03.11.2013 Aufrufe

Erfahrungen japanischer Entwicklungszusammenarbeit ... - Peter Lang

Erfahrungen japanischer Entwicklungszusammenarbeit ... - Peter Lang

Erfahrungen japanischer Entwicklungszusammenarbeit ... - Peter Lang

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Einleitung 7<br />

1 EINLEITUNG<br />

Japanische Organisationen sind heute Teil einer internationalen <strong>Entwicklungszusammenarbeit</strong>.<br />

Neben der staatlich initiierten Entwicklungshilfe gab es in Japan<br />

lange Zeit kaum eine bürgerliche Alternative. Dieser Mangel resultierte<br />

überwiegend aus der Abwesenheit eines westlich inspirierten privatrechtlichen<br />

Systems der Bürgerbeteiligung. Heute engagiert sich, insbesondere durch den<br />

bereits an anderer Stelle dokumentierten gesetzlichen und gesellschaftlichen<br />

Umbruch (vgl. Kruth 2008), eine neue Generation von Drittsektororganisationen<br />

in Konfliktprävention, Entwicklungsprogrammatiken und Lobbyarbeit.<br />

Dies hat unterdessen entscheidende Konsequenzen für die Ausrichtung der<br />

<strong>Entwicklungszusammenarbeit</strong> gezeigt. Entsprechend der rasanten Veränderungen<br />

entsteht eine Forschungslücke in diesem Feld.<br />

Globalisierung hat viele Gesichter, viele Befürworter und Gegner. Herrscht<br />

unter ihnen nicht immer Einigkeit über ihre Definition, so doch viel mehr über<br />

ihre Existenz in der heutigen Welt und ihre Bedeutung in dieser. Diesem Gedanken<br />

haftet zuweilen eine gewisse Verhängnisvolligkeit und Allgegenwärtigkeit<br />

an. Kaum ein Gedanke, kaum eine Handlung erscheint möglich ohne sie.<br />

Es scheint zudem, als hätten wir es mit einer Art Standardisierungsprozess zu<br />

tun. Was aber bewegt Menschen nach globalisierten Normen zu denken und zu<br />

handeln? Oder präziser gefragt: Auf welche Art werden in Drittsektororganisationen<br />

tradierte Normen, wie humanitäre Verantwortung, Menschenrechte, demokratische<br />

Ideale, Freiheit von Hegemonie und Hierarchie, Partizipation oder<br />

Umweltschutz, gedacht und gelebt? (Vgl. hierzu auch Hirata 2002: 60-62.)<br />

Inzwischen werden diese Konzepte, die aus dem Bereich internationaler Organisationen<br />

stammen, nicht selten in einem asiatischen Kontext angewandt.<br />

Normative Anliegen wie Demokratisierung, Empowerment, sowie ökologische<br />

Zielsetzungen werden dort nicht ohne Konflikt umgesetzt. Die neuen japanischen<br />

Organisationen verschieben durch ihren theoretischen und praktischen<br />

Einfluss eine ganze Reihe von Handlungsmotivationen, sowohl im Sinne einer<br />

individuellen privaten Philanthropie, als auch durch den mit ihnen verbundenen<br />

konfrontativ-öffentlichen Diskurs.<br />

In den zugrunde gelegten Idealen der <strong>Entwicklungszusammenarbeit</strong>, wirken<br />

nun auch in Asien die Grundlagen einer privatrechtlichen philanthropischen<br />

Tradition. Diese wurzelt in den europäischen Theorien der Aufklärung. Legalität<br />

im Bereich der öffentlichen Rechtsformen trat als weiterer Faktor in Japan


8<br />

Einleitung<br />

vor einigen Jahren zu dieser ideellen Ausrichtung hinzu. Welche neue Rolle<br />

übernehmen nun japanische Bürger in der <strong>Entwicklungszusammenarbeit</strong>, die in<br />

Asien ihren Schwerpunkt setzt?<br />

Gerade in Nepal wirken nun, nach der vorerst konsolidierten politischen Lage,<br />

die auf den Bürgerkrieg folgte, wieder zahlreiche japanische Akteure der <strong>Entwicklungszusammenarbeit</strong>,<br />

unter ihnen mittlerweile auch eine ganze Reihe von<br />

Organisationen, die im Geiste der neuen bürgerschaftlichen Zusammenarbeit<br />

stehen. Dieser Umstand bot gute Voraussetzungen für die Untersuchung in einer<br />

Fallstudie: Welche Motivationen, Bezugsrahmen und Praxisprobleme liegen<br />

ihrer Arbeit zu Grunde? Adaptieren Akteure Formen der <strong>Entwicklungszusammenarbeit</strong><br />

aus dem Bereich westlich inspirierter Organisationen und Theorien<br />

oder bildeten sich bereits im letzten Jahrzehnt spezifisch japanische Formen<br />

und Praktiken heraus? Ist eine internationale Bürgergesellschaft wirklich ein<br />

übernationaler Aktionsraum, der sich über strukturelle, ökonomische und staatliche<br />

Einschränkungen der Moderne hinwegzusetzen vermag?<br />

<strong>Entwicklungszusammenarbeit</strong> kann für Ihre Operationalisierung sehr unterschiedliche<br />

Vorstellungen beinhalten. Während technische Projekte oft zweckrational<br />

definierten Zielen und Realisierungsmethoden verpflichtet sind, beruft<br />

sich <strong>Entwicklungszusammenarbeit</strong> im sozialen oder transkulturellen Raum unvermeidlich<br />

auf Sinnbildungsprozesse, die nur sehr eingeschränkt objektivierbar<br />

sind. Technische und soziale Aspekte können aber nicht getrennt voneinander<br />

betrachtet werden.<br />

Projekte der <strong>Entwicklungszusammenarbeit</strong> sind Reformprojekte der Modernisierung,<br />

die in einem transkulturellen Zusammenhang stehen, der zwangsläufig<br />

Identitätskonstruktionen, und vermittelt durch sie, auch Machtpositionen<br />

beinhaltet.<br />

<strong>Entwicklungszusammenarbeit</strong> ist grundsätzlich durch ein identifiziertes potentielles<br />

Problem gesellschaftlicher Disfunktion motiviert, für dessen Bearbeitung<br />

keine gängige Lösung in einer Gesellschaft als ausreichend anerkannt wird.<br />

Sie verstrickt Akteure und ihre Motivationen in einen praktisch geteilten Handlungszusammenhang,<br />

der unterschiedliche Interessen beinhaltet. (Vgl. Kokemohr<br />

et al. S. 628f; auch Kap. 6)<br />

STAND DER FORSCHUNG: JAPANISCHE ENTWICKLUNGSZIELE<br />

Für den deutschen Sprachraum hat May 1989 in der Vergangenheit eine fundierte<br />

Studie über japanische staatliche Entwicklungshilfe (ODA) vorgelegt.<br />

Auch Nuscheler 1990 hat sich mit diesem Thema beschäftigt. Die Quellen, die<br />

zur makroökonomischen und problemorientierten Evaluation der japanischen<br />

ODA-Politik herangezogen werden können, sind aber weitaus umfangreicher.<br />

Brooks und Orr (vgl. 1985), Nishigaki und Shimomura 1998, Shrestha 2001,


Einleitung 9<br />

Balatchandirane 2002, Takahashi 2005, Inada 2005 oder die Studien des Atarashii<br />

nihon no ODA wo kataru kai 2007 und des japanischen Außenministeriums<br />

2010 geben einen ersten Überblick. 1 Speziellere Betrachtungen der ODA-<br />

Politik in Nepal bieten insbesondere die Studien und Jahresberichte der Ausführungsorganisation<br />

der japanischen Entwicklungshilfe, des JICA Institute for<br />

International Cooperation 2003, des JICA Nepal-Japandesk 2005, 2006, 2008a,<br />

2008b, 2008c und 2008d und des JICA Training Affairs and Citizen Participation<br />

Department 2008.<br />

Alternative Studien und Evaluationen wurden von der Foundation for Advanced<br />

Studies on International Development (FASID) 1998 und von wissenschaftlichen<br />

Autoren sowohl von <strong>japanischer</strong> als auch von nepalischer Seite<br />

vorgelegt (vgl. etwa Fukuwatari 2000, Shrestha 2001, Tsuji 2002, Dharamdasani<br />

2003, Behar und Prakash 2004, AVC 2005, 2006a und 2006b, Bista 2008 und<br />

Pokhrel 2008).<br />

Mitunter die wichtigsten Stimmen für die Literaturanalyse und Datenerhebung<br />

boten Publikationen von japanischen und nepalischen Drittsektororganisationen<br />

(nur einige Beispiele sind Amnesty International Japan 2001, Ajia borantia<br />

sent 2005, 2006b, Nepal for Water Health (NEWAH) 2007 und 2009,<br />

SERRV 2008, Resource Centre Network Nepal (RCNN) 2009 und Autoren, die<br />

sich indirekt mit der Hilfeleistung der Organisationen beschäftigen, so etwa<br />

Sait 1997, Kanno 2000, Nozaki 2000, Hirata 2002, Mokbul 2003, Asaumi et al.<br />

2007, Kiyosawa 2008, Uemura 2009). Sie boten ein alternatives Bild der Zusammenarbeit<br />

in Drittsektororganisationen.<br />

Eine umfassende Arbeit, die wissenschaftliche Erkenntnisse über die <strong>Entwicklungszusammenarbeit</strong><br />

2 <strong>japanischer</strong> Bürger in Nepal, gerade unter Einbe-<br />

<br />

1 Zitate und Ausdrücke auf Japanisch, nicht jedoch Personen- und Ortsnamen sowie als<br />

Fremdwörter im Deutschen bereits fest verankerte Begriffe, sind im Text in Kursivschrift<br />

wiedergegeben. Bei Personennamen steht, wie im Japanischen, der Nachname<br />

zuerst. Für die Umschrift <strong>japanischer</strong> Ausdrücke wurde das Hepburn-System verwendet.<br />

Längungen der Vokale „o“ und „u“ werden durch ein „–“ über dem Buchstaben angegeben.<br />

Die Umschrift in Japanisch erscheint bei Erstnennung im Fußnotentext. Begriffserklärungen<br />

finden sich auch im Glossar <strong>japanischer</strong> Zeichen am Ende dieser Arbeit.<br />

2 Viele im öffentlichen Diskurs verwandte Begriffe haben nur eine sehr ungenaue bis divers<br />

strukturierte Definition. Bei einigen benutzen Definitionen, die selbst in der wissenschaftlichen<br />

Diskussion bisher kaum eine einheitliche oder nur unzureichende Bestimmung<br />

gefunden haben, wurden Operationalisierungen gewählt, die für die angestrebte<br />

Analyse zugleich verständlich aber auch zweckmäßig erschienen. Dabei galt es<br />

jedoch auch die Schwächen der häufig verwendeten Ausdrücke zu vermeiden: Etwa<br />

wurde auf eine Verwendung der Ausdrücke „entwickelte und unterentwickelte Länder",<br />

„Erste, Zweite und Dritte Welt" sowie „Industrie- und Entwicklungsländer" in dieser


10<br />

Einleitung<br />

ziehung des neuen Rechtskonstrukts der NPOs zusammenfasst, liegt schon aufgrund<br />

der Aktualität der Thematik nicht vor. 3 Besonders fehlt eine Arbeit, die<br />

sich auf Daten aus einer empirischen Untersuchung der Praxisarbeit solcher Institutionen<br />

in Nord und Süd stützt. 4 Diese Forschungslücke soll durch die vorliegende<br />

Arbeit ein Stück weit geschlossen werden.<br />

Zur <strong>Entwicklungszusammenarbeit</strong> zählen alle materiellen und nicht-materiellen<br />

Leistungen der finanziellen, technischen und gesellschaftlichen Zusammenarbeit<br />

von privaten und öffentlichen Stellen in den Ländern des Nordens<br />

und des Südens.<br />

Im Rahmen der finanziellen Zusammenarbeit werden den Ländern des Südens<br />

zu günstigen Bedingungen Finanzierungsmittel zur Förderung ökonomischer<br />

und sozialer Wandlungs- und Moderniserungsprozesse zur Verfügung gestellt.<br />

Vorrangig dienen sie der Finanzierung von Projekten oder Programmen,<br />

Importgütern und Strukturhilfen sowie zur Refinanzierung von Entwicklungsbanken.<br />

Die technische Zusammenarbeit erfolgt nach dem Grundsatz des geringsten<br />

Eingriffs und zielt darauf ab, in den Gesellschaften des Südens technische,<br />

wirtschaftliche und organisatorische Kenntnisse und Fähigkeiten zu vermitteln.<br />

Dies umfaßt sowohl die Entsendung und Finanzierung von Beratern und Fachkräften,<br />

als auch die Lieferung von Material und die Bereitstellung von Dienstund<br />

Werkleistungen sowie Finanzierungsbeiträge zu Projekten und Programmen,<br />

die in ihrem Kern einen nachhaltigen Technologietransfer anstreben.<br />

Der Begriff <strong>Entwicklungszusammenarbeit</strong> fußt jedoch nicht nur auf dem<br />

einseitigen Postulat einer ökonomischen und technischen Hilfeleistung, sondern<br />

auch auf Maßnahmen und Strategien zum Abbau von politischer Fremdbe-<br />

<br />

Arbeit grundsätzlich verzichtet. Zwar haben die Begriffe „Nord und Süd" den Nachteil,<br />

geographisch nicht ganz exakt zu erscheinen. Sie haben jedoch den großen Vorteil als<br />

wertfreie Synonyme für die diese Unterscheidung zu dienen. Die Nord-Süd-Terminologie<br />

ist vor dem Hintergrund der Dritten UN-Konferenz zum Welthandel und Entwicklung<br />

1972 entstanden. Dass bei einer solchen Differenzierung die Unterschiede<br />

zwischen den einzelnen Regionen nicht einzeln in die Begrifflichkeit miteinbezogen<br />

werden können, bleibt zu bedenken, ist aber für den Gesamtzusammenhang dieser dynamischen<br />

Dichotomie nicht von entscheidender Bedeutung (vgl. Karrenbauer 2000:<br />

1-2). Der Begriff „<strong>Entwicklungszusammenarbeit</strong>" wird dem der „Entwicklungshilfe" in<br />

dieser Arbeit insbesondere deswegen vorgezogen, da er auf eine ungerichtete und<br />

gleichberechtigte Ausrichtung verweist (vgl. Karrenbauer 2000: 2-3).<br />

3 Zur Definition von "NPOs" und "NGOs" in Japan vgl. Kruth 2008: 8.<br />

4 Eine Ausnahme bietet hier Hirata (2002), die sich allerdings mit dem Einfluss von<br />

NGOs auf die japanische ODA-Politik befasst. Eine auf eigener Erfahrung aufbauende<br />

Evaluation einer japanischen NGO in Nepal, Shapla Neer, nimmt Sadamatsu (2002)<br />

vor.


Einleitung 11<br />

stimmung, wirtschaftlicher Abhängigkeit und ethnischer Konflikte in den Ländern<br />

des Südens sowie Strukturveränderungen auf internationaler Ebene. (Vgl.<br />

hier Karrenbauer 2000: 2-3. Weiterhin auch Florini 1996, Hirata 2002, Bunk<br />

2004, Kokemohr 2007, Bhattachan 2007 und Aoki 2009 zur theoretischen Basis<br />

der <strong>Entwicklungszusammenarbeit</strong>, oder auch zu folgenden Bereichen: Reimann<br />

2003, Inada 2005 (internationale Normen), Bista 2008, Nepal Water for Health<br />

2009 (Armutskonzeption), Purnendra 1997, Murayama 2005 (Partizipation),<br />

Murayama 2005, Aoki 2009 (Empowerment), Brucksch 2007, Brucksch und<br />

Grünschloß 2008 (Umweltschutz), Kubota 1997, Schubert 1999, Heinz 1999<br />

und Panday 2000 (Menschenrechte))<br />

Die aktuelle Forschung zu japanischen NPOs, im weiteren thematischen Bereich<br />

der Bürgergesellschaft (Ausnahmen sind Koschmann 1978, McKean 1981,<br />

Oda 1989, Ben-Ari 1991, Moon 2002, Witteveen 2003 und Brumann 2001,<br />

2006 und Kruth 2008.) oder der Organisation japanischen Lebens in Drittsektororganisationen<br />

5 ist zwangsläufig noch begrenzt. 6<br />

Um die Frage nach dem Umbruch im Bereich privater Rechtsformen zu lösen<br />

und ihren Einfluss auf die japanische Gesellschaft zu dokumentieren, bedienen<br />

sich etliche westliche und japanische Wissenschaftler der Begriffe „Bürgergesellschaft“<br />

oder „Zivilgesellschaft“ (vgl. Kruth 2008).<br />

Gerade in Verbindung mit einer politischen Erwartungshaltung wurden diese<br />

Begriffe in den letzten 15 Jahren von Politikwissenschaftlern, Soziologen und<br />

anderen Akteuren im amerikanischen und europäischen Raum neu geprägt und<br />

wiederbelebt. 7 In Europa entwickelte sich ein neues Konzept von Zivilgesellschaft<br />

im Zuge der Debatte um Demokratisierungsprozesse in den ehemals<br />

kommunistischen Staaten (Ogawa 2005: 3). Da dieses Konzept in der Folge mit<br />

<br />

5 Japanische Organisationen, die in dieser Arbeit Betrachtung finden, werden in Fortsetzung<br />

der Diskussion bei Kruth (2008: 10) als Drittsektororganisationen bezeichnet. Der<br />

"Dritte Sektor", den Drittsektororganisationen ansprechen, steht als pluralistisch orientierter<br />

Machtfaktor neben einem Ersten Sektor, der den Staat umfasst und einem Zweiten<br />

Sektor der Wirtschaft. Im Japanischen wird die Übersetzung des Begriffs „Dritter<br />

Sektor“ daisan sekut gebraucht. Häufig werden jedoch im japanischen<br />

sowie westlichen Diskurs die Begriffe NGOs, sowie NPOs verwendet, die ebenfalls an<br />

angegebener Stelle ausführlich definiert wurden.<br />

6 , , , , .<br />

7 Vgl. Habermas 1989 und 1996, Taylor 1991, Seligman 1992, Tester 1992, Kumar 1993,<br />

Putnam 1993, Cohen und Arato 1994, Arato 1994, Dubiel 1994, Gellner 1994, Salamon<br />

und Anheier 1994, Hall 1995, Gaskin 1996, Evers 1996, Berman 1997, Beisheim 1999,<br />

Diamond 1999, Windfuhr 1999, Ehrenberg 1999, Alemann et al. 1999, Hann 1996,<br />

Hann und Dunn 1996, Schröder 2000, Süssmuth 2000, Heinze und Olk 2001, Pouligny<br />

2001, Khilnani et al. 2001, Kaldor 2003, Edwards 2004 und weitere Autoren aus der in<br />

Kruth 2008 reflektierten Diskussion.


12<br />

Einleitung<br />

der Einforderung von Bürgerrechten und philanthropischer Aktivitäten für ein<br />

öffentliches Gemeinwohl positiv besetzt wurde, wird es heute weitgehend im<br />

Sinne solche <strong>Erfahrungen</strong> verwendet.<br />

Bemerkenswerterweise arbeiten nun ebenso nicht wenige Akteure der politischen<br />

Sphäre mit derselben Begrifflichkeit, in deren Wirkungszusammenhang<br />

sie sich einzuordnen versuchen.Viele Wissenschaftler, die sich in Japan mit den<br />

beschriebenen Prozessen auseinander gesetzt haben und gleichwohl auch den<br />

dort rasch boomenden NPO-Sektor kommentieren, sehen in der Verbreitung<br />

solcher Organisationsformen einen Beitrag zur Etablierung einer Zivilgesellschaft<br />

in Japan. In der Literatur lässt sich beobachten, dass insbesondere westliche<br />

Wissenschaftler oder Institutionen des westlich orientierten Wissenstransfers<br />

ein umfassendes Interesse an dieser Thematik entwickelt haben.<br />

Nicht zuletzt ist es auch Ihrem Einfluss zuzurechnen, dass die Debatte nun<br />

auch in Japan über die wissenschaftliche Welt hinausgeht. 8 Oftmals war es die<br />

Makro-Ebene, der dabei Beachtung geschenkt wurde. Eine tiefgründige transkulturelle<br />

Auseinandersetzung mit dem Phänomen der Zivilgesellschaft auf der<br />

Mikro-Ebene kann Abhilfe schaffen, einige Prämissen der gegenwärtigen Diskussion<br />

in Frage zu stellen. Der Ansatz, dass Modelle der Bürgerpartizipation<br />

kontextgebunden sind, wurde bereits von einigen Autoren, gerade in einem ostasiatischen<br />

Kontext verfolgt (Hann und Dunn 1996, Mutz 2003, Garon 2003,<br />

Pekkanen 2003, Ogawa 2005). Es gibt eine Reihe von Institutionen in Japan,<br />

die Drittsektororganisationen fördern, <strong>Erfahrungen</strong> im Bereich der Forschungsthematik<br />

besitzen und auch Publikationen im non-profit Bereich herausgeben.<br />

(Center for International Exchange, Japan NGO Center for International Cooperation<br />

(JANIC) Kokusai kyryoku NGO sent, Japan Association of Charitable<br />

Corporations, Japan NPO Center, Japan NPO Research Association (JAN-<br />

PORA) Nihon NPO gakkai). 9<br />

Dennoch werden in der einschlägigen Literatur nur wenige Praxisprobleme<br />

der Projektarbeit explizit aufgegriffen und thematisiert, gerade im Bereich <strong>japanischer</strong><br />

NPOs der <strong>Entwicklungszusammenarbeit</strong> mit geringfügigem Kapital.<br />

Zwar existiert auf <strong>japanischer</strong> Seite im Bereich der praktischen Hilfestellung für<br />

Verwaltungs- und Errichtungsfragen von NPOs eine große Masse an nichtwissenschaftlicher<br />

Literatur, entsprechende Studien fehlen aber für die Entwick-<br />

<br />

8 Vgl. Honma und Deguchi 1996, Yamamoto 1996, 1998 und 1999, Kumashiro 1998,<br />

Yamamoto und Amenomori 1998, Honma und Ueno 1998, Imai 1998, Vosse 1999,<br />

Seifert 1999, Yamaoka 1999, Karrenbauer 2000, Pekkanen 2000 und 2003, Bestor 2002<br />

und 2006, Schwarz 2002, Garon 2003, Schwartz und Pharr 2003, Pharr 2003, Osborne<br />

2003, Tsukamoto 2004, 2002 und 2004, Ogawa 2005, Broadbent 2006, Witteveen 2006.<br />

Weitere Autoren vgl. Kruth 2008.<br />

9 NGO , NPO , NPO .


Einleitung 13<br />

lungszusammenarbeit. (Z.B. Sanet 2003, Yoneda 2001 oder Hotsuta 2003 und<br />

2004. JANPORA 2005: 18f, 2006a und b: 18f.) 10<br />

Eine etwas breitere Perspektive bieten die großen Modernisierungstheoreme.<br />

„Modern sein“ ist etwas, unter dem sich jeder etwas vorzustellen vermag. So<br />

wird es in der Diskussion um japanische Entwicklungsziele seit dem Ende der<br />

Edo-Zeit (1603-1868) und Beginn der Meiji-Zeit (1868-1912) in Japan hilfreich<br />

sein, sich zunächst grundlegende Fragen bezüglich des theoretischen Anspruchs<br />

von Modernisierungstheorien und der speziellen Ausprägung einer westlich inspirierten<br />

„Moderne“ zu stellen. (vgl. zur theoretischen Basis der Modernekonzeption<br />

Foucault 1990 Adorno 2008 und Zapf 1975 und zur Modernisierung<br />

<strong>japanischer</strong> Entwicklungsziele seit der Meiji-Zeit Osaka Prefectural Archives<br />

1987, Tipton und Clark 2000, Kashiwagi 2000, Hanes 1998, Weisenfeld 2000,<br />

Hardach-Pinke 2001, Inoguchi 2005, Zöllner 2006, Gordon 2009.)<br />

EIGENE VORARBEITEN:<br />

GESETZESGRUNDLAGE UND ZIVILGESELLSCHAFT<br />

Im Rahmen der Dissertation führte ich mit Unterstützung der Japan Society for<br />

the Promotion of Science und als „Research Associate“ an der Kansai Universität<br />

in saka einen insgesamt siebenmonatigen Forschungsaufenthalt in Japan<br />

durch. Daraus gewonnene ethnographische Daten zum Dritten Sektor vereinigen<br />

Hintergrundfakten und die Dokumentation multipler Perspektiven und Interaktionen<br />

von Menschen, die versuchen bei der Gründung und den Aktivitäten<br />

organisatorischen Lebens mitzuwirken.<br />

Durch Daten aus ethnographischer Feldarbeit in Japan und durch Sammlung<br />

von Vergleichsdaten über ein innovatives Rechtskonstrukt in Deutschland wurde<br />

so der Umbruch dokumentiert, der sich gegenwärtig auf Graswurzelebene in<br />

der japanischen Gesellschaft ereignet. In der öffentlichen Diskussion tauchte<br />

der Begriff „NPOs“ (Tokutei hieiri katsud hjin) das erste Mal in Japan bei<br />

dem vernichtenden Schock des Hanshin-Awaji Erdbebens in den neunziger Jahren<br />

auf, bei dem 1,3 Millionen Freiwillige zur Hilfeleistung mobilisiert wurden.<br />

11<br />

<br />

10 Katsuyama Kimiyoshi , Bibliothekar der JICA Global Plaza [JICA <br />

] in Tky, Schnittstelle <strong>japanischer</strong> NGOs und staatlicher Hilfeleistung in Japan,<br />

sowie dem Personal der Bibliotheken des JICA Research Institute in Tky [JICA <br />

] und des JICA Training Centers in saka, waren mir bei der Recherche im JI-<br />

CA-Archiv sehr hilfreich. Durga Prasad Pathak, Bibliothekar der Kaiser Library des<br />

nepalesischen Erziehungsministeriums beschaffte wichtige Literatur für diese Arbeit in<br />

Nepal.<br />

11 , am 17.01.1995. „NPOs“ (Tokutei hieiri katsud hjin) <br />

, auch „NPO-hjin“ NPO-, wurden durch das „Gesetz zur Förderung


14<br />

Einleitung<br />

Diese kollektive Erfahrung löste eine legislative Auseinandersetzung aus, deren<br />

Ergebnis erstmals in der Geschichte Japans Bürgern eine unkomplizierte Inkorporierung<br />

als eigenständige Organisation ermöglichte. Innerhalb kurzer Zeit<br />

setzte ein massiver Gründungsboom ein (vgl. Kruth 2008).<br />

Ein Fokus auf eine intensive teilnehmende Beobachtung in einer NPO in<br />

saka; unterstützende Interviews mit Experten, Lobbyisten und Regierungsoffiziellen;<br />

die Teilnahme an Arbeitsgruppen und Seminaren von Aktiven aus<br />

verschiedenen ausgewählten Regionen; eine Betrachtung der rechtlichen Voraussetzungen<br />

und eine Schritt für Schritt-Diskussion von Verwaltungsproblemen<br />

der Drittsektororganisationen konnte dabei helfen, bürgerschaftliche Partizipation<br />

in Japan auf pragmatische Weise zu hinterfragen.<br />

Es wurde dabei insbesondere auf die Möglichkeiten und Hindernisse des individuellen<br />

Bürgerengagements durch die erst kürzlich durch das NPO-Gesetz in<br />

Japan etablierten Organisationen eingegangen.<br />

Bei einem Transfer des vielfach vorgeprägten Konzeptes der „Bürgergesellschaft“<br />

können weder die häufig mit ihm verbundenen historischen Gegebenheiten<br />

vorausgesetzt, noch normative Anliegen und soziale Ideale schlicht übertragen<br />

werden. Gegenwärtige Entwicklungen <strong>japanischer</strong> NPOs sind als Umbruchsituation<br />

bürgerschaftlicher Strategien im Modernisierungsprozess zu verstehen.<br />

Der Gründungsboom hat gezeigt, wie öffentlichkeitswirksam und identitätskonstituierend<br />

das Prestige neuer privater Rechtsformen inzwischen auch<br />

in Japan ist.<br />

Von staatlicher Seite wurde lange Zeit ein privatrechtliches System der Zivilgesellschaft<br />

verhindert, dass mittlerweile durch das neue NPO-Gesetz erheblich<br />

gestärkt wurde. Im Interview mit der Coalition for Legislation to Support<br />

Citizens' Organisations (kurz: C's) in Tky wurden neue Nuancen im Gesetzwerdungsprozess<br />

sichtbar. 12 Es war unter anderem die Lobbyarbeit von Zusammenschlüssen<br />

wie C's, die den NPO-Status mitdefinierte und damit heute<br />

eine zentrale Rolle bei der Etablierung einer modernisierten Bürgergesellschaft<br />

in Japan einnimmt.<br />

Viele NPO-Experten bezeichneten jedoch den in der Steuerreform des Jahres<br />

2001 legalisierten autorisierten und steuerbefreiten Status (Nintei NPO-hjin)<br />

als durchweg gescheitert. 13 Doch etliche halbstaatliche NPO-Zentren (enup<br />

<br />

Spezifizierter Non-Profit Aktivitäten“ in § 34 des japanischen bürgerlichen Gesetzbuches<br />

(Minp 34 j tokutei hieiri katsud sokushin h) 34 <br />

, auch „NPO-h“ NPO , in seiner ersten Fassung vom März 1998 rechtlich etabliert.<br />

12 .<br />

13 NPO .


Einleitung 15<br />

sent) bilden nun bereits nach wenigen Jahren ein kompetentes, umfassendes<br />

Beratungssystem und Netzwerk für Gründungswillige. 14 Sowohl in Okinawa<br />

als auch in Akita ließ sich im Interview mit den höchsten Regierungsoffiziellen<br />

für Angelegenheiten von NPOs in Erfahrung bringen, dass sich die neue bürgerschaftliche<br />

Aktivität in der Provinz kaum von der in großen Ballungsgebieten<br />

unterscheidet.<br />

Teilnehmende Beobachtung in einer NPO in saka machte deutlich, dass<br />

nachhaltiges Engagement erst durch Detailentscheidungen konstituiert wird, die<br />

bei der ethischen Vermögensverwaltung, bei öffentlicher Transparenz, im Fundraising,<br />

bei internen und externen Netzwerken oder der Projektarbeit zum Tragen<br />

kommen. Aufgrund der fokussierten Fragestellung des Vorgängerprojektes<br />

war hingegen die Untersuchung von NPOs auf den innerjapanischen Kontext<br />

begrenzt. Diese Perspektive soll nun um die Fallstudie der <strong>Entwicklungszusammenarbeit</strong><br />

in Nepal ergänzt werden um die Arbeitsweise <strong>japanischer</strong> Drittsektororganisationen<br />

in der Praxis betrachten zu können.<br />

Es hat sich gezeigt, dass die Möglichkeiten dieser Organisationen als Alternative<br />

außerhalb wirtschaftlicher oder staatlicher Konditionierung ganz entscheidend<br />

von ihrer konkreten Projektarbeit abhängen: Es gilt nun in einer komplementären<br />

Forschung eben diese konkrete Projektarbeit in Übersee zu untersuchen,<br />

ihre Motivationen, ihre Konzepte und ihre Wirkungskraft. Auch unter<br />

dem Gesichtspunkt, dass die neue Freiwilligkeit im Sektor als Arbeitsmarktressource<br />

gesehen wird und sich Herrschaftsverhältnisse auf diesen übertragen.<br />

NEUE FRAGEN AN MODERNISIERUNG UND ENTWICKLUNGSZU-<br />

SAMMENARBEIT<br />

Japanische Bürger sind derzeit im Begriff in der internationalen Zusammenarbeit<br />

eine gewichtigere Rolle zu übernehmen. Detaillierte Kenntnisse über die<br />

neue <strong>Entwicklungszusammenarbeit</strong> Japans sind somit unerlässlich.<br />

Auf Drittsektororganisationen wird gerade im Feld internationaler Beziehungen<br />

und durch die ihnen attestierte Problemlösungskompetenz große politische<br />

Hoffnungen gesetzt:<br />

Neuste Entwicklungen im Feld der <strong>Entwicklungszusammenarbeit</strong> <strong>japanischer</strong><br />

Organisationen sind vor Ort in Nepal und Japan zu dokumentieren und dabei<br />

insbesondere folgende Fragen zu beantworten:<br />

1) <strong>Entwicklungszusammenarbeit</strong> beinhaltet zweifellos Interessenvertretung.<br />

Grundsätzlich ist von Bedeutung, dass dabei nicht nur die Interessen der Betroffenen<br />

eine Rolle zu spielen scheinen: Welche Theorien und Zielvorstellungen<br />

liegen der Arbeit <strong>japanischer</strong> Organisationen zu Grunde?<br />

<br />

14 NPO .


16<br />

Einleitung<br />

2) Rechtliche, politische, wirtschaftliche und kulturelle Grundlagen bilden einen<br />

festen Bezugsrahmen internationaler <strong>Entwicklungszusammenarbeit</strong>.<br />

Welche Fragen, Hindernisse und Probleme treten damit in der Projektarbeit<br />

konkret auf und welche Lösungen bieten sich an?<br />

3) Ist dabei eine neue japanische <strong>Entwicklungszusammenarbeit</strong> Teil einer westlich<br />

inspirierten Moderne oder bilden sich spezifische Formen, Motivationen<br />

oder Praktiken heraus?<br />

4) Bildet eine solche internationale Zusammenarbeit wirklich einen übernationalen<br />

Aktionsraum, der sich über ökonomische Gefälle und staatliche und<br />

strukturelle Einschränkungen hinwegzusetzen vermag?<br />

Die hier angesprochene westlich inspirierte "Moderne" meint insbesondere den<br />

technisch-materialistisch und individualistisch orientierten Lebensstil des neuen<br />

Bürgertums seit seinem Urspung in der englischen industriellen und französichen<br />

politischen Revolution unter Einbeziehung der ökonomischen und imperialistischen<br />

Folgen. 15<br />

In Japan lassen sich die Auswirkungen der Umbruchphase der Meiji-Zeit<br />

(1868-1912) besonders detailreich illustrieren, da sie vielfach mit der Einführung<br />

eines westlichen Lebensstils gleichzusetzen sind, der nicht nur von staatlichen<br />

sondern auch nicht-staatlichen Eliten befördert wurde.<br />

Nach dem Ersten Weltkrieg ergriff eine zweite Welle westlichen Einflusses<br />

Japan und ab den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts wurde der Begriff modanizumu<br />

zum Schlagwort des kulturell-gesellschaftlichen Phänomens.<br />

Obwohl dieser neue Einfluss oft mit den Veränderungen der frühen Meiji-Zeit<br />

verglichen worden ist, war er weniger staatlich gelenkt und umfasste vielmehr<br />

eine neu differenzierte kulturelle Koproduktion, die weder allein vom Staate<br />

ausging, noch ausschließlich auf die propagierte politische Zielsetzung hin gerichtet<br />

war.<br />

So grundlegend und bestimmend die Veränderungen der Meiji-Zeit in Politik<br />

und Gesellschaft in Japan auch waren, die folgenden sich verselbstständigen<br />

kulturellen Fusionsphänomene verdienen die gleiche Aufmerksamkeit der Modernisierungsforschung<br />

in Japan. (Vgl. Tripton 2000: 7f)<br />

ANGEWANDTE GEISTESWISSENSCHAFT<br />

Der hier vertretene Standpunkt steht einer für die Gegenwart charakteristischen<br />

Entwicklungseuphorie grundsätzlich kritisch gegenüber. Der evolutionäre Begriff<br />

„Entwicklung“ ist bereits auf eine meist recht fest verankerte Zielvorstel-<br />

<br />

15 Zur genaueren Definition und Kritik des Modernisierungsbegriffs vgl. Kruth 2008: 11<br />

und zur Begrifflichkeit einer „Moderne“ vgl. die Darstellung nach dem Gedankengangs<br />

Foucaults zu Beginn des zweiten Kapitels.


Einleitung 17<br />

lung gerichtet, die unterschiedliche Absichten enthalten kann und die auch bei<br />

der Einführung einer relativierenden Begrifflichkeit, wie etwa der „Nord-Süd-<br />

Problematik“ erhalten bleibt.<br />

Eine ganze Reihe von Drittsektororganisationen thematisiert ganz grob gesagt<br />

das, welches gemeinhin als Problembereich der Globalisierung erfasst wird.<br />

Entwicklung ist aber immer auch Mission und teil dieser Globalisierungstendenzen.<br />

Zudem bleibt zu fragen, ob gesetzte Ziele auch durch gegenwärtige<br />

Wege erreicht werden können. Hingegen bieten Drittsektororganisationen der<br />

<strong>Entwicklungszusammenarbeit</strong> ihrerseits wesentliche Chancen für Motive wie<br />

finanzielle oder ideelle Hilfeleistung.<br />

Auch nach der postmodernen Wende in den Geisteswissenschaften bleibt eine<br />

funktional-praktische Perspektive sinnvoll, solange die mit ihr verbundenen Absichten<br />

erkennbar in der ethnographischen Darstellung bleiben.<br />

Der anthropologische Ansatz bereichert schon seit langer Zeit das Gesamtbild<br />

der Japanforschung. Aktuell auch durch ihren Zugang zu abgeschlossenen sozialen<br />

Netzwerken, durch ihre Expertise des Alltäglichen und ihre gelebte Erfahrung<br />

mit dem Forschungsgegenstand.<br />

Erreicht werden kann dies durch ihre Werkzeuge: Teilnehmende Beobachtung,<br />

Interviewtechniken und die Integration diverser Hintergrunddaten. Kontakte<br />

zu Experten des neuen Dritten Sektors in Japan förderten den Einstieg ins<br />

Feld der <strong>Entwicklungszusammenarbeit</strong> und den Materialzugang in Japan und in<br />

Übersee.<br />

Ein zentrales Instrument der Datengenerierung waren qualitative sozialwissenschaftliche<br />

Erhebungen in Form von teilnehmender Beobachtung und Befragungstechniken,<br />

die in Japan aber auch in Übersee eine Auseinandersetzung<br />

mit Informanten und ihren <strong>Erfahrungen</strong> vor Ort erforderten.<br />

Kontakte nach Kathmandu und anderen Initiativen in Nepal waren die<br />

Grundlage für Experteninterviews der nepalischen Partnerorganisationen. Insgesamt<br />

wurden in den Feldphasen der Forschung in den Jahren 2008, 2009,<br />

2010 und 2011 eine große Menge an Feldnotizen produziert und diese später für<br />

die Analyse herangezogen.<br />

Ich führte und dokumentierte insgesamt 104 semi- und informale Interviews<br />

mit Teilnehmern, Experten, Lobbyisten und Offiziellen der staatlichen und halbstaatlichen<br />

Organisationen in Japan und Nepal.<br />

Medienanalyse, die Durchsicht von rund 2500 Seiten Material und eine laufende<br />

Literatur- und Internetrecherche sicherte die neusten Informationen. Kurse,<br />

Arbeitsgruppen, Seminare und Treffen von Spezialisten und Aktiven waren<br />

eine Fundgrube für Werkstoff.


18<br />

Einleitung<br />

DARSTELLUNGSÜBERBLICK<br />

Es folgt nun im zweiten bis vierten Kapitel die Erarbeitung der theoretischen<br />

Grundlagen. Dies zunächst im zweiten Kapitel anhand eines Überblicks über die<br />

Entwicklungsziele und -prämissen seit der Meiji-Zeit.<br />

Im Anschluss sollen im dritten Kapitel die theoretischen Grundlagen der japanischen<br />

Nachkriegshilfeleistung im Ausland erarbeitet werden. Hierzu werden<br />

Hintergründe und Absichten <strong>japanischer</strong> ODA-Politik in Südasien, insbesondere<br />

in Nepal und ihrer aktuellen Alternative nach dem zivilgesellschaftlichen Umbruch<br />

durch das NPO-Gesetz in Japan aufgezeigt.<br />

Ein historischer Abriss zu den Aktivitäten <strong>japanischer</strong> Drittsektororganisationen<br />

in der <strong>Entwicklungszusammenarbeit</strong> führt in die Umstände dieser Form bürgerlichen<br />

Engagements in Übersee ein, das gegenwärtig einen rechtlichen und<br />

gesellschaftlichen Wandel erfährt.<br />

Im vierten Kapitel wird diese neu aufgekommene Form bürgerlichen Engagements<br />

in der <strong>Entwicklungszusammenarbeit</strong> <strong>japanischer</strong> NGOs dann in Asien<br />

und Nepal betrachtet. Schon die staatliche Hilfeleistung hatte aufgrund unterschiedlicher<br />

politischer Erwägungen ihren Schwerpunkt auf diese Region gesetzt.<br />

Japanische Drittsektororganisationen übernehmen derzeit diesen Fokus<br />

und profitieren teilweise von den Kompetenzen und Kontakten in die Region,<br />

sind jedoch dabei ihren eigenen Stand im Gefüge der <strong>Entwicklungszusammenarbeit</strong><br />

auszubilden.<br />

Es folgt im fünften Kapitel eine kurze Einführung zu den methodischen Mitteln<br />

der Feldstudie in Japan und Nepal. Die verwendeten Interview-Leitfäden<br />

zur Untersuchung finden sich ebenfalls an dieser Stelle.<br />

Das sechste und siebte Kapitel enthalten die Daten der Feldstudie. Sie untersuchen<br />

systematisch und nach Entwicklungsthemen getrennt die Motive der gegenwärtigen<br />

japanischen <strong>Entwicklungszusammenarbeit</strong> in Nepal. Hier geht es<br />

um die Prämissen des Engagements in Übersee.<br />

Kapitel sechs diskutiert die Ergebnisse der Feldstudie in ihrem theoretischen<br />

Zusammenhang. Zunächst werden die Begriffe der entwicklungstheoretischen<br />

Debatte eingeführt, und in der Folge die internationale Normierung und Konformität<br />

im Feld der <strong>Entwicklungszusammenarbeit</strong> thematisiert.<br />

Anhand einzelner Aspekte der entwicklungstheoretischen Debatte werden im<br />

Anschluss die Daten der Feldstudie diskutiert. Wie verhalten sich die Akteure<br />

der japanischen <strong>Entwicklungszusammenarbeit</strong> bei ihrem Engagement in Nepal?<br />

Welchen Motivationen und Vorstellungen folgen sie, welchen Problemen begegen<br />

sie dabei?<br />

Allgemeine pragmatische Aspekte der <strong>Entwicklungszusammenarbeit</strong> stehen<br />

in der Analyse des siebten Kapitels im Mittelpunkt: Staatliche Eingriffe und<br />

Korruption, Förderung <strong>japanischer</strong> Organisationen durch die Ausführungsorga-


Einleitung 19<br />

nisation JICA, Gesetzgebung und Korruption in Nepal, Zusammenarbeit über<br />

Netzwerke, Kriegszustand und Hilfeleistung sind wichtige Voraussetzungen und<br />

Hindernisse für japanische Drittsektororganisationen in Nepal.<br />

In diesem Kapitel werden <strong>Erfahrungen</strong> und konkrete Optionen der japanischen<br />

<strong>Entwicklungszusammenarbeit</strong> in Nepal anhand der erhobenen Daten erörtert.<br />

Abschließend werden die gewonnenen Erkenntnisse zusammengefasst,<br />

sowie Motive, Ziele und reale Möglichkeiten einer neuen japanischen <strong>Entwicklungszusammenarbeit</strong><br />

in Nepal in einen größeren Zusammenhang gestellt.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!