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Download Handreichung (Markus Bundi/Lara ... - Haymon Verlag

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Mit dem Wunsch, ein wenig abzunehmen, schlich sich auch bei Sophia eine Essstörung ins Leben. Die 21-Jährige<br />

macht ebenfalls eine stationäre Therapie im Unispital. „Ich war früher eher kräftig“, sagt sie. Sie machte eine<br />

Diät, bekam Komplimente, nahm weiter ab. Und merkte irgendwann, dass sie nicht mehr aufhören konnte. „Ein<br />

Todesfall in der Familie hat mich letzten August zusätzlich belastet, und ab da ging es rasant bergab.“ Sophia ass<br />

kaum mehr. Einen neuen Job als Verkäuferin verlor sie Anfang des Jahres nach zwei Monaten, weil sie körperlich<br />

nicht mehr in der Lage war, die langen Arbeitstage durchzustehen.<br />

Bei Besorgnis früh reagieren<br />

Für Eltern haben die Experten verschiedene Ratschläge: Wichtig sind regelmässige Mahlzeiten. Und: „Man muss<br />

das Selbstwertgefühl der Kinder stärken“, sagt Pauli, „ihnen sagen, was sie gut machen, dass sie schön sind,<br />

auch in der Pubertät noch.“ Und wenn sich jemand Sorgen mache, das eigene Kind könnte ein gestörtes Essverhalten<br />

zeigen: möglichst früh professionelle Hilfe suchen. Am Kinderspital Zürich gibt es etwa eine ambulante<br />

Sprechstunde, wo Betroffene schon Hilfe bekommen, bevor sie richtig in die Störung abrutschen. Auch Eltern<br />

können sich beraten lassen.<br />

Das Körpergefühl junger Mädchen hat sich in den letzten Jahren verschlechtert. Im Rahmen der „Bravo-Dr.-<br />

Sommer-Studie“ werden alle drei Jahre Jugendliche in Deutschland befragt. Während im Jahr 2006 noch 70<br />

Prozent der 16- bis 17-jährigen Mädchen mit ihrem Aussehen zufrieden waren, sind es 2009 nur noch 55 Prozent.<br />

Gestiegen ist auch der Anteil der Mädchen, die unzufrieden mit ihrem Gewicht sind: von 31 auf 52 Prozent.<br />

Diese Tendenz zeichnet sich schon früh ab. In einer neuen Studie der Freiburger Psychologin Caroline Bender<br />

beklagten sich 33 Prozent der 8- bis 14-jährigen Mädchen, sie fühlten sich zu dick.<br />

„Auch die digital retuschierten Bilder bleiben nicht ohne Wirkung“, sagt Psychiaterin Pauli. Obwohl jeder wisse,<br />

dass die Bilder dünner, makelloser Models mit Photoshop geschönt seien, beeinflussten sie uns. „Wir können uns<br />

dem nicht entziehen“, sagt Pauli, „und die Jugendlichen, die in einer schwierigen Übergangsphase in ihrem Leben<br />

stecken, noch viel weniger.“ Das sei jedem klargeworden, als eine Kosmetikfirma eine Werbekampagne mit<br />

„real women“ gestartet habe. „So sehen wir alle aus, und trotzdem irritieren einen die Bilder irgendwie.“<br />

Superman schaffts auch ohne Sixpack<br />

Um digital geschönte Bilder und Schönheitsideale geht es auch an einem Aufklärungstag in der siebten Klasse<br />

der Orientierungsschule Kerzers BE. „Natürlich beschäftigt uns das“, sagt Catarina, 14, und lacht. „Eigentlich<br />

den ganzen Tag“, ergänzt sie, und Kollegin Leonie nickt zustimmend. Was die Mädchen den ganzen Tag umtreibt,<br />

ist die Frage, wer schön ist, was schön ist, wer dünn, dick, attraktiv, hässlich. Catarina und Leonie haben<br />

gerade mit der ganzen Klasse am Workshop „Body talk“ teilgenommen – ein Präventionsprogramm für Kinder<br />

und Jugendliche. Es soll ihnen ein gutes Körper- und Selbstwertgefühl vermitteln und so vor Essstörungen schützen.<br />

Brigitte Rychen von der Fachstelle Prävention Essstörungen Praxisnah des Inselspitals Bern ist dafür in der<br />

ganzen Schweiz unterwegs. „Ich rede nicht von Essstörungen“, sagt sie, „höchstens, wenn die Kinder von sich<br />

aus Fragen dazu stellen.“<br />

Eine Viertelstunde zuvor machte Leonie grosse Augen, als Kursleiterin Rychen zwei Hosen hochhielt. Beide hatten<br />

Grösse 38, doch der Hosenbund des einen Modells war um ganze fünf Zentimeter breiter. „Macht euch keine<br />

Sorgen, wenn euch eure Grösse mal nicht passt“, sagte Rychen. Die Grössen seien nicht festgelegt und variierten<br />

je nach Hersteller enorm. Niemand müsse sich für zu dick halten, nur weil mal die Hose in der Grösse, die man<br />

normalerweise trage, nicht passe.<br />

Zu Beginn des Workshops hält Rychen zwei Plastikfiguren von Superman in die Höhe. Die eine ist neu und muskelbepackt,<br />

die andere aus den achtziger Jahren. Stark war Superman zwar auch damals schon, doch Sixpack und<br />

Waschbrettbauch zeichneten sich nicht ab. Rychen bespricht mit den Jugendlichen, wie sich auch Jungs heute<br />

vermehrt dem Fitness- und Schönheitsdiktat beugen. Beispielsweise ins Fitnessstudio rennen, sich die Brusthaare<br />

entfernen. Der 13-jährige David murmelt: „Roger Federer hat aber ziemlich viel Haare auf der Brust.“<br />

Anschliessend tragen die Jungen und Mädchen in getrennten Gruppen zusammen, wie ein idealer Mann, eine<br />

ideale Frau heute auszusehen hat und wie wenig davon Realität oder vom Einzelnen beeinflussbar ist. Alle sollen<br />

dann an eine geliebte Person denken und auf einem Blatt fünf Gründe aufschreiben, warum sie diesen Menschen<br />

mögen. In der anschliessenden Auswertung zeigt sich, dass das Aussehen 20-mal vorkommt, Eigenschaften hingegen<br />

98-mal genannt wurden.

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