das Buch als PDF-Datei (ca. 1.6 MB) - Mandative Demokratie
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66 <strong>Demokratie</strong> in schlechter Verfassung<br />
Was vor allem schiefgelaufen ist 67<br />
Schüler im oberen Feld. Die Spitzenplätze belegen die südostasiatischen<br />
Staaten, Finnland und Kanada. Bei der Lesekompetenz reicht es nur für<br />
einen Mittelplatz.89<br />
Die Auswertungen der PISA-Ergebnisse sind stark vom jeweiligen<br />
schulpolitischen Standpunkt beeinflußt. Vor allem die Feststellung, daß<br />
nirgendwo sonst der Zusammenhang von sozialer Herkunft und Testergebnis<br />
so ausgeprägt war wie in Deutschland, machte Furore. Niemand<br />
traut sich zu sagen, daß sich die Einwanderung „bildungsferner Schichten“<br />
unmittelbar in den PISA-Ergebnissen ausgewirkt hat.<br />
Damit ist die Bildungsmisere bei den Migranten angesprochen. Gutmenschen<br />
sind da schnell bei der Hand: Migranten werden benachteiligt!<br />
Politisch nicht korrekt, aber wahr ist dagegen: Wir haben ganz überwiegend<br />
die Unterschicht aus den Herkunftsländern einwandern lassen.<br />
Benachteiligung findet deshalb tatsächlich in erster Linie durch <strong>das</strong><br />
eigene Elternhaus statt, durch traditionelle Erziehung, durch fehlende<br />
Vermittlung von Bildungsantrieb, durch mangelnde deutsche Sprachkompetenz,<br />
durch Abgrenzung von deutscher Gesellschaft und Kultur.<br />
Man bleibt unter sich, hört Predigten in seiner Heimatsprache und konsumiert<br />
nur ausländische TV-Sendungen. Von den Türkischstämmigen<br />
bleiben Dreiviertel ohne Ausbildung. Das sind die Verlierer von morgen.<br />
Sie flüchten sich in ihr eigenes Milieu, in Nation<strong>als</strong>tolz und Abgrenzung<br />
und machen oft genug die Mehrheitsgesellschaft für die eigene Misere<br />
verantwortlich.<br />
Ein anderer Aspekt der möglichen Benachteiligung ist <strong>das</strong> intellektuelle<br />
Potential. Daß sich Intelligenz vererbt, kann man ernsthaft nicht<br />
bestreiten. Statistisch gesehen! Auch intelligente Eltern können dumme<br />
Kinder bekommen und umgekehrt können aus geistig minderbemittelten<br />
Familien Hochbegabte hervorgehen. Die Wahrscheinlichkeit entspricht<br />
dem aber nicht. Umstritten ist allerdings der Intelligenzbegriff.<br />
Es gibt mehrere Arten von „Intelligenz“. Umstritten ist auch der Prozentsatz<br />
der erblich bedingten Intelligenz. Vorhandene Anlagen können<br />
verkümmern, bei anderen Personen werden sie entwickelt. Das trifft für<br />
alle Ethnien zu, hat <strong>als</strong>o prinzipiell nichts mit Migration zu tun. Anders<br />
sieht die Geschichte aber aus, wenn nicht der Querschnitt einer Ethnie<br />
89 http://www.spiegel.de/schulspiegel/wissen/0,1518,733083,00.html<br />
einwandert, sondern überwiegend die kulturelle Unterschicht. Selbstverständlich<br />
zieht diese dann den Intelligenz-Durchschnitt in der aufnehmenden<br />
Bevölkerung nach unten. Und <strong>das</strong> gilt nicht nur für die<br />
eingewanderte Generation, sondern wegen der vererbten Veranlagung<br />
auch für die folgenden Generationen. Sarrazin hat <strong>das</strong> ausführlich belegt<br />
und seine Kritiker haben ihn auf die provozierende Aussage komprimiert:<br />
„Deutschland wird durch Einwanderung dümmer.“90 Einen Einwand<br />
muß sich Sarrazin allerdings entgegenhalten lassen: In den Herkunftsländern<br />
ist der selektive Aufstiegsprozeß noch nicht so<br />
fortgeschritten, wie in der autochthonen deutschen Bevölkerung. Es<br />
wird <strong>als</strong>o in der eingewanderten Unterschicht noch eine höhere Intelligenzreserve<br />
stecken <strong>als</strong> in der deutschen Unterschicht. Hier können wir<br />
ansetzen zu fördern und zu fordern.<br />
Obwohl wir dringend gut ausgebildete Nachwuchskräfte benötigen, fällt<br />
es der Wirtschaft immer schwerer, Ausbildungsplätze überhaupt mit<br />
qualifizierten Bewerbern zu besetzen. Den Schulabgängern fehlt es an<br />
fundamentalen Möglichkeiten, sich schriftlich und mündlich auszudrücken,<br />
einfachste Rechenaufgaben zu bewältigen, ganz zu schweigen<br />
von Arbeitsdisziplin, Engagement, Sorgfalt oder Sauberkeit. Nach einer<br />
Umfrage des DIHT91 bezeichneten fast Dreiviertel der Betriebe die mangelnde<br />
Ausbildungsreife der Schulabgänger <strong>als</strong> wichtigstes Ausbildungshemmnis.<br />
Besserung ist nicht in Sicht. Das mündliche und schriftliche<br />
Ausdrucksvermögen hat sich in den letzten Jahren ständig verschlechtert<br />
und wird jetzt von über der Hälfte der Betriebe beanstandet. Viele reagieren<br />
daraufhin mit einer selbstorganisierten Nachhilfe im eigenen<br />
Betrieb.<br />
Natürlich ist diese Situation nicht allein auf ein Versagen der Schule<br />
zurückzuführen. Was im Elternhaus versäumt wurde, läßt sich nur<br />
schwer in der Schule nachholen. Und trotzdem darf die Schule nicht<br />
resignieren. Der Bürger darf zu Recht von der Schule erwarten, daß sie<br />
fördert, wo Defizite vorhanden sind. Gerade darin besteht doch die<br />
Herstellung von Chancengleichheit, wenn Kinder aus bildungsfernen<br />
Familien stammen.<br />
90 Sarrazin: „Deutschland schafft sich ab“, S. 100, 245, 353 und 364<br />
91 http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/0,1518,687789,00.html