Politische Kommunikation in der digitalen Gesellschaft - Govermedia
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Im Netz <strong>der</strong> Parteien?<br />
Menschen aus e<strong>in</strong>er an<strong>der</strong>en Kultur s<strong>in</strong>d<br />
und wahrsche<strong>in</strong>lich grundlegend an<strong>der</strong>e<br />
unbewusste Wertepräferenzen ausbilden.<br />
Kruse br<strong>in</strong>gt das auf den Punkt:<br />
„Heimat ist, wo man se<strong>in</strong>e Pubertät<br />
durchlitten hat.“ Und ohne Frage ist dies<br />
für viele <strong>der</strong> unter Dreißigjährigen das<br />
World Wide Web. Die Jugendlichen f<strong>in</strong>den<br />
dort vor allem Raum für Freundschaften,<br />
Unterhaltung und Interaktion.<br />
Selbst „(E-)Sport“ wird bereits seit Jahren<br />
onl<strong>in</strong>e <strong>in</strong> vere<strong>in</strong>sähnlichen Strukturen<br />
betrieben. Als Informationsquelle auch<br />
für <strong>Politische</strong>s ist für diese Generation<br />
das Internet nicht mehr wegzudenken.<br />
Längst ist für die 18- bis 29-Jährigen das<br />
Internet vor dem Fernsehen die wichtigste<br />
Quelle für politische Informationen.<br />
Dies ist auch die Alterskohorte,<br />
die zum Beispiel E-Mails an Politiker<br />
schreibt, anstatt das persönliche Gespräch<br />
zu suchen o<strong>der</strong> Briefe zu senden.<br />
Diese Form <strong>der</strong> E-Mail ist nicht etwa Anzeichen<br />
für Missachtung o<strong>der</strong> ger<strong>in</strong>gen<br />
E<strong>in</strong>satz. Es ist für diese Generation die<br />
Form <strong>der</strong> <strong>Kommunikation</strong> mit dem<br />
Establishment. Auf e<strong>in</strong>em solchen Weg<br />
bewirbt man sich, nimmt mit se<strong>in</strong>en Lehrern<br />
Kontakt auf und wendet sich eben<br />
auch an Politiker.<br />
Untere<strong>in</strong>an<strong>der</strong> hat sich das <strong>Kommunikation</strong>sverhalten<br />
<strong>der</strong> netzaff<strong>in</strong>en 18- bis<br />
29-Jährigen noch weit gravieren<strong>der</strong> verän<strong>der</strong>t.<br />
Dort haben sich die Prämissen <strong>der</strong><br />
Informationssuche verschoben: „Wenn<br />
die Information relevant ist, wird sie mich<br />
f<strong>in</strong>den“, so das Mantra <strong>der</strong> Web-2.0-Nutzer.<br />
An die Stelle langwieriger Recherchen<br />
und Informationssuche treten die<br />
L<strong>in</strong>ks und Empfehlungen <strong>der</strong> eigenen<br />
Netzwerke. Im übertragenen S<strong>in</strong>ne ist <strong>der</strong><br />
Filter somit nicht mehr <strong>der</strong> Zeitungsredakteur<br />
o<strong>der</strong> Fernsehreporter. Vielmehr<br />
verlässt man sich auf Menschen,<br />
die e<strong>in</strong>em ähnlich s<strong>in</strong>d und mit denen<br />
man E<strong>in</strong>stellungen teilt. Den <strong>in</strong>teressanten<br />
politischen Artikel von Spiegel-Onl<strong>in</strong>e<br />
liest man nicht mehr, weil man ihn dort<br />
bei <strong>der</strong> laufenden Suche nach Updates<br />
aufgestöbert hat, son<strong>der</strong>n weil ihn <strong>der</strong><br />
Kontakt aus dem persönlichen Netzwerk<br />
bei Facebook etwa verl<strong>in</strong>kt hat. Der Kontakt<br />
liefert nicht nur den L<strong>in</strong>k, son<strong>der</strong>n<br />
teilt auch gleich se<strong>in</strong>e persönliche Sicht<br />
<strong>der</strong> D<strong>in</strong>ge dazu mit. Diese wird dann<br />
entwe<strong>der</strong> still zur Kenntnis genommen,<br />
ignoriert o<strong>der</strong> wie<strong>der</strong>um kommentiert.<br />
Auf diese Weise entstehen <strong>Kommunikation</strong><br />
und politischer Diskurs.<br />
Persönliche Öffentlichkeiten<br />
Und die <strong>in</strong> den Netzwerken veröffentlichten<br />
Ansichten haben Gewicht. Schon<br />
seit Jahren weiß man, dass den Me<strong>in</strong>ungen<br />
und Empfehlungen aus dem<br />
Verwandten- und Bekanntenkreis die<br />
höchste Glaubwürdigkeit entgegengebracht<br />
wird. Das gilt onl<strong>in</strong>e wie offl<strong>in</strong>e.<br />
Wie man sich diesen psychologischen<br />
Mechanismus im Web 2.0 erfolgreich zunutze<br />
macht, zeigt e<strong>in</strong> Blick auf die Internetseite<br />
des (Bücher-)Versandanbieters<br />
Amazon. Sehr wichtiger Bestandteil s<strong>in</strong>d<br />
dort die von an<strong>der</strong>en Kunden verfassten<br />
Rezensionen. Hier kann man lesen, was<br />
an<strong>der</strong>e Menschen von dem Buch halten,<br />
für dessen Kauf man sich gerade <strong>in</strong>teressiert.<br />
Alle<strong>in</strong> dieses identische Interesse<br />
br<strong>in</strong>gt den unbekannten Autor näher und<br />
macht die Rezension glaubwürdiger als<br />
e<strong>in</strong> offizieller Werbetext des Verlages.<br />
Wie praktisch, dass Amazon dann auch<br />
noch mitteilt, welche an<strong>der</strong>en Bücher dieser<br />
Mensch gekauft hat, die dann ebenfalls<br />
von Interesse se<strong>in</strong> könnten.<br />
Das eigene Netzwerk bleibt Anker und<br />
Orientierungspunkt für die Suche und<br />
Bewertung von neuen Informationen. Jedoch<br />
f<strong>in</strong>det dieser Prozess verstärkt im<br />
Internet statt. Es entstehen quasi persönliche<br />
Öffentlichkeiten, die zwar bekannten<br />
Mechanismen folgen, diese jedoch variieren<br />
o<strong>der</strong> weiterentwickeln.<br />
Das Web 2.0 erlaubt e<strong>in</strong> Konglomerat<br />
vieler kle<strong>in</strong>er Netzwerke, die nicht ohne<br />
H<strong>in</strong><strong>der</strong>nisse durch Politik erreichbar s<strong>in</strong>d.<br />
Nr. 484 · März 2010<br />
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