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Politische Kommunikation in der digitalen Gesellschaft - Govermedia

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Bernt von zur Mühlen<br />

gegenwärtiger Hybris beitragen, die ohne<br />

Begriff von Bildung umstandslos sogenannte<br />

„Bildungsstandards“ verordnen<br />

möchte.<br />

E<strong>in</strong>e neue Bildungsidee muss den nach<br />

obsoleten Mustern getragenen, bürokratisch<br />

blockierten Wissensmarkt grundstürzend<br />

verän<strong>der</strong>n. E<strong>in</strong>e solche Idee ist<br />

zuerst <strong>in</strong> den Me<strong>in</strong>ungsmarkt h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>zugeben.<br />

Sie ist dort nicht vorrätig und kann<br />

aus dem bestehenden Wissenschaftspluralismus<br />

nicht deduziert werden. Hier<br />

heißt es vielmehr, zuerst die Baumgrenze<br />

des vertrauten Empirismus zu überw<strong>in</strong>den,<br />

hier ist Innovation auf apriorischem<br />

Risikogelände gefragt. Offensichtlich<br />

br<strong>in</strong>gt die Idee die Erfahrung hervor,<br />

nicht ungekehrt. Die Erfahrung stiftete<br />

zwar immer zur Ideensuche an, veranlasste<br />

sie, bewirkte alle<strong>in</strong> aber noch nie<br />

e<strong>in</strong>e Idee. Die reale und die ideelle Sphäre<br />

s<strong>in</strong>d pr<strong>in</strong>zipiell als getrennte Welten zu<br />

verstehen, die aber natürlich im Medium<br />

des natürlich-geistigen Menschen aufe<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />

verweisen. Wovon also müssen wir<br />

ausgehen, wenn wir Bildung nach ihrer<br />

Katastrophe neu denken wollen?<br />

Zunächst ist es wichtig festzustellen,<br />

dass Bildung e<strong>in</strong>e Beson<strong>der</strong>heit des deutschen<br />

Sprachraums ist. Dieses Wissen<br />

kann man <strong>in</strong> Schulen erwerben, solches<br />

Verdienst aber bedarf <strong>der</strong> Selbstbildung,<br />

Selbstüberw<strong>in</strong>dung. Die Schulen und Institutionen<br />

<strong>der</strong> Ausbildung können darauf<br />

h<strong>in</strong>weisen, darauf vorbereiten und<br />

die Worte Goethes wie<strong>der</strong> richtig auslegen,<br />

die für diesen Bildungsprozess maßgebend<br />

bleiben: „Von <strong>der</strong> Gewalt, die alle<br />

Wesen b<strong>in</strong>det, Befreit <strong>der</strong> Mensch sich,<br />

<strong>der</strong> sich überw<strong>in</strong>det.“<br />

Selbstüberw<strong>in</strong>dung, Selbstbefreiung<br />

bedeutet <strong>in</strong> nuce auch Selbstausbildung<br />

aller <strong>in</strong>dividuellen Anlagen, zum voll entfalteten<br />

Menschen. Das ist die Bildungsidee,<br />

um die es unseren Klassikern g<strong>in</strong>g.<br />

Bildung, so a priori als Voraussetzung<br />

aller ihr folgenden Curricula, Ausbildungsgänge<br />

und Lernmethoden gedacht, entsteht<br />

<strong>in</strong> jedem <strong>in</strong>dividuell sich Bildenden<br />

neu als e<strong>in</strong>zigartiges Zeugnis e<strong>in</strong>er Idee,<br />

die allgeme<strong>in</strong> zugänglich ist, aber <strong>der</strong><br />

Allgeme<strong>in</strong>heit nicht zu verordnen o<strong>der</strong><br />

strikt vorzuschreiben ist.<br />

Man könnte diese Folgerelation von Bildung<br />

und Ausbildung auch analog zum<br />

Verhältnis von Forschung und Lehre verstehen,<br />

wo die Lehre auch nicht festzuschreiben<br />

ist, da sie stets vom aktuellen,<br />

kont<strong>in</strong>uierlichen Prozess <strong>der</strong> Forschung<br />

abhängig bleibt. Freiheit ist <strong>der</strong> Bildung<br />

Lebenselixier. Wie sie für die Ausbildung<br />

dennoch zeitweise e<strong>in</strong>geschränkt werden<br />

muss, solche Überlegung obliegt dann<br />

noch geordneter pädagogischer Arbeit.<br />

Bildung – das deutsche Wort und se<strong>in</strong>e<br />

Bedeutung s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>malig <strong>in</strong> Europa, ke<strong>in</strong><br />

an<strong>der</strong>es Volk stellt mit dem Begriff Bildung<br />

ähnlich hohe Ansprüche an e<strong>in</strong>e<br />

homogene Identität von Persönlichkeit,<br />

Charakter und Allgeme<strong>in</strong>wissen. E<strong>in</strong>e<br />

unwissende Persönlichkeit ist undenkbar,<br />

austauschbare Wissenschaftler, Wissensträger<br />

ohne <strong>in</strong>dividuellen, gebildeten<br />

Charakter, kennen wir <strong>in</strong>zwischen sehr<br />

wohl. Genau um diese Verb<strong>in</strong>dung zwischen<br />

<strong>in</strong>dividueller Persönlichkeit und<br />

verb<strong>in</strong>dlichem Allgeme<strong>in</strong>wissen geht es,<br />

nicht um Verfügungswissen alle<strong>in</strong>, aber<br />

auch nicht um Persönlichkeit o<strong>der</strong> Charakter<br />

alle<strong>in</strong>.<br />

Die klassische Bildungsidee respondiert<br />

ke<strong>in</strong>er bestimmten sozialen beziehungsweise<br />

soziologischen Kategorie.<br />

Der Gebildete ist auch ke<strong>in</strong>eswegs identisch<br />

mit dem Intellektuellen, <strong>der</strong> e<strong>in</strong> soziologisches<br />

Phänomen des neunzehnten<br />

Jahrhun<strong>der</strong>ts ist, und folglich auch nicht<br />

nach dessen Maßgabe zu verstehen.<br />

Die ursprüngliche Bedeutung des<br />

deutschen Wortes Bildung stammt aus<br />

<strong>der</strong> Theologie. Sie me<strong>in</strong>t die christliche<br />

E<strong>in</strong>pflanzung des Gottesbildes (imago dei)<br />

im e<strong>in</strong>zelnen guten Christenmenschen,<br />

<strong>der</strong> <strong>in</strong> allem, was er tut und wie er<br />

handelt, das Vorbild se<strong>in</strong>es Herrn Jesus<br />

im Inneren durchs Leben trägt. Unsere<br />

Seite 18 Nr. 484 · März 2010

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