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Politische Kommunikation in der digitalen Gesellschaft - Govermedia

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Gernot Facius<br />

hat, die jungen Leute unter dreißig „postpolitisch,<br />

ihre Interessen s<strong>in</strong>d auf Lifestyle,<br />

Gruppenmoral und Globalität gerichtet<br />

– Themen, die kaum Nachrichten<br />

erzeugen, die aber von den Unterhaltungsmedien<br />

(Zeitschriften und Fernsehen)<br />

<strong>in</strong>tensiv bedient werden“. Diese<br />

Generation f<strong>in</strong>det erst deutlich später als<br />

frühere Alterskohorten, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Phase <strong>der</strong><br />

Etablierung, zur regelmäßigen Zeitungslektüre.<br />

Zeitungsreichweiten stabil<br />

Richtig ist aber auch: Die Zeitungsreichweiten<br />

s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> Deutschland selbst im<br />

Krisenjahr 2009 mit 71,4 Prozent (e<strong>in</strong><br />

Prozentpunkt weniger als 2008) weitgehend<br />

stabil geblieben. Das bedeutet, dass<br />

durchschnittlich 46,3 Millionen Deutsche,<br />

älter als vierzehn Jahre, pro Tag e<strong>in</strong>e Zeitung<br />

<strong>in</strong> die Hand nehmen, h<strong>in</strong>zu kommen<br />

17,3 Millionen Internetleser, die regelmäßig<br />

auf die Websites <strong>der</strong> Zeitungen gehen.<br />

Zwar ist e<strong>in</strong> nicht unwesentlicher Teil des<br />

klassischen Anzeigengeschäfts <strong>in</strong>s Internet<br />

abgewan<strong>der</strong>t. Früher haben Zeitungen<br />

<strong>in</strong> westdeutschen Ballungsräumen<br />

siebzig Prozent ihrer Erlöse aus Anzeigen<br />

beziehungsweise Werbung erzielt und<br />

dreißig Prozent aus Abonnements und<br />

E<strong>in</strong>zelverkauf; heute beträgt das Verhältnis<br />

fünfzig zu fünfzig.<br />

Das heißt aber noch lange nicht, dass<br />

über Pr<strong>in</strong>t <strong>der</strong> Todesengel schwebt. Alle<strong>in</strong><br />

die Regionalblätter setzen mehr als<br />

fünfzehn Millionen Exemplare pro Tag<br />

ab, die Regionalzeitung ist die Nummer<br />

e<strong>in</strong>s <strong>in</strong> <strong>der</strong> Mediennutzung. Neunzig<br />

Prozent ihrer Leser benötigen sie für<br />

die regionale und für die überregionale<br />

Information. Sie haben mith<strong>in</strong> auch <strong>in</strong><br />

Zukunft e<strong>in</strong>e Doppelfunktion. Sie s<strong>in</strong>d<br />

Grund- und Komplettversorger <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em.<br />

Auf den großen Weltteil, die Berichterstattung<br />

aus Berl<strong>in</strong> o<strong>der</strong> dem Ausland,<br />

zu verzichten wäre von Nachteil. Es hat<br />

an Ratschlägen nicht gefehlt, regionale<br />

Blätter sollten den Nachrichtenteil zugunsten<br />

des me<strong>in</strong>ungsbildenden Journalismus<br />

reduzieren. „Ganz falsch“,<br />

weist <strong>der</strong> <strong>Kommunikation</strong>swissenschaftler<br />

Klaus Schönbach solche Empfehlungen<br />

zurück. Denn den Lesern sei genau<br />

dieser Nachrichtenteil mit se<strong>in</strong>em Überblicks-<br />

und Überraschungswert m<strong>in</strong>destens<br />

so wichtig wie die E<strong>in</strong>ordnungsfunktion.<br />

Aktualität ist heute die Domäne <strong>der</strong><br />

schnellen Medien Radio, Fernsehen und<br />

Internet. Ganz ohne Frage. Doch <strong>der</strong> Verzicht<br />

auf die Nachricht, möglichst exklusiv,<br />

wäre gegen die Natur <strong>der</strong> Zeitung. Sie<br />

wird auch gelesen, um sich überraschen<br />

zu lassen. „Nachrichtenfreude“ nannte<br />

dies Emil Dovifat, e<strong>in</strong>er <strong>der</strong> Großen <strong>der</strong><br />

<strong>Kommunikation</strong>swissenschaft.<br />

Letztes universales Medium<br />

und „Wun<strong>der</strong>tüte“<br />

Zeitungen, schrieb <strong>der</strong> 2003 verstorbene<br />

Journalist Herbert Riehl-Heyse (Süddeutsche<br />

Zeitung), hielten wenigstens den Anspruch<br />

aufrecht, die ganze Welt <strong>in</strong> ihrer<br />

Vielfalt wi<strong>der</strong>zuspiegeln, sich pr<strong>in</strong>zipiell<br />

für alles zu <strong>in</strong>teressieren; sie seien das<br />

Gegengift gegen das um sich greifende<br />

„Fachidiotentum“, e<strong>in</strong>e <strong>der</strong> letzten Klammern<br />

e<strong>in</strong>er immer weiter ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>driftenden<br />

<strong>Gesellschaft</strong>, „<strong>in</strong> <strong>der</strong> sich<br />

schon die Orthopäden mit den Handchirurgen<br />

kaum mehr ohne Dolmetscher<br />

verständigen können“. Rundfunk und<br />

Fernsehen s<strong>in</strong>d nicht alles. Nach dem<br />

11. September 2001 zum Beispiel druckten<br />

viele Zeitungen e<strong>in</strong>e kräftig erhöhte<br />

Auflage, es gab e<strong>in</strong>en Bedarf an e<strong>in</strong>ordnenden<br />

Berichten, Analysen und Kommentaren.<br />

Kurz: an Orientierung. Michael<br />

Haller schließt daraus: Auch <strong>in</strong> Zukunft<br />

wollen die Menschen zur flüchtigen<br />

Fernsehbil<strong>der</strong>welt e<strong>in</strong> komplementäres<br />

H<strong>in</strong>tergrundmedium. Die Zeitung ist die<br />

„Wun<strong>der</strong>tüte“ (Verlegerpräsident Helmut<br />

He<strong>in</strong>en), sie enthält e<strong>in</strong>e Melange<br />

aus Lokalem und Politik, Sport, Kultur,<br />

Service und – man vergesse se<strong>in</strong>e Bedeutung<br />

nicht – Vermischtem. An<strong>der</strong>e<br />

Seite 12 Nr. 484 · März 2010

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