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uniMAgazin 02/2008 - Uni-MA-gazin.de

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Aus <strong>de</strong>m Elfenbeinturm<br />

Fragen an die Geschichte - Interview mit <strong>de</strong>m Kommunismusforscher<br />

Hermann Weber<br />

Professor Dr. Dr. h. c. Hermann Weber ist <strong>de</strong>r vielleicht wichtigste <strong>de</strong>utsche<br />

DDR- und Kommunismusforscher. Als einstige Nachwuchshoffnung <strong>de</strong>r<br />

KPD kehrte er in <strong>de</strong>n 1950er Jahren <strong>de</strong>m Stalinismus <strong>de</strong>n Rücken und wur<strong>de</strong><br />

aus <strong>de</strong>r Partei ausgeschlossen. Danach begann er eine beeindrucken<strong>de</strong> Karriere<br />

in <strong>de</strong>r Wissenschaft und war von 1975 bis 1993 Lehrstuhlinhaber für<br />

Politische Wissenschaft und Zeitgeschichte an <strong>de</strong>r <strong>Uni</strong> Mannheim. Weber ist<br />

seit 1955 Mitglied <strong>de</strong>r SPD und feierte am 23. August seinen 80. Geburtstag.<br />

<strong>Uni</strong><strong>MA</strong><strong>gazin</strong>: Herr Weber, Angela<br />

Merkel hat Ihnen brav<br />

gratuliert und von Wolfgang<br />

Thierse gab es sogar einen Geburtstagsaufsatz<br />

für Sie. Sie sind<br />

ein Stück <strong>de</strong>utsche Geschichte,<br />

o<strong>de</strong>r?<br />

Hermann Weber: (überlegt) Naja, aber<br />

ein untypisches Beispiel für <strong>de</strong>utsche Geschichte.<br />

Das zeigt die Verrücktheiten <strong>de</strong>r<br />

Historie: Ich saß als Kommunist im Gefängnis<br />

und bekam später vom selben Staat einen<br />

Lehrstuhl. Aber insofern ist das dann<br />

doch wie<strong>de</strong>r typisch, <strong>de</strong>nn diese Verrücktheiten<br />

waren ein Teil <strong>de</strong>s Kalten Krieges.<br />

Inwiefern?<br />

Ich hätte mich eigentlich aufgrund <strong>de</strong>r<br />

Verbrechen <strong>de</strong>s Stalinismus noch <strong>de</strong>utlich<br />

früher vom Kommunismus abwen<strong>de</strong>n<br />

wollen. Einfach, weil meine eigenen<br />

I<strong>de</strong>en etwas ganz an<strong>de</strong>res waren, als da<br />

praktiziert wur<strong>de</strong>. 1951 aber wur<strong>de</strong> die<br />

FDJ, für <strong>de</strong>ren Zeitung ich damals Kulturredakteur<br />

war, in West<strong>de</strong>utschland verboten.<br />

In <strong>de</strong>m Moment konnte und wollte<br />

ich nicht sagen „Mit Euch habe ich nichts<br />

mehr zu tun.“ Also blieb ich und wur<strong>de</strong><br />

Chefredakteur. 1952 war ich aufgrund<br />

<strong>de</strong>r stalinistischen Schauprozesse in <strong>de</strong>r<br />

Tschechoslowakei wie<strong>de</strong>r so weit, <strong>de</strong>n<br />

Bruch zu vollziehen – ebenso wie meine<br />

Frau Gerda. Aber Anfang 1953 wur<strong>de</strong>n<br />

wir von <strong>de</strong>n west<strong>de</strong>utschen Behör<strong>de</strong>n verhaftet.<br />

Also hat es noch ein Jahr gedauert,<br />

bis wir ohne Zwang mit <strong>de</strong>m Kommunismus<br />

abschließen konnten.<br />

Sie sind neben ihrer wissenschaftlichen<br />

Tätigkeit seit Jahrzehnten<br />

aktiver Sozial<strong>de</strong>mokrat.<br />

Die heutige Mannheimer Politikwissenschaft<br />

ist rein empirisch<strong>de</strong>skriptiv,<br />

ziemlich ahistorisch<br />

und wenig theoriegeprägt. Fühlen<br />

Sie sich an dieser <strong>Uni</strong> überhaupt<br />

wohl?<br />

Auch hier muss man wie<strong>de</strong>r die Anfänge<br />

sehen: Wie kam ich überhaupt hierher?<br />

Ich hatte ja nicht mal Abitur. Ich musste<br />

also <strong>de</strong>n „normalen“ Weg schnell nachholen,<br />

um richtig in die Wissenschaft zu<br />

kommen. Promoviert habe ich mit einer<br />

Son<strong>de</strong>rgenehmigung, das wäre heute gar<br />

nicht mehr möglich. Auch die Politikwissenschaft<br />

war damals vielfältiger als heute. Ich<br />

war mit meinem För<strong>de</strong>rer Erich Matthias,<br />

<strong>de</strong>r als Historiker <strong>de</strong>n Lehrstuhl für Politik<br />

und Zeitgeschichte eine hatte, in Mannheim<br />

schon eher einer Ran<strong>de</strong>rscheinung.<br />

Und die Disziplin entwickelte sich langsam<br />

weiter in eine an<strong>de</strong>re Richtung.<br />

Aber Sie arbeiten und forschen ja<br />

auch heute noch hier. Fühlen Sie<br />

sich Ihrer Disziplin überhaupt<br />

noch zugehörig?<br />

Ach, ich war eigentlich immer ein Ein-<br />

<br />

Die nötigen Voraussetzungen für meine<br />

Forschung habe ich ja, zum Beispiel in<br />

Form von Drittmitteln von <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschrussischen<br />

Historikerkommission. Die<br />

Rahmenbedingungen stimmen also und<br />

schließlich war Mannheim immer meine<br />

Heimatstadt. Ich hatte unter an<strong>de</strong>rem<br />

mal einen Ruf nach Ol<strong>de</strong>nburg, aber da<br />

waren damals lauter DKP-Stu<strong>de</strong>nten und<br />

ich wollte mich nicht mit <strong>de</strong>nen herumärgern.<br />

Also blieb ich hier. Und hier mit <strong>de</strong>n<br />

Kollegen, wie zum Beispiel <strong>de</strong>m Soziologen<br />

(M. Rainer, Anm. d. Red.) Lepsius<br />

hatte ich wohl einzigartige Möglichkeiten,<br />

DDR-Forschung zu betreiben. Ich habe<br />

mich also keineswegs von Anfang an als<br />

Außenseiter gefühlt, aber die Fakultät hat<br />

sich dann eben an<strong>de</strong>rs entwickelt.<br />

2006 haben Sie mit Ihrer Frau<br />

Gerda <strong>de</strong>n zweiten Teil Ihrer Memoiren<br />

mit <strong>de</strong>m Titel „Leben nach<br />

<strong>de</strong>m ‚Prinzip links’“ veröffentli-<br />

<br />

„links“?<br />

Ich bin links im Sinne <strong>de</strong>r klassischen Aufklärung.<br />

Freiheit, Demokratie, soziale Gerechtigkeit,<br />

das sind meine Grundwerte. Wo<br />

ist da die Alternative? Für mich gibt es keine.<br />

Ich habe als Kind erlebt, was soziale Ungerechtigkeit<br />

heißt. Ich war im Prinzip sicher<br />

nicht dumm, konnte aber eben auf keine<br />

höhere Schule gehen, weil zu Hause kein<br />

Geld war. Ich musste sogar von <strong>de</strong>r Mittelschule<br />

abgehen, als meine Eltern zahlen<br />

sollten. Da merkt man am eigenen Leib,<br />

dass soziale Gerechtigkeit ein Wert ist.<br />

Und was ist „rechts“? Sagen Sie<br />

jetzt bitte nicht „das Gegenteil<br />

von links“.<br />

Wenn wir mal die äußerste Rechte weglassen:<br />

Rechts ist dann in erster Linie<br />

konservativ und be<strong>de</strong>utet, dass man in<br />

<strong>de</strong>r Zielsetzung natürlich auch für Freiheit<br />

und Demokratie ist. Das ist <strong>de</strong>r große<br />

Fortschritt in Deutschland seit <strong>de</strong>r Weimarer<br />

Zeit, da sah das ja noch ganz an<strong>de</strong>rs<br />

aus. Soziale Gerechtigkeit aber ist für die<br />

Rechte nach wie vor kein zentrales Thema.<br />

Wenn man die Frage stellt: Ist diese<br />

Welt die beste aller möglichen? Dann meine<br />

ich: Nein. Konservative scheinen oft zu<br />

<strong>de</strong>nken, eine bessere Welt gibt es nicht.<br />

Und wer regiert Deutschland<br />

nach <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>stagswahl in<br />

einem Jahr?<br />

Von solchen Zukunftsprognosen lasse ich<br />

lieber die Finger.<br />

|2 Oktober <strong>2008</strong>

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