uniMAgazin 02/2008 - Uni-MA-gazin.de
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Meinung:<br />
Profilschärfung, Mittelknappheit und Größenwahn<br />
Eine kleine Geschichte <strong>de</strong>r <strong>Uni</strong>versitätsentwicklung aus <strong>de</strong>r Sicht <strong>de</strong>s Friedrich-Ebert-Stipendiaten<br />
Daniel Kemptner.<br />
Der raue Wind <strong>de</strong>s internationalen Wettbewerbs<br />
bläst durch Deutschlands Hörsäle.<br />
Die Konkurrenz hat nicht geschlafen.<br />
Unerbittlich versucht sie nun die <strong>de</strong>utschen<br />
Hochschulen vom globalisierten<br />
Wissenschaftsmarkt zu verdrängen. Und<br />
<strong>de</strong>r Nie<strong>de</strong>rgang schien bereits unabwendbar.<br />
Doch einige mutige Rektoren leisteten<br />
Wi<strong>de</strong>rstand. Unverzagt begannen sie ihre<br />
Hochschulen zu reformieren. Und wenn<br />
man schon einmal dabei war, sollte die eigene<br />
Hochschule innerhalb kürzester Zeit<br />
als <strong>de</strong>utsches Harvard, einem Leuchturm<br />
gleich, in alle Welt erstrahlen. Das Ziel<br />
schien greifbar. Und ohne verkrustete Entscheidungsstrukturen<br />
sowie notorische<br />
Mittelknappheit hätte nichts die berausch-<br />
<br />
Rausch folgte <strong>de</strong>r Kater. Aber <strong>de</strong>m Ernst<br />
<strong>de</strong>r Lage angemessen wur<strong>de</strong>n die Anstren-<br />
<br />
das Zauberwort, das <strong>de</strong>r kreative Genius<br />
in <strong>de</strong>r Stun<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Not hervorgebracht hat.<br />
<br />
beson<strong>de</strong>rs da, wo man die Stärken <strong>de</strong>r<br />
<strong>Uni</strong>versität vermutet, baue dann die i<strong>de</strong>n-<br />
tungsstarken<br />
Fachbereiche“ weiter aus<br />
<br />
<strong>de</strong>r <strong>Uni</strong>versität geschafft. Das großartige<br />
dabei ist, dass es ganz ohne zusätzliche<br />
Mittel funktioniert. Man holt sich die Mittel<br />
einfach bei <strong>de</strong>n kleineren Fachbereichen,<br />
die ihre Stu<strong>de</strong>nten ohnehin nur auf ein<br />
Berufsleben als Dauerpraktikant vorbereiten.<br />
Man streiche also <strong>de</strong>n unnötigen<br />
Balast = Geisteswissenschaften zusammen<br />
und nutze die freigewor<strong>de</strong>nen Mittel,<br />
um zukunftsweisen<strong>de</strong> Fächer wie zum<br />
Beispiel die Betriebswirtschaftslehre auszubauen.<br />
Zau<strong>de</strong>rer wer<strong>de</strong>n einwen<strong>de</strong>n,<br />
dass Fächervielfalt, Interdisziplinarität und<br />
Forschungsfreiheit das Herz einer je<strong>de</strong>n<br />
<strong>Uni</strong>versität seien. Doch diese haben <strong>de</strong>n<br />
Ernst <strong>de</strong>r Lage selbstverständlich nicht<br />
verstan<strong>de</strong>n. Denn wer wird im Angesicht<br />
<strong>de</strong>s drohen<strong>de</strong>n Verlustes <strong>de</strong>r Wettbewerbsfähigkeit<br />
schon über Herzensangelegenheiten<br />
philosophieren wollen? In<br />
<strong>de</strong>r privaten Wirtschaft bewährte Instru-<br />
rung<br />
und Wettbewerbsfähigkeit weisen<br />
fungswürdigen<br />
Fächer sind Drittmitteleinwerbung<br />
und Quantität <strong>de</strong>r Zitationen.<br />
Musterhaft schreitet die <strong>Uni</strong>versität Mannheim<br />
voran. Unter <strong>de</strong>m Kommando ihres<br />
Rektors Hans-Wolfgang Arndt braucht sie<br />
die Untiefen und Stürme <strong>de</strong>s scharfen internationalen<br />
Wettbewerbs nicht zu fürchten.<br />
Nach <strong>de</strong>r Schließung <strong>de</strong>r philosophischen<br />
Fakultät wer<strong>de</strong>n bald nur noch vier Fakultäten<br />
übrig sein. Befreit von allem Ballast<br />
kann sie sich also ganz ihren Kernkompetenzen,<br />
<strong>de</strong>n Wirtschafts- und Sozialwissenschaften,<br />
widmen. Mittelknappheit ist<br />
nur noch ein Schreckgespenst <strong>de</strong>r Vergangenheit.<br />
Und sollten diese irgendwann<br />
doch noch einmal knapp wer<strong>de</strong>n, wird<br />
eben die nächste Fakultät dicht gemacht.<br />
Verwun<strong>de</strong>rt mag <strong>de</strong>rjenige sein, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n<br />
Atlantik überquert, um sich eine <strong>de</strong>r vielgerühmten<br />
nordamerikanischen <strong>Uni</strong>versitäten<br />
aus <strong>de</strong>r Nähe anzuschauen. Er<br />
wird feststellen, dass Fächervielfalt und<br />
Interdisziplinarität in Forschung und Lehre<br />
dort völlig selbstverständlich sind. Und<br />
dass die Geisteswissenschaften hohes<br />
Ansehen genießen. Keiner käme auf die<br />
I<strong>de</strong>e, bei diesen Fächern die Mittel zu<br />
kürzen, um eine wie auch immer geartete<br />
lich<br />
besuchen die meisten <strong>de</strong>r dortigen<br />
Studieren<strong>de</strong>n innerhalb <strong>de</strong>r ersten zwei<br />
Jahre ihres breit ausgerichteten, vierjährigen<br />
Bachelorstudiums einige Veranstaltungen<br />
aus <strong>de</strong>r Geisteswissenschaft.<br />
Dies lässt nur einen logischen Schluss<br />
zu. Und dieser sollte uns Hoffnung geben.<br />
Die nordamerikanischen Hochschulen<br />
sind schlecht auf <strong>de</strong>n Wettbewerb mit<br />
<br />
<strong>de</strong>utschen <strong>Uni</strong>versitäten vorbereitet. Und<br />
während sie sich noch auf ihren alten<br />
Lorbeeren ausruhen, bereiten die <strong>de</strong>utschen<br />
Hochschulen die baldige Marktführerschaft<br />
vor. Wettbewerb braucht<br />
eben nur <strong>de</strong>rjenige zu fürchten, <strong>de</strong>r seine<br />
Hausaufgaben nicht macht.<br />
Daniel Kemptner (geb. 1981) studiert<br />
Volkswirtschaft an <strong>de</strong>r <strong>Uni</strong>versität Mannheim<br />
sowie zeitweise an <strong>de</strong>r <strong>Uni</strong>versity of<br />
Toronto. Über seine Arbeit im AStA und<br />
als stu<strong>de</strong>ntischer Vertreter in <strong>de</strong>r Senatskommission<br />
Lehre hatte er Gelegen-<br />
<br />
auseinan<strong>de</strong>r zu setzen. Kontakt: daniel.<br />
kemptner@web.<strong>de</strong><br />
| 16 Oktober <strong>2008</strong>