strong>und</strong> die politische Dimension der Begriffe hervorzuheben (vgl. beispielsweise<br />

auch Eggers, Maischa u.a. (Hg.) (2005). Mythen, Masken <strong>und</strong><br />

Subjekte. Kritische Weißseinsforschung in Deutschland. Münster: Unrast).<br />

2 Achebe, Chinua (1990). Ein Bild von Afrika. Rassismus in Conrads<br />

»Herz der Finsternis«, Berlin: Alexan der Verlag, S. 9ff.<br />

3 Arndt, Susan (2006). Impressionen. Rassismus <strong>und</strong> der deutsche<br />

Afrikadiskurs. In: dies. (Hg.): AfrikaBilder. Studien zu Rassismus in<br />

Deutschland. Münster: Unrast Verlag.<br />

ich will dich ausrauben, dir in den kopf fassen, dein gehirn<br />

waschen bei 60°, will dir alle bilder nehmen, kannst du mich<br />

freilassen <strong>und</strong> dich auch? – aus diesen bildern entlassen?<br />

ich will dir friedlich allen frieden nehmen, will nicht mehr<br />

m<strong>und</strong>tot sein, bin jetzt <strong>und</strong>osiert, bin maßlos. möchte dich<br />

m<strong>und</strong> zu m<strong>und</strong> beatmen mit meiner nicht-abbildbarkeit,<br />

meiner nicht-zusammenfassbarkeit, meiner unbeherrschtheit.<br />

im f<strong>und</strong>büro kannst du deine vorgef<strong>und</strong>enen privilegien<br />

zurückgeben zugunsten des nicht-herrschens. teil mit mir<br />

dein pigmentglück, komm schon.<br />

ich will nicht mehr w<strong>und</strong> sein, nicht w<strong>und</strong>e, nicht w<strong>und</strong>er.<br />

zeig mal, wo ist denn deine hochkultur? deine glanzseite,<br />

dein zahngold. entkleide dich mal <strong>und</strong> dein ganzes nichtwissen.<br />

gib mir mal dein restafrika. komm schon, gibs mir<br />

zurück. schenke mir das biotop, das du für mich entworfen<br />

hast. mein reservat. führ mich doch darin herum, damit wir<br />

es zusammen verlassen können.<br />

jetzt: restlos aufbruchsstimmung bitte. risiko kontrollverlust.<br />

wir werden uns nackt <strong>und</strong> verw<strong>und</strong>bar fühlen ohne<br />

das fertiggedachte, ohne die ordnung des herrschenden.<br />

wir suchen uns einen guten therapeuten. eine heimat zum<br />

angst haben. zum häuten. zum ent-entmenschlichen.<br />

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