„KEINER DIESER ORTE IST ZU FINDEN“ – ZUR ...
„KEINER DIESER ORTE IST ZU FINDEN“ – ZUR ...
„KEINER DIESER ORTE IST ZU FINDEN“ – ZUR ...
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Osteuropas (Ungarn - Pécs, Budapest, Jugoslawien - Belgrad, Polen - Galizien,<br />
Serbien, Bukowina - Czernowitz, Rumänien - der Ort „vor dem Schwarzen Meer“<br />
wo die Donau durch eine Delta einmündet, Bulgarien - Sofia, Russland - die<br />
Eremitage), Menschentypen- und Typologien (Ivan, Fanny Wischnewski, Marek,<br />
Lajos, Dr. Krawanja, Herr Bardos, Herr Sedlacek, Frau Senta Novak, Elfi Nemec)<br />
gelingt es Bachmann - erstens rein formal und dann auch inhaltlich - die anfangs<br />
erwähnte Grenze des „Dreiländerecks“, die Grenze „zwischen Ost und West“ und<br />
damit auch „die Grenze der Sprache“ zu überschreiten, um an einen Begegnungsort<br />
zu gelangen, der sich trotz aller Bemühungen nicht lokalisieren und fixieren lässt. In<br />
welcher Art der Ort in Bachmanns Werk mit der reinen historischen Realität des als<br />
Kind erlebten Zweiten Weltkriegs und des Anschlusses Österreichs am Nazi-<br />
Deutschland korrespondiert, war eine von den meist thematisierten<br />
Problemkonstanten der Bachmann-Forschung 23 . Wichtig scheint bei der<br />
österreichischen Dichterin die Suche nach dem Ort zu sein, der ausschließlich<br />
weder in einer belegbaren Realität noch in einer Irrealität oder Fiktion zu verorten<br />
ist, der nicht aus räumlichen und zeitlichen Dichotomien entsteht („Die Zeit fällt<br />
mit dem Ort zusammen“ in „Malina“), sondern diese Dichotomien durchquert und<br />
einen anderen Ort sucht, wo die Liebe zur Poesie und die Poesie der Liebe sich<br />
gegenseitig durchdringen und ineinander auflösen. Diesen Ort findet man nicht, wie<br />
es sich auch aus der Sicht Undines ergibt: „Die Welt ist schon finster, und ich kann<br />
die Muschelkette nicht anlegen. Keine Lichtung wird sein“ 24 .<br />
Wenn wir zur Suche Celans nach dem Ort seiner eigenen Herkunft<br />
und der absoluten Dichtung zurückkehren, mündet dieser Ort auch in Finsternis,<br />
wie es in der „Meridian“- Rede formuliert wurde: „Keiner dieser Orte ist zu<br />
finden“. Nur dass Celan selbst, so wie Bachmann, nicht aufhört, zu suchen und<br />
sogar „etwas - wie die Sprache - Immaterielles, aber Irdisches, Terrestrisches,<br />
etwas Kreisförmiges, über die beiden Pole in sich Zurückkehrendes und dabei -<br />
heiterer weise - sogar die Tropen Durchkreuzendes -: (...) einen Meridian 25 “ zu<br />
finden. Die Sprache ist hier nicht nur als Vermittelndes, sondern zugleich als<br />
Vermitteltes zu verstehen, eine Sprache, die über die Sprache spricht, eine<br />
Metapoesie. Jedes einzelne Wort weist auf sich selbst hin, die Sprache ist<br />
rückbezüglich, reflexiv. Die Dichtung thematisiert sich selbst und führt zu<br />
einem neuen, höheren, symbolisch-abstrakteren Realitätsbezug, weshalb man<br />
bei Celan nicht von einem direkt zeigbaren Ort in der „Kartographie“ seiner<br />
Dichtung oder vom Gedicht als konkreten Ort des Geschehens, der Einlösung<br />
und Auflösung der Gegensätze sprechen kann, sondern vom Gedicht als „Ort,<br />
wo alle Tropen und Metaphern ad absurdum geführt werden wollen“, von<br />
„Toposforschung (...) im Lichte der U-topie 26 .<br />
Für Ingeborg Bachmann bedeutet die dichterische Sprache eine<br />
Grenzüberschreitung zu einem weitentfernten Ort, zu einem Ort genau so wenig<br />
direkt definierbar wie bei Celan. Es ist der Ort der Dichtung, der sich bei Celan<br />
als „eine Art Heimkehr“ ohne konkreten Ort ergibt und bei Bachmann das<br />
„Ungetrennte“ und doch „Nichtvereinte“ ist.<br />
269