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LANDGENUSS IN FARBE<br />
Christoph Tannert<br />
Wer sich auf den Weg in die Landschaften von <strong>Kim</strong><br />
<strong>Reuter</strong> macht, der fährt durch sanfte Mittelgebirgsstruktur, bis er seine Weltneugier befriedigt sieht auf Tuffböden<br />
und bewaldeten Basaltkuppen, die von Lavaströmen modelliert wurden. Willkommen in der Vulkaneifel!<br />
„Der Mensch braucht so etwas wie Heimat“, sagt <strong>Kim</strong> <strong>Reuter</strong>, „Landeplätze – frei von Schmalz und<br />
Nostalgie, um bodenständig und zugleich universell sein zu können.“ 1<br />
Die Malerin wohnt mit ihrem Mann und ihren Kindern Milli (13) und Hugo (12) am Rande von Leudersdorf,<br />
15 Minuten von Blankenheim, 20 Minuten von Gerolstein und eine Stunde von Köln entfernt. Eigentlich kommen<br />
sie aus Köln und sind hier vor ein paar Jahren zufällig gestrandet. Aus dem geplanten Wochenendunterschlupf<br />
wurde dann doch ein größeres Wohnhaus. „Ich liebe die Eifel aufgrund ihrer vielen Facetten und<br />
ihrer Rauheit“, sagt die Künstlerin, „ich genieße die ruhige Landschaft der Wacholderheiden und der tiefen<br />
Mischwälder, nichts geht über die Züge der vulkanischen Hügellandschaft, sie entsprechen meinem Gemüt.“ 2<br />
Malen im grünen Bereich. Der Zeitgeist trägt Gummistiefel.<br />
Natürlich gibt es auch andere Regionen, in denen sie sich gern aufhält, am Gardasee z.B., auf Spiekeroog, in<br />
Dänemark und am Atlantik, deswegen wehrt sie sich verständlicherweise, in die Schublade „Eifel-Malerin“<br />
gesteckt zu werden, als ob es ein spezielles Eifel-Feeling, einen typischen Eifel-Standpunkt gäbe, über den<br />
ein „Eifel“-Künstler identifizierbar wäre, wollte man nicht nur auf ein paar Eifel-Motive festgenagelt werden.<br />
Wer weiß, vielleicht hätte sie auf einem anderen Fleckchen Erde gar nicht erst mit der Landschaftsmalerei<br />
begonnen.<br />
Barnett Newman (1905-1970), Schrittmacher des Colour Field Painting, sah 1965 die Aufgabe eines Künstlers<br />
noch darin, einen Ort zu kreieren, an dem ein Mensch sicher sein kann, „er ist da, damit er sich seiner selbst<br />
gewahr ist.“ Newman nahm Bezug auf das menschliche Umfeld, dem er wenig Eigenwert zubilligte, das<br />
aber die Betrachter dazu animieren sollte, für sich sichtbar zu werden. Aus dieser Selbstisolierung, so Newman,<br />
leite sich ein sozialer Nutzen ab. Er lebte für eine Idealvorstellung: „Hoffentlich hat meine Malerei die<br />
Durchschlagskraft, jemandem, wie es mir geschehen ist, das Gefühl seiner eigenen Ganzheit, seiner eigenen<br />
Abgesondertheit, seiner Individualität und gleichzeitig seiner Verbundenheit mit anderen, die ebenso abgeschieden<br />
sind, zu vermitteln. [...] Man kann doch nur dann andere verstehen, wenn man einen Sinn für sein<br />
eigenes Wesen entwickelt hat.“ 3<br />
Künstler und Künstlerinnen unserer Tage arbeiten zumeist lässiger, mit einem weniger ausgeprägten Willen<br />
zur Selbstbehauptung. Für <strong>Kim</strong> <strong>Reuter</strong>, die ebenfalls weniger rigoros denkt, ist es das Zusammensein mit ihrer<br />
Familie, das ihr die Einsicht vermittelt, bei sich und am richtigen Platz zu sein, eine ständige Animation ihrer<br />
kreativen Bindung an einen bestimmten Ort. Im Hier gegründet, dehnt sie ihr Ich in die Kunst aus. Durch<br />
ihre Familie, die beständig in ihren Bildern präsent ist, wächst ihr eine Sicherheit zu, die Selbsterkenntnis ermöglicht<br />
und offen macht, Welt zu assimilieren. Im Ablesen dessen, was um sie herum und im Kraftfeld der<br />
familiären Bindungskräfte passiert, baut sich ihr Werk auf.<br />
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„Straße“, 2009 (Detail)<br />
Eitempera auf Leinwand, 100 x 240 cm<br />
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