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AFRIKABILDER - Arbeit und Leben Bremen eV

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IN AFRIKA GIBT ES AUCH HOCHHÄUSER?<br />

Eine Auseinandersetzung mit Blick auf die »Anderen«<br />

am Beispiel des RAutenstrauch-Joest-MuseumS in Köln<br />

PROF. DR. MARIANNE BECHHAUS-GERST<br />

hingen. An den umgebenden Wänden befanden sich Vitrinen<br />

mit Objekten, Fotografien <strong>und</strong> Geweihen aus dem damaligen<br />

Deutsch-Südwestafrika.<br />

Die Gipsfiguren scheinen eine Familie darzustellen. Als Vorlage<br />

dienten allerdings Bilder, die an unterschiedlichen Orten, zu<br />

verschiedenen Zeiten aufgenommen worden waren <strong>und</strong> in keinem<br />

Zusammenhang standen. Für die Besuchenden des Museums<br />

erschienen die Gipsfiguren bekleidet <strong>und</strong> geschmückt. Ein<br />

Vergleich mit den Bildern zeigt jedoch, wie lückenhaft die Ausstattung<br />

war. Eine Figur wurde im Museum über Jahrzehnte<br />

gar nackt präsentiert. Die Kleidung war zudem falsch angebracht.<br />

So trug eine Figur den Rock eines jungen Mädchens<br />

kombiniert mit der Haube einer verheirateten Frau. Das Haus<br />

war bis auf die formgebenden Hölzer »made in <strong>Bremen</strong>«. Die<br />

Haushaltsgegenstände befanden sich anstatt im Innern, außen<br />

am Haus, um sie besser zeigen zu können. Letztendlich wurde<br />

aus der heterogenen Sammlung von Objekten ein klischeehaftes<br />

Bild eines Herero-Haushaltes geschaffen, welches auf das<br />

sogenannte ›traditionelle‹ <strong>Leben</strong> der Herero verwies. Dies<br />

existierte allerdings spätestens seit dem Genozid nicht mehr.<br />

Leider sind keine Texttafeln erhalten geblieben, die in der Ausstellung<br />

Informationen gaben. Jedoch gibt es zwei Publikationen<br />

aus den 1930er Jahren. Die Texte in diesen Ausstellungsführern<br />

lassen erahnen, dass keine Auseinandersetzung mit<br />

dem historischen Kontext stattfand. In beiden wird nur kurz<br />

im Präsens das traditionelle <strong>Leben</strong> <strong>und</strong> Aussehen der Herero<br />

beschrieben.<br />

Erst in einem Führer, der die Ausstellung ca. 30 Jahre später<br />

beschreibt, wird in einem Nebensatz erwähnt, dass die Zahl<br />

der Herero um 1900 erheblich zurück gegangen ist <strong>und</strong> die<br />

Herero vorwiegend in Reservaten leben würden. Gründe dafür<br />

wurden nicht genannt. Zwei Weltkriege, mehrere Direktorenwechsel,<br />

Umbauten sowie neue museale Ansätze – die<br />

Herero-Gruppe überdauerte alles <strong>und</strong> blieb bis in die 1970er<br />

Jahre kaum verändert stehen. Mehrere Millionen Menschen<br />

haben sich diese <strong>und</strong> viele andere Inszenierungen im Bremer<br />

Museum angesehen <strong>und</strong> eingeprägt.<br />

Noch heute fragen Besucherinnen <strong>und</strong> Besucher nach den<br />

Figuren-Gruppen. Die Resonanz lässt erkennen, wie stark<br />

die visuelle Wirkung von solchen Darstellungen sein kann. In<br />

dieser Stärke liegt eine Chance für die Vermittlungsarbeit in<br />

Museen, aber zugleich auch eine Gefahr. Die obige Betrachtung<br />

belegt deutlich, dass die Figuren-Gruppen kein exaktes<br />

Abbild der Wirklichkeit waren, sondern aus den zur Verfügung<br />

stehenden Mitteln konstruiert wurden. Von Ort <strong>und</strong> Zeit entkoppelt<br />

wurde ein stereotypes Bild geschaffen, das sich in der<br />

deutschen Kolonialzeit auch in vielen anderen Medien wiederfand.<br />

Bestimmte, diskursiv stigmatisierte Kulturen galten<br />

als »primitiv«, »geschichtslos«, »statisch«, »exotisch«, »wild«<br />

oder »nackt«. Von allen Seiten als wahr proklamiert verhafteten<br />

diese Bilder in vielen Köpfen. Teilweise wird bis heute an<br />

ihnen festgehalten.<br />

Schlussbemerkung<br />

Alle an einer Ausstellung oder einer ähnlichen Vermittlungsform<br />

Mitwirkenden sollten sich der Fülle von Einflüssen <strong>und</strong><br />

der Verantwortung, die man bei der Visualisierung von Themen<br />

übernimmt, bewusst sein. Auch Besucherinnen <strong>und</strong> Besucher<br />

sollten sich über das Medium Ausstellung Gedanken machen,<br />

Darstellungen kritisch hinterfragen <strong>und</strong> sich dazu äußern. Da<br />

das in Museen Gezeigte per se Vergangenheit ist, jedoch Auswirkungen<br />

auf das Heute hat, stellen Ausstellungen auch für<br />

Lehrende <strong>und</strong> für die Wissenschaft eine gute Möglichkeit dar,<br />

sich mit der Rezeption von Geschichte <strong>und</strong> dem daraus entstehenden<br />

Geschichtsbewusstsein der Besucherinnen <strong>und</strong> Besucher<br />

sowie der Gesellschaft auseinanderzusetzen.<br />

1. Wann haben Sie zum ersten Mal bemerkt, dass Sie<br />

weiß sind?<br />

2. Wie wirkt sich Ihr Weißsein auf Ihren Alltag aus?<br />

3. Haben Sie engeren Kontakt zu weißen Personen?<br />

Wenn ja, zu wie vielen?<br />

Mit diesen Fragen werden Besucherinnen <strong>und</strong> Besucher am<br />

Eingang der Abteilung »Der verstellte Blick« – Vorurteile <strong>und</strong><br />

Klischees im neuen Rautenstrauch-Joest-Museum – Kulturen<br />

der Welt in Köln begrüßt.<br />

Die kolonialen Anfänge<br />

D<br />

as Rautenstrauch-Joest-Museum gehört in den Kontext<br />

der Museumsgründungen zum Ende des 19. <strong>und</strong><br />

beginnenden 20. Jahrh<strong>und</strong>erts. Seinen Doppelnamen<br />

verdankt das Haus der Stifterfamilie Adele <strong>und</strong> Eugen Rautenstrauch<br />

sowie dem Weltreisenden Wilhelm Joest. Joests umfangreiche<br />

Privatsammlung von mehreren Tausend ethnografischen<br />

Objekten war nach seinem Tod 1897 an seine Schwester Adele<br />

gegangen, die sie gemeinsam mit ihrem Mann der Stadt Köln<br />

als Schenkung vermachte. Adele Rautenstrauch stiftete im Jahr<br />

1900 eine Summe von 250.000 Mark für<br />

den Bau eines neuen Völkerk<strong>und</strong>emuseums<br />

in der Hoffnung, dass das Museum »das Verständnis<br />

der unsere Colonien bewohnenden<br />

Völker fördern werde«. In der räumlichen<br />

Abfolge der regional gegliederten<br />

Dauerausstellung des Museums spiegel te<br />

sich ein entwicklungsgeschichtliches Denkmodell.<br />

Die Besucherinnen <strong>und</strong> Besucher<br />

begannen ihren Weg im Unter ge schoss mit<br />

Australien <strong>und</strong> seinen »niedrigsten Kulturformen«<br />

<strong>und</strong> gelangten dann im 1. Obergeschoss<br />

über Neuguinea in die übrige<br />

Südsee mit ihren »steinzeitlichen« Völkern.<br />

Das nächste Stockwerk führte sie nach<br />

Amerika, das zum Teil bereits Metallverarbeitung <strong>und</strong> »mancherlei<br />

höhere Kulturformen« aufwies. Von dort ging es weiter<br />

zu den »Eisenvölkern« Afrikas <strong>und</strong> Südasiens.<br />

Das gut 100 Jahre später eröffnete neue Museum ist in verschiedener<br />

Hinsicht innovativ. So verzichtet die Ausstellungskonzeption<br />

auf die in vergleichbaren Häusern übliche Einteilung<br />

in geografische Großräume <strong>und</strong> greift stattdessen unter<br />

dem Motto »Der Mensch in seinen Welten« Themen auf, die<br />

Menschen überall auf der Welt bewegen, denen sie aber je<br />

nach regionaler <strong>und</strong> kultureller Prägung auf eigene Weise begegnen.<br />

Aufgehoben ist dabei der Gegensatz zwischen »uns«,<br />

den europäischen Betrachtenden, <strong>und</strong> den außereuropäischen<br />

»Anderen«. »Wir« sind bei allen Themen mit einbezogen, <strong>und</strong><br />

der vergleichende Ansatz betont das gleichberechtigte Dasein<br />

<strong>und</strong> die Ebenbürtigkeit aller.<br />

Bevor die Besucherinnen <strong>und</strong> Besucher sich aber den verschiedenen<br />

Themen widmen dürfen, müssen sie erst einmal vier<br />

einleitende Abteilungen passieren, in denen es um das Thema<br />

»Die Welt erfassen« im weitesten Sinne geht. Vier unterschied<br />

liche Ebenen der Begegnung <strong>und</strong> der Reflexion bzw.<br />

Abb. 1: Begehbarer Container der Abteilung<br />

»Der verstellte Blick: Klischee <strong>und</strong> Vorurteil«<br />

(Für die Zurverfügungstellung des Fotos danke<br />

ich dem Rautenstrauch-Joest-Museum, Köln.)<br />

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