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Politische Kommunikation in der digitalen Gesellschaft - Govermedia

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EDITORIAL<br />

❖ „Was wir über unsere <strong>Gesellschaft</strong>,<br />

ja über die Welt, <strong>in</strong> <strong>der</strong> wir<br />

leben, wissen, wissen wir durch<br />

die Massenmedien.“ So resümierte<br />

<strong>der</strong> Jahrhun<strong>der</strong>tsoziologe Niklas<br />

Luhmann die Bedeutung <strong>der</strong> Medien.<br />

Sie s<strong>in</strong>d Erschließungs- und<br />

Vermittlungs<strong>in</strong>stanzen für Wirklichkeitsbedeutungen,<br />

sie gestalten<br />

die gesellschaftliche Konstruktion <strong>der</strong><br />

Wirklichkeit ebenso wie die Gespräche <strong>der</strong><br />

<strong>Gesellschaft</strong> über sich selbst und die öffentliche<br />

Moral. Welche Bedeutung die Medien<br />

im Alltagsleben <strong>der</strong> Deutschen spielen, spiegeln<br />

die Zahlen zur Mediennutzung wi<strong>der</strong>.<br />

Von den rund 500 M<strong>in</strong>uten, die <strong>der</strong> von <strong>der</strong><br />

Statistik konstruierte Mitbürger <strong>in</strong>sgesamt<br />

pro Tag konsumiert, wurden 228 M<strong>in</strong>uten<br />

für das Fernsehen aufgewendet. An zweiter<br />

Stelle rangiert <strong>der</strong> Hörfunk mit 186 M<strong>in</strong>uten,<br />

das Internet br<strong>in</strong>gt es auf 70 M<strong>in</strong>uten, die<br />

Lektüre <strong>der</strong> Tageszeitung ist mittlerweile<br />

auf 28 M<strong>in</strong>uten gesunken.<br />

Für die Politik leistet <strong>der</strong> Wettbewerb <strong>der</strong><br />

Medien – garantiert durch Artikel 5 unserer<br />

Verfassung – nicht nur Aufklärung und<br />

Kritik, son<strong>der</strong>n stellt Öffentlichkeit her und<br />

ermöglicht gesellschaftliche und politische<br />

Teilhabe. Von den Medien wird e<strong>in</strong>erseits<br />

erwartet, dass sie ihre öffentliche Aufgabe<br />

erfüllen. An<strong>der</strong>erseits handelt es sich bei<br />

ihnen um überwiegend privatwirtschaftliche<br />

Unternehmen, <strong>der</strong>en Gew<strong>in</strong>ne umso<br />

größer s<strong>in</strong>d, je mehr Publikum sie erreichen.<br />

Darum wird <strong>der</strong> vermutete Publikumsgeschmack<br />

zum Entscheidungskriterium<br />

für Inhalte. E<strong>in</strong>e Folge dieser Entwicklung<br />

ist die zu beobachtende Boulevardisierung<br />

<strong>der</strong> Zeitungen. Ähnliches gilt auch für die<br />

öffentlich-rechtlichen Sen<strong>der</strong>, die sich <strong>in</strong><br />

manchen Formaten den privaten Sendeanstalten<br />

annähern.<br />

Seit e<strong>in</strong>iger Zeit bef<strong>in</strong>det sich die Medienwelt<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em dramatischen Verän<strong>der</strong>ungs-<br />

prozess. Das Internet, das vor e<strong>in</strong>igen<br />

Monaten se<strong>in</strong>en vierzigsten<br />

Geburtstag feiern konnte, stellt<br />

die Druckmedien wie die audiovisuellen<br />

Angebote vor neue<br />

Herausfor<strong>der</strong>ungen. Mittlerweile<br />

s<strong>in</strong>d 65 Prozent <strong>der</strong> Bevölkerung<br />

Onl<strong>in</strong>enutzer, 1997 waren es erst<br />

6,5 Prozent. Diesen Siegeszug verdankt<br />

das Netz se<strong>in</strong>em grenzenlosen Raum.<br />

Wo im Fernsehen o<strong>der</strong> im Hörfunk die<br />

Sendezeit auf Sekunden begrenzt wird und<br />

oft die E<strong>in</strong>schaltquote den Inhalt bestimmt,<br />

zählt im Netz nur noch <strong>der</strong> Inhalt. Es gibt<br />

unzählige Spezialangebote mit relativ begrenzten<br />

Besucherzahlen wie auch massenwirksame<br />

Inhalte, über <strong>der</strong>en politische und<br />

kulturelle Relevanz man streiten kann. Unabhängige<br />

und gegengeprüfte Nachrichten,<br />

Dokumentationsangebote und <strong>in</strong>vestigativer<br />

Journalismus s<strong>in</strong>d nach wie vor das<br />

Rückgrat unserer politischen <strong>Kommunikation</strong>.<br />

Diese werden zwar von allen Medien<br />

auch onl<strong>in</strong>e angeboten; im unbegrenzten<br />

Netz aber kann je<strong>der</strong>mann zu ger<strong>in</strong>gen Kosten<br />

veröffentlichen, was immer se<strong>in</strong>em Hirn<br />

entspr<strong>in</strong>gt. Die Selektion seriöser Information<br />

muss dann <strong>in</strong>dividuell erfolgen.<br />

Wie das Internet unsere politische <strong>Kommunikation</strong><br />

verän<strong>der</strong>t, ist deshalb Schwerpunktthema<br />

dieses Heftes. In ihm wird nach<br />

<strong>der</strong> Zukunft <strong>der</strong> Zeitung ebenso gefragt<br />

wie nach dem Engagement <strong>der</strong> Parteien im<br />

Netz. E<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>e Aufmerksamkeit wird<br />

dem Qualitätsjournalismus zugewandt, dessen<br />

Glaubwürdigkeitsverluste die kommunikative<br />

Basis unserer <strong>Gesellschaft</strong> bedroht.<br />

❖<br />

Wolfgang Bergsdorf<br />

Nr. 484 · März 2010 Seite 1

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