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Der Schimmelreiter Materialien - Theater Lüneburg

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<strong>Der</strong> <strong>Schimmelreiter</strong><br />

Schauspiel John von Düffel<br />

nach der Novelle von Theodor Storm<br />

<strong>Materialien</strong><br />

1


Inhaltsverzeichnis<br />

Vorwort ………………………………………………………………… Seite 3<br />

Besetzung …………………………………………………………….. Seite 4<br />

Zum Autor der Novelle Theodor Storm …………………………... Seite 5<br />

Zum Autor der Dramatisierung John von Düffel ……………………Seite 9<br />

Theodor Storm und der <strong>Schimmelreiter</strong> ……………………………. Seite 10<br />

<strong>Der</strong> <strong>Schimmelreiter</strong> – Sagen und Quellen …………………………..Seite 12<br />

Karten zur Novelle ……………………. …………………………… . Seite 15<br />

<strong>Theater</strong>pädagogik ……………………………………………………..Seite 17<br />

2


<strong>Lüneburg</strong>, Mai 2013<br />

Liebe Lehrerinnen und Lehrer, liebe Leserinnen und Leser!<br />

Theodor Storms Novelle „<strong>Der</strong> <strong>Schimmelreiter</strong>“ ist eine kraftvolle Geschichte über den<br />

Gegensatz von Fortschritt und Tradition, Ehrgeiz und Bequemlichkeit, Wissenschaft und<br />

Aberglauben.<br />

Darin, und auch in der Art der Darstellung, die nämlich nicht den „fortschrittlichen“,<br />

ehrgeizigen, wissenschaftsgläubigen Hauke Haien zur eindeutig positiven<br />

Identifikationsfigur macht, sondern ihn auch mit Starrsinn, Schonungslosigkeit und allzu<br />

großem Ehrgeiz ausstattet, ist Storms Text auch heute noch aktuell.<br />

Unsere <strong>Materialien</strong> sollen Ihnen helfen, einen Einstieg in die Welt Storms und in die seiner<br />

Geschichte zu finden, außerdem bieten wir Ihnen eine Reihe von Aufgaben und Übungen,<br />

die den <strong>Theater</strong>besuch mit einer Schülerklasse noch vertiefen können.<br />

Viel Vergnügen beim Lesen wünscht<br />

Sabine Bahnsen<br />

3


<strong>Der</strong> <strong>Schimmelreiter</strong><br />

von John von Düffel | Fassung für das <strong>Theater</strong> <strong>Lüneburg</strong> von Martin Pfaff<br />

Hauke Haien<br />

Elke Volkerts<br />

Tede Haien, Haukes Vater<br />

Tede Volkerts, der alte Deichgraf<br />

Ole Peters<br />

Vollina Harders<br />

Iven Johns<br />

Carsten<br />

Trien Jans<br />

Oberdeichgraf<br />

Jewe Manners<br />

Wienke/Schimmel<br />

Fabian Kloiber<br />

Sigrid Meßner<br />

Matthias Herrmann<br />

Matthias Herrmann<br />

Gregor Müller<br />

Beate Weidenhammer<br />

Martin Skoda<br />

Philip Richert<br />

Ulrike Gronow<br />

Ulrike Gronow<br />

Matthias Herrmann<br />

Claudia Grottke<br />

Inszenierung<br />

Ausstattung<br />

Bühnenmusik<br />

Dramaturgie<br />

Regieassistenz/Abendspielleitung<br />

Inspizienz<br />

Soufflage<br />

Martin Pfaff<br />

Barbara Bloch<br />

Stefan Pinkernell<br />

Katja Stoppa<br />

Thomas Pfeffer<br />

Britta Haarmann<br />

Heidrun Kugel<br />

Bühnenrechte: Rowohlt <strong>Theater</strong> Verlag<br />

4


Über den Autor der Novelle:<br />

Theodor Storm<br />

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie<br />

Theodor Storm (1886)<br />

Hans Theodor Woldsen Storm (* 14. September 1817 in Husum; † 4. Juli 1888 in Hanerau-<br />

Hademarschen) war ein deutscher Schriftsteller, der sowohl Lyriker als auch Autor von Novellen<br />

und Prosa des deutschen Realismus mit norddeutscher Prägung bedeutend war. Im bürgerlichen<br />

Beruf war Storm Jurist.<br />

Leben und Werk<br />

Geburtshaus in Husum<br />

5


Kindheit, Jugend und Studium (1817–1842)<br />

Hans Theodor Woldsen Storm wurde als erstes Kind des Justizrats Johann Casimir Storm und<br />

seiner Frau, der Patriziertochter Lucie Woldsen in Husum, Markt 9, geboren. 1818 zog die Familie<br />

in das Haus Neustadt 56 um, 1821 in das Haus der Großeltern Woldsen, Hohle Gasse 3. Im Herbst<br />

des Jahres trat Storm in die Klippschule ein, von 1826 bis 1835 besuchte er die Husumer<br />

Gelehrtenschule, anschließend für drei Semester das Katharineum in Lübeck.<br />

Storm schrieb als 15-jähriger Schüler seine ersten Gedichte, die der damals populären<br />

Wochenblattpoesie nachempfunden waren (erstes überliefertes Gedicht: An Emma, 1833); in der<br />

Schule lernte er Beispiele antiker Poesie nachzuahmen und schrieb erste Prosatexte. Vier Gedichte<br />

und mehrere journalistische Arbeiten wurden im Husumer Wochenblatt (Sängers Abendlied, 27.<br />

Juli 1834) und im Dithmarscher und Eiderstedter Boten abgedruckt.<br />

In Lübeck lernte Storm Ferdinand Röse kennen, durch den er mit der zeitgenössischen Literatur<br />

vertraut wurde, unter anderem Goethes Faust, Heines Buch der Lieder und Eichendorffs Prosa und<br />

Lyrik.<br />

Ab 1837 studierte Storm Jura an der Universität Kiel, wo er Mitglied der Burschenschaft Albertina<br />

Kiel wurde, sowie in Berlin. Damals begann seine Freundschaft mit Theodor und Tycho Mommsen,<br />

mit denen er eine Sammlung schleswig-holsteinischer Lieder, Märchen und Sagen zusammentrug.<br />

1843 veröffentlichten sie gemeinsam das Liederbuch dreier Freunde, das selbstverfasste Gedichte<br />

der drei Autoren enthält. Im September 1837 verlobte sich Storm mit Emma Kühl von der Insel<br />

Föhr; im Februar 1838 löste Emma Kühl diese Verlobung. Im September oder Oktober 1842<br />

machte Storm der in Altona lebenden Bertha von Buchan, die er schon 1837 kennengelernt hatte,<br />

einen Heiratsantrag; von Buchan wies den Antrag zurück.<br />

Rechtsanwalt in Husum (1842–1853)<br />

Von Storm bewohntes Haus in Husum; heute Storm-Museum<br />

1843 kehrte er nach Husum zurück und eröffnete eine Anwaltskanzlei. Im Januar 1844 verlobten<br />

sich Storm und seine 1825 geborenen Cousine Constanze Esmarch, 1846 heirateten die beiden. Aus<br />

6


der Ehe gingen sieben Kinder hervor: Hans (* 25. Januar 1848), Ernst (* 30. Januar 1852), Karl (*<br />

Juni 1853), Lisbeth (* 10. Juni 1855), Elsabe (* Januar 1863) und Gertrud (* 4. Mai 1865).<br />

Trotz des Friedensschlusses von 1850 zwischen Dänemark und Preußen nahm Storm eine<br />

unversöhnliche Haltung gegenüber Dänemark ein. Deshalb entzog ihm 1852 der dänische<br />

Schleswigminister Friedrich Ferdinand Tillisch die Advokatur.<br />

Gerichtsassessor in Potsdam (1853–1856)<br />

1853 sprach man ihm in Berlin eine unbezahlte Anstellung im Kreisgericht von Potsdam zu. Zu<br />

dieser Zeit erschien seine schon 1849 geschriebene Novelle Immensee. Während seines Aufenthalts<br />

in Potsdam berichtet Storm von seinem Abscheu über den „preußischen Menschenverbrauch im<br />

Staatsmechanismus“; er kämpfte mit beruflichen und finanziellen Schwierigkeiten. Sein<br />

künstlerischer Freundeskreis im Rütli, zu dem unter anderem Theodor Fontane und Franz Kugler<br />

zählten, trug dazu bei, dass der republikanisch Gesinnte sich im Kreise der preußisch Konservativen<br />

zunehmend isoliert fühlte.<br />

Kreisrichter in Heiligenstadt (1856–1864)<br />

1856 wurde er zum Kreisrichter im thüringischen Heiligenstadt ernannt.<br />

Landvogt und Amtsrichter in Husum (1864–1880)<br />

Nach der Niederlage Dänemarks im Deutsch-Dänischen Krieg 1864 wurde Storm in Husum von der<br />

Bevölkerung der Stadt zum Landvogt berufen. Im März des Jahres zog er zurück nach Husum.<br />

1865 starb Constanze Storm nach der Geburt ihrer Tochter Gertrud. Seiner Trauer verlieh Storm in<br />

dem strophischen Gedichtzyklus Tiefe Schatten Ausdruck; neben den häufig in der Schule<br />

gelesenen Gedichten Die Stadt und Ans Haff nun fliegt die Möwe zählt dieser Zyklus heute zu den<br />

bekanntesten Gedichten Storms. 1866 heiratete Storm in zweiter Ehe die 38-jährige Dorothea<br />

Jensen, die er bereits kurz nach seiner ersten Hochzeit kennengelernt hatte und mit der ihn eine<br />

leidenschaftliche Beziehung verband. Sie bezogen das Haus Wasserreihe 31, das sie bis 1880<br />

bewohnten und das heute als Theodor-Storm-Museum genutzt wird. Aus der Ehe ging eine Tochter<br />

hervor: Friederike (* 4. November 1868).<br />

1867 wurde er im Zuge der preußischen Verwaltungsreform nach der Annexion Schleswig-<br />

Holsteins zum Amtsgerichtsrat ernannt. Gegen 1870 kam der damals 15-jährige Ferdinand Tönnies,<br />

später einer der Begründer der Soziologie, als Korrekturleser in Storms Haus und wurde später sein<br />

Freund. [1] 1874 starb Storms Vater, 1878 seine Mutter. Seit 1877 stand Storm in Briefwechsel mit<br />

seinem Schweizer Schriftstellerkollegen Gottfried Keller. [2]<br />

7


Alterssitz in Hademarschen (1880–1888)<br />

Storm-Büste im Husumer Schlosspark<br />

Im Mai 1880 trat Storm in den vorzeitigen Ruhestand und zog nach Hademarschen, wo er sich eine<br />

Villa errichten ließ. Hier entstanden seine Altersnovellen: Die Söhne des Senators (1880), <strong>Der</strong> Herr<br />

Etatsrat (1881), Hans und Heinz Kirch (1882), Zur Chronik von Grieshuus (1884), Ein<br />

Doppelgänger (1887) und Ein Bekenntnis (1887). Im Mai 1886 unternahm Storm eine Reise nach<br />

Weimar und besuchte Erich Schmidt, den dortigen Direktor des neugegründeten Goethe-Archivs<br />

und einer seiner langjährigen Briefpartner. Nach seiner Rückkehr begann Storm mit der Arbeit an<br />

der Novelle <strong>Der</strong> <strong>Schimmelreiter</strong>, die im April 1888 als Storms letzte Novelle erschien. Am 4. Juli<br />

1888 starb er in Hademarschen an Magenkrebs. Seine letzte Ruhestätte fand er auf dem Friedhof<br />

„St. Jürgen“ in Husum.<br />

Nachwirkung<br />

Storm gilt als einer der bedeutendsten deutschen Vertreter des „bürgerlichen“ bzw. „poetischen<br />

Realismus“, wobei neben seinen Gedichten besonders seine Novellen seinen Ruhm begründeten.<br />

Zahlreiche seiner Werke werden heute noch aufgelegt. Die Novelle <strong>Der</strong> <strong>Schimmelreiter</strong> wird häufig<br />

als Lektüre im Deutschunterricht verwendet. Das Buch wurde bereits mehrfach verfilmt.<br />

Zehn Jahre nach Storms Tod wurde an seinem Geburtstag seine von Adolf Brütt geschaffene<br />

Denkmalbüste im Husumer Schlosspark enthüllt. Die Stadt Husum ist bis heute bekannt als Graue<br />

Stadt am Meer, nach dem Storm-Gedicht Die Stadt. In Husum und im übrigen Herzogtum<br />

Schleswig spielen viele Erzählungen Storms. Zahlreiche öffentliche Einrichtungen in ganz<br />

Deutschland, darunter Plätze, Straßen und die Theodor-Storm-Schule Husum, sind nach ihm<br />

benannt. Die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger benannte den Seenotkreuzer<br />

Theodor Storm nach dem Schriftsteller.<br />

Die Theodor-Storm-Gesellschaft hat heute etwa 1100 Mitglieder, [3] widmet sich der Erforschung<br />

seiner Werke und gibt eine eigene wissenschaftliche Zeitschrift (die „Schriften der Theodor-Storm-<br />

Gesellschaft“) heraus. Ihr derzeitiger Vorsitzender ist der Literaturwissenschaftler Heinrich<br />

Detering. Sie hat ihren Sitz im Theodor-Storm-Haus in der Husumer Wasserreihe.<br />

8


Über den Autor der Dramatisierung:<br />

John von Düffel<br />

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie<br />

John von Düffel 2008<br />

John von Düffel (* 20. Oktober 1966 in Göttingen) ist ein deutscher Dramaturg und Schriftsteller.<br />

Leben<br />

John von Düffel ist der älteste Sohn des Universitätsdozenten, Gymnasiallehrers und Übersetzers<br />

Peter von Düffel. Er wohnt und arbeitet in Potsdam. Im Laufe seiner Jugend lebte von Düffel<br />

längere Zeit mit seinen Eltern im Ausland: in den 1960er Jahren in <strong>Der</strong>ry (Nordirland), in den<br />

1970er Jahren in South Dakota. 1985 legte er sein Abitur an einem Oldenburger Gymnasium ab und<br />

studierte anschließend Philosophie, Germanistik und Volkswirtschaftslehre an den Universitäten in<br />

Stirling (Schottland) und Freiburg im Breisgau. 1989 wurde er mit einer Arbeit zur<br />

Erkenntnistheorie promoviert. Anschließend arbeitete er als Filmjournalist und <strong>Theater</strong>kritiker.<br />

Parallel zu seiner schriftstellerischen Arbeit war er Dramaturg an mehreren deutschen Bühnen: von<br />

1993 bis 1995 am <strong>Theater</strong> der Altmark in Stendal, von 1995 bis 1996 am Staatstheater Oldenburg,<br />

von 1996 bis 1998 am <strong>Theater</strong> Basel, von 1998 bis 2000 am Schauspielhaus Bonn und von 2000 bis<br />

2009 am Thalia-<strong>Theater</strong> in Hamburg. Für das Thalia erarbeitete er u. a. die erste Bühnenfassung des<br />

Romans Buddenbrooks von Thomas Mann (Premiere: 3. Dezember 2005). <strong>Der</strong>zeit ist er Dramaturg<br />

des Deutschen <strong>Theater</strong>s in Berlin.<br />

2004 drehte Jörg Adolph mit John von Düffel den Dokumentarfilm Houwelandt – Ein Roman<br />

entsteht, der 2005 auf 3sat ausgestrahlt wurde. [1]<br />

2006 war von Düffel Angehöriger der Jury, die den Deutschen Buchpreis vergibt. 2007 stand er der<br />

Jury des Mara-Cassens-Preises des Literaturhauses Hamburg vor. 2008 war er Inhaber der<br />

Poetikprofessur an der Universität Bamberg.<br />

Für das Musical <strong>Der</strong> Schuh des Manitu (nach dem gleichnamigen Film von Michael „Bully“<br />

Herbig), das am 7. Dezember 2008 im Berliner <strong>Theater</strong> des Westens erstmals zu sehen war,<br />

verfasste von Düffel den Bühnentext. [2] Im Februar 2009 wurde seine <strong>Theater</strong>-Adaption von<br />

9


Thomas Manns Romantetralogie Joseph und seine Brüder am Düsseldorfer Schauspielhaus<br />

uraufgeführt. [3] Am 31. Juli 2009 feierte sein Stück Das Leben des Siegfried, eine komödiantische<br />

Version der Nibelungensage, bei den Nibelungenfestspielen in Worms, für die er seit 2002 als<br />

Dramaturg tätig ist, Premiere. [4]<br />

THEODOR STORM UND DER SCHIMMELREITER<br />

Ein Punkt nur ist es, kaum ein Schmerz<br />

nur ein Gefühl, empfunden eben;<br />

und dennoch spricht es stets darein,<br />

und dennoch stört es dich zu leben.<br />

Wenn du es andern klagen willst,<br />

so kannst du's nicht in Worte fassen.<br />

Du sagst dir selber: "Es ist nichts!"<br />

und dennoch will es dich nicht lassen.<br />

So seltsam fremd wird dir die Welt<br />

und leis verlässt dich alles Hoffen,<br />

bis du es endlich, endlich weißt,<br />

dass dich des Todes Pfeil getroffen.<br />

An Magenkrebs erkrankt, beschrieb der 70jährige Theodor Storm in diesem Gedicht sein Leiden.<br />

Hatte das Dorf zu seinem Geburtstag noch ein wahres Volksfest, mit bekränzten Ehrenpforten,<br />

Blaskapelle, Liedertafel, Lampionumzug und Illumination veranstaltet, auf dem sich der Dichter<br />

nicht unempfindlich gegen soviel freundliche Anerkennung gezeigt, so verlor er jetzt allen Mut<br />

am Leben. Er dichtete nicht mehr. Die Gewissheit des Todes war nicht zu ertragen und er verfiel<br />

in eine tiefe Schwermut/Verzweiflung/Trostlosigkeit. Auf Anordnung seines Bruders, der selber<br />

Arzt war, wurde eine Scheinuntersuchung vorgenommen. Mehrere Ärzte erklärten den wirklichen<br />

Befund für einen Irrtum. Lediglich einen akuten Magenkatarrh hätte sich der Dichter ((der äußerlich<br />

der Enge bedurfte, um innerlich ins Weite zu gehen)) eingehandelt und er solle Vorsicht<br />

walten lassen, die Mahlzeiten nicht üppig gestalten, Getränke nicht kalt genießen und vorerst viel<br />

ungesüßten dünnen schwarzen Tee trinken. Auch könnten feuchtwarme Leibwickel beruhigend<br />

auf den "gekränkten" Magen wirken. Durch diese Irreführung/Unwahrheit/Lüge konnte Theodor<br />

Storm noch einmal Mut fassen und schrieb, bevor ihn seine Kraft endgültig verließ, DER<br />

SCHIMMELREITER.<br />

Auszug aus: DER SCHIMMELREITER. Fassung von Kay Wuschek nach Theodor Storm.<br />

Schon als Kind hört Theodor Storm Gruselgeschichten rund um einen unheimlichen Reiter<br />

auf dem Deich; als junger Mann fällt ihm in einer Zeitschrift die Erzählung DER<br />

GESPENSTIGE REITER in die Hände. Das Motiv lässt ihn seitdem nicht mehr los, es dauert<br />

allerdings fast noch ein halbes Jahrhundert, bis er im Jahr 1885 ernsthaft mit der<br />

Konzeption der Deichbau-Novelle beginnt und sie in den Jahren 1886 – 1888<br />

niederschreibt. Die erste Veröffentlichung in der Zeitung DEUTSCHE RUNDSCHAU im April<br />

1888 erlebt Storm noch selber; am 4. Juli 1888, kurz vor Erscheinen der Buchausgabe,<br />

erliegt er in Hademarschen (Schleswig-Holstein) schließlich seinem jahrelangen<br />

Magenkrebsleiden.<br />

10


Ein Junge, allein mit sich und seinen Träumen, entdeckt in sich eine außerordentliche, zunächst<br />

von keinem anderen erkannte Gabe. Seine Umwelt lächelt über ihn. Doch er setzt sich durch. Er<br />

hat Erfolg. Glücklich wird er dabei nicht. Er bleibt allein, mit sich, mit seinem Werk, allein noch<br />

im Tod. Nur eines tröstet ihn: Sein Werk wird bleiben. Und er selbst ist einer der Größten seiner<br />

Art. Dies ist weniger die Geschichte Hauke Haiens. Es ist, in wichtigen Zügen, die Geschichte<br />

Theodor Storms.<br />

Auszug aus: Paul Barz: DER WAHRE SCHIMMELREITER. DIE GESCHICHTE EINER LANDSCHAFT<br />

UND IHRES DICHTERS THEODOR STORM. Hamburg: Convent Verlag, 2000, S. 196.<br />

DER SCHIMMELREITER liest sich stellenweise wie die Bearbeitung einer alten Volkssage,<br />

und tatsächlich steht die Entstehung der Novelle ja auch in einem Zusammenhang mit<br />

Gespenstererzählungen aus Storms Heimat. Dennoch handelt es sich bei Hauke Haien<br />

um eine literarische und nicht um eine Sagenfigur. Viel eher ist es so, dass "die literarische<br />

Gestalt zu einer vermeintlichen Sagengestalt geworden ist, eine Umkehrung des sonst<br />

üblichen Prozesses, in dem regionale Sagengestalten von Schriftstellern zu literarischen<br />

Figuren umgeformt werden."<br />

(aus: Theodor-Storm-Gesellschaft Husum: DER SCHIMMELREITER IM UNTERRICHT: "Stellung im Kontext von Storms<br />

Werk", 2008. http://www.storm-gesellschaft.de/index.php?seite=80222)<br />

In der langen Entstehungszeit des Werks hat Storm sich intensiv mit Techniken<br />

des Deichbaus und der Geschichte und Topographie seiner Heimat, des Marschlandes,<br />

beschäftigt.<br />

Als Vorbild für Hauke Haien dient ihm eine historische Figur, der Mathematiker Hans<br />

Momsen aus Fahretoft (1735 – 1811), dem er in alten Chronikeinträgen (s.S. 14) auf die<br />

Spur kam. Die gemischte Quellenlage aus Erzähltem, Überliefertem und Dokumentiertem<br />

bildet sich in der komplizierten dreifachen Erzählstruktur der Novelle ab. Zunächst meldet<br />

sich ein unbenannter Erzähler (leicht als Storm selbst identifizierbar), der im Hause seiner<br />

Großmutter der folgenden Geschichte begegnet sein will; in dieser Geschichte wiederum<br />

gibt es einen Ich-Erzähler, einen Geschäftsmann, der während eines Unwetters über den<br />

Deich bei Husum reitet und im Wirtshaus einkehrt. Dort trifft er auf einen Schulmeister, der<br />

ihm die eigentliche Geschichte Hauke Haiens erzählt. <strong>Der</strong> Leser wird so über<br />

verschiedene Stationen an die Geschichte des sagenhaften "<strong>Schimmelreiter</strong>s"<br />

herangeführt und bekommt dadurch den Eindruck, eine mehrfach überlieferte und durch<br />

verschiedene Quellen abgesicherte Erzählung zu hören. Theodor Storm gelingt also das<br />

ambivalente Kunstwerk einer realistischen Erzählung, die dem Leser immer wieder mit<br />

dem Gleichnishaften und Fantastischen der Sage fesselt.<br />

Hauke Haien und sein soziales Umfeld entspricht dem Leben in Nordfriesland in der ersten<br />

Hälfte des 19. Jahrhunderts. Genau wie die Räume, die Storm für seine Novelle in der Fantasie<br />

konzipierte, die wirkliche Geografie an der Küste Nordfrieslands nur wie einen Steinbruch nutzte,<br />

um die einzelnen Örtlichkeiten so neu zusammenzusetzen, wie der Dichter sie in seiner Novelle<br />

gestalten wollte, so verwendete er auch historische Erfahrungen in seiner Heimat seit dem 17.<br />

Jahrhundert als Versatzstücke und kombinierte sie zu einem neuen Ganzen. Hauke Haiens<br />

energisches Wirken und sein schließliches Scheitern, das ist keine wirklichkeitsgetreue Abbildung<br />

historischer Ereignisse an der Nordseeküste. Storm will vielmehr mit seiner Novelle einen<br />

Menschen im Kampf gegen die Naturgewalten, aber auch gegen die Dummheit und Ignoranz<br />

seiner Mitmenschen zeigen, der den Fortschritt vertritt und dadurch erfolgreich für das Wohl der<br />

anderen wirken kann. Zugleich ist Hauke Haien aber unfähig, sich auf die anderen, weniger<br />

Einsichtigen einzulassen. Er isoliert sich mehr und mehr und muss schließlich erkennen, dass er<br />

von den Leuten gefürchtet wird. Er scheitert auch an der Hybris, weil er glaubt, alle Probleme<br />

technisch lösen zu können, und Storm kritisiert in dieser Gestalt den ungebrochenen<br />

Fortschrittsglauben seiner Zeit.<br />

aus: Theodor-Storm-Gesellschaft Husum: DER SCHIMMELREITER IM UNTERRICHT: "Storms Quellen", 2008.<br />

Quelle: http://www.storm-gesellschaft.de/index.php?seite=84165<br />

11


DER SCHIMMELREITER – SAGEN UND QUELLEN<br />

<strong>Der</strong> gespenstige Reiter<br />

Ein Reiseabenteuer<br />

Es war in den ersten Tagen des Monates April, im Jahre 1829 – so erzählte mir mein<br />

Freund – als Geschäfte von Wichtigkeit mein persönliches Erscheinen in Marienburg<br />

erforderlich machten; ich mußte mich also zu einer Reise dahin entschließen, so gern ich<br />

sie auch bis zur schönern Jahreszeit aufgeschoben hätte, denn wer selten reiset, macht<br />

so eine Partie lieber bei schönem Wetter; allein die Nothwendigkeit der Sache machte,<br />

daß ich meine Reise beschleunigen mußte.<br />

Ein gemiethetes Reitpferd stand um vier Uhr Nachmittags vor meiner Thüre; ich ließ den<br />

Braunen nicht lange warten, schwang mich hinauf, und nach wenigen Minuten hatte ich<br />

Danzig im Rücken.<br />

Mein Weg längs der Chaussee ging gut, und das einzige Hinderniß, welches ich zu<br />

bekämpfen hatte, war das kalte, unangenehme, regnigte Wetter.<br />

Durchfroren und durchnäßt kam ich bei ziemlicher Dunkelheit in Dirschau an; stieg im<br />

erstgelegenen Gasthof ab, um ein wenig zu ruhen, meinem sich einfindenden Appetit<br />

durch einen lmbiß zu begegnen, und durch einen erwärmenden Trunk meine Glieder zu<br />

erfrischen; fragte unter Anderm den Wirth, wie es mit der Weichsel stände, und bekam zur<br />

Antwort: "Schlecht; Ihr Hinüberkommen wird nicht allein beschwerlich, sondern auch<br />

gefährlich seyn"; doch ich durfte mich nicht abschrecken lassen, weil ich nach meinem<br />

Bestimmungsorte mußte, und wo möglich wollte ich dort noch an demselben Abend<br />

eintreffen; ich bezahlte dem Wirthe meine Rechnung und eilte weiter; aber angekommen<br />

an der Weichsel, wurde ich von den Fährknechten zu meinem Schrecken unterrichtet, daß<br />

das heutige Hinüberkommen für keinen Preis ausführbar sey, wenn ich nicht mit Gewalt in<br />

die Arme des Todes eilen wolle; auch sahe ich zum Theil die Unmöglichkeit der Sache<br />

wohl selber ein; doch wurde mir der Vorschlag gemacht, daß ich bis zur Güttländer Fähre<br />

reiten solle, weil dort das Hinüberschaffen vielleicht noch zu bewerkstelligen seyn würde.<br />

Ich ließ mir dieses nicht zwei Mal sagen, griff in die Zügel, lenkte um, und fort ging's zur<br />

Güttlander Fähre. –<br />

Dunkler und dunkler wurde es rings um mich, nur hin und wieder drang das Leuchten<br />

eines Sternes durch die Nebelwolken, fremd war mir die in schwarze Schatten gehüllte<br />

Gegend, kein menschliches Wesen erblickte ich, und nur das Brausen des Sturmes und<br />

das Geprassel des, durch das Wasser immer höher gehobenen und geborstenen Eises<br />

waren meine schaurigen Begleiter. – Da plötzlich höre ich dicht hinter mir das rasche<br />

Trappeln eines Pferdes, und freudig, in dem Wahne, einen Gesellschafter nahe zu haben,<br />

blicke ich mich erwartungsvoll um und sehe – Nichts – wohl aber trabt es immer schärfer<br />

und näher, mein Brauner schnaubt und stampft, kaum vermochte mein spitziger Sporn, ihn<br />

vorwärts zu treiben, und ein kalter Schauer überlief meinen ganzen Körper; doch beruhigte<br />

ich mich, da mein sonderbarer Begleiter verschwunden zu seyn schien; als ich ihn aber<br />

plötzlich wieder, ohne ihn zu sehen, vor mir hersprengen hörte, war es, als wollten mir<br />

meine Glieder die Dienste versagen, ein Fieberfrost durchrieselte mich, und mein Pferd<br />

wurde höchst unruhig; was aber die Unheimlichkeit noch mehr vermehrte, war: daß dieses<br />

unbegreifliche Wesen mir plötzlich und pfeilschnell vorüber zu sausen schien, so hörte<br />

sich das ungewöhnliche Geräusch wenigstens an, welches sich wieder allmählig verlor,<br />

um aber, wie es schien, mit erneuter Schnelligkeit zurückzukehren; es wieder hören, dicht<br />

hinter mir haben, die anscheinende Gestalt eines weißen Pferdes, mit einem schwarzen,<br />

menschenähnlichen Gebilde darauf sitzend, mir im fliegenden Galopp vorbeireiten zu<br />

sehen, war Eins; mein Brauner machte einen Seitensprung, und es fehlte nicht<br />

viel, so wären wir Beide den Damm, ohne es zu wollen, hinabgestürzt.<br />

12


Ich habe die letzten Feldzüge mitgemacht, feindliche Kugeln tödteten neben mir meine<br />

besten Kameraden, vom Kanonendonner bebte die Erde, doch mich machte nichts<br />

erbeben; aber hier auf dem Weichseldamme, ich gestehe es zu meiner Schande, zitterte<br />

ich an allen Gliedern. –<br />

Da hörte ich in der Ferne das Bellen eines Hundes, und wurde das Blinken eines Lichtes<br />

gewahr. Ha! dachte ich, da werden sich auch Menschen befinden, wie du einer bist;<br />

schnell ritt ich dem Lichtscheine entgegen, und kam an eine sogenannte Wachtbude; ich<br />

stieg ab, und fragte die darin versammelte Menge, ob ich bei ihnen die Nacht über<br />

verweilen könnte – denn für heute war ich des Reisens satt – und meine Frage wurde mit<br />

"Ja" beantwortet. Froh, ein schützendes Obdach gefunden zu haben, brachte ich zuerst<br />

mein Pferd in Sicherheit, setzte mich dann ruhig in eine Ecke, pflegte mich, so gut es sich<br />

thun ließ, und hörte die Gespräche der Landleute, die hier auf Eiswache waren, mit an;<br />

ließ aber wohlbedächtig, um mich nicht Neckereien Preis zu geben, nichts von meinem<br />

überstandenen Abenteuer merken. Da war's, als rauschte irgendetwas dem Fenster<br />

vorbei. Mit einem Schreckensausruf sprangen mehre Männer auf, und Einer von ihnen<br />

sagte: "Es muß irgendwo große Gefahr seyn, denn der Reiter auf dem Schimmel läßt sich<br />

sehen"; und der größte Theil eilte hinaus. <strong>Der</strong> Reiter nun befremdete mich nicht, wohl aber<br />

die gemachte Bemerkung, weshalb ich den neben mir sitzenden alten Mann ersuchte mir<br />

hierüber eine genügende Erklärung zu geben, worauf ich folgende Auskunft erhielt:<br />

"Vor vielen Jahren, da sich auch unsere Vorfahren hier einst versammelt hatten, um auf<br />

den Gefahr drohenden Eisgang genau Acht zu haben, bekleidete ein entschlossener,<br />

einsichtsvoller und allgemein beliebter Mann aus ihrer Mitte das Amt eines<br />

Deichgeschworenen. An einem jener verhängnißvollen Tage entstand eine Stopfung des<br />

Eises, mit jeder Minute stieg das Wasser und die Gefahr; der erwähnte<br />

Deichgeschworene, der einen prächtigen Schimmel ritt, sprengte auf und nieder,<br />

überzeugte sich überall selbst von der Gefahr und gab zu deren Abwehr die richtigsten<br />

und angemessensten Befehle; dennoch unterlagen die Kräfte der schwachen Menschen<br />

der schrecklichen Gewalt der Natur, das Wasser fand durch den Damm einen Durchweg,<br />

und schrecklich war die Verheerung, die es anrichtete. Mit niedergeschlagenem<br />

Muthe kam der Deichgeschworene in gestrecktem Gallopp beim Deichbruche an, durch<br />

den sich das Wasser mit furchtbarer Gewalt und brausendem Getöse auf die so<br />

ergiebigen Fluren ergoß; laut klagte er sich an, auf diese Seite nicht genug Acht gegeben<br />

zu haben, sah darauf still und unbewegt dieses Schrecken der Natur einige Augenblicke<br />

an; dann schien ihn die Verzweiflung in vollem Maaße zu ergreifen, er drückt seinem<br />

Schimmel die Sporen in die Seiten, ein Sprung – und Roß und Reiter verschwinden in den<br />

Abgrund. – Noch scheinen Beide nicht Ruhe gefunden zu haben, denn sobald Gefahr<br />

vorhanden ist, lassen sie sich noch immer sehen." –<br />

Ich setzte am (andern) Morgen meine Reise weiter fort, sah den Reiter nicht wieder, wohl<br />

aber die schreckliche Verheerung, die das Wasser im obengenannten Jahre angerichtet<br />

hatte.<br />

Hiemit schloß mein Freund, betheuerte die Wahrheit der Sache, und schien durch mein<br />

Kopfschütteln verdrießlich werden zu wollen.<br />

aus: LESEFRÜCHTE VOM FELDE DER NEUESTEN LITERATUR DES IN- UND AUSLANDES.<br />

(ERNSTEN UND FRÖHLICHEN INHALTS.), gesammelt von J.J.C. Pappe,<br />

Jahrgang 1838, Zweiter Band. Hamburg, 1838.<br />

13


Das vergrabene Kind<br />

Bei Heiligensteden war am Stördeich ein großes Loch, das man auf keine Weise ausfüllen<br />

konnte, soviel Erde und Steine man auch hineinwarf. Weil aber der ganze Deich sonst<br />

weggerissen und viel Land überschwemmt wäre, muste das Loch doch auf jeden Fall<br />

ausgefüllt werden. Da fragte man in der Noth eine alte kluge Frau: die sagte, es gäbe<br />

keinen andern Rath als ein lebendiges Kind da zu vergraben, es müste aber freiwillig<br />

hinein gehn. Da war da nun eine Zigeunermutter, der man tausend Thaler für ihr Kind bot<br />

und die es dafür austhat. Nun legte man ein Weißbrot auf das eine Ende eines Brettes und<br />

schob dieses so über das Loch, daß es bis in die Mitte reichte. Da nun das Kind hungrig<br />

darauf entlang lief und nach dem Brote griff, schlug das Brett über und das Kind sank<br />

unter. Doch tauchte es noch ein paar Mal wieder auf und rief beim ersten Mal: "Ist nichts<br />

so weich als Mutters Schooß?" und beim zweiten Male: "Ist nichts so süß als Mutters<br />

Lieb?" und zuletzt: "Ist nichts so fest als Mutters Treu?" Da aber waren die Leute<br />

herbeigeeilt und schütteten viel Erde auf, daß das Loch bald voll ward und die Gefahr für<br />

immer abgewandt ist. Doch sieht man bis auf den heutigen Tag noch eine Vertiefung, die<br />

immer mit Seegras bewachsen ist.<br />

aus: Karl Müllenhoff: SAGEN, MÄRCHEN UND LIEDER DER HERZOGTHÜMER<br />

SCHLESWIG, HOLSTEIN UND LAUENBURG, Kiel 1845.<br />

Hans Momsen aus Fahretoft<br />

Hans Momsen, geboren 1735 in Fahretoft und gestorben in Fahretoft 1811, gehört zu den<br />

merkwürdigsten Männern, die unser Vaterland aufzuweisen gehabt und nach ihrem Tode<br />

den Nachkommen darzustellen hat; während sie leben thun sie es selber.<br />

Was ist er gewesen? Ein Landmann und eines Landmannes Sohn, der als ein solcher sich<br />

zu einem Mathematiker und zu einem Künstler gemacht hat. [...] Sein Vater, der etwas<br />

vom Landmessen verstand, zeichnete einmal die Figur eines gemessenen Stück Landes.<br />

<strong>Der</strong> Sohn sah zu und fragte den zeichnenden und berechnenden Vater einmal, warum<br />

dieß eben so und nicht anders wäre. Die Frage schien dem Vater nicht übel, er konnte sie<br />

aber nicht beantworten, die Theorie ging ihm ab, und sagte: Suche auf dem Boden unter<br />

meinen Büchern da eins heraus, das Euklid betitelt ist, das wird dir sagen, was du<br />

verlangst. Er fand den Euklid, aber der war in einer Sprache geschrieben, die er nicht<br />

verstand, in holländischer. Mit Hülfe einer holländischen Fibel und einer holländischen<br />

Bibel ward er aber bald der Sprache mächtig, dagegen die Figuren machten ihm ziemlich<br />

lange zu schaffen. Wo er ging und stand, trug er seinen Euklid bei sich, und studirte ihn so<br />

fleißig, daß er in seinem vierzehnten Jahr ihn doch völlig inne hatte. Daneben trieb er viele<br />

andre Dinge, bauete kleine Mühlen, Schiffe, arbeitete in Stahl, Messing, Kupfer und Blei.<br />

Dem Vater gefiel das wenig und um die Grillen, wie ers nannte, dem Sohn recht gründlich<br />

auszutreiben, schickte er ihn nach der Confirmation, im Sommer 1752, an den Deich, wo<br />

er von Ostern bis Martini den ganzen Tag Erde schieben mußte. Allein hier auch setzte er<br />

seine Studien fort in den Zwischenstunden, und eine Nacht um die andere wandte er für<br />

seine wissenschaftlichen und mechanischen Arbeiten an. [...]<br />

aus: Neue Schleswig-Holsteinische Provinzialberichte.<br />

In: SCHLESWIG-HOLSTEINSCHER GNOMON. LESEBUCH IN SONDERHEIT<br />

FÜR DIE SCHULJUGEND. Kiel 1843.<br />

14


<strong>Theater</strong>pädagogik<br />

Aberglauben und Rituale<br />

Auch heute noch ist unser Alltag von abergläubischen Zeichen und Ritualen<br />

durchdrungen. Am <strong>Theater</strong> noch mehr als anderswo: Vor einer Premiere spuckt man sich<br />

dreimal über die linke Schulter (niemals über die rechte, das bringt Unglück!) und wünscht<br />

sich dabei „Toi toi toi“ (muss auch unbedingt dreimal gesagt werden!), sagt auf keinen Fall<br />

„Viel Glück“, sondern höchstens „Hals- und Beinbruch“. Auf der Bühne darf man niemals<br />

pfeifen, singen oder essen (es sei denn, die Rolle erfordert es), man klopft auf Holz und<br />

wäscht das Kostüm vor der Premiere nicht mehr ….<br />

Welche abergläubischen Zeichen und Rituale gibt es heute noch? Machen Sie eine<br />

Umfrage unter Ihren Schülern und notieren Sie die Ergebnisse. Schicken Sie dann Ihre<br />

Schüler auf Recherche – nicht nur im Internet, sondern auch auf der Straße, in der Familie<br />

… Angefangen beim Bartwuchs mancher Fußballtrainer bis zum Aufbewahren der<br />

Babyschuhe oder ausgefallener Zähne wird es sicher viel mehr Aberglauben im Alltag<br />

geben, als man zunächst glaubt.<br />

Nach dieser Recherche können die Schüler den Text Storms auf abergläubische Rituale<br />

durchsuchen und in einem zweiten Schritt die Figuren der Novelle zuordnen – zur Gruppe<br />

der Abergläubischen oder zur Gruppe der (vermeintlich?) Fortschrittlichen.<br />

Wendepunkte<br />

Diese Übung lässt sich auch ohne Lektüre der Novelle machen.<br />

Jede Geschichte enthält eine Reihe von sog. Wendepunkten – an diesen Punkten hätte<br />

eine Figur sich auch anders entscheiden können, die Geschichte hätte somit auch einen<br />

anderen Verlauf nehmen können.<br />

Z.B.: was wäre wenn – Hauke nicht Deichgraf geworden wäre? Wer wäre es dann<br />

geworden und was wäre passiert?<br />

Lassen Sie die Schüler solche Wendepunkte suchen und entscheiden, wie die Geschichte<br />

sich verändern würde, wenn an diesem Punkt eine andere Entscheidung getroffen würde.<br />

Die Übung lässt sich auch spielerisch lösen: sobald der Wendepunkt benannt ist,<br />

improvisieren die Schüler andere Möglichkeiten des weiteren Verlaufs. Das „Endergebnis“<br />

jeder „neuen Entscheidung“ kann auch durch ein prägnantes Standbild dokumentiert<br />

werden.<br />

Wichtige Szenen<br />

Welche Szenen des Stücks/ der Inszenierung sind den Schülern besonders eindringlich im<br />

Gedächtnis geblieben? Warum? Lassen Sie die Szenen in Standbildern nachstellen oder<br />

kurz improvisieren. Wie fühlt es sich an, ein Teil dieser Szene zu sein? Vielleicht<br />

bekommen die Schüler auch Lust, Kleinigkeiten an der Szene zu verändern oder „Ihre<br />

Version“ der Geschichte zu spielen. So lässt sich am Besten zeigen, dass es auf dem<br />

<strong>Theater</strong> immer viele Möglichkeiten gibt, eine Szene zu spielen.<br />

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