das Buch als PDF-Datei (ca. 1.6 MB) - Mandative Demokratie
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72 <strong>Demokratie</strong> in schlechter Verfassung<br />
Was vor allem schiefgelaufen ist 73<br />
gement, Kreativität und Motivation verlorengeht, wenn der Chef in einer<br />
Mitarbeiterkonferenz einen Vortrag in Englisch hält und ein paar Leute<br />
in der Runde ihre Beiträge in BSE ("bad simple English“) stammeln.<br />
Die andere Seite ist der Kulturverlust. Es ist noch gar nicht so lange<br />
her, da lernten Studenten aus aller Welt Deutsch, um hier studieren zu<br />
können. Da hatten die deutschen Universitäten allerdings auch Weltruhm.<br />
Deutsche Unternehmen brauchten sich nicht „DEMAG Cranes“,<br />
„ThyssenKrupp Steel“ oder „Munich Re“ zu nennen, um international<br />
erfolgreich zu sein, solche urdeutschen Bezeichnungen wie Lufthansa<br />
oder Volkswagen funktionierten auch. Heute würde kein Unternehmen<br />
für den weltweiten Markt gegründet werden, wenn die Firmenbezeichnung<br />
nicht international – sprich Englisch – aussprechbar ist. Wir haben<br />
den Anspruch aufgegeben, daß Deutsch eine Weltsprache ist. Selbst in<br />
der Europäischen Union, in der die deutschen Muttersprachler die größte<br />
Gruppe darstellen, schaffen wir es nicht, Deutsch <strong>als</strong> gleichberechtigte<br />
Arbeitssprache zu etablieren. Es fehlt der politische Wille. Im Alltagsleben<br />
und zu Hause wird nach Stadtvierteln getrennt Deutsch, Türkisch,<br />
Kurdisch oder Arabisch gesprochen. Das Deutsche ist in unserem eigenen<br />
Land auf dem Rückzug.<br />
Kulturpolitik ist bei uns Ländersache. Bei der Rechtschreibreform<br />
von 1996 haben uns die Kultusminister der Länder allerdings einen Tort<br />
angetan. Gegen den erklärten Willen der Mehrheit der Bürger und gegen<br />
den heftigen Widerstand vor allem der Schriftsteller wurde eine verunglückte<br />
Reform durchgepaukt. Albernheiten, wie <strong>das</strong> dreifache „F“ in<br />
„Schifffahrt“, kann man übergehen, oberlehrerhafte Rechthaberei, wie<br />
beim „Stängel“ oder der „Gämse“, sollte man achselzuckend ignorieren.<br />
Schlimm sind dagegen die neuen Regeln der Getrenntschreibung. Man<br />
scheint völlig vergessen zu haben, daß man schreibt, um zu lesen. Beim<br />
Lesen stocke ich jedoch sofort, wenn plötzlich von „überhand nehmen“<br />
die Rede ist. Ich lese „überhand“ und „nehmen“ mit Pause und nicht,<br />
wie es gemeint ist, <strong>als</strong> „überhandnehmen“.99 „Weg weisend“ ist etwas<br />
anderes <strong>als</strong> „wegweisend“, „außer Stande“ nicht <strong>das</strong>selbe wie „außerstande“.<br />
Es macht sich eine Beliebigkeit in der Rechtschreibung breit. Fehler<br />
in Zeitungstexten, Inseraten, Werbeinschriften oder Hinweisschildern<br />
99 Nach neuer deutscher Rechtschreibung wurden beide Schreibweisen für zulässig erklärt.<br />
häufen sich. Ich meine jetzt nicht die Rechtschreibreform und die damit<br />
verbundenen Unsicherheiten, sondern eindeutige Fehler, die es nach<br />
alter und neuer Rechtschreibung sind. Wie oft sieht man „Herzlich Willkommen“,<br />
die Verwechselung von „daß/<strong>das</strong>s“ und „<strong>das</strong>“ oder den Kiosk,<br />
der „Sonntag’s Brötchen“ anpreist. Die Beispielsfälle wären endlos. Es<br />
fehlt <strong>das</strong> Problembewußtsein. Hier macht sich bemerkbar, daß der nachwachsenden<br />
Generation diese Regeln <strong>als</strong> nicht so wichtig auch nicht<br />
mehr nahegebracht wurden. Wenn man unsicher ist, könnte man ja<br />
fragen. Rechtschreibprogramme sind im übrigen längst Standard in<br />
allen PC-Schreibprogrammen.<br />
Überflüssige Anglizismen<br />
Wer diese Kapitelüberschrift liest, denkt vermutlich sofort an die alten<br />
Feindbilder. Da werden deutschtümelnde Eiferer zitiert, die jedem<br />
Fremdwort den Kampf angesagt haben und dann werden solche hübschen<br />
Beispiele genannt, wie der „Zwischen-Stadt-Eilzug“ anstelle des<br />
ICE oder der „Explosionstreibling“, der den Motor ersetzen soll. Diese<br />
Art von Diskussion funktioniert nach bewährtem Schema: Man unterstellt<br />
dem Disputanten eine absurde Extremposition und macht ihn<br />
damit lächerlich.<br />
Um dem vorzubeugen sei deshalb gleich zu Anfang betont: Mir geht<br />
es nicht um die Eliminierung aller der Fremdwörter, die durchaus eine<br />
Bereicherung für unsere Sprache darstellen. Ich habe auch nichts gegen<br />
<strong>das</strong> „Handy“, <strong>das</strong> insofern ein Kuriosum ist, <strong>als</strong> wir in Deutschland ein<br />
englisch klingendes Wort erfunden haben. Mir geht es ausschließlich<br />
um <strong>das</strong> geistlose Verdrängen guter und durchaus treffender deutscher<br />
Wörter durch meist englische Vokabeln. Wer kennt nicht den unsäglichen<br />
„Back Shop“, der kein rückwärtiger Laden sein soll, sondern die<br />
gute alte Bäckerei. In Katalogen der Konsumelektronik findet man kaum<br />
noch deutsche Bezeichnungen. Da gibt es nur Receiver, Tuner, Smartphones<br />
oder Portables. In einem Textilprospekt fand ich <strong>das</strong> „Sleepshirt“.<br />
Im Sportbericht wird von den „German Masters“ berichtet und daß der<br />
Referee ein Foul mit einem Penalty geahndet hat.<br />
Einen traurigen Gipfel stellen die Schilder „Sale!“ dar, die man überall<br />
in den Schaufenstern sieht. An Ausländer wenden sich diese Schilder<br />
nicht, denn Türken, Kosovo-Albaner oder Araber können im Zweifel<br />
Englisch nicht besser <strong>als</strong> Deutsch. Nein, man will internationales