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Das Konfliktpotential der Ressource Wasser - Nachhaltigkeit ...

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Seminararbeit<br />

<strong>Das</strong> <strong>Konfliktpotential</strong> <strong>der</strong> <strong>Ressource</strong> <strong>Wasser</strong> -<br />

Handlungsoptionen für eine gerechte und nachhaltige<br />

Allokation<br />

Vorgelegt von<br />

Cand.-Wi.-Ing. Kai Moldenhauer<br />

Sommersemester 2010<br />

Karlsruhe, 25.06.2010<br />

Betreut von<br />

Dr. Gero Leneweit und Dr. Rolf Dorka


Inhaltsverzeichnis<br />

1. Einleitung ............................................................................................................................... 2<br />

2. Die <strong>Ressource</strong> <strong>Wasser</strong> ........................................................................................................... 4<br />

2.1. Situation <strong>der</strong> globalen und regionalen <strong>Wasser</strong>knappheit ................................... 4<br />

2.2. Auswirkungen und <strong>Konfliktpotential</strong>e ............................................................... 10<br />

3. Handlungsoptionen für eine gerechte und nachhaltige <strong>Ressource</strong>nallokation .................. 13<br />

3.1. <strong>Das</strong> Menschenrecht auf <strong>Wasser</strong> ......................................................................... 14<br />

3.2. <strong>Wasser</strong>ressourcenmanagement ........................................................................ 16<br />

3.3. Virtueller <strong>Wasser</strong>handel ..................................................................................... 19<br />

4. Fazit und Ausblick ................................................................................................................ 23<br />

5. Literaturverzeichnis ............................................................................................................. 25<br />

1


1. Einleitung<br />

Diese drei Zitate zeigen deutlich die aktuelle problematische und vor allem sich zuschärfende<br />

zukünftige Lage bezüglich <strong>der</strong> wichtigsten <strong>Ressource</strong> unseres Planeten: <strong>Wasser</strong>. Sie ist<br />

Lebensgrundlage aller Existenz, Basis für unsere Ernährung, wichtiger Produktionsfaktor, vor<br />

allem aber auch eine zunehmend knappe <strong>Ressource</strong>. Es ist sehr einsichtig, dass die<br />

Verknappung einer so elementaren <strong>Ressource</strong> gleichzeitig ein zentrales Sicherheitsrisiko für<br />

die Zukunft birgt. Von einer drohenden globalen <strong>Wasser</strong>krise ist die Rede und das Thema<br />

wird in <strong>der</strong> breiten Öffentlichkeit zu einem mehr und mehr diskutierten. 4 Die konkrete,<br />

bereits sehr akute Problematik lässt sich anhand einiger weniger Fakten bereits gut<br />

darstellen. So sterben laut dem Weltwasserbericht <strong>der</strong> UNESCO von 2006 5 jeden Tag fast<br />

4000 Kin<strong>der</strong> an den Folgen des fehlenden Zugangs zu sauberem Trinkwasser. Insgesamt<br />

1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

5<br />

Vgl. (UNESCO, Water for People, Water for Life: The United Nations World Water Development Report<br />

2003)<br />

OECD Environment Outlook to 2030 innerhalb des (UNESCO, Water in a Changing World: The United<br />

Nations World Water Development Report 3 2009), wobei man von <strong>Wasser</strong>stress ab einem<br />

Schwellenwert von 1700 m³ pro Kopf und Jahr zur Verfügung stehen<strong>der</strong> <strong>Wasser</strong>menge spricht<br />

Boutros Boutros-Ghali war zum Zeitpunkt dieses Zitates damaliger ägyptischer Außenminister (1977-91)<br />

und wurde später UN-Generalsekretär (1992-96)<br />

Vgl. (Bastian 2008)<br />

Vgl. (UNESCO, Water, a Shared Responsibility: The United Nations World Water Development Report 2<br />

2006)<br />

2


sterben weit mehr Menschen aufgrund des Mangels an sauberem Trinkwasser als in<br />

bewaffneten Konflikten. 6<br />

Die Auswirkungen sind schnell erkennbar und undiskutabel offensichtlich. Worin liegen aber<br />

ihre Ursachen? Entscheidend für die dargestellten Szenarien ist dabei interessanterweise<br />

nun nicht primär, wie man zunächst vermuten würde, eine bereits zu weit fortgeschrittene<br />

globale <strong>Wasser</strong>knappheit, son<strong>der</strong>n vielmehr eine ungerechte Allokation dieser<br />

lebensnotwendigen <strong>Ressource</strong>. Etwa 1,1 Milliarden Menschen haben heute keinen Zugang<br />

zu sauberem Trinkwasser. Betrachtet man die zur Verfügung stehenden <strong>Ressource</strong>n unseres<br />

Planeten, so wird schnell klar, dass dies nicht direkt auf die insgesamt globale<br />

<strong>Ressource</strong>nknappheit zurückzuführen ist, son<strong>der</strong>n vielmehr auf den Umgang mit <strong>der</strong><br />

<strong>Ressource</strong> und die ökonomischen, politischen und soziokulturellen Probleme, die einer<br />

gerechten und nachhaltigen Verteilung im Wege stehen.<br />

Die vorliegende Seminararbeit versucht, einen Überblick über diesen Zusammenhang zu<br />

verschaffen und einen Ausblick zu geben, welche Ansätze zur Lösung dieses zentralen<br />

Problems <strong>der</strong> Zukunft existieren. Dabei wird in Kapitel 2 noch einmal genauer die <strong>Ressource</strong><br />

<strong>Wasser</strong> hinsichtlich ihrer Nutzung und Übernutzung beleuchtet, um einen Bogen zu dem<br />

damit möglicherweise verbundenen <strong>Konfliktpotential</strong> zu schlagen. In Kapitel 3 werden dann<br />

Lösungsansätze diskutiert, die diesen Problemen möglichst sinnvoll begegnen können.<br />

Hierbei sind dies vor allem drei Ansätze: <strong>Das</strong> Menschenrecht auf <strong>Wasser</strong>, ein effektives<br />

<strong>Wasser</strong>ressourcenmanagement und <strong>der</strong> Handel mit <strong>der</strong> Einheit des virtuellen <strong>Wasser</strong>s.<br />

Kapitel 4 schließt den Rahmen und gibt ein Fazit sowie einen Ausblick.<br />

6<br />

Vgl. (Winkler 2008)<br />

3


2. Die <strong>Ressource</strong> <strong>Wasser</strong><br />

<strong>Wasser</strong> ist die am häufigsten vorkommende Substanz auf <strong>der</strong> Erde ist. Von dieser enormen<br />

Menge ist jedoch nur ein Bruchteil für den Menschen direkt als Trinkwasser nutzbar. So sind<br />

von dem vorhandenen Volumen nur 2,53 Prozent Süßwasser, 97,47 Prozent dagegen<br />

Salzwasser. Vom nutzbaren Süßwasseranteil wie<strong>der</strong>um sind etwa zwei Drittel <strong>der</strong> Vorräte in<br />

Gletschern und ständiger Schneedecke gebunden. Desweiteren bestehen riesige<br />

Unterschiede hinsichtlich <strong>der</strong> Verfügbarkeit in unterschiedlichen Teilen <strong>der</strong> Welt und große<br />

Schwankungen <strong>der</strong> saisonalen und jährlichen Nie<strong>der</strong>schläge an vielen Orten.<br />

2.1. Situation <strong>der</strong> globalen und regionalen <strong>Wasser</strong>knappheit<br />

Die Verbindung von geringem Süßwasseranteil mit räumlichen und zeitlichen Schwankungen<br />

des verfügbaren <strong>Wasser</strong>s hat zur Folge, dass die <strong>Ressource</strong> für all unsere Nutzungsformen<br />

knapp wird und es zukünftig zu einer <strong>Wasser</strong>krise kommt. 7 Diese drastische Logik ist<br />

zunächst gar nicht direkt ersichtlich. So lässt folgendes Beispiel zunächst einmal das<br />

Gegenteil vermuten:<br />

Die arabische Halbinsel ist eine <strong>der</strong> wasserärmsten Gegenden auf <strong>der</strong> Welt mit einer<br />

durchschnittlich zur Verfügung stehenden <strong>Wasser</strong>menge von 326 m³ pro Jahr und Kopf. 8<br />

Geht man nun davon aus, dass ein Mensch einen Grundbedarf von 100 Litern <strong>Wasser</strong> pro<br />

Tag hat, so würde ein jährlicher Bedarf von 36.500 Litern (= 36,5 m³) nur rund ein Zehntel<br />

dieser beispielhaften Menge <strong>der</strong> arabischen Halbinsel darstellen. <strong>Das</strong> bedeutet, dass bei<br />

völlig horizontaler Verteilungsgerechtigkeit selbst in den wasserärmsten Regionen dieser<br />

Erde die <strong>Wasser</strong>problematik keine Rolle spielen würde.<br />

<strong>Das</strong>s dem aber nicht so ist, können wir bereits heute beinahe täglich in den Medien<br />

erfahren. Woran liegt das?<br />

7<br />

8<br />

Vgl. (UNESCO, Water for People, Water for Life: The United Nations World Water Development Report<br />

2003)<br />

Vgl. (UN, United Nations Environment Programme - Annual Report 2002 2002)<br />

4


Entscheidend in <strong>der</strong> Beantwortung dieser Frage ist, dass wir die für uns lebensnotwendige<br />

<strong>Ressource</strong> nicht nur für die Deckung <strong>der</strong> Grundbedürfnisse einsetzen. Wie bereits kurz<br />

angerissen, geht es vielmehr um „all unsere Nutzungsformen“. So erfolgt nur ein Bruchteil<br />

des <strong>Wasser</strong>verbrauchs tatsächlich in den Haushalten. Global gesehen werden sogar nur 8<br />

Prozent in den Haushalten verbraucht, 22 Prozent dagegen in <strong>der</strong> Industrie und enorme 70<br />

Prozent in <strong>der</strong> Landwirtschaft.<br />

<strong>Wasser</strong>nutzung (global)<br />

Haushalte<br />

8%<br />

Industrie<br />

22%<br />

Landwirtschaft<br />

70%<br />

<strong>Wasser</strong>nutzung<br />

(Län<strong>der</strong> mit niedrigem Einkommen)<br />

<strong>Wasser</strong>nutzung<br />

(Län<strong>der</strong> mit hohem Einkommen)<br />

Haushalte<br />

8%<br />

Industrie<br />

10%<br />

Landwirtschaft<br />

82%<br />

Industrie<br />

59%<br />

Landwirtschaft<br />

30%<br />

Haushalte<br />

11%<br />

Abbildung 1: Konkurrierende <strong>Wasser</strong>nutzungsformen in wichtigen Län<strong>der</strong>gruppen in Anlehnung an (UNESCO, Water for<br />

People, Water for Life: The United Nations World Water Development Report 2003)<br />

Die Verteilung <strong>der</strong> <strong>Wasser</strong>nutzung zwischen Landwirtschaft und Industrie ist beim Vergleich<br />

von Industrie- und Entwicklungslän<strong>der</strong>n natürlich sehr unterschiedlich. Interessant ist<br />

jedoch, dass auch trotz dieser großen Divergenz <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Haushalte und damit <strong>der</strong><br />

tatsächlichen Nutzung des <strong>Wasser</strong>s für die lebensnotwendigen Bedürfnisse fast gleich ist.<br />

Durchleuchtet man ein wenig tiefgründiger die einschlägige Literatur zu diesem Thema <strong>der</strong><br />

ungleichen Verteilung <strong>der</strong> <strong>Ressource</strong> <strong>Wasser</strong>, so trifft man recht schnell auf spannende und<br />

eindrucksvolle Beispiele. Eines davon, an dem man die reale Allokation sehen kann, ist<br />

5


folgendes: Mexiko-City - Die Armenviertel <strong>der</strong> Millionenstadt werden nicht mehr mit<br />

ausreichend Trinkwasser versorgt, weil bereits zu den reicheren Vierteln die Versorgung kurz<br />

vor einem Engpass steht. Bereits dort muss das <strong>Wasser</strong> über riesige Distanzen mittels<br />

Pumpanlagen herantransportiert werden, da die Stadt bereits um 10 Meter aufgrund <strong>der</strong><br />

Übernutzung des Grundwassers abgesunken ist. Eindrucksvoll ist auch das Beispiel aus Delhi,<br />

wo ebenfalls ärmere Viertel nicht mehr mit <strong>Wasser</strong> versorgt werden können, weil in<br />

reicheren Vierteln die <strong>Ressource</strong> verschwen<strong>der</strong>isch genutzt wird, beispielsweise für die<br />

Bewässerung von Golfplätzen und Hotelanlagen. Ein berühmtes Zitat in diesem Kontext<br />

beschreibt diesen Zusammenhang so: „Water does not necessarily flow downhill, rather it<br />

flows towards money.“ 9 Offensichtlich gibt es also selbst bei einer so elementaren <strong>Ressource</strong><br />

die Tendenz zu einer ungerechten Verteilung bezüglich verschiedener sozialer Schichten<br />

o<strong>der</strong> Bevölkerungsgruppen.<br />

Forscht man an dieser Stelle weiter, stellt sich die Frage, worin wie<strong>der</strong>um die Ursachen für<br />

eine sich immer weiter verschärfende Divergenz in <strong>der</strong> Allokation <strong>der</strong> <strong>Ressource</strong> <strong>Wasser</strong><br />

liegen. Mehrere Faktoren spielen hierbei eine Rolle. Allen voran ist natürlich das<br />

überproportionale Bevölkerungswachstum in Kombination mit einem ebenfalls steigenden<br />

Pro-Kopf Verbrauch des <strong>Wasser</strong>s zu nennen. Die folgende Grafik zeigt zunächst die in <strong>der</strong><br />

Öffentlichkeit sehr bekannte zukünftige Entwicklung des Bevölkerungswachstums, hier<br />

dargestellt in Form von Wachstumsquoten zwischen 2000 und 2080:<br />

9<br />

Vgl. (Winkler 2008, 104)<br />

6


Abbildung 2: Erwartetes Bevölkerungswachstum zwischen 2000 und 2080 nach (UNESCO, Water in a Changing World:<br />

The United Nations World Water Development Report 3 2009)<br />

Es ist deutlich erkennbar, dass vor allem in den Entwicklungslän<strong>der</strong>n und damit zumeist<br />

ärmeren Regionen <strong>der</strong> Erde ein enormes Bevölkerungswachstum zu erwarten ist.<br />

Die folgende Grafik zeigt dagegen die aktuelle Bevölkerungsverteilung mit <strong>der</strong> jeweils<br />

zugehörigen Verfügbarkeit <strong>der</strong> <strong>Ressource</strong> <strong>Wasser</strong>:<br />

Abbildung 3: Verfügbarkeit von <strong>Wasser</strong> im Vergleich zur Bevölkerung aus (UNESCO, Water for People, Water for Life: The<br />

United Nations World Water Development Report 2003)<br />

7


Schlussfolgernd sieht man in <strong>der</strong> Kombination bei<strong>der</strong> Szenarien, dass vor allem in Afrika,<br />

Australien und im nahen bzw. mittlerem Osten in naher Zukunft mit erheblichen<br />

Versorgungsschwierigkeiten zu rechnen sein wird, bereits heute aber vor allem in Asien eine<br />

erhebliche Problematik besteht. Auch folgende Grafik belegt dies:<br />

Lateinamerika<br />

und<br />

Karibik<br />

6%<br />

Verteilung <strong>der</strong> nicht an die<br />

<strong>Wasser</strong>versorgung<br />

angeschlossenen Bevölkerung<br />

Europa<br />

2%<br />

Afrika<br />

27%<br />

Asien<br />

65%<br />

Abbildung 4: Verteilung <strong>der</strong> nicht an die <strong>Wasser</strong>versorgung angeschlossenen Bevölkerung in Anlehnung an (UNESCO,<br />

Water for People, Water for Life: The United Nations World Water Development Report 2003)<br />

Desweiteren verän<strong>der</strong>n sich im Laufe <strong>der</strong> Zeit Verbrauchsmuster, insbeson<strong>der</strong>e<br />

Ernährungsgewohnheiten wie beispielsweise <strong>der</strong> erhöhte Fleischkonsum. Betrachtet man<br />

den <strong>Wasser</strong>bedarf für die Herstellung von Lebensmitteln, so erkennt man erstaunliche<br />

Zahlen, die schnell darauf hindeuten, welche Auswirkungen eben solche Verän<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong><br />

Konsumgewohnheiten haben können. Folgende Tabelle liefert einige beispielhafte,<br />

eindrucksvolle Zahlen:<br />

8


Erzeugnis Einheit <strong>Wasser</strong>bedarf in Kubikmeter<br />

Rin<strong>der</strong> Tier 4.000<br />

Schafe und Ziegen Tier 500<br />

Rindfleisch, frisch Kilogramm 15<br />

Schaf-/Lammfleisch, frisch Kilogramm 10<br />

Geflügelfleisch, frisch Kilogramm 6<br />

Getreide Kilogramm 1,5<br />

Zitrusfrüchte Kilogramm 1<br />

Palmöl Kilogramm 2<br />

Hülsenfrüchte Kilogramm 1<br />

Tabelle 1: <strong>Wasser</strong>bedarf für die Erzeugung wichtiger Nahrungsmittel (pro Einheit) in Anlehnung an (UNESCO, Water for<br />

People, Water for Life: The United Nations World Water Development Report 2003)<br />

Zu beachten ist dabei, dass 15 Kubikmeter <strong>Wasser</strong>bedarf für die Erzeugung von einem<br />

Kilogramm Rindfleisch 15.000 Litern <strong>Wasser</strong> entsprechen.<br />

Hinsichtlich <strong>der</strong> Ursachenforschung liegen nun weitere Faktoren auf <strong>der</strong> Hand. Zu nennen<br />

sind darunter das immer fortwährende Wirtschaftswachstum, die Urbanisierung und <strong>der</strong><br />

Klimawandel 10 , die allesamt implizit einen höheren Verbrauch und eine lokal und<br />

soziokulturell ungleichere Allokation des <strong>Wasser</strong>s mit sich ziehen. Lokale <strong>Wasser</strong>knappheiten<br />

durch die insgesamt steigende Nachfrage und das gleichzeitig sinkende Angebot führen also<br />

direkt auf die eingangs genannte zukünftige Situation einer <strong>Wasser</strong>krise. Was aber bedeutet<br />

hier genau Krise? Die bisherigen Krisen unserer Gesellschaft stehen zumeist in<br />

Zusammenhang mit militärischen Konflikten, Wirtschaftskrisen und damit sozialen<br />

Auswirkungen o<strong>der</strong> mit <strong>der</strong> Krise sich verknappen<strong>der</strong> <strong>Ressource</strong>n wie Rohöl hinsichtlich <strong>der</strong><br />

Energieproduktion. Eine Krise und vor allem seine Auswirkungen im Zusammenhang mit<br />

einer lebensnotwendigen <strong>Ressource</strong> kann man sich dagegen aber nur schwer vorstellen. Die<br />

möglichen Szenarien versucht <strong>der</strong> folgende Abschnitt anzureißen.<br />

10<br />

„Most climate scientists agree that global warming will result in an intensification, acceleration or<br />

enhancement of the global hydrologic cycle, and there is some observational evidence that this is<br />

already happening” in (UNESCO, Water in a Changing World: The United Nations World Water<br />

Development Report 3 2009)<br />

9


2.2. Auswirkungen und <strong>Konfliktpotential</strong>e<br />

“There is enough water for everyone. The problem we face today is largely one of<br />

governance: equitably sharing this water while ensuring the sustainability of natural<br />

ecosystems. At this point in time, we have not yet achieved this balance.” 11 , so beschreibt<br />

die UNSESCO in ihrem 2. Weltwasserbericht von 2006 den Zusammenhang von ungleicher<br />

Verteilung <strong>der</strong> <strong>Ressource</strong> <strong>Wasser</strong> und des bisherigen Scheitern einer nachhaltigen Allokation.<br />

Dieser bereits in Kapitel 2.1 beschriebene Zustand birgt ein enormes <strong>Konfliktpotential</strong>, vor<br />

allem weil die Verteilung beson<strong>der</strong>s hinsichtlich soziokultureller Schichten und Gruppen<br />

extrem vertikal ist. Beson<strong>der</strong>s in den ärmeren Regionen unserer Erde ist diese ungleiche<br />

Verteilung beson<strong>der</strong>s intensiv ausgeprägt. So heißt es im United Nations Development<br />

Programme aus dem Jahre 2006: „In vielen Entwicklungslän<strong>der</strong>n verschärft sich die<br />

Konkurrenz um <strong>Wasser</strong> in einem beängstigenden Tempo und führt dabei zu heftigen –<br />

manchmal gewaltsamen – Auseinan<strong>der</strong>setzungen.“ 12 Die Situation krisenhafter Divergenzen<br />

bleibt also nicht nur Zukunftsszenario, son<strong>der</strong>n ist bereits Realität.<br />

Eine zunehmende <strong>Wasser</strong>knappheit birgt also ein hohes <strong>Konfliktpotential</strong>, sowohl auf<br />

innerstaatlicher wie auch auf zwischenstaatlicher Ebene. Lei<strong>der</strong> ist dies jedoch ein noch<br />

relativ ungewisser und unklarer Zusammenhang: „<strong>Das</strong> Wissen um konkrete<br />

<strong>Konfliktpotential</strong>e auf lokaler Ebene sowie über diesbezügliche Wechselwirkungen<br />

unterschiedlicher politischer Maßnahmen ist häufig ebenso wenig ausgeprägt wie<br />

institutionalisierte Möglichkeiten <strong>der</strong> Konfliktregelung.“ 13 Die Tatsache bestehen<strong>der</strong><br />

Konflikte zieht in <strong>der</strong> Realität also nicht zwangsläufig eine direkte politische<br />

Auseinan<strong>der</strong>setzung mit <strong>der</strong> Entwicklung möglichen Gegenmaßnahmen mit sich. In <strong>der</strong> Tat<br />

ist es so, dass politische Entscheidungen über das <strong>Wasser</strong>management nicht zwangsläufig<br />

ökonomisch o<strong>der</strong> ökologisch rationalen Entscheidungen folgen, son<strong>der</strong>n stark von<br />

etablierten Sozialstrukturen beeinflusst sind. 14 <strong>Das</strong> bedeutet, dass ein enormes<br />

<strong>Konfliktpotential</strong> nicht nur in <strong>der</strong> rein ökologischen Verknappung <strong>der</strong> <strong>Ressource</strong> <strong>Wasser</strong> zu<br />

sehen sind, son<strong>der</strong>n auch in den bestehenden strukturellen, sozioökonomischen<br />

11<br />

12<br />

13<br />

14<br />

Vgl. (UNESCO, Water, a Shared Responsibility: The United Nations World Water Development Report 2<br />

2006)<br />

Vgl. (UN, United Nations Development Programme - Annual Report 2006 2006)<br />

Vgl. (Houdret 2008)<br />

Vgl. (Houdret 2008, 50)<br />

10


Divergenzen eines Landes, die sich mit dieser Verknappung verschärfen und wie<strong>der</strong>um neue<br />

Konfliktherde hervorrufen können. Strukturelle Konfliktursachen hängen dabei vor allem mit<br />

<strong>der</strong> Marginalisierung von ethnischen, sozialen, politischen o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>s abgrenzbaren<br />

Bevölkerungsgruppen eng zusammen. Hierbei ist zwischen einer ökologischen<br />

Marginalisierung 15 mit begrenztem Zugang zu ausreichend fruchtbarem Ackerland und einer<br />

sozioökonomischen Marginalisierung zu unterscheiden. Letztere spiegelt sich z.B. in <strong>der</strong> sich<br />

immer weiter intensivierenden Migration in urbane o<strong>der</strong> fruchtbarere Gebiete wie<strong>der</strong>, so<br />

wie wir sie schon heute wahrnehmen können und wie sie vor allem in Zukunft zu deutlich<br />

höheren <strong>Konfliktpotential</strong>en führen könnte. 16<br />

Weitere Untersuchungen haben gezeigt, dass <strong>Wasser</strong>knappheit vor allem dort zum Auslöser<br />

von Konflikten geworden ist, wo bereits länger Spannungen aufgrund religiöser, ethischer<br />

o<strong>der</strong> politischer, zwischenstaatlicher Rivalitäten bestanden haben. Und auch im bereits<br />

angesprochenen Vergleich mit <strong>der</strong> <strong>Ressource</strong> Erdöl muss <strong>der</strong> <strong>Wasser</strong>knappheit ein enormes<br />

Gefahrenpotential zugesprochen werden, sodass die <strong>Ressource</strong> sogar zu einem Machtfaktor<br />

werden kann. Hierbei denke man nur beispielsweise an das Abschneiden o<strong>der</strong> Verknappen<br />

durch wasserbauliche Maßnahmen wie Staudämmen eines grenzüberschreitenden Flusses.<br />

Reale Beispiele hierfür findet man nun bei <strong>der</strong> Wüstenbildung des ehemaligen Aralsees,<br />

beim Drei-Schluchten-Staudamm in China o<strong>der</strong> in Krisengebieten wie Südostanatolien, den<br />

anliegenden Gebieten von Nil o<strong>der</strong> Jordan, etc. Desweiteren werden sich vor allem die<br />

kleineren Konflikte um <strong>Wasser</strong> in Zukunft quantitativ enorm verschärfen. 17 Wie<strong>der</strong>um<br />

Beispiele hierfür sind die gewaltsamen Auseinan<strong>der</strong>setzungen zwischen einzelnen<br />

ethnischen Gruppen in Kenias trockenen Grenzgebieten um <strong>Wasser</strong> und fruchtbares<br />

Weideland, <strong>der</strong> 20 Jahre andauernde Konflikt zwischen Bangladesch und Indien um ebenfalls<br />

einen Grenzfluss o<strong>der</strong> die immer wie<strong>der</strong> auftauchenden Konflikte zwischen Jordanien, Israel<br />

und Libanon um das verfügbare <strong>Wasser</strong> in dieser Region.<br />

Eng verbunden mit <strong>der</strong> Thematik und Problematik <strong>der</strong> sich verknappenden <strong>Ressource</strong><br />

<strong>Wasser</strong> ist, wie man aus vorangegangen Inhalten schließen kann, die Problematik <strong>der</strong> Armut.<br />

Denn nur durch soziokulturelle Divergenzen kann sich eine Verteilungsproblematik knapper<br />

15<br />

16<br />

17<br />

Hierunter leiden vor allem Kleinbauern durch den immer schwieriger werdenden Zugang zu<br />

<strong>Wasser</strong>ressourcen. Folge ist zumeist die weitgehend unkontrollierte Ausweitung <strong>der</strong> privaten Brunnen<br />

und Bohrlöcher, die in zahlreichen Län<strong>der</strong>n zu einem rapiden Absinken des Grundwasserspiegels, zu<br />

Versalzungen o<strong>der</strong> Vertrocknen <strong>der</strong> Böden mit immer weiter führenden Problemen führen.<br />

Vgl. (Houdret 2008, 54)<br />

Vgl. (Katzmann 2007, 84)<br />

11


<strong>Ressource</strong>n verschärfen und Konfliktherde mit sich führen. So stellen die Beseitigung <strong>der</strong><br />

Armut sowie die Beeinflussung und Verän<strong>der</strong>ung nicht nachhaltiger Konsumgewohnheiten<br />

und Produktionsweisen sowie <strong>der</strong> Schutz und die Bewirtschaftung <strong>der</strong> natürlichen<br />

<strong>Ressource</strong>nbasis, auf <strong>der</strong> die wirtschaftliche und soziale Entwicklung aufbauen, die<br />

übergeordneten Ziele und die wesentlichen Voraussetzungen einer nachhaltigen Entwicklung<br />

dar (Kommission für nachhaltige Entwicklung [Commission for Sustainable<br />

Development – CSD], 2002).<br />

12


3. Handlungsoptionen für eine gerechte und nachhaltige<br />

<strong>Ressource</strong>nallokation<br />

Die bisherige Diskussion hat vor allem eines gezeigt: <strong>Wasser</strong> wird mehr und mehr zu einer<br />

knappen und ungerecht verteilten <strong>Ressource</strong> und birgt so zwangsläufig schon heute, vor<br />

allem aber in absehbarer Zukunft ein enormes <strong>Konfliktpotential</strong>. Kapitel 3 dieser<br />

Seminararbeit beschäftigt sich nun mit einigen interessanten Ansätzen und Möglichkeiten,<br />

diesem <strong>Konfliktpotential</strong> zu begegnen und eine gerechtere und vor allem nachhaltige<br />

Allokation <strong>der</strong> <strong>Ressource</strong> <strong>Wasser</strong> zu erzielen.<br />

In <strong>der</strong> öffentlichen Diskussion steht heute vor allem immer wie<strong>der</strong> die Frage nach <strong>der</strong><br />

Privatisierung von <strong>Wasser</strong>. Bei <strong>der</strong> <strong>Wasser</strong>versorgung handelt es sich jedoch um ein<br />

natürliches Monopol, da <strong>Wasser</strong> leitungsgebunden transportiert wird, somit ortsgebunden<br />

ist und für sich genommen, im wirtschaftswissenschaftlichen Sinn, schon als ein knappes Gut<br />

zu betrachten ist. Eine Vollliberalisierung wäre nur mit einem stark verän<strong>der</strong>ten, voll<br />

aufbereitetem „Einheitswasser“ möglich, welches alle For<strong>der</strong>ungen einer<br />

wirtschaftswissenschaftlichen Behandlung des Gutes für die Möglichkeiten <strong>der</strong><br />

Liberalisierung enthält. 18 Somit ist schnell klar, dass es einen klassischen Markt für die<br />

<strong>Ressource</strong> <strong>Wasser</strong> gar nicht gibt. Die Möglichkeit einer solchen markt- und damit<br />

preisgebundenen Allokationsfunktion, wie sie sicherlich die einfachste wäre, kann also lei<strong>der</strong><br />

von vornherein ausgeschlossen werden.<br />

Es stellt sich die Frage, wie also dann diese so dringend erfor<strong>der</strong>liche, gerechte Verteilung<br />

erzielt werden könnte. Hierzu gibt es in <strong>der</strong> einschlägigen Literatur eine Fülle von Ansätzen<br />

und Ideen. Drei davon sollen an dieser Stelle vorgestellt werden.<br />

18<br />

Darunter zu nennen wären z.B. die Lagerfähigkeit, die zeitlich unbegrenzte Hygiene und die Möglichkeiten<br />

<strong>der</strong> Aufbereitung sowie Entsorgung. Es ist klar, dass die <strong>Ressource</strong> <strong>Wasser</strong> diese rein<br />

wirtschaftswissenschaftlichen For<strong>der</strong>ungen nicht erfüllen kann.<br />

13


3.1. <strong>Das</strong> Menschenrecht auf <strong>Wasser</strong><br />

Bis vor wenigen Jahren wurde <strong>der</strong> sich zuschärfenden <strong>Wasser</strong>knappheit ausschließlich mit<br />

dem Bedürfnisansatz begegnet, d.h. <strong>der</strong> angemessenen Berücksichtigung menschlicher<br />

Grundbedürfnisse, undzwar immer nur in Form fallspezifischer Regelungen. <strong>Das</strong>s <strong>der</strong> Zugang<br />

zu Trinkwasser aber nicht nur ein Bedürfnis, son<strong>der</strong>n Lebensgrundlage und somit das Recht<br />

eines jeden Menschen sein sollte, wurde bis 2002 nicht konkret in einem Regelwerk<br />

festgehalten. Erst in eben diesem Jahr gelang <strong>der</strong> Durchbruch und <strong>der</strong> „Ausschuss über<br />

wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte“ <strong>der</strong> UN konnte sich auf einen „Allgemeinen<br />

Kommentar“ zum Menschenrecht auf <strong>Wasser</strong> einigen. In diesem sogenannten „Allgemeinen<br />

Kommentar Nr. 15“ werden Verpflichtungen <strong>der</strong> Vertragsstaaten definiert, die sich auf<br />

bestimmte Handlungen o<strong>der</strong> Unterlassungen gegenüber je<strong>der</strong> Person, die auf ihren<br />

Territorien lebt, beziehen. 19 Dieser Schritt ist zwar zunächst nur eine Absichtserklärung und<br />

somit als „soft law“ nicht rechtlich bindend, trotzdem bleibt aber die Hoffnung, dass er<br />

zumindest moralisch bindend auf alle UNO-Mitgliedsstaaten wirkt. Inhaltlich garantiert das<br />

Recht auf <strong>Wasser</strong> eine ausreichende Menge <strong>der</strong> <strong>Ressource</strong> für den persönlichen und<br />

häuslichen Gebrauch, ebenso wie eine Qualitätsanfor<strong>der</strong>ung, die keine<br />

Gesundheitsgefährdung zulässt. Die Mengenanfor<strong>der</strong>ung geht dabei über die reine<br />

Trinkwassermenge hinaus und berücksichtigt ebenfalls die entsprechenden <strong>Wasser</strong>mengen<br />

für menschliche Grundbedürfnisse wie Waschen, Kochen, Putzen o<strong>der</strong> die persönliche<br />

Hygiene. Die WHO geht dabei von einem absoluten Minimum von 50 bis 100 Litern pro Tag<br />

und Person aus, was auch <strong>der</strong> eingangs erwähnten Beispielrechnung bezüglich <strong>der</strong><br />

<strong>Wasser</strong>verfügbarkeit <strong>der</strong> arabischen Halbinsel gleich kommt.<br />

Der entscheidende Punkt des Menschenrechts auf <strong>Wasser</strong> betrifft seine Implikationen für<br />

die Allokation <strong>der</strong> <strong>Ressource</strong>. Denn das Recht verpflichtet seine Vertrags- bzw.<br />

Mitgliedsstaaten, menschliche Grundbedürfnisse vorrangig zu befriedigen, bevor <strong>Wasser</strong> für<br />

an<strong>der</strong>e Zwecke eingesetzt wird, so wie es häufig <strong>der</strong> Fall ist, vor allem gerade dort, wo lokal<br />

betrachtet extreme Armut und extremer Reichtum auf engem Raum zusammenleben. Ein<br />

Grundpfeiler des gesetzlichen Rahmens bezüglich eines Minimums <strong>der</strong> täglichen<br />

19<br />

Vgl. (Grambow, <strong>Wasser</strong>management - Integriertes <strong>Wasser</strong>-<strong>Ressource</strong>nmanagement von <strong>der</strong> Theorie zur<br />

Umsetzung 2008, 51)<br />

14


<strong>Wasser</strong>versorgung kann also eine zumindest ausreichende Allokation sicherstellen. 20 Auch<br />

gerade im Vergleich zum Recht auf Nahrung lässt sich beim Recht auf <strong>Wasser</strong> nichts<br />

substituieren. Die festgelegte Minimalmenge an <strong>Wasser</strong> pro Tag und Kopf muss so z.B. auch<br />

in Dürreperioden sichergestellt werden, während das Recht auf Nahrung auch gewährleistet<br />

werden kann, wenn weniger wasserintensiv herzustellende Produkte die Minimalversorgung<br />

sicherstellen.<br />

Insgesamt bleibt natürlich zunächst fraglich, ob ein Menschenrechtsansatz tatsächlich direkt<br />

zur Beseitigung des Problems führen kann. Denn ähnlich wie beim Ansatz des Rechtes auf<br />

Nahrung konnte auch auf diesem Gebiet bis heute nicht sichergestellt werden, dass immer<br />

noch jeden Tag 24.000 Menschen an Hunger o<strong>der</strong> hungerbezogenen Ursachen sterben.<br />

Trotzdem hat ein solcher Menschrechtsansatz erhebliche Vorteile. So verbieten die<br />

enthaltenen Gleichheits- und Nichtdiskriminierungsprinzipien eine Benachteiligung<br />

bestimmter sozioökonomischer Gruppen und wirken dem, wie dargestellt, entscheidenden<br />

Grundproblem <strong>der</strong> ungerechten Verteilung direkt entgegen. Durch die staatliche<br />

Verpflichtung entsteht eine ganz neue Situation, in <strong>der</strong> <strong>der</strong> Mensch plötzlich auf <strong>der</strong> Seite<br />

eines Berechtigten steht und so eben seine Rechte geltend machen kann. Dies hat einen<br />

enormen Stellenwert. So ist ein Recht auf <strong>Wasser</strong> die Basis dafür, Regierungen im Falle des<br />

Nichterfüllens gerichtlich zur Rechenschaft ziehen zu können. Ein Menschenrecht zu<br />

verweigern kommt einer Menschenrechtsverletzung gleich, die nun natürlich eine ganz<br />

an<strong>der</strong>e Dimension erhält. So kann auf diesem Gebiet selbst gegen die bestehenden Machtund<br />

Strukturverhältnisse vorgegangen werden.<br />

Neben den beschriebenen, so eindrucksvoll klingenden Vorteilen, aber auch <strong>der</strong> bislang nur<br />

eingeschränkt bzw. gar nicht vorhandenen rechtlichen Verbindlichkeit des Rechts auf <strong>Wasser</strong><br />

gibt es auch einen an<strong>der</strong>en, kritisch zu bewertenden Faktor: Die in <strong>der</strong> Rechtsschrift<br />

enthaltene Verpflichtung des Schutzes des <strong>Wasser</strong>s auch vor Dritten. Denn diese<br />

Verpflichtung impliziert nicht mehr nur ein Recht, son<strong>der</strong>n gar eine Pflicht, in diesem Falle<br />

die Pflicht zur Intervention des Staates bei substantieller Normverletzung gegen das Recht<br />

auf <strong>Wasser</strong>. Spitzt man diesen Gedanken zu, so kann diese Interventionspflicht ebenfalls<br />

einen Krieg um <strong>Wasser</strong> legitimieren. In seiner Weltethosrede von 2007 äußerte sich<br />

Altkanzler Helmut Schmidt bereits zu einem parallelen Thema mit ähnlicher<br />

20<br />

Vgl. (Winkler 2008, 109)<br />

15


Argumentationslinie, <strong>der</strong> humanitären Intervention <strong>der</strong> Bundeswehr zur Erfüllung von<br />

Schutzverantwortung im Kosovo Konflikt. Die Überlegung <strong>der</strong> Legitimation einer<br />

Intervention auf Basis eines Menschenrechts auf <strong>Wasser</strong> ist also nicht unbegründet.<br />

Insgesamt sollte also die bisherige Ausführung und Ausgestaltung des Rechtes überdenkt<br />

werden, um solch mögliche Nebeneffekte zu vermeiden.<br />

Ein abrundendes und sehr treffendes Fazit zum Lösungsansatz des Rechtes auf <strong>Wasser</strong> soll<br />

an dieser Stelle von Inga T. Winkler zitiert werden: „Natürlich kann allein das Recht auf<br />

<strong>Wasser</strong> Konflikte um die Allokation von <strong>Wasser</strong>ressourcen nicht lösen. Aber das Recht gibt<br />

einen Rahmen vor. Es stellt sicher, dass die Interessen aller Betroffenen einbezogen werden<br />

und stärkt damit die Position marginalisierter Gruppen.“ 21<br />

3.2. <strong>Wasser</strong>ressourcenmanagement<br />

Nach dem dargestellten rechtsbezogenen Ansatz zur Erreichung einer gerechteren<br />

Allokation <strong>der</strong> <strong>Ressource</strong> <strong>Wasser</strong> soll nun ein eher integrativer, multidisziplinärer Ansatz<br />

angerissen werden: <strong>Das</strong> <strong>Wasser</strong>ressourcenmanagement. Eine seiner vielen Definitionen ist<br />

folgende: “Integrated Water Resource Management is a process which promotes the<br />

coordinated development and management of water, land and related resources, in or<strong>der</strong> to<br />

maximize the resultant economic and social welfare in an equitable manner without<br />

compromising the sustainability of vital ecosystems.“ 22 Offensichtlich werden hier beson<strong>der</strong>s<br />

<strong>der</strong> integrative Prozesscharakter in Kombination mit <strong>der</strong> Erhaltung des Gleichgewichts von<br />

Ökonomie, sozialer Wohlfahrt und Ökologie betont. Die Bezeichnung<br />

„<strong>Wasser</strong>ressourcenmanagement“ meint dabei aber generell nicht die Betrachtung einzelner<br />

Faktoren auf Mikroebene, wie z.B. den einzelnen Fluss o<strong>der</strong> Brunnen, son<strong>der</strong>n die <strong>Ressource</strong><br />

<strong>Wasser</strong> insgesamt sowie ihre Behandlung auf nationaler und internationaler Ebene.<br />

„Integriert“ wie<strong>der</strong>um zielt auf das technische-wirtschaftliche, das ökologische und das<br />

gesellschaftlich-politische Umfeld ab, in dem dieser Ansatz eingebettet werden soll. Es ist<br />

21<br />

22<br />

Vgl. (Winkler 2008, 114)<br />

Laut Global Water Partnership (GWP), 2000<br />

16


also nicht allein Aufgabe des Staates beispielsweise, die <strong>Ressource</strong>n seines Landes zu<br />

koordinieren und verwalten, son<strong>der</strong>n vielmehr Aufgabe aller Beteiligten am Ökosystem, bis<br />

hin zu jedem einzelnen Bürger, <strong>der</strong> aufgerufen ist, aktiv am Prozess zu partizipieren.<br />

Weiter besteht eine enge Verknüpfung des Ansatzes mit dem Begriff <strong>der</strong> <strong>Nachhaltigkeit</strong> bzw.<br />

dieser als Maxime. Ebenfalls integriert ist die Einbeziehung des Handels über die Einheit des<br />

virtuellen <strong>Wasser</strong>s, worauf aber genauer noch im folgenden Kapitel 3.3 eingegangen werden<br />

soll.<br />

Wie aber sieht nun die genaue Ausgestaltung eines solch weit fassenden Ansatzes aus? Wer<br />

ist Akteur und was soll konkret getan werden, um eine gerechtere und nachhaltige<br />

<strong>Ressource</strong>nallokation zu gewährleisten?<br />

Martin Grambow 23 hat hierzu viele Überlegungen in sein Buch „Integriertes <strong>Wasser</strong>-<br />

<strong>Ressource</strong>nmanagement von <strong>der</strong> Theorie zur Umsetzung [2008]“ einfließen lassen. Laut ihm<br />

gibt es eine Grundstruktur des Erfolges, integriertes <strong>Wasser</strong>ressourcenmanagement in die<br />

Praxis umzusetzen. „Diese basiert auf den Prinzipien <strong>der</strong> <strong>Nachhaltigkeit</strong> und <strong>der</strong> Effizienz,<br />

einem Staat, <strong>der</strong> eine Garantenstellung für das <strong>Wasser</strong> hat, auf einer aktiven Beteiligung <strong>der</strong><br />

Bürger in Form von Partizipation und privatwirtschaftlicher Beteiligung, auf unter diesen<br />

Bedingungen entstandener angepasster Technologie und Management und <strong>der</strong> unbedingten<br />

Berücksichtigung nichttechnischer Faktoren, insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> Kultur.“ 24 Sein konkreter<br />

Organisationsvorschlag für die Umsetzung des integrierten <strong>Wasser</strong>ressourcenmanagements<br />

entspricht weitgehend dem kontinental-westeuropäischen System und enthält folgende 6<br />

Kernbereiche:<br />

1. Der <strong>Wasser</strong>rechtsvollzug, also die Ausfüllung des Bewirtschaftungsermessens<br />

durch die Plan- und Anlagengenehmigung sowie zeitlich beschränkte<br />

Benutzungsrechte ist staatliche Aufgabe<br />

2. Die Überwachung <strong>der</strong> Gewässer und Anlagen sowie <strong>der</strong> Gewässerschutz sind<br />

staatliche Aufgaben<br />

23<br />

24<br />

Vgl. (Grambow, Integriertes <strong>Wasser</strong>-<strong>Ressource</strong>nmanagement als Antwort auf drängende <strong>Wasser</strong>fragen –<br />

Die <strong>Nachhaltigkeit</strong> als Dreh- und Angelpunkt einer globalen zukunftsfähigen Entwicklung 2009) und<br />

(Grambow, <strong>Wasser</strong>management - Integriertes <strong>Wasser</strong>-<strong>Ressource</strong>nmanagement von <strong>der</strong> Theorie zur<br />

Umsetzung 2008)<br />

Zitat aus (Grambow, <strong>Wasser</strong>management - Integriertes <strong>Wasser</strong>-<strong>Ressource</strong>nmanagement von <strong>der</strong> Theorie<br />

zur Umsetzung 2008, 87)<br />

17


3. Die <strong>Wasser</strong>versorgung und die Abwasserentsorgung sind kommunale<br />

Pflichtaufgaben<br />

4. <strong>Das</strong> generelle <strong>Wasser</strong>management einschließlich strategischer Entwicklungen und<br />

überregionaler Großstrukturen (Talsperren, große <strong>Wasser</strong>ausgleichssysteme) sind<br />

staatliche Aufgaben<br />

5. Der Küstenschutz und <strong>der</strong> Hochwasserschutz <strong>der</strong> großen Gewässer sind staatliche<br />

Aufgabe<br />

6. Einzelleistungen wie Bau, bestimmte Bereiche des Unterhalts, Dienstleistungen im<br />

Detail sowie Leistungen <strong>der</strong> Forschung und Entwicklung werden, normalerweise<br />

nach Ausschreibung, ganz o<strong>der</strong> anteilig durch Dritte, normalerweise Private,<br />

erledigt<br />

Es wird nach seinem Ansatz also eine konkrete Rollen- und Aufgabenverteilung für alle<br />

Bereiche vorgenommen. Vor allem <strong>der</strong> Staat hält dabei eine zentrale Rolle inne. Weiter ist<br />

klar, dass vor allem das Zusammenspiel dieser Teilbereiche erst den Erfolg des Systems<br />

ausmachen kann.<br />

Insgesamt ist also festzuhalten, dass <strong>der</strong> integrative Ansatz des <strong>Wasser</strong>ressourcenmanagements<br />

eine übergreifende Sichtweise einnimmt, um die Allokation durch im<br />

Vornherein festgelegte Rollenverteilungen und Zuständigkeitsbereiche gerecht zu gestalten.<br />

Offensichtlich ist jedoch gleichzeitig die Schwierigkeit, wie man einen solchen Ansatz<br />

international rechtsbindend integrieren könnte. Denn die Souveränität eines jeden Staates<br />

steht im Ernstfall, das heißt dem tatsächlichen Vorliegen einer akuten <strong>Wasser</strong>knappheit,<br />

sicherlich immer über nicht-rechtsbindenden Abkommen. Außerdem müsste im Ansatz<br />

gewährleistet werden, dass die Bedürfnisse sozioökonomisch schwächerer<br />

Bevölkerungsgruppen nicht staatlich untergraben werden können, was ja wie eingangs<br />

diskutiert, oft zur Hauptproblematik <strong>der</strong> ungerechten Verteilung <strong>der</strong> <strong>Ressource</strong> <strong>Wasser</strong><br />

führt. Der bisherige Ansatz des <strong>Wasser</strong>ressourcenmanagements enthält diese For<strong>der</strong>ung<br />

nicht, vor allem wahrscheinlich deshalb, weil sie zunächst mit einem rein integrativ und nicht<br />

rechtsgebundenen Abkommen unlösbar ist.<br />

Trotz all seiner Schwierigkeiten auf dem Weg zur Umsetzung eines solchen Ansatzes weist er<br />

jedoch einige interessante Überlegungen auf, die vielleicht in Form einer Kombination mit<br />

an<strong>der</strong>en Optionen für eine gerechtere <strong>Ressource</strong>nallokation umgesetzt werden könnten.<br />

18


Denn integriertes Denken und <strong>der</strong> <strong>Nachhaltigkeit</strong>sgedanke im <strong>Wasser</strong>sektor können dazu<br />

beitragen, nationale und internationale <strong>Wasser</strong>- und Umweltrichtlinien weiter auszubauen.<br />

So können nicht nur <strong>Ressource</strong>n geschont, son<strong>der</strong>n auch Wissen generiert und<br />

umwelttechnologische Entwicklungen vorangetrieben werden.<br />

3.3. Virtueller <strong>Wasser</strong>handel<br />

<strong>Das</strong> Konzept des virtuellen <strong>Wasser</strong>s wurde in den 1990er Jahren von dem britischen<br />

Wissenschaftler John Anthony Allan entwickelt. Darunter ist die <strong>Wasser</strong>menge zu verstehen,<br />

die während <strong>der</strong> gesamten Produktionskette eines bestimmten Produktes verbraucht,<br />

verdunstet o<strong>der</strong> verschmutzt wird. 25 Eine weitere Definition liefert Arjen Y. Hoekstra: „The<br />

virtual water content of a product is the volume of water used to produce it, measured at<br />

the place where it was actually produced. The adjective ‘virtual’ refers to the fact that most<br />

of the water used in the production is in the end not contained within the product.” 26 Und in<br />

<strong>der</strong> Tat ist <strong>der</strong> messbare, in einem Produkt enthaltene <strong>Wasser</strong>anteil verschwindend klein im<br />

Gegensatz zum zur Herstellung benötigten, so wie dies schon das Beispiel <strong>der</strong><br />

Rindfleischproduktion in Kapitel 2.1 anschaulich darstellte.<br />

Inzwischen hat sich dieses Konzept des virtuellen <strong>Wasser</strong>s nicht nur in <strong>der</strong> Wissenschaft<br />

verbreitet, son<strong>der</strong>n findet auch Beachtung im Handel und in <strong>der</strong> Politik.<br />

Im Zusammenhang mit dem Thema des virtuellen <strong>Wasser</strong>s steht auch eine Kennziffer: Der<br />

<strong>Wasser</strong>-Fußabdruck. Dieser geht über die Annahmen <strong>der</strong> Größe des virtuellen <strong>Wasser</strong>s selbst<br />

hinaus und beinhaltet die direkt verbrauchte <strong>Wasser</strong>menge sowie das in <strong>der</strong> Nahrung und<br />

an<strong>der</strong>en Gütern verbrauchte virtuelle <strong>Wasser</strong>. Es kann somit eine Größe für Einzelpersonen<br />

o<strong>der</strong> ganze Bevölkerungsgruppen berechnet werden, die ihren realen Verbrauch an <strong>Wasser</strong><br />

wie<strong>der</strong>spiegelt. Eindrucksvoll ist nun folgendes: „Je<strong>der</strong> Deutsche verbraucht täglich im<br />

Schnitt weniger als 130 Liter <strong>Wasser</strong> im Haushalt, <strong>der</strong> virtuelle <strong>Wasser</strong>verbrauch liegt jedoch<br />

bei 4.000 Litern pro Person und Tag. Und mehr als die Hälfte dieser virtuellen <strong>Wasser</strong>menge<br />

25<br />

26<br />

Vgl. (Hartmann 2009)<br />

Vgl. (Hoekstra 2008, 123)<br />

19


wurde importiert.“ 27 Global gesehen sieht dies laut dem 2. UNESCO Weltwasserbericht von<br />

2006 nun so aus:<br />

Abbildung 5: Län<strong>der</strong>spezifischer <strong>Wasser</strong>-Fußabdruck (2004) aus (UNESCO, Water, a Shared Responsibility: The United<br />

Nations World Water Development Report 2 2006)<br />

Wie deutlich zu erkennen ist, haben vor allem Industriestaaten und Län<strong>der</strong> mit einer hohen<br />

<strong>Ressource</strong>nausstattung an nutzbarem Süßwasser die höchsten <strong>Wasser</strong>-Fußabdrücke.<br />

Bisher kann man also hervorragend sehen, wer in welchem Maße <strong>Wasser</strong> nutzt und wer<br />

dabei verschwen<strong>der</strong>isch o<strong>der</strong> effizient umgeht. Wozu aber nun das Konzept?<br />

Mittels des Ansatzes des virtuellen <strong>Wasser</strong>s lässt sich die Möglichkeit des ökonomischen<br />

Handelns unter Einbezug eben dieser Größe so gestalten, dass <strong>der</strong> empfindlichen <strong>Ressource</strong><br />

<strong>Wasser</strong> in jedem Produkt und vor allem seiner Art <strong>der</strong> Herstellung Rechnung getragen wird.<br />

Län<strong>der</strong> mit erhöhter <strong>Wasser</strong>knappheit wie nordafrikanische o<strong>der</strong> die des mittleren Ostens<br />

könnten nun versuchen, ihren <strong>Wasser</strong>haushalt durch den Import von <strong>Wasser</strong> in virtueller<br />

Form auszugleichen, indem sie wasserintensive Güter importieren und gleichzeitig mit wenig<br />

<strong>Wasser</strong>verbrauch herzustellende Güter exportieren. 28 Denn während <strong>der</strong> Transfer realen<br />

27<br />

28<br />

Zitat aus (Hartmann 2009)<br />

Vgl. (Hoekstra 2008, 123). Beispielhaft ist hieraus folgendes zu nennen: „Jordan, as an example, imports<br />

about 5 to 7 billlion cubic meters of virtual water per year, which is much more than the 1 billion cubic<br />

meters of water annually withdrawn from its domestic water sources.”<br />

20


<strong>Wasser</strong>s über große Distanzen sehr viel kostet o<strong>der</strong> gar unmöglich ist, kann ein Transfer in<br />

Form virtuellen <strong>Wasser</strong>s über den Import sehr wasserintensiver Güter leicht und ohne<br />

zusätzlichen Kosten, d.h. in Höhe des reinen Gegenwerts plus einem minimalen<br />

Transportkostensatz, erfolgen. So kann <strong>der</strong> Import virtuellen <strong>Wasser</strong>s auch als eine<br />

alternative <strong>Wasser</strong>quelle betrachtet werden. All diese Abstraktion funktioniert aber<br />

natürlich nur solange, wie das tatsächlich lebensnotwendige <strong>Wasser</strong> nicht hierunter fällt und<br />

sichergestellt bleibt.<br />

In einem nun globalen Ansatz lässt sich vorstellen, virtuelles <strong>Wasser</strong> über internationale<br />

Märkte zu steuern und handeln, um Preismechanismen und den Ausgleich von Angebot und<br />

Nachfrage für eine gerechte <strong>Ressource</strong>nallokation zu nutzen. Denn über einen solchen<br />

Ansatz, sofern in ihm bestimmte Regularien enthalten sind, können auch Län<strong>der</strong> mit eher<br />

einer geringen Ausstattung <strong>der</strong> <strong>Ressource</strong> <strong>Wasser</strong> zu einem Ausgleich kommen. „Regularien“<br />

meint also in diesem Falle eine global angelegte Steuerung, wie die <strong>der</strong> OPEC hinsichtlich des<br />

Ölmarktes. 29 Die Regulierung einer knappen <strong>Ressource</strong> muss also in jedem Falle erfolgen, in<br />

Verbindung mit dem Marktmechanismus aber erhält das System eine durchaus horizontal<br />

verteilende Funktion.<br />

Alternativ sind natürlich auch an<strong>der</strong>e Ansätze denkbar, sofern man schon einmal den<br />

<strong>Wasser</strong>-Fußabdruck eines jeden Produktes tatsächlich objektiv beziffern kann. So wäre<br />

beispielsweise ein Label auf beson<strong>der</strong>s wasserintensiven Gütern vorstellbar, das den Kunden<br />

vor einem möglichen Kauf abschreckt und somit zu einer Intensivierung effektiv hergestellter<br />

Güter beiträgt. Eine an<strong>der</strong>e, noch direktere Möglichkeit wäre die Besteuerung<br />

wasserintensiv hergestellter Produkte o<strong>der</strong> gar <strong>der</strong> Zertifikatehandel hinsichtlich des<br />

Fußabdruckes eines ganzen Landes, so wie es bereits bei dem Treibhausgas CO 2 erfolgt.<br />

Trotzdem bleibt klar: So schön und einfach <strong>der</strong> Ansatz des Handels mit virtuellem <strong>Wasser</strong><br />

o<strong>der</strong> alternative Ansätze über die Nutzung des <strong>Wasser</strong>-Fußabdruckes klingen, so kompliziert<br />

und problematisch sind sie schließlich in <strong>der</strong> realen Umsetzung. So bedarf es, um nur ein<br />

Beispiel zu nennen, für die potentiellen Importlän<strong>der</strong>, Län<strong>der</strong> mit <strong>Wasser</strong>knappheit also,<br />

einer ganzen Reihe an Voraussetzungen. Zum einen müssten ausreichend Devisen<br />

vorhanden sein, um die Kosten für die Importe bezahlen und die entstehenden Arbeitslosen<br />

29<br />

Vgl. hierzu in (Hoekstra 2008, 125) auch: „Coordination could refer for example to agreements on areaspecific<br />

‘sustainable levels’ of water supply and agreements on water pricing structures.”<br />

21


aus <strong>der</strong> bisherigen Produktion entsprechen<strong>der</strong> Güter auffangen zu können, an<strong>der</strong>erseits ist<br />

es zumeist für Entwicklungslän<strong>der</strong> mit einem in <strong>der</strong> Regel sehr hohen relativen Anteil <strong>der</strong><br />

Landwirtschaft am BIP kaum o<strong>der</strong> gar nicht möglich, virtuellen <strong>Wasser</strong>handel ohne<br />

entsprechende „Auffangprodukte“ zu realisieren.<br />

Wie auch bei den beiden bereits diskutierten Ansätzen des Menschenrechts auf <strong>Wasser</strong> und<br />

des <strong>Wasser</strong>ressourcenmanagements gibt aus auch beim Ansatz vom Handel mit virtuellem<br />

<strong>Wasser</strong> geschickte Ideen, aber auch viele Probleme in <strong>der</strong> realen Umsetzung. Es bleibt die<br />

Überlegung, wie man in Zukunft diesen geschickten und sehr effizienten<br />

Steuerungsmechanismus nicht doch in die Realität umsetzen könnte.<br />

22


4. Fazit und Ausblick<br />

<strong>Das</strong>s <strong>Wasser</strong> als ein wichtiger Bestandteil unserer elementaren Lebensbasis in Zukunft lokal<br />

knapp werden kann, haben die vorliegenden Fakten und Beispiele gezeigt. Ebenfalls, dass es<br />

aufgrund <strong>der</strong> bisher ungleichen Allokation dieser <strong>Ressource</strong> zu mehr und mehr Konflikten<br />

kommen kann. Die Beantwortung <strong>der</strong> Frage, wie nun diesem Problem in <strong>der</strong> Praxis begegnet<br />

werden kann, ist jedoch nicht so eindeutig. Es gibt viele Lösungsansätze. Drei interessante<br />

und mit meiner Meinung nach hohem Potential behaftete, beispielsweise hinsichtlich einer<br />

möglichen Implementierung in umfangreicheren und weiter ausgeprägten Ansätzen, sind in<br />

dieser Seminararbeit kurz in ihrem Kern vorgestellt.<br />

Die eigentliche Schwierigkeit jedoch in <strong>der</strong> Umsetzung solch intelligenter und effizienter<br />

Lösungsvorschläge für eine gerechte und nachhaltige Allokation <strong>der</strong> <strong>Ressource</strong> <strong>Wasser</strong> liegt<br />

in den bestehenden Machtstrukturen unseres Planeten. Denn warum gibt es immer noch<br />

Armut, obwohl die nötigen <strong>Ressource</strong>n ohne Zweifel vorliegen? Warum werden<br />

beispielsweise in den USA Tonnen von Mais vernichtet um dessen Marktpreis zu<br />

beeinflussen, während in Afrika täglich Tausende an Hunger sterben? Doch nur weil es<br />

enorme sozioökonomisch Differenzen auf <strong>der</strong> Erde gibt und Arm und Reich immer weiter<br />

voneinan<strong>der</strong> entfernt liegen! Ganz ähnlich sehe ich die Situation hinsichtlich <strong>der</strong> <strong>Ressource</strong><br />

<strong>Wasser</strong>. Wie eingangs dargestellt, gäbe es bei einer gerechten Verteilung nicht die<br />

Problematik <strong>der</strong> lokalen <strong>Wasser</strong>knappheit. <strong>Wasser</strong> fließt aber offensichtlich „nicht bergab,<br />

son<strong>der</strong>n immer in Richtung Geld“.<br />

Wie auch die aktuelle Wirtschaftskrise gezeigt hat, bedarf es in einigen Bereichen einer<br />

globalen Instanz, die eine effiziente, effektive und vor allem sozial gerechte Steuerung<br />

vornehmen kann. All die dargestellten Handlungsoptionen zur gerechteren Allokation von<br />

<strong>Wasser</strong> auf unserem Planeten können nur dann zur Anwendung kommen, wenn es ein<br />

international gleiches und akzeptiertes Regelwerk gibt, an das sich gehalten werden muss<br />

und das auch sanktionieren kann. Nur so ließe sich ein Menschenrecht auf <strong>Wasser</strong><br />

international verankern, ein integriertes <strong>Wasser</strong>ressourcenmanagement in die<br />

internationale Politik implementieren und <strong>der</strong> Versuch unternehmen, mittels des <strong>Wasser</strong>-<br />

Fußabdruckes o<strong>der</strong> des virtuellen <strong>Wasser</strong>s einen effizienteren Umgang mit dieser <strong>Ressource</strong><br />

23


in <strong>der</strong> Produktion und schließlich auch in den Konsumgewohnheiten zu forcieren. Da es aber<br />

eine solche internationale Institution bezüglich allgemeiner Regularien und intelligenten<br />

Ansätzen zur Lösung <strong>der</strong> <strong>Wasser</strong>problematik noch nicht gibt, können die dargestellten<br />

Überlegungen in ihrer Reinform so noch nicht umgesetzt werden. <strong>Das</strong>s in Zukunft mit einem<br />

sich möglicherweise zuspitzenden Konfliktherd durch die <strong>Wasser</strong>knappheit einiger Regionen<br />

eine solche Instanz aber entstehen könnte, halte ich für durchaus denkbar. Ebenfalls sollte<br />

beachtet werden, dass die dargestellten Ideen für eine geschicktere und gerechtere<br />

Verteilung von <strong>Wasser</strong> auch in an<strong>der</strong>en Handlungsalternativen zum Tragen kommen<br />

könnten und so doch ihre Anwendung finden.<br />

24


5. Literaturverzeichnis<br />

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