Politische Kommunikation in der digitalen Gesellschaft - Govermedia
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Im Netz <strong>der</strong> Parteien?<br />
nicht mehr notwendig. Nicht gebunden<br />
an Ort und Zeit, sche<strong>in</strong>t das Internet für<br />
viele die günstigere Alternative. Während<br />
die Möglichkeiten <strong>der</strong> Partizipation<br />
über das Internet sicherlich e<strong>in</strong>en Gew<strong>in</strong>n<br />
für die Politik im Allgeme<strong>in</strong>en darstellen,<br />
s<strong>in</strong>d sie per se noch ke<strong>in</strong> Garant für die<br />
Erhöhung <strong>der</strong> Attraktivität von Volksparteien.<br />
Parteien müssen verstehen, dass<br />
nicht alles, was sie <strong>in</strong>s Internet stellen,<br />
euphorisch erwartet wird. Dies gilt auch<br />
und <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e für Angebote <strong>der</strong> Partizipation,<br />
die über den e<strong>in</strong>fachen Klick<br />
h<strong>in</strong>ausgehen. Während sich für Onl<strong>in</strong>e-<br />
Petitionen und Abstimmungen, die mit<br />
e<strong>in</strong>em o<strong>der</strong> wenigen Klicks zu bedienen<br />
s<strong>in</strong>d, Hun<strong>der</strong>te bis Tausende von Netznutzern<br />
mobilisieren lassen, ist die Quote<br />
<strong>der</strong> Beteiligung an Diskussionsprozessen<br />
deutlich ger<strong>in</strong>ger. Je höher <strong>der</strong> (Zeit-)<br />
E<strong>in</strong>satz, <strong>der</strong> im politischen Prozess als<br />
Investment gefor<strong>der</strong>t wird, desto ger<strong>in</strong>ger<br />
ist die Anzahl <strong>der</strong> Teilnehmer. Auch<br />
dieser Grundsatz gilt onl<strong>in</strong>e wie offl<strong>in</strong>e.<br />
Nahezu alle Parteien s<strong>in</strong>d daher auf <strong>der</strong><br />
Suche danach, wie sie attraktive und<br />
passende Angebote für möglichst viele<br />
Bürger schaffen können.<br />
Permanent Organiz<strong>in</strong>g<br />
Das Web 2.0 bietet neben den Möglichkeiten<br />
<strong>der</strong> Information zahlreiche Ansätze<br />
zur Organisation. Das Permanent<br />
Campaign<strong>in</strong>g kann und muss gerade im<br />
Zeitalter des Internets zu e<strong>in</strong>em Permanent<br />
Organiz<strong>in</strong>g werden. Die Wahlkämpfe<br />
<strong>in</strong> den USA haben gezeigt, dass die Organisation<br />
und Mobilisierung eigener Unterstützer<br />
wie<strong>der</strong> <strong>in</strong> den Vor<strong>der</strong>grund<br />
rücken. Im übertragenen S<strong>in</strong>ne bewegt<br />
man sich wie<strong>der</strong> zurück zu den Wurzeln<br />
politischer Organisation. Will e<strong>in</strong>e Partei<br />
schlagkräftig se<strong>in</strong>, muss sie ihren Fokus<br />
über die klassischen Medien h<strong>in</strong>ausbewegen.<br />
Multiplikatoren – onl<strong>in</strong>e und<br />
offl<strong>in</strong>e – werden als vertrauenswürdige<br />
Quellen politischer Informationen immer<br />
wichtiger. Gerade vor dem H<strong>in</strong>tergrund<br />
des schw<strong>in</strong>denden Vertrauens <strong>in</strong> Medien.<br />
Das Web 2.0 schafft hier die Möglichkeit,<br />
wie<strong>der</strong> relevante Größenordnungen zu<br />
erreichen. Der Aufwand für politische<br />
Hausbesuche im Wahlkampf ist deutlich<br />
größer als <strong>der</strong> für e<strong>in</strong>en Twitter-Beitrag<br />
o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e Facebook-Nachricht. In beiden<br />
Fällen kann man aber die persönliche<br />
Sicht <strong>der</strong> D<strong>in</strong>ge an<strong>der</strong>en Menschen nahebr<strong>in</strong>gen<br />
und für die eigene politische Ansicht<br />
werben. In Zeiten, <strong>in</strong> denen sich tendenziell<br />
weniger Menschen f<strong>in</strong>den, die<br />
sich auf dem Wochenmarkt an den Informationsstand<br />
stellen, erlaubt das Web 2.0<br />
damit quasi den Rückschritt zur basisorientierten<br />
Parteiarbeit.<br />
Bei allem Rummel um das Internet und<br />
die Möglichkeiten für die Parteien muss<br />
man aber nüchtern feststellen, dass das<br />
politische Web 2.0 erst am Anfang steht .<br />
Es bleiben noch viele Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />
zu bewältigen. So ist die Frage nach Verdichtung<br />
und Steuerung von Diskussionen,<br />
Beiträgen und H<strong>in</strong>weisen im Internet<br />
ganz zentral, wenn man über die<br />
Möglichkeiten <strong>der</strong> E-Partizipation diskutiert.<br />
Hierbei geht es nicht um die<br />
Steuerung durch Parteien, son<strong>der</strong>n des<br />
reibungslosen Diskurses <strong>der</strong> Aktivisten.<br />
Während viele das Ideal <strong>der</strong> Polis vor<br />
Augen haben, muss man danach fragen,<br />
was passieren würde, wenn sich 63 Millionen<br />
Wähler am Onl<strong>in</strong>e-Diskurs mit<br />
Stellungnahmen et cetera beteiligen würden.<br />
An<strong>der</strong>erseits stellt sich die Frage:<br />
Was passiert, wenn „wenige“ Zehntausende<br />
gut ausgebildete und mit dem<br />
Internet vertraute junge Menschen die<br />
Agenda e<strong>in</strong>er ganzen Nation bestimmen?<br />
Gibt es so etwas wie die Schweigespirale<br />
2.0? Bislang ist die politische Partizipation<br />
im Internet e<strong>in</strong>e „Spielfläche“, die<br />
überwiegend beherrscht wird von jungen,<br />
formal überdurchschnittlich gebildeten<br />
Menschen; überwiegend Männern.<br />
Es ist nicht nur die Politik, die lernen<br />
muss, mit den neuen Instrumenten des<br />
Web 2.0 umzugehen. Auch die breite<br />
Nr. 484 · März 2010<br />
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