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Ohrenschmaus Folge 2 - "Keine Schwellenangst" (pdf 2,7 MB)

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Essen & Musik<br />

Inside Festspiele Highlights 27<br />

Erst spät wandte sich<br />

Pirchner dem Komponieren<br />

zu. „Bis zu meinem<br />

42. Lebensjahr hätte<br />

ich aus Respekt vor den<br />

größten Meistern – Bach,<br />

Mozart, Schubert, Bruckner,<br />

Mahler, Schönberg,<br />

Webern etc. – nicht<br />

gewagt, auch nur einen<br />

Ton für ein klassisches<br />

Konzert zu schreiben“,<br />

sagt er später über sich.<br />

Dabei hatte dieser Mann<br />

zu diesem Zeitpunkt<br />

schon musikalische<br />

Lorbeeren geerntet, für<br />

die andere ihr letztes<br />

Hemd hergäben. Unter<br />

anderem hatte er mit<br />

Harry Pepl im legendären<br />

JazzZwio beim Jazzfest<br />

Montreux für Begeisterungsstürme<br />

gesorgt.<br />

komponierte Volksmusik, das nicht nur<br />

zwischen E- und U- Musik hin- und herpendelt,<br />

sondern diese Kategorien – die<br />

Pirchner Zeit seines Lebens ein Gräuel<br />

waren, wie Hannes Sprenger erzählt –<br />

auf einer emotionale Achterbahnfahrt<br />

zwischen himmelhoch jauchzend und zu<br />

Tode betrübt vollends auflöst.<br />

„Gepfiffen auf E und U“<br />

„Er hat gepfiffen auf E und U, hat den<br />

Jazz, die Volksmusik, die Klassik, die<br />

Moderne so unter einen Hut gebracht,<br />

aber auf ganz neue, unverwechselbare<br />

Weise, immer aber ohne akademische<br />

Hochnäsigkeit, denn sich erheben über<br />

die Menschen, das wollte Werner nie“,<br />

bringt es Felix Mitterer in seinem Nachruf<br />

auf den Punkt. „Musik für Hirn,<br />

Herz und Bauch hat er uns geschenkt,<br />

der Einzige unter den Modernen, der<br />

keine Schwellenangst hervorrief, wo<br />

kein Bruch da war, sondern einfach ein<br />

Fließen; [...] und der Mensch in Tirol,<br />

und der in Wien, und der in NewYork<br />

hört zu und denkt und fühlt und pfeift<br />

mit Werner auf E und U, denn es gibt<br />

nur eines: gute oder schlechte Musik.“<br />

Aber auch wenn er auf manches gepfiffen<br />

haben mag, ein gnadenloser Perfektionist<br />

war er dennoch. Für „Kein Schöner<br />

Land“, ein Stück über einen Tiroler<br />

Juden, der verraten und verkauft wird,<br />

suchte er Jahre lang nach dem richtigen<br />

Geiger und erst, als er diesen gefunden<br />

hatte, schritt er zur Aufnahme. Siggi<br />

Haider wiederum erinnert sich daran,<br />

dass er für die Aufnahmen zum „EU“-<br />

Album teilweise 64 Takes von einer<br />

Nummer einspielen musste. „Wenn wir<br />

nicht gut genug waren, hat er uns wieder<br />

nach Hause zum Üben geschickt.“<br />

Der Effekt war ein intensiverer Zugang<br />

zur Musik, als er ihn jemals für möglich<br />

gehalten hätte: „Durch ihn hab’ ich gelernt,<br />

so zu spielen, dass man wirklich<br />

eintaucht in die Musik.“<br />

Diesem Perfektionismus zollen Akkosax<br />

durch den neuen Schluss zur „Sonate<br />

vom rauhen Leben“ Tribut, denn von<br />

diesem Teil existierten keine Noten.<br />

Pirchner wollte das Stück, das in D-Dur<br />

geschrieben ist, auf C zurückführen, die<br />

abschließende, emporsteigende und ineinander<br />

verschachtelte Akkordfolge hat<br />

er jedoch nie aufgeschrieben. Dennoch<br />

fand sie ihren Weg auf die CD von Siggi<br />

Haider und Hannes Sprenger – ein<br />

langwieriger Prozess. Hört man diesen<br />

Schluss heute, ist kaum vorstellbar, dass<br />

ein so bodenständiger Typ wie Pirchner<br />

Musik komponieren konnte, die so weit<br />

über dem Boden schwebt.<br />

Was für eine Verschwendung auch, dass<br />

ein Mensch mit einem derart ausgeprägten<br />

Gefühl für musikalische Dramatik<br />

in Österreich lebte. In Hollywood<br />

wäre er wohl zum gefeierten Film-Komponisten<br />

avanciert – ein Umstand, der<br />

manch einen verbittert hätte, nicht so<br />

Werner Pirchner. Ihm war es genug,<br />

Musik zu machen: Ob das nun Kennmelodien<br />

für den ORF, Jazz mit Harry<br />

Pepl oder komponierte „ernste“ Musik<br />

waren, kümmerte ihn nicht weiter. Viel<br />

wichtiger wäre ihm wohl gewesen, Zeuge<br />

seiner Wirkung als Vermittler zwischen<br />

den Welten E und U zu werden. Für Siggi<br />

Haider etwa war die Begegnung mit<br />

Werner Pirchner entscheidend für seinen<br />

späteren Werdegang: „Er hat mich bestärkt,<br />

weg von der Tanzmusik zu gehen<br />

und mir neue Welten zu erschließen.“<br />

Ein noch jüngeres Beispiel solcher Beeinflussung<br />

ist Martin Klein (Jahrgang 83),<br />

hochbegabter, in Wien lebender Songwriter<br />

und Pianist, der im Interview erzählt,<br />

er sei auf „Dur“ gestoßen und diese<br />

Einspielungen von Pirchner hätten ihn<br />

darin bekräftigt, neben seiner Pop-Karriere<br />

auch ausnotierte Musik zu komponieren.<br />

Jemandem, der so wie er mit Jazz<br />

und Pop aufwuchs, die Tür in eine andere<br />

Welt aufgehalten zu haben – das hätte<br />

Pirchner ohne Zweifel besser gefallen als<br />

ein voller, jubelnder Saal.<br />

Aber auch den schafft Pirchner heute<br />

noch: Als man neulich im Wiener Porgy<br />

& Bess mit Akkosax auf der Bühne<br />

stand, erzählt Hannes Sprenger, und ankündigte,<br />

gleich ein Stück von Werner<br />

Pirchner spielen zu wollen, habe der<br />

Saal getobt. Ohne dass auch nur eine<br />

Note gespielt worden wäre. Im „fernen“<br />

Wien, zehn Jahre nach seinem Tod.<br />

Am 13. Februar wäre Werner Pirchner<br />

70 geworden. Ein ewig junger Musiker<br />

starb viel zu früh.<br />

C D - T i p p<br />

Akkosax: An Werner Pirchner<br />

„ . . . v o m r a u h e n L e b e n “<br />

col legno<br />

H Ö R P R O B E<br />

w w w . p o l z e r . n e t

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