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Bo Giertz - Ein bekenntnistreuer Bischof

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<strong>Bo</strong> <strong>Giertz</strong><br />

<strong>Ein</strong> <strong>bekenntnistreuer</strong> <strong>Bischof</strong><br />

Am 13. Juli 1998 verstarb in Stockholm der frühere <strong>Bischof</strong> von Göteborg<br />

<strong>Bo</strong> <strong>Giertz</strong> im Alter von 92 Jahren. Mit ihm ging eine der profiliertesten<br />

kirchlichen Persönlichkeiten unseres Jahrhunderts heim. Er war der<br />

große Verkündiger des Wortes Gottes, in allen beruflichen Positionen, die<br />

er im Laufe seines Lebens einnahm: als Reisesekretär, als Dorfpfarrer und<br />

als <strong>Bischof</strong> von Göteborg.<br />

Vor mehr als 30 Jahren wurde aus Anlaß des 60. Geburtstag von <strong>Bo</strong> <strong>Giertz</strong> geschrieben: "Wenn<br />

einmal - vielleicht in 200 Jahren - die Kirchengeschichte unseres Jahrhunderts geschrieben<br />

werden wird, wird zweifellos <strong>Bo</strong> <strong>Giertz</strong> als eine der bedeutendsten Persönlichkeiten in<br />

kirchenleitender Funktion dargestellt werden, und zwar nicht nur aus schwedischer Sicht - was<br />

selbstverständlich ist -, sondern auch aus europäischer und gesamtkirchlicher Sicht." Nun, da das<br />

Leben dieses Mannes zu Ende ging, gelten diese Worte in gleicher Weise.<br />

Vom Atheisten zum <strong>Bischof</strong><br />

Als <strong>Bo</strong> <strong>Giertz</strong> am 31. August 1905 geboren wurde, war ihm eine kirchliche Karriere keineswegs in<br />

die Wiege gelegt: Sein Vater war Atheist, seine Mutter Agnostikerin. In diesem Geist wuchs der junge <strong>Bo</strong> <strong>Giertz</strong> auf. Nicht zu<br />

Unrecht trägt daher eine vor wenigen Jahren erschienene und viel beachtete Biographie den Untertitel: "ateisten som blev<br />

biskop" - "Der Atheist, der <strong>Bischof</strong> wurde."<br />

Es war eine wohlhabende und angesehene Familie, aus der er hervorging. Der Vater Knut Harald <strong>Giertz</strong> war als Professor der<br />

Chirurgie in Schweden sehr bekannt und angesehen, sein Großvater mütterlicherseits war Lars Magnus Ericson, der Begründer<br />

des heute weltumspannenden Ericson-Konzerns.<br />

Die "aufgeklärte" und säkularisierte Prägung der Familie war typisch für die akademisch gebildeten Schichten Schwedens jener<br />

Zeit. Aus seiner Kindheit erzählte <strong>Bo</strong> <strong>Giertz</strong>: "In meinem Elternhaus wurde über alles gesprochen, nur nicht über Religion. Ich<br />

kann mich nicht erinnern, daß dieses Thema jemals zur Debatte stand. Es stand gewissermaßen unter einem Tabu."<br />

Gelegentlich habe der Vater zu Hause teils belustigt, teils mit einem gewissen Respekt von frommen, einfältig-gläubigen<br />

Patienten erzählt, die er zu operieren hatte, so zum Beispiel von einer Frau, die für die Bekehrung ihres Arztes - dessen<br />

Unglauben sie bemerkt hatte - betete, aber nicht für das Gelingen der ihr bevorstehenden Operation.<br />

Zwar ließen seine Eltern ihn taufen, aber im Herzen des heranwachsenden <strong>Bo</strong> <strong>Giertz</strong> konnte kaum eine tiefere Glaubenseinsicht<br />

aufbrechen, auch nicht als er konfirmiert wurde: Der Pastor, der ihn und seinen Bruder konfirmierte, war zwar ein frommer<br />

Mann, geprägt von der schwedischen Erweckungstheologie, aber er wurde von den beiden Brüdern nicht ernst genommen,<br />

sondern reizte sie eher dazu, ihn in endlose intellektuelle Rededebatten zu verstricken.<br />

Nach dem Vorbild des Vaters entschloß sich <strong>Bo</strong> <strong>Giertz</strong> zum Medizinstudium und übernahm dabei auch dessen Berufsbild, nach<br />

dem auch ein atheistischer Arzt die hohe moralische Verpflichtung hat, leidenden Menschen zu helfen. Der junge Student<br />

erkannte aber schon bald, daß es unter seinen ebenfalls atheistischen Kommilitonen manch einen gab, bei dem dieses<br />

Berufsethos hinter rein materialistischem Gewinnstreben zurücktrat. Dem konnte er nicht zustimmen. Nachdem er zur<br />

Überzeugung kam, daß diese darin ihrer atheistischen Grundüberzeugung konsequenter folgten, gab er das Medizinstudium auf,<br />

ohne zunächst ein anderes, konkretes Berufsbild vor Augen zu haben.<br />

Bis dahin hatte er ein Vorurteil gegenüber bekennenden Christen: Er hatte gemeint, diese müßten doch dumm und unredlich<br />

sein. Auch könne ein intelligenter, wahrheitsliebender und für gesellschaftliche Probleme aufgeschlossener Mensch nicht<br />

Pfarrer sein. Aber gerade in dieser Zeit lernte er einige Theologiestudenten kennen. Zu seiner Verwunderung stellte er fest, daß<br />

diese sehr rechtschaffen und höchst intelligent waren.<br />

Zunehmend wandte er sich nun religiösen Fragen zu und kam zu der Überzeugung, daß es einen Gott gibt. "Ich wurde von der<br />

Überzeugung erfüllt, daß es etwas gibt, das hinter der Materie steht, das sich wie eine vierte Dimension durch das ganze<br />

Dasein hindurchzieht." Der Samenkorn des Glaubens begann in seinem Herzen aufzukeimen. Er entschloß sich, Theologie zu<br />

studieren.<br />

Der werdende Theologe<br />

Der Entschluß, zum Studium der Theologie überzuwechseln, bedeutete für den Vater einen schweren Schock. <strong>Bo</strong> befürchtete<br />

sogar, es käme zum Bruch mit ihm. Aber der Vater förderte auch weiterhin sein Studium und ermöglichte ihm sogar einen<br />

Studienaufenthalt in Palästina während dieses Studiengangs<br />

Derjenige theologische Lehrer, der <strong>Bo</strong> <strong>Giertz</strong> am meisten geprägt hat, war der Uppsalienser Professor Anton Friedrichsen, den<br />

er als den bemerkenswertesten Exegeten bezeichnete, den Schweden je gehabt habe, und der ihm als väterlicher Freund allezeit<br />

wohlgesonnen gewesen sei. Noch im hohen Alter bekannte <strong>Bo</strong> <strong>Giertz</strong>: "... ich blieb sein Schüler bis zum heutigen Tage."


Friedrichsen war es, der <strong>Bo</strong> <strong>Giertz</strong> zu einem Studienaufenthalt in Palästina ermunterte, um durch das Kennenlernen der<br />

dortigen Gegebenheiten den Hintergrund der biblischen Berichte kennen zu lernen. Dies gab ihm - wie er selbst bekannte -<br />

"den Realismus in der Predigt, der so entscheidend ist, wenn man zu heutigen Menschen reden soll."<br />

Schon als Student setzte sich <strong>Bo</strong> <strong>Giertz</strong> mit der Theologie des deutschen Theologieprofessors Rudolf Bultmann auseinander.<br />

Denn während er in Uppsala studierte lud Professor Friedrichsen diesen zu Gastvorlesungen ein. <strong>Bo</strong> <strong>Giertz</strong> wurde damals für<br />

drei Tage zum Begleiter Bultmanns bestimmt. Er berichtet dazu:<br />

"In der Theologie war Bultmann der absolute Gegenpol zu Friedrichsen. Den Unterschied kann ich an Hand einer einzigen<br />

kleinen Episode verdeutlichen: Professor Friedrichsen war gerade von seiner ersten Orientreise heimgekehrt und war noch<br />

ganz erfüllt von dem, was er dort gesehen und kennen gelernt hatte. Er versuchte, Bultmann ebenfalls zu einer solchen Reise zu<br />

ermuntern. Aber Bultmann war überzeugt, daß er dabei nichts hinzulernen könne. Friedrichsen versuchte, ihm zu erklären,<br />

warum er durch das Kennenlernen des heiligen Landes und seines Milieus zu einem ganz neuen Verständnis der biblischen<br />

Zusammenhänge gelangt sei. Bultmann antwortete: ‚Ich kann mir das denken!‘ Für ihn war die Theologie und das Christentum<br />

ein Gedankensystem - eine Philosophie, und die Evangelien ein Produkt menschlicher Vorstellungen, das zu analysieren<br />

Aufgabe der Theologie sei. Bei Friedrichsen dagegen ging es um Realitäten und Ereignisse der Geschichte, die für die<br />

Menschen entscheidende Bedeutung haben, um etwas, das man sich nicht selbst ausdenken kann, sondern dem man begegnen<br />

muß."<br />

An diesem Bericht wird deutlich, warum <strong>Bo</strong> <strong>Giertz</strong> seinen theologischen Lehrer Friedrichsen als absoluten Gegenpol zu<br />

Bultmann bezeichnete. Denn Friedrichsen vermochte sich durch Lektüre der Quellenschriften, ganz in die vergangenen<br />

Zeitepochen einzufühlen. So konnte er seine Studenten anleiten, das neue Testament als ein Werk realistisch denkender<br />

Menschen zu lesen, die begriffen hatten, daß sie etwas <strong>Ein</strong>zigartiges erlebten: Das <strong>Ein</strong>greifen Gottes in das Weltgeschehen<br />

durch Jesus Christus.<br />

Dies erklärt auch, warum die Predigten des späteren <strong>Bischof</strong>s von Göteborg die Menschen so sehr faszinieren konnten. Seiner<br />

Verkündigung lag das Zeugnis von wirklichen Ereignissen zugrunde, die Gott über alles Begreifen hatte geschehen lassen. Die<br />

Verkündigung nach Bultmannschen Prämissen setzt dagegen ein nur subjektives Glaubensverständnis der Jünger voraus, wobei<br />

die Historizität der von ihren geschilderten Erlebnisse offen bleibt, und die Predigt kann dann letztlich nur noch Rede über die -<br />

subjektiven – Schilderungen der Jünger sein, nicht aber wie in der Verkündigung von <strong>Bo</strong> <strong>Giertz</strong> Zeugnisse von Gottes eigenem<br />

Wirken.<br />

<strong>Bo</strong> <strong>Giertz</strong> erzählt von einer Begegnung mit Schwedens Königin Victoria während seiner Studentenzeit. Diese habe ihn gefragt,<br />

ob er wohl eine akademische Karriere mit dem Ziel einer Professur anstrebe. "Ich antwortete: Nein, Majestät! Ich habe an<br />

nichts anderes gedacht, als ein gewöhnlicher Priester zu werden. 'Versprich mir das!' antwortete die Königin, und darauf<br />

antworte ich ohne Zaudern mit einem 'Ja', denn ich hatte ja an nichts anderes gedacht." Am Ende seines Studiums eröffnete<br />

sich für ihn freilich die Möglichkeit einer akademischen Karriere, die er aber ausschlug.<br />

Der Reisesekretär<br />

<strong>Bo</strong> <strong>Giertz</strong> legte sowohl das philosophische wie auch das theologische Examen ab. Damit war er gut ausgerüstet, um sich in<br />

öffentliche Debatten in Kirche und Politik einzumischen. Unerschrocken trat er für die Kirche Christi in der Gesellschaft ein.<br />

Es war die Zeit, in der in Deutschland Hitler die Macht ergriff und die Massen in seinen Bann zog. Auch die schwedische<br />

Jugend wurde damals von den extremistischen Bewegungen der Kommunisten einerseits und der Nazis andererseits<br />

umgetrieben. Die Kirche mußte dabei oft genug als Vermittler auftreten.<br />

In dieser Situation war <strong>Bo</strong> Goertz genau der richtige Mann für die Aufgaben des Reisesekretärs der "Christlichen<br />

Schülerbewegung Schwedens" ("Sveriges Kristliga Gymnasiaströrelse"). Er besaß große Redegewandtheit, konnte gut<br />

argumentieren und war voller Energie.<br />

Er hatte sich diesen Dienst freilich nicht selbst ausgesucht. Lieber wäre er gleich in ein Gemeindepfarramt gegangen. Aber als<br />

der Vorgänger in dieser Stellung auf ihn zukam und ihn dazu aufforderte, kam er zu der Überzeugung, daß dies ein Ruf Gottes<br />

sei. Darum zögerte er nicht lange, brach die Vorbereitungen zum Licentiatexamen ab und folgte diesem Ruf.<br />

Eigentlich hätte vor dem Antritt dieses Dienstes die Ordination angestanden. Er stellte darum einen entsprechenden Antrag an<br />

seine Vorgesetzten. Diese standen damit vor der Alternative, ob sie ihn als Pastor - und damit als Vertreter der Kirche - oder als<br />

einen Akademiker mit den Examina zweier Fakultäten entsenden sollten. Sie entschieden sich für das letztere. <strong>Bo</strong> <strong>Giertz</strong> hierzu:<br />

"So gering war das Ansehen der Kirche, daß man es als Belastung angesehen hätte, wenn ich als Pastor aufgetreten wäre.”<br />

Auf ihn kam nun ein aufreibender Dienst zu. Alle schwedischen Oberschulen hatte er innerhalb eines Jahres zu besuchen, das<br />

heißt zwei oder drei pro Woche. In jeder Schule galt es, Vorträge vor der gesamten Schülerschaft und in einzelnen Klassen zu<br />

halten, Konferenzen mit den Religionslehrern und interessierten Pfarrern zu arrangieren und immer wieder mit den Schülern zu<br />

diskutieren, oft genug bis in die Nacht hinein. Dazu gab es die drei großen Jugend-Sommerlager in Nord-, Mittel- und<br />

Südschweden zu organisieren, sowie zahlreiche Konferenzen, Kurse und "Schülertage" zu veranstalten.<br />

Mit ganzer Hingabe und persönlichem Engagement widmete sich <strong>Bo</strong> <strong>Giertz</strong> diesen Aufgaben. Mit den verschiedensten<br />

politischen, religiösen und weltanschaulichen Bewegungen, die damals die schwedische Jugend umtrieben, hatte er sich dabei<br />

auseinanderzusetzen. Der Erfolg blieb nicht aus: In großen Scharen strömten die Jugendlichen zu seinen Veranstaltungen.


Damals meldeten sich auch solche zu Wort, die größere Freizügigkeit auch in sexueller Hinsicht forderten. <strong>Ein</strong>e öffentliche<br />

Protestkundgebung, bei der er zusammen mit Prinz Oscar Bernadotte auftrat, fand in jenen Jahren große öffentliche Beachtung.<br />

<strong>Ein</strong>e dabei verabschiedete Petition mit 126000 Unterschriften konnte er an den schwedischen Kronprinzen überreichen.<br />

Dreieinhalb voll ausgefüllte Jahre diente <strong>Bo</strong> <strong>Giertz</strong> in dieser Stellung der Schwedischen Kirche.<br />

Der Landpfarrer<br />

Ende 1934 wurde er zum Vice-Pastor in Östra Husby (Stift Linköping) ernannt. Inzwischen war er verheiratet, aber das äußerst<br />

geringe Gehalt, das im dabei zustand, konnte die junge Familie kaum ernähren. Aber hier lernte er zum ersten Mal die<br />

Lebenswelt der Menschen auf dem Lande kennen.<br />

Bis dahin war seine Kenntnisse der Kirche mehr theoretischer Natur. Sie beruhten eigentlich nur auf dem während seines<br />

Studiums erworbenen akademischen Wissen. Allmählich wurde ihm nun bewußt, daß es in weiten Teilen Schwedens eine<br />

geprägte kirchliche Frömmigkeit gab, die ihn nicht gleichgültig lassen konnte.<br />

Das Zusammenleben mit den Bauern gab ihm manch fruchtbaren Anstoß für seine eigene Frömmigkeit. Er merkte sehr bald,<br />

daß seine Predigtweise nicht unbedingt den Erwartungen seiner Gemeindeglieder entsprach, für die Christus im Mittelpunkt<br />

stand. Aber er lernte die Tiefe ihrer Frömmigkeit zu schätzen. Durch den täglichen Umgang mit ihnen wurde seine Predigtweise<br />

befruchtet. Hatte er sich bis sich dahin in Diskussionen gern lateinischer Zitate bedient, so begann er nun "mit den Bauern in<br />

der Art der Bauern zu reden".<br />

Nach diesem Vikariratsjahr wurde er für ein paar Jahre nach Ekeby (bei <strong>Bo</strong>xholm) berufen. Um die traditionelle Frömmigkeit<br />

noch besser kennen zu lernen, nahm er Kontakt mit einem darin erfahrenen älteren Pfarrer auf. Dieser lebte ganz in der<br />

Schartauischen Erweckung und war zugleich ein großartiger Kenner von Land und Leuten. Es war nur eine Woche, die <strong>Bo</strong><br />

<strong>Giertz</strong> bei ihm blieb, aber es waren intensive Tage, in denen der junge Pfarrer für seine bis dahin nur akademisch geprägte<br />

Theologie in der Erweckungstheologie eine wesentliche und fruchtbare Ergänzung fand.<br />

Danach war <strong>Bo</strong> <strong>Giertz</strong> in Torpa (Östergötland) als Pfarrer tätig. Diese Zeit war besonders reich an vielfältigen Pflichten, die er<br />

zu bewältigen hatte. Nicht nur, daß er er eine reiche seelsorgerliche Tätigkeit entfaltete. Schon zuvor hatte er sich in<br />

zahlreichen Aufsätzen und Zeitungsartikeln öffentlich zu Wort gemeldet. Dadurch war sein Name schon weithin bekannt<br />

geworden. Aber nun begann er neben seiner umfangreichen Pfarramtstätigkeit - auch die Kirche von Torpa war zu renovieren -<br />

seine schriftstellerische Tätigkeit. Seine Leistungen bei diesen vielseitigen Aufgaben sind kaum zu ermessen. Es waren ja auch<br />

noch mancherlei nebenamtliche Amtspflichten hinzugekommen, wie zum Beispiel die als königlicher Hofprediger und während<br />

des Krieges als Heerespfarrer.<br />

Der Schriftsteller<br />

Wie inspirierend für <strong>Bo</strong> <strong>Giertz</strong> gerade die Zeit als Landpfarrer war, kam daran zum<br />

Ausdruck, daß schon in Ekeby seine ersten Bücher entstanden, so vor allem "Kristi<br />

Kyrka", das nach dem Kriege auch in deutscher Sprache<br />

unter dem Titel "Die Kirche Christi" erschien, und<br />

"Kyrkofromhet" (= "kirchliche Frömmigkeit"). Mit seinen<br />

Büchern hat er ganz wesentlich zur Erneuerung des<br />

schwedischen Kirchenlebens beitragen. Es war ihm in<br />

einzigartiger Weise gegeben, in seinen Schriften sein großes<br />

theologisches Wissen in einer schlichten, zugleich fast<br />

dichterischen Sprache auch dem einfachen Menschen<br />

darzubieten. Sein Konfirmandenbuch "Grunden" (= "Der<br />

Grund") hat ganze Generationen schwedischer<br />

Konfirmanden geprägt. Daneben verfaßte er einige<br />

kirchengeschichtliche Romane, von denen "Stengrunden" (= "Der Felsengrund") als das meistgelesene seiner Bücher<br />

bezeichnet wird. Nach dem literarischen Vorbild von Ina Seidels "Lennacker" schilderte er darin das schwedischen<br />

Kirchenleben zur Zeit der Erweckung. Es rückte zugleich im schwedischen Volk einige Vorurteile über den Charakter der<br />

Erweckung zurecht. Dieser Roman wurde vor wenigen Jahren für das schwedische Fernsehen sogar verfilmt, wobei der<br />

inzwischen über 80 Jahre alte Verfasser es sich nehmen ließ, in einer kleinen Nebenrolle selbst aufzutreten.<br />

Das weite Spektrum seiner literarischen Tätigkeit läßt sich hier nur andeuten. <strong>Ein</strong>e im Jahre 1965 veröffentlichte Bibliographie<br />

wies bereits mehr als 500 Titel von Büchern, Schriften und Artikeln aus seiner Feder auf, wobei mehrere seiner Bücher damals<br />

bereits schon mehrfach neu aufgelegt worden. Aber auch danach ruhte seine schriftstellerische Tätigkeit nicht. Unmittelbar<br />

nach <strong>Ein</strong>tritt in den Ruhestand machte er sich daran, das neue Testament in moderne schwedische Sprache zu übersetzen. Er<br />

konnte es 1981 dem schwedischen König überreichen.<br />

Der <strong>Bischof</strong><br />

Als im Jahre 1948 der Ruf an <strong>Bo</strong> <strong>Giertz</strong> erging, für das <strong>Bischof</strong>samt in Göteborg zu kandidieren, wartete eine schwere Aufgabe<br />

auf ihn. Auch in Schweden, nicht zuletzt an der schwedischen Westküste hatte es Sympathisanten für den Nationalsozialismus<br />

gegeben. Dem verstorbenen Vorgänger im <strong>Bischof</strong>samt, ein irenischer und auf Ausgleich bedachter Mann, hatte man zum<br />

Vorwurf gemacht, den extremen Richtungen gegenüber nicht entschieden genug aufgetreten zu sein. Man wünschte sich nun als


Nachfolger nicht eine ältere verdienstvolle Persönlichkeit, der sozusagen als Dank für langjähriges Pfarramtswirken das<br />

<strong>Bischof</strong>samt übertragen würde, sondern einen jüngeren, der bereit war, neue Wege zu gehen. Der inzwischen weithin bekannte<br />

Komminister von Torpa erschien hierfür als der geeignetste. Die Abstimmung bei der <strong>Bischof</strong>swahl brachte ein<br />

überwältigenden Stimmenanteil für ihn. Er nahm die Berufung dorthin als einen Ruf Gottes an.<br />

Es gab freilich von weltlicher Seite auch Kritik an der Berufung eines so frommen <strong>Bischof</strong>s. Man fürchtete, seine konservative<br />

Haltung werde die Kirche der Gesellschaft entfremden. Allerdings wurden alle, die so dachten, alsbald eines Besseren belehrt.<br />

Denn das Gegenteil trat ein: Man war überrascht, wie der neue <strong>Bischof</strong> seine feste kirchliche Haltung mit einer überaus<br />

weltoffenen Haltung zu verbinden wußte, sodaß er von manchen “Gottes PR-<strong>Bischof</strong>” genannt wurde.<br />

Unmittelbar nach seinem Dienstantritt begann er eine rastlose Tätigkeit in seiner Diözese. Besonderes Gewicht legte er auf die<br />

Visitationen in den Gemeinden, wobei er sich nicht nur den Pfarrern und Gemeindegruppen zuwandte, sondern auch<br />

Industriebetriebe, Werften und öffentliche Institutionen besuchte und Kontakte zu öffentlichen Persönlichkeiten wahrnahm.<br />

Zum Erstaunen Vieler gewann er auch Sympathien bei den Gewerkschaften.<br />

Sein berühmter Hirtenbrief - freilich kein kurzer Brief, sondern ein Buch von 170 Seiten, das er innerhalb weniger Wochen<br />

verfaßt hatte – wurde allgemein beachtet und wurde auch in Deutschland als “Sendschreiben an die<br />

evangelische Christenheit” bekannt. Darin gab er einen Überblick über das der Kirche von der<br />

Urkirche, der Reformation und von der kirchlichen Erweckung geschenkte Erbe. Er hob darin die<br />

große Aufgabe hervor, die jeder Generation aufgegeben ist: Sich dieses Erbes zu vergewissern, und für<br />

seine Bewahrung gegen allen Unverstand zu kämpfen.<br />

Der Bekenner<br />

Besonders betonte er die Pflicht derer, die im geistlichen Amte stehen, das Wort Gottes ohne jeden<br />

Vorbehalt unverkürzt zu verkündigen – worin er allen zum Vorbild wurde: Seine regelmäßigen<br />

Predigten in der Göteborger Domkirche zogen die Menschen in großen Scharen an.<br />

Es blieb natürlich nicht aus, daß ihm zahlreiche zusätzliche Aufgaben und Ämter angetragen wurden,<br />

auch in internationalem Zusammenhang. Zu nennen ist da vor allem seine einflußreiche Stellung als<br />

2. Vorsitzender des Lutherischen Weltbundes, sowie seine Tätigkeit in den Leitungsgremien der<br />

schwedischen Diakonie und Mission.<br />

Schon bald nachdem <strong>Bo</strong> <strong>Giertz</strong> sein Amt als <strong>Bischof</strong> von Göteborg angetreten hatte, entdeckten auch Journalisten und<br />

Persönlichkeiten, die sich sonst wenig für innerkirchliches Geschehen interessieren, die früheren Bücher des neuen <strong>Bischof</strong>s.<br />

Manche von ihnen waren allerdings entsetzt über deren geistlichen Inhalt. Sie meinten, dieser verursache ”psychische<br />

Krankheiten”. Solche Reaktionen konnten jedoch nicht hindern, daß <strong>Bo</strong> <strong>Giertz</strong> immer mehr zu einem volkstümlichen <strong>Bischof</strong><br />

wurde – so groß war seine überragende Persönlichkeit als Verkündiger des Wortes Gottes.<br />

Selbstverständlich war aber seine Wahl in manchen Kreisen dennoch nicht gewesen, insbesondere in der weltlichen Presse<br />

nahm man Anstoß an seiner konsequent lutherischen Grundhaltung: In einer Zeitung wurde sie als "zutiefst inhuman"<br />

bezeichnet. Hier bahnte sich schon an, was sich Jahrzehnte später als schwere Belastung für das kirchliche Leben in Schweden<br />

herausbilden sollte.<br />

Um dies zu verstehen, muß man wissen, nach welchem Modus in Schweden die Ernennung von Bischöfen zustande kommt.<br />

Nach einer innerkirchlichen Probewahl werden drei Kandidaten nominiert. Die Regierung wählt aus diesen den ihr als<br />

geeignetsten erscheinenden aus, der dann ernannt wird. Auf diese Weise üben die die Regierung bestimmenden politischen<br />

Parteien einen erheblichen <strong>Ein</strong>fluß aus. Zwar konnte nach der Emeritierung von <strong>Bo</strong> <strong>Giertz</strong> in der Person von Bertil Gärtner ein<br />

<strong>bekenntnistreuer</strong> <strong>Bischof</strong> für das Stift Göteborg ernannt werden. Aber dies war noch ein Glücksfall, denn in der Regel werden<br />

durch die meist sozialdemokratisch geführten Regierungen nur solche Bischöfe ernannt, die den Wertvorstellungen in Politik<br />

und Gesellschaft entsprechen, auch wenn aus der Probewahl wesentlich qualifiziertere Persönlichkeiten hervorgingen. So<br />

wurde zum Beispiel der hochangesehene ehemalige Dompropst von Växjö Gustav Adolf Danell etwa ein Dutzend mal als<br />

<strong>Bischof</strong>skandidat praesentiert, von der Regierung aber stets übergangen.<br />

Der größte Stein des Anstoßes für die säkulare schwedische Gesellschaft war jedoch der Widerspruch,<br />

den <strong>Bischof</strong> <strong>Giertz</strong> erhob, als die schwedische Kirchenversammlung im Jahre 1958 die <strong>Ein</strong>führung der<br />

Frauenordination beschloß. Diese geschah, obgleich zuvor ein offizieller Ausschuß von<br />

Theologieprofessoren in einem Gutachten erklärt hatte, daß er auf Grund sorgfältiger Forschung zu der<br />

festen Meinung gekommen sei, "daß die <strong>Ein</strong>führung sog. weiblicher Priester nicht mit dem Neuen<br />

Testament vereinbar ist und ein Abweichen von der Treue gegenüber der Heiligen Schrift bedeutet".<br />

<strong>Bischof</strong> <strong>Giertz</strong> selbst erläuterte seine Haltung in dieser Frage so:<br />

"Ich habe eine Standardantwort, wenn man mich fragt, was ich von weiblichen Priestern halte. Ich<br />

antworte: Ich habe ein wissenschaftliches Gewissen. Das sagt mir, daß das Neue Testament dagegen<br />

ist. Und ich habe ein christliches Gewissen. Das sagt mir, daß man sich danach richten muß.


So einfach ist das eigentlich - oder sollte es jedenfalls sein, zumindest für einen Christen und für jeden, der eine christliche<br />

Überzeugung respektieren will. Wir Christen glauben ja an einen Gott, der zu uns redet durch sein Wort in der Bibel.<br />

Für uns Christen ist diese Frage wie alle anderen zuerst und zuletzt eine Bibelfrage. Was will Gott und was sagt er? Und wenn<br />

auch in verschiedenen anderen Punkten aufrichtige Christen zu verschiedenen Antworten kommen können - war man sich doch<br />

bis dahin in dieser Frage bemerkenswert einig. Die sog. Amtsfrage ist also vor allem eine Frage, als was wir Gottes Wort<br />

betrachten, was es sagt und wie wir ihm gehorsam sein sollen."<br />

Der Christ<br />

Wie sehr der Inhalt seiner Verkündigung und die eigene Lebenshaltung bei <strong>Bo</strong> <strong>Giertz</strong> zusammenfielen, mag das Nachfolgende<br />

zeigen:<br />

Dreimal war <strong>Bo</strong> <strong>Giertz</strong> verheiratet. Dreimal wurde er Witwer. Seine erste Frau starb schon während des Krieges im Jahre 1942<br />

nach der Geburt ihres vierten Kindes, als er noch Pfarrer in Torpa war. Sie war am Telefon mit einer Lungenembolie<br />

zusammengebrochen, gerade als sie - nach dem Wochenbett wieder zu Kräften gelangt - mit ihm die <strong>Ein</strong>zelheiten der Heimkehr<br />

verabreden wollte. Unter Schwierigkeiten war er schließlich in die Klinik gelangt. Die Schilderung dieses tragischen<br />

Ereignisses hat er später selbst so niedergeschrieben:<br />

"... So kam ich schließlich an und stürzte in die Krankenstation, wo man mich in einen Tagesraum wies. Die Tür zum Korridor<br />

stand offen. So bekam ich zu sehen, was man zu sehen, mir ersparen wollte. <strong>Ein</strong>e Bahre wurde vorüber gefahren, begleitet von<br />

eilig nebenher laufenden Schwestern.<br />

Da lag Ninni, stöhnend, mit blauem Gesicht, offenbar dabei, zu ersticken. Alle liefen und dann war sie fort. Ich fuhr hoch und<br />

rief ihren Namen, aber mit sanftem Zwang brachte man mich wieder in den Tagesraum und setzte mich in einen Lehnsessel.<br />

Da saß ich nun allein. Ich wußte genug über Embolien und Thoraxchirurgie, um den Zusammenhang zu verstehen: Ninni war<br />

auf dem Weg in den Operationssaal, wo man verzweifelte Versuche anstellte, ihr Leben zu retten. Dadurch daß mein Vater<br />

selbst an einer Methode gearbeitet hatte, Menschen mit einer Lungenembolie zu retten, wußte ich, wie wenig Zeit man dabei<br />

hat, und ich konnte ahnen, daß es schon zu spät sein könnte Man konnte nur noch warten und beten. Nach zwei Stunden kam<br />

der Arzt und bestätigte: Ninni war tot.<br />

Es wurde eine schlaflose Nacht. Das schwerste stand mir noch bevor: Zu den Kindern zu gehen und ihnen zu sagen, daß<br />

Mamma niemals wieder nach Hause köme.<br />

Es folgten weitere schlafsoe Nächte. Ich lag da und las meine Bibel. An einigen Stellen trug ich die Daten 3., 4. oder 5. Juli<br />

1942 ein. <strong>Ein</strong>e davon ist Psalm 145,17: "Der Herr ist gerecht in allen seinen Wegen und gnädig in all seinem Tun." Daran<br />

hatte ich nie gezweifelt. Später - langsam und zögernd - habe ich gewagt, dies auch für das zuzugestehen, was ich hier<br />

niedergeschrieben habe - zum ersten Mal in meinem Leben."

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