Kjell Westö · Geh nicht einsam in die Nacht - Der Nordland-Shop
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»Die habe ich schon immer gehabt«, fuhr Ariel fort. »Sie hat<br />
me<strong>in</strong>em V-Vater gehört, jedenfalls behauptet das me<strong>in</strong>e Mutter.<br />
Es ist das E<strong>in</strong>zige, was er mir h<strong>in</strong>terlassen hat.«<br />
»Du hast ke<strong>in</strong>en Alten?«, sagte Jouni nachdenklich.<br />
»Nee. Er ist nach Sch-Schweden gefahren, als ich kle<strong>in</strong> war,<br />
und dann bei e<strong>in</strong>em Verkehrsunfall gestorben. Eigentlich war er<br />
Trompeter, <strong>die</strong> Gitarre hatte er nur zum Sp-spass.«<br />
»Deshalb hat er sie hier gelassen«, sagte Jouni. Er verstummte,<br />
schien zu zögern, sagte dann jedoch schnell: »Ich hab auch ke<strong>in</strong>en.<br />
Me<strong>in</strong>er ist vor drei Jahren gestorben. Er hat im Knast gesessen.<br />
Mamas Alter hat ihn erstochen. Also <strong>nicht</strong> ihr richtiger,<br />
sondern ihr Stiefvater. Honkanen. Er ist Anführer e<strong>in</strong>er Bande.«<br />
Ariel entgegnete <strong>nicht</strong>s. Er wirkte ermattet, als hätte er soeben<br />
mehr Informationen bekommen, als er verarbeiten konnte.<br />
»Du hast ja auch Platten«, sagte Jouni und zeigte mit e<strong>in</strong>em<br />
schmutzigen F<strong>in</strong>ger auf e<strong>in</strong>en kle<strong>in</strong>en Ständer aus schwarzem<br />
Plastik, <strong>in</strong> dem e<strong>in</strong>ige Schallplatten ohne Hülle standen.<br />
»Die gehören me<strong>in</strong>er M-Mutter. Aber ihr Plattenspieler ist<br />
kaputt, und wir können es uns <strong>nicht</strong> leisten, ihn r-reparieren zu<br />
lassen.« Ariel sah grübelnd Jouni an, der <strong>in</strong>zwischen angestrengt<br />
wirkte: Se<strong>in</strong> Gesicht war rot angelaufen, und se<strong>in</strong>e Arme zitterten<br />
e<strong>in</strong> wenig, mittlerweile h<strong>in</strong>g er seit vielen M<strong>in</strong>uten <strong>in</strong> dem<br />
Fenster. »Warum hast du mich geschlagen?«, fragte Ariel. Se<strong>in</strong><br />
Ton war nüchtern und sachlich, als wäre es das Natürlichste auf<br />
der Welt, ausgerechnet <strong>die</strong>se Frage zu stellen.<br />
Jouni schwieg überrumpelt. Das hatte ihn bisher ke<strong>in</strong>es se<strong>in</strong>er<br />
Opfer gefragt. »Ich weiß es <strong>nicht</strong>«, antwortete er nach langem<br />
Schweigen. Er war verlegen, und um Ariels Aufmerksamkeit<br />
abzulenken, zeigte er erneut <strong>in</strong> das Zimmer, auf das Foto<br />
e<strong>in</strong>es jungen Mädchens <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er adretten Bluse: Das gerahmte<br />
Bild stand auf e<strong>in</strong>em Büfett zwischen e<strong>in</strong>er bauchigen blauen<br />
Blumenvase und e<strong>in</strong>em Weihnachtsmann, den jemand aus<br />
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