Kjell Westö · Geh nicht einsam in die Nacht - Der Nordland-Shop
Kjell Westö · Geh nicht einsam in die Nacht - Der Nordland-Shop
Kjell Westö · Geh nicht einsam in die Nacht - Der Nordland-Shop
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Und <strong>in</strong> zwei kle<strong>in</strong>en Zimmern <strong>in</strong> der Borgågatan hausten El<strong>in</strong>as<br />
Mutter Kerttu und ihr Bruder Kari und <strong>die</strong> Halbschwester Taru.<br />
Außerdem hielt sich dort El<strong>in</strong>as Stiefvater Honkanen auf, dem<br />
Sulo e<strong>in</strong> Dorn im Auge war.<br />
Sie flanierten <strong>in</strong> der Innenstadt auf und ab, und sanftes Dämmerungslicht<br />
senkte sich langsam herab, aber im Nordwesten,<br />
über dem Stadtteil Tölö, blieb der Himmel türkis. Zwischendurch<br />
saßen sie e<strong>in</strong>e Weile auf e<strong>in</strong>er Parkbank und unterhielten<br />
und küssten sich. Es wurde mehr geküsst als geredet, und h<strong>in</strong>terher<br />
er<strong>in</strong>nerte sich El<strong>in</strong>a, dass ihr mehrmals flüchtig der Gedanke<br />
gekommen war, dass es vieles gab, was sie über Sulo und alles,<br />
was er während der Kriege durchgemacht hatte, <strong>nicht</strong> wusste.<br />
Aber Sulo war niemand, der viele Worte machte, er wollte D<strong>in</strong>ge<br />
tun, so war er während ihrer gesamten Verlobungszeit gewesen,<br />
ja, <strong>in</strong> den ganzen drei Jahren, <strong>die</strong> sie sich kannten, und El<strong>in</strong>a<br />
wusste genau, was er jetzt tun wollte. Sie hatte es schon gespürt,<br />
als sie sich auf dem Platz berührt hatten, sie hatte es gespürt, als<br />
sie sich im Park der Alten Kirche den ersten Kuss gegeben hatten:<br />
Sulo war hungrig, ungeduldig. El<strong>in</strong>a zögerte. Es war <strong>nicht</strong> so, dass<br />
sie sich aus Pr<strong>in</strong>zip zurückhielt, sie hatten es schon getan, wenn sie<br />
sich e<strong>in</strong> Zimmer besorgen und sicher se<strong>in</strong> konnten, <strong>nicht</strong> ertappt<br />
zu werden. Das erste Mal hatten sie sich <strong>in</strong> der Schrebergartenlaube<br />
von El<strong>in</strong>as Onkel geliebt, während e<strong>in</strong>es Heimaturlaubs im<br />
Sommer 1943, und <strong>in</strong> dem Häuschen im Stadtteil Hertonäs hatten<br />
sie es auch später getan, aber nun wusste El<strong>in</strong>a <strong>nicht</strong>, woh<strong>in</strong><br />
sie gehen sollten, denn es war e<strong>in</strong> kühler Abend, und sie saßen<br />
auf e<strong>in</strong>er Parkbank im Stadtteil Kajsaniemi, und ihr Kuss war lang<br />
und <strong>in</strong>tensiv, und Sulo umarmte sie immer fester, und se<strong>in</strong>e Hände<br />
wurden immer hitziger, immer aufdr<strong>in</strong>glicher, und sie fragte ihn:<br />
»Liebl<strong>in</strong>g, kannst du <strong>nicht</strong> warten?« Sulos Hände wurden ruhiger,<br />
aber er atmete weiterh<strong>in</strong> schwer, und es kam ke<strong>in</strong>e Antwort, man<br />
hörte nur <strong>die</strong>se schweren Atemzüge, und El<strong>in</strong>a war eigentlich auch<br />
25