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AFRIKABILDER - Arbeit und Leben Bremen eV

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Selbstreflexion verbergen sich hinter dieser Überschrift. Das<br />

bedeutet: Bevor man sich mit den verschiedenen Themen beschäftigen<br />

»darf«, muss man sich auseinandersetzen mit den<br />

Ursprüngen des ethnologischen Museums, der Aneignung von<br />

materieller Kultur durch die Europäer in der Kolonialzeit, der<br />

Sammelwut der Europäer, den verschiedenen Arten der Wahrnehmung<br />

»fremder« Kulturen – <strong>und</strong> mit den Konstruktionen<br />

des Selbst <strong>und</strong> der »Anderen« im eigenen Kopf. Das kann für<br />

die Besucherinnen <strong>und</strong> Besucher durchaus unbequem werden.<br />

Der verstellte Blick:<br />

Vorurteile, Klischees, Stereotype<br />

Diese innovative Abteilung besteht aus einem Container<br />

(Abb. 1), der auf der Außenseite Beispiele für Afrika-Klischees<br />

seit der Kolonialzeit präsentiert. Die begehbare Innenseite<br />

verfolgt diese Klischees bis in die Gegenwart. Zu jedem Klischee<br />

lässt sich auf der Innenseite des Containers eine Klappe<br />

öffnen. Hinter der Klappe findet die Brechung des Klischees<br />

statt, die demnach zwischen Vergangenheit <strong>und</strong> Gegenwart<br />

positioniert ist.<br />

Abb. 2: Typische<br />

Missions spar dose<br />

(Sammlung<br />

Bechhaus-Gerst)<br />

Die Auseinandersetzung mit der Bedeutung von Weißsein in<br />

unserer Gesellschaft am Eingang zum Container fällt vor allem<br />

den meisten weißen Menschen schwer. Es ist ein Lernprozess,<br />

Weißsein als einen Ort, einen »Standpunkt« zu erkennen,<br />

von dem aus weiße Menschen sich selbst, andere <strong>und</strong><br />

die Gesellschaft betrachten <strong>und</strong> bestimmen. Weiße Menschen<br />

nehmen meist nicht wahr, dass auch sie eine »Farbe« haben.<br />

Weißsein wird als unmarkiert, als das »Normale« betrachtet,<br />

alles Nicht-Weiße als »Abweichung« gesehen. Von einem weißen<br />

Standpunkt aus werden seit Jahrh<strong>und</strong>erten »Andere« beschrieben<br />

<strong>und</strong> bewertet.<br />

Derart zur Selbstreflexion gezwungen, fällt es den Besucherinnen<br />

<strong>und</strong> Besuchern schwer zu leugnen, dass es sich bei den<br />

Bildern von Afrika in den Köpfen vieler Menschen um reine<br />

Konstruktionen handelt, die nicht zuletzt dazu dienten, die<br />

Aneignung eines ganzen Kontinents zu rechtfertigen, <strong>und</strong> die<br />

bis heute fortwirken. Beim Gang um <strong>und</strong> durch den Container<br />

werden folgende Klischees/Stereotype in Bezug auf Afrika<br />

thematisiert:<br />

… hilfsbedürftig?<br />

Ganz Afrika ist ein Dorf.<br />

… dienend?<br />

… kindlich?<br />

… kannibalisch?<br />

Wilde Horde?<br />

Sexualität / Triebhaftigkeit<br />

Ein Beispiel soll die Art der Präsentation nachvollziehbar machen:<br />

Unter dem Thema »… hilfsbedürftig?« wird auf der Außenseite<br />

des Containers zunächst der enge Zusammenhang<br />

zwischen Mission <strong>und</strong> Kolonisation angesprochen. Vielerorts<br />

bereiteten die Missionen den Weg für eine gewaltsame Kolonialisierung<br />

<strong>und</strong> unterstützten die Zerstörung lokaler Kulturen.<br />

Über Jahrh<strong>und</strong>erte betrachteten sie das abendländische<br />

Welt- <strong>und</strong> Menschenbild als das einzig wahre. »Heidnische«<br />

Kulturen galten ihnen als hilfsbedürftig <strong>und</strong> minderwertig.<br />

Durch Missionierung sollten sie zum »wahren Glauben« bekehrt<br />

werden. Zur Visualisierung dieses Zusammenhangs dient<br />

eine Missionsspardose, der sogenannte »Nickneger« (Abb. 2).<br />

Solche Figuren standen früher als Spendenbehälter in vielen<br />

Kirchen. Sobald eine Münze gespendet wur de, nickten sie<br />

dankbar für die Almosen.<br />

Auf der Innenseite des Containers wird der Bezug zur Gegenwart<br />

durch aktuelle Plakate von Missionsgesellschaften <strong>und</strong><br />

Hilfsorganisationen hergestellt (Abb. 3, 4). Diese Plakate zeigen<br />

Afrikanerinnen <strong>und</strong> Afrikaner meistens als Hilfsbedürftige.<br />

Sie vermitteln den einseitigen Eindruck, die Menschen in Afrika<br />

seien unselbstständig <strong>und</strong> passiv, bedürften also immer noch<br />

der führenden Hand des Westens bzw. weißer Menschen. Diese<br />

Vorstellung wurde unverändert aus der Kolonialzeit übernommen<br />

<strong>und</strong> lässt funktionierende wirtschaftliche Strukturen in<br />

den Ländern Afrika ebenso außer Acht wie weltwirtschaftliche<br />

Verflechtungen, die zur Benachteiligung des afrikanischen<br />

Kontinents führen. Öffnet man die entsprechende Klappe im<br />

Container, werden die Betrachtenden mit dem Reichtum<br />

an Rohstoffen des afrikanischen Kontinents konfrontiert.<br />

Gleichzeitig wird unter der Überschrift »Versperrte Chancen«<br />

illustriert, wie wirtschaftliches Wachstum in Afrika nach<br />

wie vor z. B. durch Handelsschranken verhindert wird:<br />

Die jährlichen Einnahmen Afrikas würden um ca. 70 Mrd.<br />

Euro wachsen, würde man dessen Anteil am Welthandel nur<br />

um 1% vergrößern – genug, um 128 Mio. Menschen aus der<br />

gröbsten Armut herauszuführen. EU-Handelsschranken verhindern<br />

jedoch Exportmöglichkeiten.<br />

Für viele Bauern in Sambia bildet der Verkauf von Milch<br />

eine kleine, aber stabile <strong>Leben</strong>sgr<strong>und</strong>lage. Das billigere europäische<br />

Milchpulver auf den sambischen Märkten gefährdet<br />

dieses Einkommen.<br />

2004 wurden 24.740 Tonnen Tomatenpaste nach Ghana exportiert;<br />

in der Folge wurde dort der Marktanteil einheimischer<br />

Tomaten von 92 % auf 57 % zurückgedrängt.<br />

Abb. 3 <strong>und</strong> 4:<br />

Beispiel für rezente Plakate<br />

von Hilfsorganisationen.<br />

Der weiße Prominente hat<br />

Vor- <strong>und</strong> Nachnamen<br />

sowie einen Beruf,<br />

die Schwarze Frau hat<br />

einen Vor namen <strong>und</strong><br />

anscheinend keinen Beruf.<br />

Der weiße Mann gibt sich<br />

kämpferisch <strong>und</strong> aktiv,<br />

die Schwar ze Frau scheint<br />

passiv <strong>und</strong> resigniert.<br />

Reaktionen<br />

Der Container hat viele positive Reaktionen bei den Besucherinnen<br />

<strong>und</strong> Besuchern hervorgerufen. Viele Menschen sind sich<br />

der Vorurteile <strong>und</strong> Klischees in ihren Köpfen nicht bewusst<br />

<strong>und</strong> zeigen durchaus Bereitschaft, sich damit aus einanderzusetzen.<br />

Sehr viel schwerer mit der Selbstreflexion tun sich<br />

manche der auf der Innenseite zitierten bzw. angesprochenen<br />

Personen oder Organisationen. Hier hat es schon Beschwerden<br />

<strong>und</strong> Bitten um Änderungen gegeben; denn in einem solchen<br />

Kontext möchte man nicht verortet werden. Schließlich<br />

hat man keine Vorurteile <strong>und</strong> alles nicht so gemeint.<br />

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