Andreas Köhler / Verführen und Verführt-Werden 11 Vorlesung vom ...

Kein guter Titel. Denn Luzifer war ja eben jener
abgefallene, ungehorsame Engel, der nicht
zum Gehorsam, sondern zum Ungehorsam verführte.
Trotzdem sind natürlich Milgrams und
Zimbardos Arbeiten lesenswert, ebenso die Zusammenfassung
im Internet.
Milgrams und Zimbardos Experimente zeigen
uns, dass wir vorsichtig sein müssen. Denn das
Teuflische könnte gerade im Gehorsam stecken.
Der britische Denker und Wissenschaftler
Charles Percy Snow hat es auf den Punkt gebracht.
Erfahrungen des Zwanzigsten Jahrhunderts –,
dass Herrschaft total, totalitär werden kann, so
total, dass der Ungehorsam des Einzelnen bedeutungslos
wird. Umgekehrt aber hoffen Menschen
immer wieder, einen guten Führer zu
finden, einen guten König, einen Staatsmann,
der nur das Wohl der Allgemeinheit im Auge
hat. Und sie vergessen Baron John Actons – er
war britischer Historiker - berühmten Satz:
Power tends to corrupt, and absolute power
corrupts absolutely. Great men are almost
always bad men.
Macht neigt zum Korrumpieren, und absolute
Macht korrumpiert absolut. Grosse
Männer waren meist böse Menschen.
Wir erinnern uns an die Mao-Tsetung-
Verehrung im kommunistischen China, aber
auch in den westlichen Staaten in der Achtundsechziger-Zeit.
Wenn man sich die lange und düstere Geschichte
der Menschheit ansieht, entdeckt
man, dass mehr scheussliche Verbrechen im
Namen des Gehorsams begangen worden
sind als jemals im Namen der Rebellion.
Nicht nur im fernen Irak. Erst kürzlich wurden
in unserem Lande Foltermethoden publik, diesmal
in Internaten, die von Menschen geführt
worden sind, die Gutes wollten – und Schlechtes
bewirkten. Das Schweizer Fernsehen veröffentlichte
die Dokumentarsendung „das Kinderzuchthaus“
und schrieb:
Jahrzehntelang wurden in der Luzerner Erziehungsanstalt
Rathausen Kinder systematisch
misshandelt und missbraucht – und
berufen hat sich dabei ein priesterlicher Direktor
auf «göttliches Recht».
E. VERFÜHRUNG UND BINDUNG
Milgram und Zimbardo zeigten, wie die Macht
der Umstände – Institutionen, autoritäre Strukturen,
entsprechende Requisiten – unser Handeln
beeinflussen können. Und doch. Wir können
die Verantwortung für unser Tun nicht so
leicht an die Umstände delegieren. Ebenso ist es
allzu bequem, den Autoritäten die Schuld für
Schlimmes zuzuschieben, denn Autorität beruht
auf der Bereitschaft, sie zu akzeptieren,
ihr zu gehorchen. Natürlich wissen wir – mit den
Die Bindung all dieser kleinen Menschlein an
den Führer, an die Autorität, die sie – und uns –
in den Untergang führen und verführen kann,
wird im chinesischen Lied, das wir am Anfang
hörten und das eine Art Nationalhymne war,
besonders gut illustriert. Wir hörten die DDR-
Übersetzung von Paul Wiens:
Osten erglüht, China ist jung.
Rote Sonne grüsst Mao Tsetung.
Frühling bringt er unsrer Zeit,
hat sein Herz, sein rotes Herz, dem Volk
geweiht.
Mao geht voran, er führt ans Licht.
Volk, dein Lächeln auf seinem Gesicht
F. NEYERS WALLFAHRT
Damit wären wir am Ende des Vorlesungsteils
angelangt. Nach einer kurzen Pause hören wir
die nächste Episode von
Neyers Wallfahrt
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