Aktuelles aus 2002 - Laves - Niedersachsen
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Aktuelles aus 2002 - Laves - Niedersachsen
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3. »<strong>Aktuelles</strong> <strong>aus</strong> <strong>2002</strong>«<br />
»<strong>Aktuelles</strong> <strong>aus</strong> <strong>2002</strong>«<br />
Das Lebensmittelrecht und der Verbraucherschutz sind innerhalb<br />
der Europäischen Union (EU) längst nicht mehr Angelegenheiten<br />
einzelner Mitgliedstaaten. Insbesondere in gesundheitlichen<br />
Fragen wird durch die ständig voranschreitende Harmonisierung<br />
und Rechtsanpassung vielmehr ein einheitlicher Schutz auf<br />
hohem Niveau angestrebt. Hierin liegt eine Vor<strong>aus</strong>setzung für<br />
einen wirklich freien Markt und Handel in der gesamten EU.<br />
Es hat sich gezeigt, dass für die Bundesrepublik Deutschland entgegen<br />
früheren Befürchtungen damit grundsätzlich keineswegs<br />
eine Verschlechterung im Verbraucherschutz eingetreten ist.<br />
Als vorläufig letzter Reformschritt im Rahmen der Harmonisierung<br />
des Lebensmittelrechts in der EU wurden mit Verabschiedung<br />
der EG-Verordnung Nr. 178/<strong>2002</strong> erstmals allgemeine<br />
Grundsätze und Anforderungen zum Lebensmittelrecht, zur<br />
Errichtung einer Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit<br />
in Brüssel und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit<br />
in Form einer Verordnung, und damit als direkt geltendes<br />
Recht, festgelegt. Dieses Konzept des gesundheitlichen<br />
Verbraucherschutzes ist durch einen ganzheitlichen Ansatz<br />
gekennzeichnet und umfasst alle Aspekte der Lebensmittelherstellungskette:<br />
von der Urproduktion, einschließlich der Futtermittelgewinnung,<br />
über die Verarbeitung bis zum Vertrieb des<br />
Endproduktes. Dieses Prinzip ist bekannt geworden unter dem<br />
Schlagwort »from stable to table« (»Vom Stall auf den Tisch«).<br />
Das hierauf basierende Kontrollsystem ist dreistufig aufgebaut<br />
(siehe Abbildung 3.12 auf Seite 41), damit nach den Grundsätzen<br />
der Risikoanalyse die gesamte Kette der Lebensmittelgewinnung<br />
erfasst werden kann. Es hat zum Ziel, die bisher praktizierte flächendeckende<br />
Beprobung nach dem Zufallsprinzip zu beenden<br />
und stattdessen eine gezielte Gefahrenanalyse auf jeder Stufe<br />
der Lebensmittelgewinnung und -bearbeitung vorzunehmen. Erst<br />
so ergibt sich ein effizientes und gleichzeitig wirtschaftliches,<br />
somit optimales Überwachungskonzept. »Risk assessment«, d. h.,<br />
Risikoeinschätzung aller Gefährdungsfaktoren, ist in Zukunft die<br />
Grundlage der Lebensmittelüberwachung.<br />
Risikobewertung und Risikomanagement sind nach den Forderungen<br />
der EU, aber auch des sog. von-Wedel-Gutachtens<br />
grundsätzlich voneinander zu trennen. Der Bund hat auf nationaler<br />
Ebene durch Gründung des Bundesamtes für Verbraucherschutz<br />
und Lebensmittelsicherheit (BVL) sowie des Bundesinstitutes für<br />
Risikobewertung (BfR) dieser Zielsetzung Rechnung getragen. Für<br />
<strong>Niedersachsen</strong> wurde mit der Errichtung des LAVES eine Behörde<br />
für alle Fragen des gesundheitlichen Verbraucherschutzes<br />
geschaffen.<br />
EU-Schnellwarnsystem<br />
Auf Grundlage der EU-Verordnung <strong>2002</strong>/178 zum Lebensmittelrecht<br />
wird bei der Kommission ein Schnellwarnsystem für<br />
Lebensmittel und Futtermittel betrieben. Es soll eine lückenlose,<br />
schnelle Weitergabe von Informationen zwischen den Mitgliedstaaten<br />
und der Kommission sicherstellen, wenn Produkte entdeckt<br />
werden, die eine Gefahr für die Gesundheit bedeuten.<br />
19
3. »<strong>Aktuelles</strong> <strong>aus</strong> <strong>2002</strong>«<br />
Gemeldet werden Untersuchungsbefunde und Maßnahmen, die<br />
von den Lebensmittelüberwachungsbehörden ergriffen werden.<br />
Auf diese Weise können die Kontrollen stärker in die Herkunftsländer<br />
der Produkte und die Außengrenzen des gemeinsamen<br />
Marktes verlagert werden.<br />
Im Fall des Nitrofen-Geschehens erfolgte die Erstmeldung<br />
in das Schnellwarnsystem durch den Futtermittelkontrolldienst<br />
des LAVES. Die betroffenen Länder wurden parallel vorab<br />
informiert, so dass dort alle notwendigen Maßnahmen zeitnah<br />
ergriffen werden konnten.<br />
Es werden verschiedene Formen der Meldungen unterschieden:<br />
- Bei einer Warnmeldung liegt eine konkrete Gefährdung vor,<br />
d. h. es ist sofortiges Handeln erforderlich.<br />
- Bei einer Informationsmeldung ist die Nachricht von allgemeinem<br />
Interesse für die Lebensmittelüberwachung.<br />
Der Lebensmittelkontrolldienst und der Futtermittelkontrolldienst<br />
im LAVES sind für das Land <strong>Niedersachsen</strong> als Kontaktstellen für<br />
das Schnellwarnsystem benannt worden. Hier werden die Meldungen<br />
bearbeitet, die über den Bund vollständig an die Bundesländer<br />
weitergeleitet werden. Die Meldungen werden danach<br />
<strong>aus</strong>gewertet, ob die mangelhaften Produkte auch in <strong>Niedersachsen</strong><br />
am Markt gehandelt werden oder sogar hier erzeugt, hergestellt<br />
oder bearbeitet wurden.<br />
Vom Futtermittelkontrolldienst können im Bedarfsfalle sofortige<br />
Maßnahmen eingeleitet werden, wie z. B. Prüfungen vor Ort,<br />
Sperrmaßnahmen, Verfügungen (Verarbeitungs-, Verfütterungsund<br />
Verbringungsverbote).<br />
Der Lebensmittelkontrolldienst leitet die Meldungen an die<br />
betroffenen Vollzugsbehörden der Landkreise weiter. Die ergriffenen<br />
Maßnahmen werden an das System zurückgemeldet.<br />
Tabelle 3.1 gibt einen Überblick über die Zahl der Meldungen im<br />
Lebensmittelbereich, die seit der Übernahme des Schnellwarnsystems<br />
im Oktober eingetroffen sind. Die Vorgänge betrafen vor<br />
allem die Produktgruppen Fleisch, Fisch und Obst/Gemüse (siehe<br />
Abbildung 3.1). Bei Fleisch und Fleischprodukten betrafen die<br />
Meldungen häufig Salmonellen- oder Nitrofuranbefunde. Auch<br />
bei Fischereierzeugnissen waren Bakterien und Nitrofurane die<br />
Hauptursachen für Meldungen in das Schnellwarnsystem. Die<br />
Nitrofuran-Antibiotika wurden überwiegend in Proben <strong>aus</strong> Asien<br />
entdeckt. Die Analytik dieses Antibiotikums wird im Jahr 2003<br />
einen wichtigen Stellenwert einnehmen. Im Bereich Obst und<br />
Gemüse betrafen die Meldungen zu einem großen Teil Aflatoxine<br />
(Schimmelpilzgifte) in Nüssen. Insgesamt unterstreichen die<br />
Ergebnisse deutlich, dass einer möglichen Belastung von Lebensmitteln<br />
<strong>aus</strong> Drittländern mit in der EU verbotenen Arzneimitteln<br />
zukünftig noch größere Beachtung geschenkt werden muss. Die<br />
Befunde machen aber auch deutlich, dass grundsätzlich das<br />
von der EU etablierte Schnellwarnsystem gut dazu geeignet ist,<br />
frühzeitig Gefahrenpotentiale für die Lebensmittelsicherheit zu<br />
lokalisieren.<br />
Warnmeldungen insgesamt 108<br />
Informationsmeldungen insgesamt 287<br />
Fisch<br />
Fleisch<br />
1%<br />
11%<br />
Gemüse und Obst<br />
Getreide<br />
Milch<br />
Sonstige<br />
23 %<br />
6%<br />
31%<br />
44 %<br />
31%<br />
2%<br />
12 %<br />
26 %<br />
13 %<br />
Abbildung 3.1: Im IV. Quartal <strong>2002</strong> bearbeitete Vorgänge <strong>aus</strong> dem Schnellwarnsystem nach betroffenen<br />
Produktgruppen aufgeschlüsselt<br />
20
3. »<strong>Aktuelles</strong> <strong>aus</strong> <strong>2002</strong>«<br />
Tabelle 3.1: Im IV. Quartal <strong>2002</strong> bearbeitete Vorgänge <strong>aus</strong> dem Schnellwarnsystem im Bereich Lebensmittel<br />
(Vorgang: Basismeldung + Folgemeldungen zu derselben Notifizierung zusammengefasst zu 1 Vorgang)<br />
Warnmeldungen Informationsmeldungen Nachrichten Gesamtzahl<br />
Einzelmeldungen:<br />
• eingetroffen 295 386 10 691<br />
• weitergeleitet 147 113 6 266<br />
• D betroffen 117 60 5 182<br />
• NI betroffen 34 6 2 42<br />
Vorgänge (Notifizierungen):<br />
• eingetroffen 108 287 10 405<br />
• weitergeleitet 81 100 6 187<br />
• D betroffen 63 42 5 110<br />
• NI betroffen 19 5 2 26<br />
Informationsrechte und -pflichten<br />
Ein wesentlicher Bestandteil des ganzheitlichen Ansatzes der<br />
Lebensmittelüberwachung ist die größtmögliche Transparenz auf<br />
jeder Stufe der Lebensmittelkette und gegenüber allen Beteiligten.<br />
Im August <strong>2002</strong> hat der Bund in § 40a LMBG Unterrichtungspflichten<br />
des Lebensmittelunternehmers gegenüber Behörden<br />
und Öffentlichkeit geregelt:<br />
Wenn ein von ihm in Verkehr gebrachtes Lebensmittel Vorschriften,<br />
die dem Schutz der Gesundheit dienen, nicht entspricht, müssen<br />
Behörden und Öffentlichkeit informiert werden.<br />
Um auch die Rechte des Verbrauchers auf Zugang zu Informationen<br />
über Lebensmittel zu verbessern, hat die Bundesregierung<br />
im Juni <strong>2002</strong> das Verbraucherinformationsgesetz verabschiedet,<br />
das jedoch im Bundesrat keine Mehrheit gefunden hat.<br />
Fast zeitgleich hat das Bundesverfassungsgericht einen lange<br />
währenden Rechtsstreit über die Rechte der Behörden zur Warnung<br />
des Verbrauchers vor möglicherweise belasteten und gefährlichen<br />
Produkten abgeschlossen. Es hat festgestellt, dass eine Behörde<br />
bereits zur Verbreitung von Informationen berechtigt sein kann,<br />
obwohl die Richtigkeit der Information noch nicht abschließend<br />
Die weitere Entwicklung des Verbraucherinformationsgesetzes<br />
bleibt abzuwarten. Von Seiten des LAVES als der niedersächsischen<br />
Behörde, die für die Information von Verbrauchern in Fragen des<br />
gesundheitlichen Verbraucherschutzes zuständig ist, wird allerdings<br />
die Schaffung einer verbindlichen und rechtssicheren Information<br />
der Verbraucher dringend für erforderlich gehalten. Dabei sollte<br />
die Informationspflicht auch für die Wirtschaftsbeteiligten gelten.<br />
Nach den Grundsätzen der EU-Überwachungsstrategie beginnt<br />
die Kontrolle in der Urproduktion. Deshalb hat die Futtermittelüberwachung<br />
eine besondere Bedeutung in allen Konzepten zur<br />
Lebensmittelsicherheit. Die niedersächsische Landesregierung hat<br />
vor diesem Hintergrund dem LAVES alle Überwachungsaufgaben<br />
in diesem Bereich übertragen.<br />
1<br />
Beschluss des BVerfG vom 26.06.<strong>2002</strong>, Az.: 1 BvR 558/91<br />
geklärt ist. 1 21
3. »<strong>Aktuelles</strong> <strong>aus</strong> <strong>2002</strong>«<br />
Futtermittel<br />
<strong>Niedersachsen</strong> ist der bedeutendste Futtermittelproduktionsstandort<br />
Deutschlands. In 145 anerkannten und registrierten Betrieben werden<br />
7,5 Mio. t Mischfuttermittel hergestellt, dies entspricht 39%<br />
der gesamten Produktion im Bundesgebiet.<br />
Entsprechend hoch ist auch der Rohstoffbedarf, der – neben<br />
niedersächsischer Erzeugung – durch Lieferungen <strong>aus</strong> anderen<br />
Bundesländern, EU-Mitgliedstaaten und Drittländern gedeckt<br />
wird. Dar<strong>aus</strong> ergibt sich im »Nationalen Kontrollplan Futtermittelsicherheit«<br />
für <strong>Niedersachsen</strong> eine stark risikoorientierte<br />
Futtermittelüberwachung, deren Schwerpunkte im Bereich der<br />
Analytik bei den »unerwünschten Stoffen« und »unzulässigen<br />
Stoffen« liegen (vgl. Kap. 4.1), denn die primäre Aufgabe der<br />
amtlichen Futtermittelkontrolle ist heute die gesundheitliche<br />
Unbedenklichkeit bzw. die Qualität der erzeugten Futtermittel<br />
sicherzustellen.<br />
400<br />
350<br />
300<br />
250<br />
200<br />
150<br />
100<br />
50<br />
0<br />
330<br />
Anzahl<br />
Analysen<br />
41<br />
114<br />
57<br />
379<br />
Anzahl<br />
Beanstandungen<br />
MPA<br />
Nitrofen<br />
Mykotoxine<br />
Aflatoxin B1<br />
Abbildung 3.2: Spezielle Futtermittelanalysen <strong>2002</strong><br />
17<br />
0<br />
1<br />
Mit dem Nachweis des verbotenen Unkrautvernichtungsmittels<br />
Nitrofen in Öko-Fleisch, sowie der Belastung von niederländischen<br />
Futtermitteln mit dem Hormon MPA (Medroxyprogesteronacetat)<br />
kam es zu zwei Vorfällen, die eine besonders rasche und lückenlose<br />
Aufklärung forderten.<br />
Nitrofen<br />
Nitrofen ist ein Wirkstoff, der lange Zeit zur Unkrautvernichtung<br />
verwendet wurde, besonders bei Winterweizenfeldern. In den<br />
alten Bundesländern wird er seit 1980 wegen gesundheitlicher<br />
Bedenken nicht mehr als Pflanzenschutzmittel eingesetzt. 1988<br />
wurde in der gesamten EU ein vollständiges Anwendungsverbot<br />
erlassen, das seit der Wiedervereinigung auch für die neuen<br />
Bundesländer gilt.<br />
Die gesundheitlichen Bedenken basierten auf Ergebnissen von<br />
Tierversuchen, in denen Nitrofen krebserzeugende und fruchtschädigende<br />
Wirkungen gezeigt hatte. Berichte zu Schädigungen<br />
beim Menschen, zum Beispiel Landwirten, die Nitrofen angewendet<br />
haben, liegen nicht vor. Für Rückstände in Lebensmitteln wurde<br />
eine Höchstmenge von 0,01 mg/kg festgelegt.<br />
Ende Mai <strong>2002</strong> wurden die niedersächsischen Behörden vom<br />
Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft<br />
darüber informiert, dass Lebensmittel- und Futtermittelhersteller<br />
bei Eigenkontrollen ihrer Rohstoffe Nitrofen nachgewiesen<br />
hatten. Die Betriebe hatten zunächst versucht, durch Rückverfolgung<br />
der Lieferwege die Quelle der Verunreinigung selbst zu<br />
finden. Als sie das Problem nicht in den Griff bekamen, wandten<br />
sie sich schließlich an die Behörden. Zu diesem Zeitpunkt war<br />
bereits klar, dass die Belastung des Putenfleisches, in dem das<br />
Nitrofen zuerst nachgewiesen worden war, <strong>aus</strong> ökologisch erzeugten<br />
Futtermitteln stammte, die bei einem niedersächsischen<br />
Futtermittelhersteller produziert worden waren. Es war jedoch<br />
nicht bekannt, ob es sich um eine Kontamination durch eine<br />
Altlast oder um eine verbotswidrige Anwendung handelte.<br />
••• Sofortmaßnahmen des Futtermittelkontrolldienstes<br />
Vom Futtermittelkontrolldienst des LAVES wurden sofort Maßnahmen<br />
gegenüber dem Futtermittelhersteller und den belieferten<br />
Landwirten ergriffen. Es durfte kein kontaminiertes Futter in die<br />
Ställe gebracht und verfüttert werden. Gleichzeitig wurden von<br />
den kommunalen Veterinär- und Lebensmittelüberwachungs-<br />
22
3. »<strong>Aktuelles</strong> <strong>aus</strong> <strong>2002</strong>«<br />
behörden die Tierbestände der Landwirte gesperrt, die mit möglicherweise<br />
kontaminiertem Futtermittel gefüttert worden waren.<br />
Die Tiere durften ohne vorherige Untersuchung auf Rückstände<br />
nicht geschlachtet oder transportiert werden.<br />
Im Rahmen der Futtermittelkontrolle wurden im Zeitraum Mai bis<br />
August <strong>2002</strong> folgende Maßnahmen durchgeführt:<br />
- Ermittlung der möglicherweise belasteten Rohwaren und<br />
Mischfuttermittel, Rückverfolgung der Warenströme zur<br />
Kontaminationsquelle,<br />
- Ermittlung der Abnehmer des Futtermittels, Information der<br />
betroffenen Bundesländer und Mitteilung der Erkenntnisse<br />
an die EU über das Schnellwarnsystem,<br />
- Anordnung von Verarbeitungs- und Verfütterungsverboten<br />
bei gleichzeitigem Verbringungsverbot,<br />
- Ermittlung der Mischfutter-Rückholmengen,<br />
- Erklärung der gesperrten Getreide- und Mischfuttermengen<br />
zu Abfall,<br />
- Entnahme von Öko-Getreide-, Öko-Mischfutter- und von<br />
Staubproben,<br />
- Sperrung des Öko-Mischfutterherstellers bis zum Nachweis<br />
der analytisch festgestellten Nitrofenfreiheit, der Futtermittelbetrieb<br />
durfte kein Öko-Mischfuttermittel mehr <strong>aus</strong>liefern,<br />
- Auflagen zur Reinigung,<br />
- Kontrolle der durchgeführten Reinigungsmaßnahmen,<br />
- Vereinbarung mit dem Futtermittelhersteller hinsichtlich<br />
eines Qualitätskontrollplanes, der weit über die gesetzlichen<br />
Forderungen hin<strong>aus</strong>geht,<br />
- Überwachung der abfallrechtlichen Entsorgung der<br />
gesperrten Futtermittel.<br />
Durch Belegkontrollen und insgesamt 330 Analysen auf Nitrofen<br />
im Jahr <strong>2002</strong> konnte festgestellt werden, dass das verbotene<br />
Nitrofen nicht in <strong>Niedersachsen</strong> angewendet worden war und die<br />
Reinigung des Futtermittelproduktionsbetriebes und der Silos bei<br />
den Landwirten erfolgreich verlaufen ist. In 57 Fällen waren die<br />
Ergebnisse der Analysen positiv. Dabei handelte es sich jedoch um<br />
Proben von Futtermitteln, die bereits vor dem Eingreifen des<br />
Futtermittelkontrolldienstes hergestellt und eingelagert worden<br />
waren.<br />
Die Recherchen ergaben, dass die Nitrofen-Krise durch verseuchtes<br />
Öko-Getreide (Kontamination durch Altlast) <strong>aus</strong> einer<br />
Lagerhalle in Malchin in Mecklenburg-Vorpommern <strong>aus</strong>gelöst<br />
worden war. Die amtlichen Kontrollen wurden sicherheitshalber<br />
auch auf die Bereiche der konventionellen Mischfutterherstellung<br />
<strong>aus</strong>geweitet. Nachdem bekannt wurde, dass <strong>aus</strong> Mecklenburg-<br />
Vorpommern auch »konventionelles« nitrofen-kontaminiertes<br />
Getreide verteilt worden war, wurde dies umso wichtiger. Alle<br />
Proben, die in diesem Zusammenhang von »konventionellen«<br />
Futtermitteln gezogen wurden, waren jedoch nicht belastet. Die<br />
Untersuchungen ergaben, dass <strong>aus</strong>schließlich Öko-Getreide und<br />
die dar<strong>aus</strong> hergestellten Öko-Mischfuttermittel mit Nitrofen verunreinigt<br />
waren.<br />
••• Untersuchungen von Fleisch, Eiern und anderen<br />
Lebensmitteln<br />
Um zu verhindern, dass nitrofen-belastete Lebensmittel in den<br />
Markt gelangten, wurden alle Bestände, die geschlachtet werden<br />
sollten, zunächst repräsentativ beprobt. Die Erlaubnis zur<br />
Schlachtung oder zum Verkauf wurde erst nach Vorliegen eines<br />
negativen Befundes erteilt. Alle belasteten Tiere mussten getötet<br />
und die Produkte vernichtet werden.<br />
Milch war nicht von Sperrmaßnahmen betroffen, da stichprobenartige<br />
Untersuchungen im LAVES die Einschätzung der Bundesanstalt<br />
für Milchforschung bestätigten, dass eine messbare<br />
Belastung von Milch nicht zu befürchten war.<br />
In <strong>Niedersachsen</strong> waren mehr als hundert Betriebe von den<br />
Maßnahmen betroffen. Dies bedeutete eine große Zahl von<br />
Analysen, die innerhalb kürzester Zeit bewältigt werden mussten,<br />
um den Schaden für Landwirte und Tiere möglichst gering zu<br />
halten. Dazu kamen Untersuchungen möglicherweise belasteter<br />
Produkte (Fleisch, Eier), die in Verarbeitungsbetrieben beschlagnahmt<br />
worden waren. An diesen Untersuchungen beteiligten sich<br />
sowohl die Veterinär- als auch die Lebensmittelinstitute. Die<br />
Verteilung der Proben auf die Labore wurde zentral durch den<br />
Lebensmittelkontrolldienst koordiniert. Dort liefen auch die<br />
Ergebnisse zusammen, wurden <strong>aus</strong>gewertet und Übersichten zur<br />
aktuellen Information an die beteiligten Behörden weitergeleitet.<br />
23
3. »<strong>Aktuelles</strong> <strong>aus</strong> <strong>2002</strong>«<br />
Insgesamt wurden 834 Proben auf Nitrofen untersucht.<br />
Abbildung 3.3 gibt einen Überblick über die Ergebnisse. In etwa<br />
der Hälfte der untersuchten Produkte <strong>aus</strong> ökologischer Erzeugung<br />
wurde Nitrofen nachgewiesen. Bei den Geflügeluntersuchungen<br />
ist zu erkennen, dass nicht alle Verdachtsproben tatsächlich belastet<br />
waren. In 166 Fällen (ca. 20 % der Gesamtzahl an Analysen)<br />
war der Grenzwert der Rückstandshöchstmengen-Verordnung<br />
überschritten, teilweise bis um das 20-fache der festgesetzten<br />
Höchstmenge. Obwohl bei der Festlegung des Grenzwertes ein<br />
Sicherheitsfaktor berücksichtigt worden war, wurden alle Anstrengungen<br />
unternommen, damit keine Lebensmittel mit Nitrofenrückständen<br />
in den Markt gelangten. Insgesamt wurde das Risiko<br />
für die Verbraucher gesundheitlichen Schaden durch den Verzehr<br />
der kurzfristig im Markt befindlichen belasteten Lebensmittel zu<br />
erleiden als sehr gering bewertet. Lediglich für Schwangere<br />
wurde die Empfehlung <strong>aus</strong>gesprochen, auf den Verzehr der möglicherweise<br />
belasteten Lebensmittelgruppen zu verzichten bis alle<br />
betroffenen Produkte <strong>aus</strong> dem Handel zurückgerufen waren.<br />
Zu den unbelasteten Lebensmitteln zählten auch Lebensmittel<br />
<strong>aus</strong> Getreide wie zum Beispiel Brote, die vorsorglich untersucht<br />
worden waren. Alle verfügbaren Daten zu Analysenergebnissen<br />
und ergriffenen Maßnahmen wurden – nach Betriebsstätten sortiert<br />
– durch den Lebensmittelkontrolldienst in einer Datenbank<br />
erfasst und auf diese Weise die Gesamtsituation in jedem betroffenen<br />
landwirtschaftlichen Betrieb überschaubar dargestellt.<br />
Eine Überprüfung der Unterlagen zu Rückstandsanalysen der<br />
letzten Jahre ergab keinen Hinweis auf Nitrofengehalte in den<br />
untersuchten Proben. Auch dies spricht dafür, dass die Kontamination<br />
<strong>aus</strong> einer einzigen Quelle, der Lagerhalle in Malchin,<br />
stammte. Zur Sicherheit wurde im Rahmen des vorbeugenden<br />
Verbraucherschutzes die Situation zur Nitrofenbelastung in<br />
Lebensmitteln durch ein bundesweites Monitoringprogramm<br />
überprüft. In <strong>Niedersachsen</strong> wurden in diesem Zusammenhang<br />
Hühnereier, Weizenkleie, Schweine-, Puten- und Hühnerfleisch<br />
sowie Butter auf Nitrofen untersucht.<br />
••• Nitrofen-Monitoring<br />
Die Probenverteilung für <strong>Niedersachsen</strong> erfolgte wie in Tabelle 3.2<br />
dargestellt. Insgesamt wurden 230 Proben untersucht; 181 dieser<br />
Proben stammten <strong>aus</strong> konventioneller, 49 Proben <strong>aus</strong> ökologischer<br />
Erzeugung. In keiner der 230 untersuchten Proben <strong>aus</strong> konventioneller<br />
und ökologischer Erzeugung wurde Nitrofen nachgewiesen.<br />
Auch 2003 werden Lebensmittel im Rahmen des nationalen<br />
Rückstandskontrollplanes auf Nitrofen untersucht werden.<br />
Das Nitrofen-Geschehen war eine wichtige Bewährungsprobe<br />
für das neue Landesamt. Die koordinierte Zusammenarbeit der<br />
Institute des LAVES ermöglichte eine optimale Ausnutzung der<br />
Untersuchungskapazitäten und eine zügige Bearbeitung. Durch<br />
die Bündelung von Kompetenzen und Aufgaben <strong>aus</strong> der Futter-<br />
24<br />
120<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
Probenzahl<br />
negativ<br />
95 %<br />
negativ<br />
48 %<br />
Eier<br />
Eiprodukte<br />
Hühner<br />
Junghennen<br />
Legehennen<br />
Masthähnchen<br />
Hähnchenfleisch<br />
Puten<br />
Putenfleisch<br />
Enten<br />
Geflügelwurst<br />
Schweine<br />
Wurst<br />
Rind<br />
Milch<br />
Abbildung 3.3: Ergebnisse der Analysen im Nitrofengeschehen,<br />
blau: konventionelle Erzeugnisse, grün: ökologische Erzeugnisse<br />
pflanzl. Produkte<br />
Babynahrung<br />
+<br />
-<br />
- +
3. »<strong>Aktuelles</strong> <strong>aus</strong> <strong>2002</strong>«<br />
mittel- und Lebensmittelüberwachung in einer Behörde war es<br />
möglich, dort alle wichtigen Daten zentral zusammenzuführen<br />
und ein einheitliches Handeln in ganz <strong>Niedersachsen</strong> zu gewährleisten.<br />
Die Erfahrungen, die in dieser Zeit gemacht wurden, fließen<br />
in neue Projekte ein, die das Risikomanagement und die Zusammenarbeit<br />
der Behörden weiter verbessern werden.<br />
schen Futtermittelkontrolldienst diverse Mischfutterhersteller,<br />
Händler und Landwirte überprüft, die melassehaltige Mischfuttermittel<br />
bezogen hatten, die möglicherweise mit MPA-verunreinigtem<br />
Zuckersirup hergestellt worden waren. Insgesamt wurden 41<br />
Futtermittelproben auf MPA untersucht, von denen sich 16 als<br />
positiv erwiesen.<br />
Tabelle 3.2: Nitrofen-Nachbeobachtungen<br />
Probenart Herkunft Probenmenge (Ist)<br />
konventionell<br />
ökologisch<br />
Speisekleie (Weizen) Getreidemühle 9 2<br />
Hühnereier Eierpackstellen 46 14<br />
Putenfleisch Schlachthöfe 68 14<br />
Masthähnchen Schlachthöfe 51 9<br />
Butter Molkerei 7 10<br />
Probenmenge gesamt, 181 49<br />
<strong>Niedersachsen</strong><br />
MPA (Medroxyprogesteronacetat)<br />
MPA ist ein synthetisch hergestelltes Sexualhormon, ein Derivat<br />
des Progesterons. Es ist als Arzneimittel für Mensch und Tier<br />
zugelassen. In der Humanmedizin wird MPA hauptsächlich zur<br />
Schwangerschaftsverhütung, zur Behandlung von Wechseljahrsbeschwerden<br />
und von hormonabhängigen Tumoren eingesetzt.<br />
Bei Tieren kann es auch als Mastbeschleuniger wirken. Der Einsatz<br />
wachstumsfördernder Hormone bei Lebensmittel liefernden Tieren<br />
ist in der EU verboten.<br />
Während des Nitrofen-Geschehens erreichte das LAVES eine<br />
EU-Schnellwarnung <strong>aus</strong> den Niederlanden, dass hormonkontaminiertes<br />
Futter an einen Schweinemäster in <strong>Niedersachsen</strong> geliefert<br />
worden war. Der gemeldete landwirtschaftliche Betrieb wurde<br />
noch am selben Tag vom Futtermittelkontrolldienst aufgesucht.<br />
Die vorhandenen Mengen des betreffenden Futtermittels wurden<br />
beprobt und vorsorglich für die Verfütterung gesperrt. Der<br />
Verdacht auf MPA wurde durch die Untersuchungen im LAVES<br />
bestätigt.<br />
Die Ermittlungen ergaben, dass das Hormon <strong>aus</strong> pharmazeutischen<br />
Abfällen stammte. Diese waren zur der Herstellung von<br />
Zuckersirup verwendet worden, der illegal als Futtermittel verkauft<br />
worden war. <strong>Niedersachsen</strong> war letztendlich durch mehrere Lieferungen<br />
von kontaminiertem Futter und Fleisch von Schweinen,<br />
die mit belastetem Futter gemästet worden waren, betroffen.<br />
Ein Teil des kontaminierten Futters war – mit Melasse vermischt –<br />
an Mischfuttermittel-Hersteller geliefert worden. Nach Ermittlung<br />
der Vertriebswege in den Niederlanden wurden vom niedersächsi-<br />
••• MPA-Monitoring<br />
Im LAVES, überwiegend im Veterinärinstitut Oldenburg, wurden<br />
insgesamt 327 Schlachtproben (255 Schweineproben und 72<br />
Rinderproben) und zwölf Milchproben auf MPA untersucht. Die<br />
MPA-Untersuchungen bei den Schlachtproben wurden entweder<br />
an Depotfett oder an Nierenfett durchgeführt, da sich dort das<br />
Hormon anreichert. Die Koordinierung erfolgte durch den Lebensmittelkontrolldienst.<br />
MPA wurde in keiner der untersuchten Proben<br />
nachgewiesen.<br />
Durch das Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz<br />
und Veterinärmedizin erfolgte umgehend eine Anpassung<br />
des Nationalen Rückstandskontrollplans an das aktuelle MPA-<br />
Geschehen, indem die Untersuchung von Mastschweinen auf MPA<br />
in den Probenplan des laufenden Jahres aufgenommen wurde.<br />
25
3. »<strong>Aktuelles</strong> <strong>aus</strong> <strong>2002</strong>«<br />
Mykotoxine<br />
Mykotoxine sind Gifte von Schimmelpilzen, die besonders auf<br />
Getreide wachsen können. Die Mykotoxine gehören zu den<br />
gefährlichsten biologischen Giften. In Futtermitteln haben sie aufgrund<br />
möglicher »Carry over«-Effekte, d. h. aufgrund eines<br />
möglichen Übergangs in Fleisch und Milch, eine hohe Relevanz<br />
auch für die menschliche Gesundheit. Mykotoxine können auch<br />
bei Tieren zu erheblichen Gesundheitsschäden führen.<br />
Aufgrund der nassen Witterungsbedingungen im Jahre <strong>2002</strong><br />
wurde – regional unterschiedlich – mit dem erhöhten Auftreten<br />
von Mykotoxinen – hier: Deoxynivalenol, Zearalenon und Ochratoxin<br />
– in einheimischen Futtermitteln (Getreide, Heu, Mais u. a.)<br />
auch während des Lagerzeitraumes gerechnet. Für die genannten<br />
Toxine wurden bisher keine Grenzwerte für Futtermittel festgelegt.<br />
Anhand von Richtwerten, die für verschiedene Tierkategorien<br />
veröffentlicht wurden, ist eine Einschätzung des Gefährdungspotenzials<br />
jedoch möglich. Bei Überschreitung der Richtwerte könnte<br />
aufgrund § 3 des Futtermittelgesetzes ein Verfütterungsverbot<br />
erlassen werden. Demnach ist es verboten, Futtermittel zu verfüttern,<br />
die geeignet sind, die Qualität der von Nutztieren gewonnenen<br />
Erzeugnisse, insbesondere im Hinblick auf ihre Unbedenklichkeit<br />
für die menschliche Gesundheit, zu beeinträchtigen (»Carry<br />
over«-Effekte), sowie die Gesundheit von Tieren zu schädigen.<br />
Im Jahr <strong>2002</strong> wurden 379 Analysen der genannten Stoffe<br />
durchgeführt. Bei 173 positiven Befunden, die überwiegend im<br />
unkritischen Bereich lagen, ergab sich jedoch nur eine Beanstandung<br />
nach § 3 Futtermittelgesetz.<br />
Ein wichtiges Mykotoxin ist das Aflatoxin B1. Es ist hochgiftig<br />
und hat besonders im Milchviehbereich eine große Bedeutung.<br />
Die Untersuchungen des LAVES (insgesamt 114 Analysen) ergaben<br />
allerdings keine Grenzwertüberschreitungen.<br />
Tiere<br />
Tierseuchen<br />
••• Klassische Schweinepest (KSP)<br />
Die Klassische Schweinepest (KSP), auch Europäische Schweinepest<br />
genannt, ist eine hoch ansteckende Viruskrankheit der H<strong>aus</strong>- und<br />
Wildschweine und die wirtschaftlich bedeutendste Schweineseuche.<br />
In den vergangenen Jahren hat die Krankheit in Deutschland<br />
Schäden in Millionenhöhe verursacht.<br />
KSP ist nicht auf den Menschen übertragbar. Erreger ist ein<br />
Pestvirus <strong>aus</strong> der Familie der Flaviviridae, das weltweit verbreitet<br />
ist. Abhängig von den Wirts- und Erregereigenschaften verläuft<br />
die Krankheit perakut bis chronisch. Perakut und akut erkrankte<br />
Tiere haben hohes Fieber, neigen zu Blutungen, Störungen des<br />
zentralen Nervensystems und sterben oft innerhalb weniger Stunden.<br />
Subakut bis chronisch kranke Tiere zeigen ein weniger<br />
<strong>aus</strong>geprägtes Krankheitsbild. Unspezifische Symptome wie Mattigkeit,<br />
verminderte Futteraufnahme, lebensschwache Ferkel und<br />
Totgeburten erschweren oft die eindeutige klinische Diagnose.<br />
Das Virus kann in gesunde Schweinebestände eingeschleppt<br />
werden, wenn nicht erhitzte Speiseabfälle verfüttert werden, die<br />
von infizierten Tieren stammen, durch unkontrollierten Zukauf<br />
infizierter Tiere, sowie durch Kontakt zu infizierten Wildschweinen.<br />
Die Wildschweinpopulation hat sich auf Grund klimatischer<br />
Gegebenheiten in den letzten Jahren stark vermehren können.<br />
Gleichzeitig haben sich die Haltungsformen bei H<strong>aus</strong>schweinen<br />
Ein akut an KSP erkranktes Schwein;<br />
Nase und Ohren zeigen typische Rotblauverfärbung<br />
der Haut.<br />
26
3. »<strong>Aktuelles</strong> <strong>aus</strong> <strong>2002</strong>«<br />
teilweise geändert. Diese werden vermehrt in offenen Ställen<br />
gehalten. Deshalb besteht die Gefahr, dass die KSP von Wildschweinen<br />
auf H<strong>aus</strong>schweine und umgekehrt überspringt.<br />
Somit ist die Wildschweinepestbekämpfung ein unverzichtbares<br />
Werkzeug zur Sicherung der H<strong>aus</strong>schweinebestände vor einer<br />
Einschleppung der KSP. Seit 1997 werden in <strong>Niedersachsen</strong> Impfköder<br />
in einem Feldversuch (siehe Tabelle 3.3) <strong>aus</strong>gelegt, um das<br />
Schwarzwild gegen KSP zu immunisieren und die Infektionsgefahr<br />
für die H<strong>aus</strong>schweine damit zu verringern.<br />
Im Jahr <strong>2002</strong> wurden im VI Hannover 3.127 Organ- und 4.031<br />
Blutproben von Wildschweinen <strong>aus</strong> 15 Kreisen der Bezirksregierungen<br />
Braunschweig, Hannover und Lüneburg untersucht.<br />
In vier Kreisen (Celle, Rotenburg-Wümme, Soltau-Fallingbostel,<br />
Verden) wurden dabei 20 KSP-Antigen-positive Tiere festgestellt.<br />
Die hohe Anzahl an KSP-Antikörper-positiven Tieren ergibt sich<br />
<strong>aus</strong> den Impfmaßnahmen beim Schwarzwild.<br />
••• Tollwut, Fuchstollwut-Monitoring<br />
Die Tollwut kommt bei Tier und Mensch vor. Sie wird durch ein<br />
Rhabdovirus hervorgerufen. Ohne prophylaktisch durchgeführten<br />
Impfschutz endet eine Tollwutinfektion bei Mensch und Tier nach<br />
unterschiedlicher Inkubationszeit in der Regel tödlich. Wir unterscheiden<br />
in unseren geographischen Bereichen das Tollwutvirus<br />
(Serotyp 1) und das European Bat Lyssa Virus 1 und 2 (Serotyp 5).<br />
Letzteres wurde im Jahr <strong>2002</strong> bei der Untersuchung von 19<br />
Fledermäusen bei zwei Breitflügel-Fledermäusen nachgewiesen.<br />
Der Serotyp 1 ist vornehmlich im Wildtierbereich zu finden, und<br />
hier besonders in der Fuchspopulation. Mit der Einführung der<br />
oralen Immunisierung der Füchse in den achtziger Jahren begann<br />
ein kontinuierlicher Rückgang der Tollwuterkrankungen bei Wildtieren<br />
und damit auch bei den H<strong>aus</strong>tieren.<br />
Die orale Immunisierung mittels Impfköder stellt eine überregional<br />
erfolgreiche Eradikationsstrategie dieser gefährlichen<br />
Zoonose dar und führte in <strong>Niedersachsen</strong> dazu, dass seit einigen<br />
Jahren kein positiver Tollwutfall bei Wild- und H<strong>aus</strong>tieren diagnostiziert<br />
wurde.<br />
Tabelle 3.3: Niedersächsischer Feldversuch zur oralen Immunisierung von Wildschweinen gegen KSP für das Jahr <strong>2002</strong><br />
Jahr Impfmeldungen Teilflächen in den Landkreisen Impfflächen (km 2 )<br />
<strong>2002</strong> 22.02 und 15.03 Celle, Gifhorn, Rotenburg-Wümme, Soltau-Fallingbostel, 5.580<br />
15.03 und 12.04 Verden, Wolfsburg<br />
22.06 und 26.07<br />
01.11 und 29.11<br />
Tabelle 3.4: Untersuchungen auf KSP <strong>2002</strong><br />
Tierseuche Untersuchung auf angewandte Methodik Untersuchungen gesamt davon positiv<br />
Klassische Virus/Antigen ELISA, Immunfluoreszenz, 13.295 56<br />
Schweinepest<br />
Zellkultur, PCR<br />
Antikörper ELISA, SNT 25.376 1.176<br />
27
3. »<strong>Aktuelles</strong> <strong>aus</strong> <strong>2002</strong>«<br />
Um diesen erreichten Status »Tollwutfreie Region« zu erhalten,<br />
wird in <strong>Niedersachsen</strong> und anderen Bundesländern ein Monitoringprogramm<br />
der Fuchs-Tollwut-Untersuchung durchgeführt.<br />
Dieses Programm zeigt inzwischen ein hervorragendes Ergebnis:<br />
Insgesamt wurden in <strong>Niedersachsen</strong> im Rahmen des Tollwutmonitorings<br />
im Jahr <strong>2002</strong> <strong>aus</strong> 32 Landkreisen 851 Füchse sowie<br />
weitere 43 Wildtiere untersucht. Aus akutem Anlass zur Abklärung<br />
einer Tollwutinfektion wurden in den Veterinärinstituten zusätzlich<br />
weitere 399 Wild- und H<strong>aus</strong>tiere untersucht. Da bei allen Tieren<br />
Tollwutvirus nachweisbar war, gilt <strong>Niedersachsen</strong> weiterhin als in<br />
der EU anerkannt tollwutfreie Region. Von diesen großen Anstrengungen<br />
des Landes profitieren unter anderem auch alle Menschen<br />
in der Region, die ihre H<strong>aus</strong>tiere (in der Regel Hunde) mit auf<br />
Reisen nehmen wollen.<br />
••• Zoonosen<br />
Zoonosen sind Erkrankungen und/oder Infektionen, die vom Tier<br />
auf den Menschen übertragen werden können (s. a. Zoonoserichtlinie<br />
92/117 EWG). Auch die Tollwut ist hier einzuordnen. Zu<br />
dieser Gruppe gehören daneben die Tuberkulose des Rindes,<br />
Brucellose, Salmonellose und Trichinose. Bekämpfungsprogramme<br />
haben dazu beigetragen, dass es kaum noch Fälle von Rindertuberkulose,<br />
Brucellose und Trichinose gibt; es werden hier nur<br />
noch sporadisch Erkrankungsfälle gemeldet.<br />
Tuberkulose der Rinder<br />
Rinder-Tuberkulose tritt nach wie vor sporadisch auf. Deswegen<br />
besteht die Notwendigkeit der weiteren gezielten Untersuchung<br />
auf Mycobacterium bovis, dem Erreger der Rinder-Tuberkulose. So<br />
wurden im Jahre <strong>2002</strong> <strong>aus</strong>gehend von Schlachttieruntersuchungen<br />
zwei Tierbestände mit Mycobacterium bovis-Infektionen ermittelt.<br />
Im VI Hannover wurden <strong>2002</strong> insgesamt 1.158 Tiere<br />
auf Tollwut untersucht:<br />
Tabelle 3.5: Untersuchungen auf Tollwut<br />
Wildtiere (n=1.098)<br />
1.010 Füchse, darunter 851 Füchse im Monitorprogramm, negativ<br />
159 Füchse wurden als Tollwut-Verdachtsfälle untersucht<br />
9 Dachse negativ<br />
33 Marder negativ<br />
1 Waschbär negativ<br />
1 Igel negativ<br />
3 Eichhörnchen negativ<br />
1 Hase negativ<br />
2 Ratten negativ<br />
1 Elch negativ<br />
2 Hirsche negativ<br />
16 Rehe negativ<br />
19 Fledermäuse 2 positiv<br />
H<strong>aus</strong>tiere (n=60)<br />
26 Katzen negativ<br />
10 Hunde negativ<br />
1 Hamster negativ<br />
1 Kaninchen negativ<br />
5 Rinder negativ<br />
11 Pferde negativ<br />
6 Schafe negativ<br />
Zur Sicherung des »tollwutfreien Status« müssen die<br />
Kontrollen sorgfältig weitergeführt werden.<br />
28
3. »<strong>Aktuelles</strong> <strong>aus</strong> <strong>2002</strong>«<br />
Salmonellose der Rinder<br />
Seit September <strong>2002</strong> ist ein teilweiser Anstieg von Salmonella-<br />
Nachweisen in Rinderkotproben zu verzeichnen (siehe Abbildung<br />
3.4 ). Es handelt sich dabei fast <strong>aus</strong>schließlich um das Serovar S.<br />
Dublin, das hauptsächlich beim Rind vorkommt und für die<br />
Gesundheit des Menschen von nachrangiger Bedeutung ist. In<br />
mehreren Landkreisen gab es ein stark fokales Infektionsgeschehen<br />
mit oft <strong>aus</strong>geprägter klinischer Symptomatik in den betroffenen<br />
Beständen. Zum Teil mussten ganze Bestände getötet werden. Die<br />
Entwicklung setzt sich im Jahr 2003 fort und wird aufgrund<br />
hoher Widerstandsfähigkeit der Salmonellen möglicherweise zu<br />
weiteren Problemen führen, z. B. Kontamination von Futterflächen<br />
mit Salmonellen durch das Ausbringen von Gülle.<br />
Rechnung getragen durch seuchenrechtlich vorgeschriebene Überwachungs-<br />
und Bekämpfungsmaßnahmen. Die Salmonellose des<br />
Menschen ist nach dem Infektionsschutzgesetz meldepflichtig.<br />
Salmonellen beim Rind und bei Hühnern werden mit staatlichen<br />
Mitteln nach dem Tierseuchengesetz bekämpft. Die Salmonellose<br />
des Rindes ist eine anzeigepflichtige Tierseuche.<br />
Beim Menschen sind die meisten Salmonellosefälle in Deutschland<br />
auf den Verzehr von befallenen Lebensmitteln zurückzuführen<br />
(Lebensmittelinfektionen). Die Bakterienstämme der Salmonella-<br />
Serovare Typhimurium und Enteritidis stehen hierbei im Vordergrund.<br />
Diese Erreger kommen bei Hühnern, Rindern und Schweinen<br />
häufig vor. Eier und roheihaltige Speisen, aber auch das Geflügel<br />
selbst, sind wichtige Risikofaktoren für mögliche Erkrankungen.<br />
25<br />
20<br />
Anzahl Neu<strong>aus</strong>brüche<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
Okt Nov Dez Jan Feb Mrz Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez<br />
01 01 01 02 02 02 02 02 02 02 02 02 02 02 02<br />
Abbildung 3.4: Neu<strong>aus</strong>brüche Rindersalmonellose<br />
Quelle: Auszüge des Tierseuchenberichts BMELF im Deutschen Tierärzteblatt<br />
Aber in einigen Regierungsbezirken ist der Trend auch rückläufig:<br />
waren im Vorjahr (2001) noch 128 Proben positiv, so wurde <strong>2002</strong><br />
nur noch in 60 Proben »Salmonellen positiv« festgestellt. Im Jahr<br />
<strong>2002</strong> wurden im VI Hannover 3.729 Kotproben von Rindern <strong>aus</strong><br />
27 Herden der Regierungsbezirke Hannover, Braunschweig und<br />
Teilen des Regierungsbezirks Lüneburg auf Salmonellen untersucht.<br />
Im Vorjahr (2001) wurden 3.278 Rinderkotproben <strong>aus</strong> 28 Beständen<br />
untersucht.<br />
Der Bedeutsamkeit von Salmonellen-Infektionen (Salmonellose)<br />
für die Gesundheit von Tier und Mensch wird in Deutschland<br />
29
3. »<strong>Aktuelles</strong> <strong>aus</strong> <strong>2002</strong>«<br />
durch Salmonella Enteritidis beim Menschen. Salmonella Typhimurium<br />
kommt dagegen hauptsächlich in rohem Fleisch und<br />
nicht <strong>aus</strong>reichend gekochten Fleischprodukten von Rindern und<br />
Schweinen sowie in Milch und in Milchprodukten vor.<br />
Die Ergebnisse für <strong>2002</strong>: Die Serotypisierung der 60 Salmonellen-Isolate<br />
erbrachte <strong>aus</strong>schließlich das Serovar Salmonella<br />
Typhimurium sowie die 05-Minusvariante Copenhagen. Im Vergleich<br />
dazu wurde im Vorjahr zwar ebenfalls in der Mehrzahl das<br />
Serovar Salmonella Typhimurium und die 05-Minusvariante nachgewiesen,<br />
allerdings traten zwei weitere Serovare auf: Salmonella<br />
Enteritidis und Salmonella Anatum. Die Serotypisierungen der<br />
Salmonellen-Isolate erfolgte, soweit nicht im VI Hannover möglich,<br />
durch das Nationale Veterinärmedizinische Referenzlabor für<br />
Salmonellen (NRL-SALM) im Bundesinstitut für Risikobewertung,<br />
Berlin.<br />
Paratuberkulose der Rinder<br />
Knapp 10.000 Untersuchungen auf die Darmerkrankung Paratuberkulose<br />
wurden im Jahr <strong>2002</strong> bei Rindern durchgeführt.<br />
Sanierungsverfahren dieser wirtschaftlich bedeutenden Rinderkrankheit<br />
werden zur Zeit noch heftig diskutiert, zumal in der<br />
Wissenschaft ein Zusammenhang zwischen dem Vorkommen des<br />
Erregers Mycobacterium avium ssp. paratuberculosis bei Rindern<br />
und seinem Nachweis in der Milch mit der menschlichen Darmerkrankung<br />
»Morbus Crohn« erforscht wird. Die Erkrankung der<br />
Rinder verläuft schleichend. Erkrankte Tiere werden erst spät<br />
erkannt und scheiden den Erreger massenhaft über den Kot <strong>aus</strong>.<br />
In den Betrieben wird die Notwendigkeit der Sanierung wegen<br />
vielfältiger anderweitiger Sanierungsverfahren in den Rinderbeständen<br />
(BHV-1, BVD) als nicht vorrangig angesehen. Ferner ist<br />
die Sanierung mit bedeutenden Auflagen (Betriebshygiene,<br />
Verbot der Schafhaltung) verbunden und Erfolge zeichnen sich<br />
nur langfristig (nach fünf bis zehn Jahren) ab. Weiterhin ist die<br />
Untersuchung auf spezifische Mykobakterien immer noch sehr<br />
aufwendig (langwierige Kulturverfahren des Erregers, PCR-Verfahren<br />
zum Nachweis des Erregers noch nicht in Routineverfahren<br />
eingesetzt, Antikörpernachweisverfahren mit unterschiedlichen<br />
Empfindlichkeiten). Die Paratuberkulose tritt als Erkrankung<br />
regional stark unterschiedlich auf.<br />
Bekämpfung von Zoonosen<br />
Ein wichtiger Aspekt der Bekämpfung von Zoonosen ist, neben<br />
betriebshygienischen Maßnahmen, in der Begrenzung von Stressfaktoren<br />
der Tierhaltung zu sehen. Viele Erreger von Zoonosen<br />
(z. B. Salmonellen) lassen sich nur zurückdrängen, können also<br />
trotz großer Anstrengungen nicht vollständig <strong>aus</strong> den Beständen<br />
eliminiert werden (sogenannte latente Infektionen). Die Vermeidung<br />
von Stress (unter anderem durch Optimierung der Haltungsbedingungen,<br />
Bekämpfung von Aufzuchtkrankheiten) leistet<br />
gleichzeitig einen wichtigen Beitrag zur Reduktion von z. B. Salmonellen<br />
in den Tierbeständen. Tierschutz im eigentlichen Sinne<br />
lässt sich nicht nur auf ethische Aspekte der Tierhaltung begrenzen.<br />
Die Bekämpfung von Krankheiten der Tiere im Stall und die<br />
Reduzierung von Stressfaktoren verringert die Keimbelastung der<br />
Schlachtkörper und stellt somit ein wichtiges Element des vorbeugenden<br />
Verbraucherschutzes dar (s. a. Abbildungen 3.5<br />
»Tierschutz schützt Menschen« und 3.6 »Gesunde Tiere –<br />
gesunde Lebensmittel«).<br />
Näheres zu dem Thema Zoonosen finden Sie im Kapitel 4.3.2.<br />
Tierschutz schützt Menschen<br />
Futter Umwelt Tierhaltung Krankheiten<br />
Stressvermeidung<br />
Gesundes Tier<br />
Unbelastete Lebensmittel<br />
Abbildung 3.5: Tierschutz schützt Menschen<br />
30
3. »<strong>Aktuelles</strong> <strong>aus</strong> <strong>2002</strong>«<br />
Gesunde Tiere – Gesunde Lebensmittel<br />
Futter Tierhaltung Krankheitserreger<br />
Umweltqualität Stress Immunschwäche<br />
Erkrankung<br />
Belastete Lebensmittel<br />
Abbildung 3.6: Gesunde Tiere – Gesunde Lebensmittel<br />
••• Resistenzen<br />
Zu Resistenzen von bakteriellen Infektionserregern gibt es immer<br />
wieder unterschiedliche Angaben. Mitarbeiter der Veterinärinstitute<br />
im LAVES setzen sich mit diesem wichtigen Thema unter<br />
anderem durch Mitarbeit in der Arbeitsgruppe »Resistenzen« der<br />
Deutschen Veterinärmedizinischen Gesellschaft (DVG) <strong>aus</strong>einander.<br />
So besteht in Deutschland Handlungsbedarf bei der Standardisierung,<br />
Festlegung von Grenzwerten für in der Veterinärmedizin<br />
verwendete Antibiotika (sogenannte MHK-Werte). Als<br />
MHK-Werte werden die kleinsten Konzentrationen eines Antibiotikums<br />
angesehen, die einen Keim im Wachstum hemmen. In<br />
diesem Fall gilt der isolierte und im Resistenztest geprüfte Krankheitserreger<br />
als empfindlich. Diese Kenntnisse sind Vor<strong>aus</strong>setzung<br />
für eine effiziente Therapie. Klassische Infektionserreger, wie z. B.<br />
Streptokokken bei Tieren, gelten als wenig problematisch. Oft<br />
lässt sich hier Penicillin noch gut einsetzen. Laut Berichten <strong>aus</strong> dem<br />
Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) in Berlin sind Mehrfach-<br />
Resistenzen hingegen bei Salmonellen und Colibakterien – häufige<br />
im Darm von Tieren nachweisbare Infektionserreger – als problematisch<br />
anzusehen. Vor allem hoch resistente Salmonellentypen<br />
(DT 104-Isolate von Salmonella typhimurium) herrschen beim<br />
Rind und Schwein vor (mindestens fünffach resistent). Der Anteil<br />
chinolonresistenter Salmonellen beim Geflügel soll bei 27 % liegen.<br />
Chinolon gehört zu einer neueren Antibiotikagruppe.<br />
Im VI Oldenburg und im VI Hannover werden zur Zeit Vorbereitungen<br />
getroffen, die technischen Verfahren der Resistenzprüfungen<br />
umzustellen und durch Teilnahme an Resistenzmoni-<br />
torings verlässliche Grundlagen zu schaffen, damit zukünftig bessere<br />
Untersuchungsverfahren <strong>aus</strong>sagekräftige und bundesweit<br />
vergleichbare Ergebnisse bringen.<br />
••• Sanierung der Rinderbestände von BHV1<br />
BHV-1 ist eine Herpesinfektion bei Rindern, die zu Unfruchtbarkeit<br />
führen kann. Mit der Neufassung der BHV1-Verordnung vom<br />
29.11.2001 wurde eine Untersuchungspflicht, verbunden mit<br />
Sanierungsmaßnahmen wie Impfungen, für alle rinderhaltenden<br />
Betriebe erlassen. Wegen der exportorientierten Ausrichtung der<br />
niedersächsischen Zuchtorganisationen und der großen Bedeutung<br />
der Zuchtviehvermarktung für die Rinderhalter ist diese Entscheidung<br />
als wichtiger Fortschritt zu sehen. Damit werden auf längere<br />
Sicht die Wettbewerbsfähigkeit der Zuchtorganisationen und<br />
somit auch Arbeitsplätze in der Region gesichert. In den Veterinärinstituten<br />
des LAVES wurden in Folge der beginnenden Sanierungsmaßnahmen<br />
fast 542.000 BHV1-Untersuchungen durchgeführt,<br />
eine Verdoppelung der bisherigen Untersuchungszahlen.<br />
31
3. »<strong>Aktuelles</strong> <strong>aus</strong> <strong>2002</strong>«<br />
••• Bekämpfung der BVD/MD<br />
Von ebenso großer Bedeutung für die Tiergesundheit ist die Bekämpfung<br />
des BVD/MD-Virus, der Erreger einer Durchfallerkrankung,<br />
die bereits ungeborene Kälber befallen kann, in den Rinderhaltungen.<br />
Betriebe können sich freiwillig Sanierungsverfahren<br />
anschließen, in denen alle Tiere unter 36 Monaten, Verdachtstiere,<br />
sowie alle für Auktionen vorgesehenen Tiere auf BVD-Antigen<br />
(Virus<strong>aus</strong>scheider) untersucht werden. Dadurch verdoppelte sich<br />
die Anzahl der Untersuchungen auf 102.000 im Jahr <strong>2002</strong> im<br />
Vergleich zu 2001.<br />
Näheres zu den Themen im Kapitel 4.3.3. und 4.3.4, anzeigeund<br />
meldepflichtige Tierkrankheiten.<br />
••• Seehundstaupe<br />
Auch wenn Seehunde nicht an unserer Nahrungskette beteiligt<br />
sind, haben sie im Berichtsjahr für großes Medieninteresse<br />
gesorgt und unsere Wissenschaftler stark beschäftigt. Seehunde<br />
sind ein guter Indikator für die Qualität ihres Lebensraums, der<br />
Nordsee, <strong>aus</strong> dem wir Fisch als Nahrungsmittel beziehen. Mehr<br />
als 4.000 Tiere, 62 % des Gesamtbestandes, sind an der niedersächsischen<br />
Küste in den Monaten Juni bis November <strong>2002</strong> an<br />
der Seehundstaupe gestorben. Die aufwändigen Untersuchungen<br />
(u. a. auch direkt vor Ort) über Krankheitsursachen und -verlauf<br />
wurden vom Veterinärinstitut für Fische und Fischwaren in<br />
Cuxhaven durchgeführt. Näheres ist dazu unter Wildtieruntersuchungen<br />
im Kapitel 4.3.6. zu finden.<br />
Tierschutz<br />
Die Verankerung des Tierschutzes als Staatsziel in das Grundgesetz<br />
(Art. 20a) der Bundesrepublik Deutschland hat seine Bedeutung<br />
als Ausdruck einer ethisch-moralischen Gesinnung der Gesellschaft<br />
weiter gestärkt. Heute gilt das Tier juristisch nicht als weitgehend<br />
verfügbare Sache, sondern ist als Mitgeschöpf anerkannt. Sein<br />
Wohlbefinden und Leben sind dem besonderen Schutz des Menschen<br />
<strong>aus</strong> dessen Verantwortung gegenüber dem Tier anvertraut<br />
(Tierschutzgesetz vom 18.08.1986 i. g. F., § 1, Satz 1). Der Gesetzgeber<br />
hat dabei ganz bewusst festgestellt, dass diese Verantwortung<br />
nicht besondere Berufs- oder Gesellschaftsgruppen trifft,<br />
sondern ohne Einschränkung jeden Menschen unserer Gesellschaft.<br />
Rohheit und Gr<strong>aus</strong>amkeit gegen das Tier und Gleichgültigkeit<br />
gegenüber seinem Leid, beeinflussen das soziale Verhalten des<br />
Menschen gegenüber dem Mitmenschen negativ. Mitleid, Barmherzigkeit<br />
und das Bedürfnis nach Fürsorglichkeit für Tier und<br />
Mensch sind voneinander nicht zu trennen. Indem die Besinnung<br />
auf ethische Werte der großen Weltreligionen eingefordert und<br />
durch Rechtsetzung überprüfbar gemacht wird, dient der Tierschutz<br />
einerseits dem Tier und seiner Bewahrung vor Schmerzen,<br />
Leiden oder Schäden, die ihm ohne vernünftigen Grund nicht<br />
zugefügt werden dürfen. Andererseits dient der Tierschutz auch<br />
dem Schutz des Menschen über den Verbraucherschutz hin<strong>aus</strong><br />
vor seinesgleichen, indem der Mensch zu einem mitleidensfähigen<br />
Geschöpf erzogen wird.<br />
Schmerzen, Leiden und Schäden können Vögeln und Säugetieren<br />
zweifelsfrei in demselben Maße entstehen wie dem Menschen.<br />
Entwicklungsgeschichtlich älteren Tieren müssen aufgrund<br />
wissenschaftlicher Erkenntnisse ebenfalls Schmerz- und Leidensfähigkeit<br />
zuerkannt werden. Unstrittig ist, dass Leiden und<br />
Schmerzen Verhaltensstörungen verursachen, und dass Einschränkungen<br />
im artgerechten Verhalten beim Tier zu Leiden<br />
oder sogar zu Schmerzen führen.<br />
Tierärztinnen und Tierärzte sind berufene Schützerinnen und<br />
Schützer der Tiere. Sie sind im Rahmen der geltenden Vorschriften<br />
unter anderem berufen, Leiden und Krankheiten der Tiere zu<br />
verhüten, zu lindern und zu heilen und das Wohlbefinden der<br />
Tiere zu schützen (Auszüge <strong>aus</strong> der Berufsordnung der Tierärztekammer<br />
<strong>Niedersachsen</strong> vom 21.12.1993). Her<strong>aus</strong>ragende<br />
Bedeutung innerhalb des Berufsstandes Tierarzt genießen in<br />
Bezug auf den Tierschutz zwei Teilgebiete der Veterinärmedizin:<br />
die Verhaltenslehre und die Pathologie.<br />
Ein effizienter Tierschutz setzt profunde Kenntnisse der Verhaltenslehre<br />
vor<strong>aus</strong>, so dass Verhaltensstörungen, die am lebenden<br />
Tier als Folge von Schmerzen oder Leiden auftreten, festgestellt<br />
werden können.<br />
32
3. »<strong>Aktuelles</strong> <strong>aus</strong> <strong>2002</strong>«<br />
Der Pathologe kann insbesondere mit Methoden der pathologischen<br />
Anatomie und Histologie Veränderungen an Geweben<br />
und Organen feststellen, die zu Funktionsstörungen oder Beeinträchtigungen<br />
des Wohlbefindens der Tiere bis hin zu Leiden und<br />
Schmerzen geführt haben und damit Beweise für tierschutzwidriges<br />
Verhalten von Tierhaltern liefern (Abb. 3.7). Mit Sachverständigengutachten<br />
unterstützt er Juristen bei der Ahndung von Verstößen<br />
gegen Tierschutzvorschriften und den Gesetzgeber bei der<br />
Erarbeitung von Rechtsvorschriften und Empfehlungen, die z. B.<br />
Eingriffe an Tieren regeln oder die ethische Vertretbarkeit eines<br />
vernünftigen Grundes zum Töten eines Tieres regeln.<br />
Die erstmals im Jahresbericht 1990 des ehemaligen Staatlichen<br />
Veterinäruntersuchungsamtes Oldenburg vorgeschlagene Schaffung<br />
einer Organisationseinheit, die in <strong>Niedersachsen</strong> primär tierschutzrelevante<br />
Untersuchungen durchführt und Problemstellungen<br />
bearbeitet, wurde 1995 in Form des »Tierschutzdienstes <strong>Niedersachsen</strong>«<br />
realisiert. Durch die Zusammenführung mit den Fachbereichen<br />
»Pathologie« der damaligen Veterinäruntersuchungsämter<br />
Oldenburg und Hannover im LAVES ist gewährleistet, dass<br />
zukünftig Fragen, die den Tierschutz betreffen, unbürokratisch,<br />
effizient und schneller bearbeitet werden.<br />
••• Neue Betäubungs- und Tötungsverfahren<br />
Zu den Bekämpfungsmaßnahmen im akuten Seuchenfall gehört<br />
auch das Töten von Tieren. Aber auch in solchen Fällen darf<br />
den Tieren nicht unnötiges Leid oder Schmerzen zugefügt werden.<br />
Im Rahmen der Tierseuchenbekämpfung müssen deshalb<br />
sorgfältig tierschutzgerechte Tötungsmethoden entwickelt und<br />
vorbereitet werden, die im Falle eines Seuchen<strong>aus</strong>bruchs kurzfristig<br />
und sicher auch bei großen Tierzahlen eingesetzt werden<br />
können, um eine weitere Verschleppung der Seuche zu verhindern.<br />
Bislang verwendete Verfahren bei Geflügel haben sich als zu<br />
aufwändig, unsicher und nicht im Einklang mit dem Tierschutzgesetz<br />
erwiesen. Im Jahr <strong>2002</strong> wurde deshalb eine Anlage zur<br />
tierschutzgerechten Tötung von Geflügel durch Kohlenmonoxid<br />
im Seuchenfall weiterentwickelt. Anfragen von anderen Bundesländern<br />
und EU-Mitgliedsländern bezüglich des hier entwickelten<br />
Verfahrens zeigen, dass der richtige Weg eingeschlagen ist. An<br />
einer Optimierung wird weiter gearbeitet.<br />
Inzwischen wird ein genehmigter Tierversuch zum tierschutzgerechten<br />
elektrischen Betäuben und Töten von Pelztieren<br />
technisch begleitet. Pelztiere dürfen nach dem Tierschutzgesetz<br />
bislang nur mit Kohlenmonoxid bzw. durch ein Betäubungsmittel<br />
(z. B. Chloroform) betäubt und getötet werden. Diese Verfahren<br />
sind jedoch für die beteiligten Menschen gesundheitlich bedenklich.<br />
Erste Tests sind vielversprechend; das Verfahren wird im kommenden<br />
Jahr noch weiter entwickelt.<br />
Abbildung 3.7: Knochenpräparat von Teilen der Vordergliedmaße<br />
eines Rindes (Mittelhand- und Fesselbeinknochen),<br />
welches Wucherungen der Knochenoberfläche als Ausdruck<br />
einer langanhaltenden (chronischen) Entzündung der<br />
Knochenhaut aufweist. Entzündungen der Knochenhaut<br />
sind mit hochgradigen, in diesem Falle langanhaltenden<br />
Schmerzen verbunden.<br />
••• Geflügel: tierschutzgerechte Haltungsformen<br />
Aus der Umstrukturierung der Legehennenhaltung hat sich im<br />
Tierschutzdienst des LAVES ein hoher Beratungsbedarf im Jahr<br />
<strong>2002</strong> entwickelt:<br />
Die Gestaltung alternativer Hennenhaltungssysteme, insbesondere<br />
zur Boden-, Volieren- und Freilandhaltung gehörte zur<br />
zentralen Frage. Derzeit sind eine Vielzahl von Stalleinrichtungen<br />
in verschiedenen Ausführungen auf dem Markt. Der Amtstierarzt<br />
bzw. die Amtstierärztin muss beurteilen, ob sie die Anforderungen<br />
der gesetzlichen Bestimmungen erfüllt und damit eine tiergerechte<br />
Haltung möglich ist. Diskutiert wird ein Prüfverfahren für<br />
serienmäßig hergestellte Stalleinrichtungen, wie es z. B. in der<br />
Schweiz und in Schweden auf der Basis praktischer Erfahrungen<br />
entwickelt wurde. Ein solcher »TÜV für Stalleinrichtungen«<br />
würde sehr zur Vereinheitlichung des Verwaltungshandelns beitragen.<br />
Außerdem hätten Hersteller Planungssicherheit und<br />
könnten bei einmal genehmigten Einrichtungen mit deutlich kürzeren<br />
Bearbeitungszeiten rechnen.<br />
33
3. »<strong>Aktuelles</strong> <strong>aus</strong> <strong>2002</strong>«<br />
Im Einzelnen sind in diesem Bereich folgende Themen relevant:<br />
die Gestaltung von Sitzstangen (z. B. Material, Anrechnung integrierter<br />
Sitzstangen und Freiraum oberhalb von Sitzstangen) oder<br />
Nestern (z. B. die notwendige Höhe im Nest und die Anrechnung<br />
der nutzbaren Nestfläche) sowie die Ausstattung des Kaltscharrraums<br />
und das Angebot von Beschäftigungsmaterial. Nur Junghennen,<br />
die bereits in der Aufzucht gelernt haben, verschiedene<br />
Funktionsbereiche im Stall zu nutzen, sind in der Lage, alternative<br />
Haltungssysteme während der Legeperiode anzunehmen. Neben<br />
<strong>aus</strong>reichenden Futter- und Tränkeeinrichtungen muss die Anzahl<br />
der Tiere im Stall (=Besatzdichte) und die Ausgestaltung des Stalles<br />
so gewählt werden, dass die Tiere sich natürlich bewegen und<br />
verhalten können.<br />
Bereits die Küken sollten Material bekommen, mit dem sie<br />
sich beschäftigen können. Empfohlen wird z. B. Stroh oder andere<br />
Einstreumaterialien, Körnerfutter, Möhren und Rüben sowie Steine<br />
zum Picken und Schnabelwetzen. Es gibt Vermutungen, dass sich<br />
die spätere Neigung zu Verhaltensstörungen, insbesondere Federpicken<br />
und Kannibalismus, bereits in den ersten Lebenstagen entwickelt,<br />
wenn den Küken kein <strong>aus</strong>reichendes Beschäftigungsmaterial,<br />
vor allem Einstreu, zur Verfügung steht.<br />
Volierensysteme werden in Deutschland üblicherweise in Verbindung<br />
mit Freilandhaltung eingesetzt. Hier stehen zum einen<br />
tierschutzrelevante Fragen, insbesondere eine geeignete Gesundheitsvorsorge<br />
bei den Hennen, zum anderen die umweltverträgliche<br />
Nutzung des Auslaufs im Vordergrund. Lösungsansätze für den<br />
stallnahen Bereich, wie Holzhackschnitzel streuen, ein Kies- oder<br />
Schotterbett <strong>aus</strong>heben, in lehmigen Böden Drainagen legen,<br />
Rasengittermatten verlegen bis hin zum Betonieren von Flächen<br />
und der Überdachung stallnaher Bereiche wurden diskutiert.<br />
Auch ging es um eine möglichst gleichmäßige Verteilung der<br />
Hennen im Auslauf. Bewachsene Wälle wirken wie Leitlinien, an<br />
denen sich die Tiere orientieren und das Freiland erkunden.<br />
Büsche, Bäume und Hecken bieten Schutz und Deckung. Es laufen<br />
auch Versuche mit Kulturpflanzen, wie Mais oder Sonnenblumen,<br />
Schilf oder hohen Gräsern. Als Alternative bzw. Ergänzung zu<br />
Anpflanzungen haben sich künstliche Strukturen, wie z. B. versetzbare<br />
Unterstände, Tarnnetze, alte Bauwagen oder Folientunnel<br />
bewährt.<br />
Trotz aller Verbesserungen sind die durchschnittlichen Verluste<br />
an Hennen in alternativen Haltungssystemen, häufig bei verkürzter<br />
Legeperiode, bisher relativ hoch. Ursachen werden vor allem<br />
im Bereich bakterieller und parasitärer Erkrankungen gesehen, die<br />
bei Hühnern jahrelang nicht mehr beobachtet wurden. Umfassende<br />
vorsorgende Maßnahmen, wie z. B. Impfungen sind in der alternativen<br />
Haltung unverzichtbar, um einen vertretbaren Gesundheitszustand<br />
der Hennen aufrecht zu erhalten. Die Auswirkungen<br />
dieser Haltungsformen auf die Gesundheit von Mensch und Tier<br />
sowie die Folgen für die Umwelt und die Qualität der Lebensmittel<br />
werden zunehmend nachgefragt. Die bisherigen praktischen Erfahrungen<br />
haben gezeigt: kleine Herden lassen sich gut in Freilandhaltung<br />
mit Wechsel<strong>aus</strong>läufen managen. Für mittelgroße Herden<br />
wäre eine durchstrukturierte Voliere mit angeschlossenem Kaltscharrraum<br />
bzw. Wintergarten ideal. Sehr große Tierzahlen können<br />
dagegen vor<strong>aus</strong>sichtlich nur in Kleingruppen von 40 bis 60 Tieren<br />
im <strong>aus</strong>gestalteten Käfig mit Nest, Sitzstange und Sandbad ohne<br />
größere Verluste gehalten werden.<br />
Neu sind Fragestellungen, die sich <strong>aus</strong> dem Einsatz mobiler<br />
Ställe in der Legehennenhaltung ergeben. Es handelt sich dabei<br />
um Haltungssysteme, die entweder mit Rädern oder Kufen oder<br />
über einen kompletten Ab- und Wiederaufbau regelmäßig umgesetzt<br />
werden können. Vorteil ist, dass der Aufwuchs geschont, der<br />
Nährstoffeintrag in den Boden reduziert und die Anreicherung<br />
von Krankheitserregern, insbesondere Parasiten, minimiert wird.<br />
Größere Anlagen müssen aber, wie von der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung<br />
vorgegeben, über mehrere Zugänge zum<br />
Auslauf verfügen, die über die gesamte Länge einer Außenwand<br />
verteilt sind. Ansonsten besteht die Gefahr, dass ranghohe<br />
Hennen die Auslassöffnung blockieren und unterlegene Tiere bei<br />
34
3. »<strong>Aktuelles</strong> <strong>aus</strong> <strong>2002</strong>«<br />
schlechtem Wetter oder über Nacht im Auslauf verbleiben. Damit<br />
die Vorteile eines solchen Systems tatsächlich zum Tragen kommen,<br />
ist das regelmäßige Umsetzen bzw. Fahren von entscheidender<br />
Bedeutung. Zur Vermeidung erhöhter Schadgasgehalte, insbesondere<br />
Ammoniak, ist eine regelmäßige Kotentfernung <strong>aus</strong> dem<br />
Stall sicherzustellen.<br />
Bei der Putenhaltung standen Fragen zu Bau und Gestaltung<br />
sogenannter Wintergärten im Vordergrund. Es handelt sich dabei<br />
um einseitig über die gesamte Länge des Offenstalles angebaute,<br />
überdachte Außenklimabereiche von drei bis fünf Metern Breite.<br />
Der Boden ist betoniert, ein breiter Dachüberstand schützt die<br />
Einstreu vor Schlagregen und ein grobmaschiges Drahtgeflecht<br />
bildet die Außenwand. An den Giebelseiten sind Tore eingelassen,<br />
die ein maschinelles Ausmisten erlauben. Die Puten können in<br />
den Außenklimabereich etwa ab der sechsten Lebenswoche über<br />
gleichmäßig in der Stalllängswand verteilte Öffnungen kommen.<br />
Durch einen Wintergarten wird die Haltungsumgebung strukturiert,<br />
Klima- und Umweltreize wirken direkt auf die Tiere ein, die<br />
Bewegungsaktivität und damit die Lauffähigkeit erhöht sich und<br />
für die Ausübung arteigener Verhaltensweisen steht zusätzlicher<br />
Raum zur Verfügung. Durchschnittlich werden zwischen sechs<br />
und zwölf Prozent der Tiere des Gesamtbestandes im Außenklimabereich<br />
beobachtet, der bis zum Ende der Mast intensiv genutzt<br />
wird. Erste Ergebnisse belegen, dass sich das Angebot eines<br />
Wintergartens positiv auf die Gesundheit der Puten <strong>aus</strong>wirkt.<br />
Untersuchungen zur Fußballengesundheit<br />
Im Bereich Jungmasthühnerhaltung haben schwedische Untersuchungen<br />
in Praxisbetrieben gezeigt, dass die Besatzdichte nur<br />
einen relativ geringen Einfluss auf die Gesundheit der Broiler hat.<br />
Der Einfluss des Betriebes, seine Ausstattung und das Management<br />
sowie die Jahreszeit erwiesen sich als wesentlich bedeutsamer.<br />
Als Konsequenz dieser Ergebnisse wird die Besatzdichte in Schweden<br />
nicht mehr starr, sondern in Abhängigkeit von Management<br />
und Tiergesundheit festgelegt. Indikator für die Beurteilung der<br />
Tierhaltung ist die Fußballengesundheit der Broiler, die eng mit<br />
der Einstreuqualität und dem Stallklima zusammenhängt. Ein<br />
Monitoring-Programm wurde entwickelt, bei dem geschulte Untersucher<br />
am Schlachtband die Fußballengesundheit der angelieferten<br />
Herden nach einem vorgegebenen Bewertungsschlüssel beurteilen.<br />
Das Monitoring-Programm ist mit einer Beratung der Betriebe<br />
gekoppelt: je nach Ergebnis der Untersuchungen müssen sie Verbesserungen<br />
vornehmen bezüglich Lüftung, Heizung und Einstreu,<br />
ggf. auch Fütterung. Insgesamt gelang es, durch dieses System<br />
der Kopplung von Managementmaßnahmen und Ausstattung der<br />
Betriebe unter Einbeziehung der Besatzdichte eine deutliche<br />
Verbesserung der Fußballengesundheit der Jungmasthühner zu<br />
erreichen.<br />
Unter Federführung des Tierschutzdienstes wurden im Rahmen<br />
der Langmasterprobung auf dem Lehr- und Forschungsgut Ruthe<br />
der Tierärztlichen Hochschule Hannover erste Untersuchungen<br />
zur Fußballengesundheit von Broilern durchgeführt. Aufgrund der<br />
Ergebnisse ist in <strong>Niedersachsen</strong> derzeit ein Pilotprojekt zur Statuserhebung<br />
der Fußballengesundheit bei Broilern in Planung. Ziel ist<br />
die Weiterentwicklung der »Hähnchenvereinbarung« anhand<br />
objektiver Kriterien für eine gute Tierhaltungspraxis.<br />
Haltung von Pekingenten<br />
Bei Pekingenten standen Beratungen zur Vorbereitung und Verabschiedung<br />
einer freiwilligen Vereinbarung über Mindestanforderungen<br />
an die Haltung im Vordergrund. Fragen zur Bodengestaltung<br />
spielten eine große Rolle, vor allem zur Größe des erforderlichen<br />
Einstreuanteils und zur Ableitung überschüssigen Wassers. Wasser<br />
ist in der Entenhaltung nicht nur als Tränkwasser, sondern auch<br />
für das Komfortverhalten, insbesondere die Gefiederpflege, unverzichtbar.<br />
Nach der Niedersächsischen Vereinbarung über Mindestanforderungen<br />
an die Haltung von Pekingmastenten müssen bei<br />
Stallneu- und -umbauten deshalb erstmals Vorrichtungen geschaffen<br />
werden, durch die allen Tieren Wasser für die Federpflege in <strong>aus</strong>reichender<br />
Menge und geeigneter Form angeboten wird. Dieses<br />
Ziel kann durch den Einbau von Duschen erreicht werden, was für<br />
Großbetriebe gleichzeitig eine hygienisch vertretbare Lösung darstellt.<br />
Um eine optimale Nutzung zu erreichen, müssen die Enten<br />
bereits im Kükenalter, d. h. in der sensiblen Prägephase, an entsprechende<br />
Vorrichtungen gewöhnt werden. Versuche, über<br />
schiffchenförmige Tränken oder Putentränken mit breiterem Rand<br />
gleichzeitig Wasser für die Gefiederpflege anzubieten, haben sich<br />
als noch nicht praxisreif erwiesen. Futter, Einstreureste und Kot<br />
lassen die Tränken innerhalb kürzester Zeit so stark verschmutzen,<br />
dass sie zu einer Gesundheitsgefährdung für die Tiere werden.<br />
35
3. »<strong>Aktuelles</strong> <strong>aus</strong> <strong>2002</strong>«<br />
••• Fischgesundheit und Fischseuchenbekämpfung<br />
in <strong>Niedersachsen</strong><br />
Im Jahr <strong>2002</strong> ist in <strong>Niedersachsen</strong> ein Anstieg der Forellenseuche<br />
VHS (Virale Hämorrhagische Septikämie) beobachtet worden. VHS<br />
ist eine anzeigepflichtige Fischvirusseuche und kann in Forellenbeständen<br />
zu großen Verlusten führen. Dagegen ist IHN (Infektiöse<br />
Hämatopoetische Nekrose), die weitere anzeigepflichtige Virose<br />
des Fisches, im Berichtsjahr in niedersächsischen Forellenbeständen<br />
nicht nachgewiesen worden. Diese Seuchen, von denen nicht<br />
nur Forellen, sondern auch andere Salmonidenarten, Hechte,<br />
Weißfische und auch der Steinbutt betroffen sein können, sind<br />
für den Menschen ungefährlich.<br />
Nach einigen Jahren ruhiger Krankheitslage, musste nun festgestellt<br />
werden, dass die Seuchengefahr nach wie vor aktuell<br />
bleibt. Im Jahr <strong>2002</strong> wurden im Niedersächsischen Landesamt<br />
für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit die Strukturen<br />
zur Fischseuchenbekämpfung optimiert: der »Staatliche Fischseuchenbekämpfungsdienst<br />
<strong>Niedersachsen</strong> und Fischgesundheitsdienst«<br />
wurde der Task-Force Veterinärwesen als Abteilung<br />
Fischseuchenbekämpfung zugeordnet. Insoweit ist <strong>Niedersachsen</strong><br />
auf die EU-weite Reform der Fischseuchengesetzgebung mit dem<br />
ehrgeizigen Ziel einer flächendeckenden Seuchenfreiheit gut vorbereitet.<br />
Dieses Ziel erfordert in allen Mitgliedstaaten eine<br />
strukturelle und konsequente Fischseuchenbekämpfung.<br />
Für die Durchführung der nationalen Bestimmungen im Sinne<br />
der Fischseuchenverordnung sind die Veterinärbehörden der<br />
Landkreise und der kreisfreien Städte zuständig. Bei der praktischen<br />
Bekämpfung von Fischseuchen können die zuständigen Behörden<br />
auf die Fachkompetenz der Abteilung Fischseuchenbekämpfung<br />
des LAVES zurückgreifen. Eine wichtige gemeinsame Aufgabe ist<br />
die Neuerfassung der Fischhaltungsbetriebe in <strong>Niedersachsen</strong>, auf<br />
deren Grundlage mit Hilfe von Selektionskriterien festgelegt werden<br />
soll, in welchen Betrieben Pflichtuntersuchungen nach den<br />
Vorgaben der Fischseuchenverordnung durchgeführt werden müssen.<br />
Die Datenerhebung soll im Jahr 2003 abgeschlossen sein.<br />
Es wird erwartet, dass bis zu 50 fischwirtschaftliche Haupterwerbsbetriebe<br />
in <strong>Niedersachsen</strong> erfasst werden können. Etwa 100<br />
weitere Fischhaltungsbetriebe können als nebenberuflich eingestuft<br />
werden. Neben Angel- und Fischereivereinsbetrieben werden<br />
darüber hin<strong>aus</strong> viele Hobbybetriebe registriert, die unter Umständen<br />
aber auch für die amtliche Fischseuchenbekämpfung von<br />
Bedeutung sein können.<br />
Eine zukünftige »Vor-Ort-Präsenz« von Seiten der Überwachungsbehörden<br />
und der Task-Force Veterinärwesen, Abteilung<br />
Fischseuchenbekämpfung, wird dazu beitragen können, dem Ziel<br />
einer flächendeckenden Seuchenfreiheit näher zu kommen.<br />
Forellenseuche VHS nachhaltig bekämpfen<br />
Die im Jahr <strong>2002</strong> nachgewiesenen Fälle der Forellenseuche waren<br />
vermutlich zum Teil auf Zukauf von Lebendfischen zurückzuführen.<br />
Die Task-Force Veterinärwesen, Abteilung Fischseuchenbekämpfung<br />
empfiehlt, Lebendfische möglichst <strong>aus</strong> EU-anerkannten seuchenfreien<br />
Forellenbeständen zu erwerben. Fischhaltungsbetriebe<br />
können im Rahmen der EU-Richtlinie 91/67/EWG einen Seuchenfreiheitsstatus<br />
erhalten. Bezogen auf die Forellenseuchen VHS<br />
und IHN können sowohl Gebietszulassungen als auch Betriebszulassungen<br />
beantragt werden. Dafür müssen einige Vor<strong>aus</strong>setzungen<br />
erfüllt sein und zu diesem Zweck in den Betrieben und Gebieten<br />
intensive Untersuchungsprogramme durchgeführt werden. EUweit<br />
gibt es mehrere Länder, die als seuchenfrei hinsichtlich VHS<br />
und/oder IHN eingestuft sind. In der Bundesrepublik Deutschland<br />
existieren lediglich im Bundesland Baden-Württemberg einige<br />
zugelassene Wassereinzugsgebiete. Im Übrigen beschränkt sich<br />
die Seuchenfreiheit hierzulande auf Betriebszulassungen. Im Jahr<br />
<strong>2002</strong> konnte mit der Entscheidung <strong>2002</strong>/536/EG für <strong>Niedersachsen</strong><br />
die zehnte Betriebszulassung <strong>aus</strong>gesprochen werden.<br />
Um lange und <strong>aus</strong> tierschutzrechtlicher Sicht bedenkliche<br />
Transportwege zu vermeiden, sollte eine regional orientierte landwirtschaftliche<br />
Urproduktion von Fischen gefördert werden.<br />
Dieses wird sich auch positiv auf die Seuchenentwicklung <strong>aus</strong>wirken.<br />
Eine standortbezogene Fischproduktion und Produktvermarktung<br />
36
3. »<strong>Aktuelles</strong> <strong>aus</strong> <strong>2002</strong>«<br />
vom »Teich zum Teller« unter Einhaltung der lebensmittelrechtlichen<br />
Vorschriften muss <strong>aus</strong> Sicht des gesundheitlichen Verbraucherschutzes<br />
und zur Vermeidung der Seucheneinschleppung gefördert<br />
werden.<br />
Auch andere Fischseuchen waren im Berichtsjahr von Bedeutung.<br />
Im Bereich der Zierfischhaltung von Koi-Karpfen wurden bei der<br />
OIE (Office International des Epizooties) und der EU-Kommission<br />
Überlegungen angestellt, die seit einigen Jahren grassierende<br />
Koi-Seuche KHV (Koi-Herpes-Virus), auf die Liste II des Anhangs A<br />
der Richtlinie 91/67/EWG zu setzen. Auch in <strong>Niedersachsen</strong> ist die<br />
Seuche im Berichtsjahr aufgetreten. Der kulturelle Virusnachweis<br />
gelang jedoch nicht. Erstmals wurde in <strong>Niedersachsen</strong> in einem<br />
Aalbestand das Aal-Herpes-Virus (HVA) nachgewiesen. Die Verbesserung<br />
der Umweltbedingungen in Aalfarmen führt dazu, dass<br />
die Verluste durch HVA auf ein Minimum reduziert werden können.<br />
Alles in allem ist festzustellen, dass eine vom LAVES durchgeführte<br />
intensive Betreuung durch Vor-Ort-Präsenz in enger Zusammenarbeit<br />
mit den zuständigen Behörden dazu beitragen kann,<br />
die ungünstige Entwicklung der Fischseuchenlage in <strong>Niedersachsen</strong><br />
zu stoppen.<br />
••• Auswirkungen des Extremhochwassers <strong>2002</strong> auf<br />
die Schadstoffgehalte von Elbefischen<br />
Wer erinnert sich nicht an die »Jahrhundert-Flut« von <strong>2002</strong>? Auch<br />
das nördliche <strong>Niedersachsen</strong> war von extremen Niederschlägen<br />
betroffen, die stellenweise das Vierfache der durchschnittlichen<br />
Menge betrugen – die Pegel erreichten Höchststand und der<br />
Begriff »Jahrhundert-Flut« prägte sich.<br />
Wie wirkte sich diese Umweltkatastrophe auf die Fische der<br />
betroffenen Flüsse <strong>aus</strong>? Denkbar erschien zum einen die Remobilisierung<br />
<strong>aus</strong> bzw. mit aufgewirbelten Flusssedimenten, zum<br />
anderen ein zusätzlicher Eintrag <strong>aus</strong> Kontaminationsquellen in<br />
überfluteten Uferbereichen. Die vorübergehende erhebliche Vergrößerung<br />
der Wassermenge bot aber gen<strong>aus</strong>o Anlass zu der<br />
Annahme einer Verringerung der relativen Stoffkonzentrationen<br />
durch Verdünnung.<br />
Angesichts der bestehenden Unsicherheiten bestand in jedem<br />
Fall Anlass, bei den vom VI Cuxhaven regulär eingeplanten Untersuchungen<br />
an <strong>aus</strong>gewählten Elbefischen, ein gesondertes Augenmerk<br />
auf diese Fragestellung zu richten. Die Untersuchungen<br />
wurden an Brassen und Aalen vorgenommen. Beide Fischarten<br />
werden vom VI Cuxhaven seit etwa zwei Jahrzehnten regelmäßig<br />
jeweils im August (Brassen) bzw. einige Wochen vorher (Aale) im<br />
Bereich Lauenburg/Hohnstorf beprobt und anschließend untersucht.<br />
Die zeitliche Abfolge der Ereignisse im Jahr <strong>2002</strong> brachte es<br />
mit sich, dass die Aalproben vor, die Brassenproben nach dem<br />
Hochwasser gezogen wurden.<br />
Die Brasse gilt generell als vergleichsweise standorttreu, weswegen<br />
sie schon vor zwei Jahrzehnten als so genannter Indikatororganismus<br />
für die Umwelt-Probenbank des Bundes <strong>aus</strong>gewählt<br />
700<br />
600<br />
500<br />
400<br />
300<br />
200<br />
100<br />
0<br />
85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 00 02<br />
Jahr der Probenahme<br />
HCB<br />
DDD<br />
DDE<br />
OCS<br />
PCB 153<br />
g-HCH<br />
a-HCH<br />
Abbildung 3.8: Ausgewählte Chlorierte Kohlenwasserstoffe in Aalen der Elbe bei Lauenburg<br />
Mittelwerte (n=15-30), µg/kg Frischs. (VI Cux <strong>2002</strong>)<br />
37
3. »<strong>Aktuelles</strong> <strong>aus</strong> <strong>2002</strong>«<br />
wurde. Die vom VI Cuxhaven erzielten Ergebnisse werden in den<br />
Abbildungen 3.8 bis 3.11 wiedergegeben. Es wird deutlich,<br />
dass der langfristige Trend zur Verringerung der Belastung der<br />
Elbefische während der letzten zwei bis drei Jahrzehnte durch<br />
das Hochwasser offensichtlich nicht wesentlich beeinflusst worden<br />
ist. Zwar sind die Gehalte organischer Stoffe in den Brassen<br />
des Jahres <strong>2002</strong> (Nachhochwasserproben) gegenüber denen von<br />
2000 geringfügig angestiegen, während sie in den Aalen (Vorhochwasserproben)<br />
noch einmal erheblich zurück gegangen sind<br />
und diesmal erstmalig Höchstmengenüberschreitungen auch<br />
nicht mehr in Einzelfällen festgestellt wurden. Auch für die Brassen<br />
ergibt sich – bei Ausdehnung der Betrachtung über die gesamte<br />
bisherige Laufzeit – keine auffällige Zunahme bis zum jetzigen<br />
Zeitpunkt.<br />
Werden die maximalen mittleren Quecksilbergehalte der<br />
Brassen und Aale in dem Untersuchungszeitraum 1976 bis 1988<br />
mit den derzeitigen Gehalten verglichen, so kann im Verlauf<br />
der Jahre von 1989 bis <strong>2002</strong> eine Abnahme der mittleren Quecksilberbelastung<br />
auf ein Zehntel der maximalen Ausgangsbelastung<br />
verzeichnet werden. Seit 1999 wurden zudem in den untersuchten<br />
Fischen Höchstwertüberschreitungen auch nicht mehr in Einzelfällen<br />
festgestellt.<br />
Ungeachtet der erfreulichen Abnahme der Quecksilberbelastung<br />
der untersuchten Brassen und Aale hält sich seit 1999 der<br />
Quecksilbergehalt in den Proben nahezu konstant. Dieser Trend<br />
setzt sich <strong>2002</strong> sich sowohl bei den Aalen (Vorhochwasserproben)<br />
als auch bei den Brassen (Nachhochwasserproben) fort. Es kann<br />
also auch hier keine akute Auswirkung des Elbehochwassers beobachtet<br />
werden.<br />
4,0<br />
3,5<br />
3,0<br />
Mittelwert<br />
Median<br />
2,5<br />
2,0<br />
1,5<br />
Hg (mg/kg FS)<br />
1,0<br />
0,5<br />
0,0<br />
79 81 83 85 87 89 91 93 95 97 99 2001<br />
Jahr der Probenahme<br />
Abbildung 3.9: Quecksilber in Aalen <strong>aus</strong> der Elbe bei Lauenburg<br />
Mittelwerte (n=15-30), µg/kg Frischs. (VI Cux <strong>2002</strong>)<br />
Ein akuter Anstieg der Schadstoffbelastung der Fische wäre<br />
aber auch deswegen außergewöhnlich, weil die Fische die Schadstoffe<br />
innerhalb der Nahrungskette im Wasser relativ langsam<br />
aufnehmen. Insofern bleiben für eine endgültige Bewertung des<br />
aktuellen Geschehens auch die Ergebnisse zukünftiger Untersuchungsjahre<br />
abzuwarten.<br />
38
3. »<strong>Aktuelles</strong> <strong>aus</strong> <strong>2002</strong>«<br />
90<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
84 85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 00 02<br />
Jahr der Probenahme<br />
HCB<br />
DDD<br />
DDE<br />
OCS<br />
PCB 153<br />
g-HCH<br />
a-HCH<br />
Abbildung 3.10: Ausgewählte Chlorierte Kohlenwasserstoffe in Brassen der Elbe bei Lauenburg<br />
Mittelwerte (n=15-30), µg/kg Frischs. (VI Cux <strong>2002</strong>)<br />
2,0<br />
1,8<br />
1,6<br />
1,4<br />
1,2<br />
Mittelwert<br />
Median<br />
1,0<br />
0,8<br />
Hg (mg/kg FS)<br />
0,6<br />
0,4<br />
0,2<br />
0,0<br />
79 81 83 85 87 89 91 93 95 97 99 2001<br />
Jahr der Probenahme<br />
Abbildung 3.11: Quecksilber in Brassen <strong>aus</strong> der Elbe bei Lauenburg VI Cuxhaven, <strong>2002</strong><br />
39
3. »<strong>Aktuelles</strong> <strong>aus</strong> <strong>2002</strong>«<br />
••• Algengift in Muscheln<br />
Die Untersuchungen zu den Elbfischen liefen gerade auf Hochtouren,<br />
als auf das Veterinärinstitut für Fische und Fischwaren<br />
Cuxhaven ein weiteres Problem zukam: Algengifte in dänischen<br />
Muscheln. Im Herbst und Winter <strong>2002</strong> litten wiederholt zahlreiche<br />
Menschen nach dem Verzehr von Muscheln unter Symptomen<br />
wie Durchfall, Erbrechen, Kopfschmerzen und Krämpfen. Die<br />
Muscheln kamen vorwiegend <strong>aus</strong> dem Isefjord in Dänemark.<br />
Als Ursache wurde das Algengift Okadasäure vom VI Cuxhaven<br />
festgestellt. In den Proben wurden Werte des Algengiftes<br />
Okadasäure von bis zu 3.576 µg* nachgewiesen, das entspricht<br />
einer fast neunfachen Überschreitung des in der Fischhygiene-<br />
Verordnung festgeschriebenen Grenzwertes von 400 µg*. Bei<br />
besonders empfindlichen Menschen können auch unterhalb dieses<br />
gültigen Grenzwertes die beschriebenen Symptome auftreten.<br />
Muscheln nehmen die Giftstoffe <strong>aus</strong> bestimmten Algen auf.<br />
Auf der gesamten Erde gibt es etwa 6.000 verschiedene Algenarten,<br />
die nach ihrer Gestalt und ihren Pigmenten in 15 verschiedene<br />
Klassen eingeteilt werden. Nur ein sehr geringer Anteil, etwa 30<br />
bis 50 Arten, sind in der Lage, Giftstoffe (=Toxine) zu bilden. Der<br />
Toxingehalt einer einzigen Algenzelle ist sehr gering und wäre<br />
normalerweise kaum wirksam. Wenn diese Algen aber Phytoplanktonblüten<br />
bilden, kann es zu hohen Konzentrationen der<br />
Giftstoffe im Wasser kommen. Phytoplanktonblüten sind zeitlich<br />
begrenzte Massenentwicklungen von Algen. Sie sind natürliche<br />
Ereignisse, die regelmäßig in fast allen Gewässern vorkommen.<br />
Eine der giftigen Algen ist Dinophysis acuminata. Sie ist eine<br />
winzige Geißelalge, die in der Nordsee vorkommt, und dient den<br />
Miesmuscheln – neben anderen Planktonalgen – als Nahrung. Die<br />
in den Algen enthaltenen Toxine werden von der Muschel vorwiegend<br />
im Hepatopankreas angereichert, einer Drüse, die Funktionen<br />
von Leber und Bauchspeicheldrüse <strong>aus</strong>übt.<br />
Der eindeutige Nachweis bzw. die Bestimmung der verschiedenen<br />
Algengifte in der Muschel ist jedoch kompliziert. Bis heute<br />
wird in vielen Ländern, auch in Dänemark, routinemäßig <strong>aus</strong>schließlich<br />
mit Tierversuchen gearbeitet. Im Gegensatz zu den<br />
chemischen Methoden zeigen sie eine geringe Empfindlichkeit,<br />
und die einzelnen relevanten Algentoxine können nicht präzise<br />
unterschieden werden. Im LAVES wird die chemische Methode<br />
angewandt.<br />
Eher ungewöhnlich für die Vergiftungsfälle war die Jahreszeit:<br />
Die Dinophysisalgen kommen im Winter nur selten vor, da das<br />
Wasser zu kalt ist – der Grund, warum man auch nur in Monaten<br />
mit »r« Muscheln essen sollte. In der EU sind alle Mitgliedstaaten<br />
verpflichtet, sowohl die Muschelgewässer als auch die Muscheln<br />
selbst laufend auf Algen- bzw. Toxinfreiheit zu untersuchen. Diese<br />
Aufgabe wird für die niedersächsischen Muschelkulturen durch<br />
das VI Cuxhaven in Zusammenarbeit mit den zuständigen<br />
Landkreisen Aurich und Friesland sowie vom Niedersächsischen<br />
Landesamt für Ökologie (NLÖ) – Forschungsstelle <strong>aus</strong>geführt.<br />
*µg/kg Hepatopankreas<br />
Lebensmittel<br />
Kontrollmaßnahmen zur Lebensmittelsicherheit<br />
Die primäre Verantwortung für die Lebensmittelsicherheit liegt bei<br />
den Futtermittelerzeugern, den Landwirten und den Lebensmittelunternehmen.<br />
Auf derselben Verantwortungsstufe stehen selbstverständlich<br />
alle an der Gewinnung von Süßwasser- und Meeresfischen<br />
oder Wildtieren Beteiligten. Das ist das Fundament der<br />
Lebensmittelsicherheit oder anders <strong>aus</strong>gedrückt, die tragende<br />
untere Stufe des gesamten Kontrollsystems. Den Betrieben obliegen<br />
umfangreiche Kontrollpflichten im Rahmen der Eigenkontrolle.<br />
Sie sind sorgsam an das jeweilige Risiko angepasst. Die Eigenkontrolle<br />
wird in der Regel von besonders dafür <strong>aus</strong>gebildeten<br />
Mitarbeitern oder externen Sachverständigen durchgeführt und<br />
für die behördlichen Kontrollen nachvollziehbar dokumentiert.<br />
Die zuständigen Behörden der EU-Mitgliedstaaten überwachen<br />
in ihrem Land mittels nationaler Kontrollstrategien wiederum<br />
die Wirksamkeit der Eigenkontrollmaßnahmen. Dies wird bei<br />
fachkundiger Begehung der einzelnen Betriebe geprüft durch<br />
40
3. »<strong>Aktuelles</strong> <strong>aus</strong> <strong>2002</strong>«<br />
Überprüfung der dortigen Dokumente <strong>aus</strong> den Eigenkontrollen<br />
und amtliche Probenahmen 2 . Dabei wird festgestellt, ob die<br />
hygienische Qualität 3 der produzierten Lebensmittel allen Anforderungen<br />
genügt und ob es im Produktionsablauf Mängel hinsichtlich<br />
der Lebensmittelsicherheit gibt. Diese zweite oder mittlere<br />
Stufe des Kontrollsystems hat sich unter dem Begriff »Kontrolle<br />
der Kontrolle« etabliert. Als Grundsatz ist sie schon lange vor<br />
Veröffentlichung der Lebensmittelhygienerichtlinie 93/43/EWG<br />
bereits 1989 in der Veterinärkontrollrichtlinie 89/662/EWG 4 festgelegt<br />
worden.<br />
Neben der notwendigen Kontrollfunktion der Behörden erfordert<br />
das Funktionieren der »Kontrolle der Kontrolle« vor allem<br />
auch eine gegenseitig vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen<br />
Behörden und Herstellern. In der Fachsprache wird dieses Prinzip<br />
sehr anschaulich als »Gekoppelte Verantwortlichkeit« bezeichnet.<br />
Die Häufigkeit und Tiefe der behördlichen Kontrolle richtet sich<br />
neben Faktoren wie Produktart, Betriebsgröße und Produktionsmenge<br />
ganz entscheidend nach der Qualität und den Ergebnissen<br />
des betrieblichen Eigenkontrollsystems. Der Lebensmittelkontrolldienst<br />
des LAVES unterstützt die kommunalen Behörden bei<br />
ihrer Kontrolltätigkeit durch die Erarbeitung von Ausführungshinweisen<br />
für Inspektionen und die Teilnahme seiner Sachverständigen<br />
bei Betriebskontrollen.<br />
In <strong>Niedersachsen</strong> wurden auf Initiative des Ministeriums für<br />
den ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz<br />
von Fachleuten der Aufsichtsbehörden und der staatlichen<br />
Untersuchungsstellen vorbildliche einheitliche und verbindliche<br />
Ausführungshinweise für die amtlichen Kontrollen erarbeitet.<br />
Dies wurde – gerade auch von Herstellern – sehr begrüßt, denn<br />
die Hinweise dienen als Hilfestellung für die eigenen Kontrollund<br />
Dokumentationspflichten und die Kooperation mit den Behörden.<br />
Zur Zeit existieren sie für die Überwachung der Fleischgewinnung<br />
(Schlacht- und Zerlegebetriebe), Milchbearbeitungs- und<br />
-verarbeitungsbetriebe und Eiproduktbetriebe. Für weitere Bereiche,<br />
wie z. B. Fleischerzeugnisse, sind sie in Vorbereitung bzw. Bearbeitung.<br />
Die bereits vorhandenen Ausführungshinweise werden<br />
fortlaufend an rechtliche und technische Entwicklungen angepasst,<br />
um ihr hohes Niveau zu sichern.<br />
Die Europäische Union überprüft durch Inspektionen in den<br />
Mitgliedstaaten, ob die nationalen Überwachungssysteme geeignet<br />
sind, die EU-Rechtsvorschriften für die Futter- und Lebensmittelerzeugung<br />
und Produktion sowie im Handel durchzusetzen.<br />
Zuständig dafür ist das EU-Lebensmittel- und Veterinäramt in<br />
Dublin. Dadurch unterliegt auch die Überwachungsebene einer<br />
regelmäßigen Kontrolle (obere Stufe des Kontrollsystems).<br />
2 Proben <strong>aus</strong> <strong>Niedersachsen</strong> werden in den Laboratorien des LAVES untersucht.<br />
Sie sind dafür mit qualifiziertem Personal und hochwertigen geeigneten Apparaten<br />
<strong>aus</strong>gerüstet.<br />
3 Unter dem Begriff »Hygienische Qualität« sind alle Aspekte summiert, die<br />
mögliche gesundheitliche Risiken beim Verzehr von Lebensmitteln beschreiben.<br />
In erster Linie handelt es sich um pathogene Mikroorganismen wie Salmonellen,<br />
EHEC u. v. a. sowie um Rückstände und chemische organische wie auch anorganische<br />
Kontaminanten. Die Überprüfung der stofflichen Beschaffenheit<br />
(Zusammensetzung) und Kennzeichnung der Lebensmittel besetzt einen eigenen<br />
Platz neben diesem System.<br />
4 Text<strong>aus</strong>zug <strong>aus</strong> der Veterinärkontrollrichtlinie:<br />
»Die Ursprungsbetriebe tragen durch ständige Selbstkontrolle dafür Sorge, dass<br />
die genannten Erzeugnisse den Erfordernissen nach Unterabsatz 1 genügen. Die<br />
zuständige Behörde kontrolliert die Betriebe unbeschadet der dem amtlichen<br />
Tierarzt durch die Gemeinschaftsregelung übertragenen Kontrollaufgaben regelmäßig,<br />
um sich zu vergewissern, dass die für den Handel bestimmten Erzeugnisse<br />
den Gemeinschaftsanforderungen oder – in den Fällen nach Absatz 3 des<br />
vorliegenden Artikels und nach Artikel 14 – den Anforderungen des Bestimmungsmitgliedstaates<br />
entsprechen.«<br />
EU-Lebensmittel- und Veterinäramt:<br />
Kontrolle der amtlichen nationalen Kontrolleure<br />
Obere Stufe:<br />
»Kontrolle der Kontrolleure«<br />
Mitgliedstaaten:<br />
Überwachung der Eigenkontrolle durch:<br />
- Kontrollbesuche in den Betrieben<br />
- Monitoring der Produktionsprozesse und der Produkte<br />
Produzent/Hersteller:<br />
Selbstkontrolle durch geeignete und pl<strong>aus</strong>ible<br />
Eigenkontrollmaßnahmen Fachbegriff: »Betriebliche Eigenkontrolle«<br />
Mittlere Stufe:<br />
»Kontrolle der Eigenkontrolle«<br />
Basis:<br />
»Eigenkontrolle«<br />
Abbildung 3.12: Das dreistufige System der Hygienekontrollen in der EU (nach Reichenbach)<br />
41
3. »<strong>Aktuelles</strong> <strong>aus</strong> <strong>2002</strong>«<br />
••• Acrylamid<br />
Im April <strong>2002</strong> berichteten schwedische Medien über Acrylamid in<br />
Lebensmitteln. Schwedische Forschungsergebnisse zeigten, dass<br />
in zahlreichen stärkereichen Lebensmitteln nach dem Erhitzen<br />
Acrylamid nachgewiesen wurde. Betroffen waren insbesondere<br />
frittierte, geröstete oder gebackene Kartoffel- und Getreideprodukte<br />
wie Pommes Frites, Kartoffelchips, Brot, Kekse oder<br />
Knäckebrot. Inzwischen ist sicher, dass der Stoff entsteht, wenn<br />
Zucker, wie Glucose oder Fructose, mit Eiweißbestandteilen,<br />
wie Asparaginsäure, zusammen erhitzt werden.<br />
Acrylamid ist bekannt als Ausgangsstoff für die Herstellung<br />
von Polyacrylamid-Polymeren. Diese werden zum Beispiel in der<br />
Bauindustrie, in Kunststoffverpackungen, bei der Aufbereitung<br />
von Trinkwasser oder in Kosmetika eingesetzt. Als Industriechemikalie<br />
wurde es auf Gesundheitsgefahren überprüft und daraufhin<br />
Grenzwerte für Restgehalte an Acrylamidmonomer festgelegt. In<br />
Trinkwasser dürfen maximal 0,1 µg pro Liter Wasser enthalten<br />
sein. Aus Verpackungen soll kein Acrylamid auf die Lebensmittel<br />
übergehen (Nachweisgrenze 10 µg/kg). Für Kosmetika wurde in<br />
einer EU-Richtlinie ein Restgehalt von 100 µg/kg in Körperpflegemitteln<br />
festgelegt. Durch Erhitzungsprozesse können in Lebensmitteln<br />
dagegen Gehalte über 1.000 µg/kg entstehen. Es wird<br />
angenommen, dass der Bundesbürger täglich ungefähr 0,5 µg<br />
Acrylamid pro Kilogramm seines Körpergewicht über Lebensmittel<br />
aufnimmt (Quelle: BfR). Bei Kindern kann der Wert höher liegen.<br />
Acrylamid hat im Tierversuch Erbgut verändernde und Krebs<br />
erregende Eigenschaften gezeigt. Es ist noch nicht erwiesen, dass<br />
diese Ergebnisse auch auf den Menschen übertragbar sind. Bis<br />
neue Forschungsarbeiten hierzu Klarheit schaffen, geht das Bundesinstitut<br />
für Risikobewertung (BfR) davon <strong>aus</strong>, dass Acrylamid<br />
ein ernstzunehmendes gesundheitliches Risiko darstellt. Deshalb<br />
ist vorsorglich eine Reduzierung der Gehalte in Lebensmitteln<br />
anzustreben.<br />
Dazu verständigte man sich bundesweit auf ein dynamisches<br />
Minimierungskonzept. Die Bundesländer untersuchen Lebensmittel<br />
auf ihre Acrylamidgehalte und melden die Daten an das<br />
Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit<br />
zur zentralen Erfassung und Auswertung. Die zehn Prozent am<br />
höchsten belasteter Lebensmittel einer Produktgruppe werden<br />
identifiziert, der unterste Wert dieser Höchstbelastungen wird als<br />
Signalwert definiert. Wenn Produkte die Signalwerte überschreiten,<br />
sollen die kommunalen Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsbehörden<br />
mit den betreffenden Herstellern prüfen,<br />
welche Maßnahmen zur Absenkung der Acrylamidbelastung im<br />
Rahmen der betrieblichen Eigenkontrolle ergriffen werden können.<br />
Mit diesem Konzept wird erreicht, dass die am höchsten belasteten<br />
Lebensmittel identifiziert werden und vorrangig bei deren<br />
Produktion Maßnahmen zur Senkung des Acrylamidgehaltes entwickelt<br />
werden. Sobald die Acrylamidgehalte in der Produktgruppe<br />
sinken, wird auch der Signalwert nach unten angepasst.<br />
Acrylamid-Monitoring in <strong>Niedersachsen</strong><br />
In <strong>Niedersachsen</strong> wurden zunächst zwei Maßnahmen ergriffen:<br />
Zum einen wurden in den beiden Lebensmittelinstituten des<br />
LAVES in Braunschweig und Oldenburg die Analysenmethoden<br />
zur Bestimmung von Acrylamid eingerichtet und getestet. Das<br />
Lebensmittelinstitut Braunschweig nahm an einem bundesweiten<br />
Laborvergleichstest teil. Zum anderen wurden auf Grundlage<br />
einer Risikoanalyse Minimierungsmaßnahmen bei den niedersächsischen<br />
Herstellerbetrieben geplant: In Zusammenarbeit mit dem<br />
Niedersächsischen Ministerium für den ländlichen Raum, Ernährung,<br />
Landwirtschaft und Verbraucherschutz und den vier Bezirksregierungen<br />
hat der Niedersächsische Lebensmittelkontrolldienst<br />
des LAVES ein Konzept für ein Acrylamid-Monitoring erarbeitet.<br />
Dieses soll kurzfristig einen Überblick über die Belastungssituation<br />
bei Produkten <strong>aus</strong> <strong>Niedersachsen</strong> liefern. Im Rahmen<br />
dieses Überwachungsprogramms wurden alle größeren niedersächsischen<br />
Hersteller angesprochen, die Waren herstellen, für die<br />
aufgrund erhöhter Acrylamidgehalte oder Verzehrsmengen<br />
Signalwerte festgelegt wurden. Zur Zeit werden von dem Überwachungsprogramm<br />
17 Betriebsstätten erfasst. Für Betriebskontrollen<br />
wurden interdisziplinäre Teams <strong>aus</strong> Sachverständigen<br />
der Bezirksregierungen, der kommunalen Behörden, der Lebensmittelinstitute<br />
und des Lebensmittelkontrolldienstes gebildet. Die<br />
Acrylamidproblematik wird mit den betroffenen Firmen im<br />
Rahmen eines kontinuierlichen Dialogs erörtert. Die Ergebnisse<br />
der im Rahmen der betrieblichen Eigenkontrollen bereits ergriffenen<br />
Minimierungsmaßnahmen werden abgefragt und bewertet.<br />
Im Rahmen von Betriebsbegehungen werden ferner die für die<br />
Acrylamidbildung kritischen Prozessabschnitte diskutiert.<br />
42
3. »<strong>Aktuelles</strong> <strong>aus</strong> <strong>2002</strong>«<br />
Gegebenenfalls werden amtliche Proben im Sinne einer Stufenkontrolle<br />
entnommen und in den Instituten des LAVES untersucht.<br />
Mit dieser Untersuchung wird gleichzeitig die Wirksamkeit der<br />
betrieblichen Eigenkontrolle geprüft. Auch die Produktpalette der<br />
Firmen wird amtlich beprobt. In die Acrylamid-Untersuchungen<br />
werden außerdem stichprobenartig im Handel entnommene amtliche<br />
Proben einbezogen, so dass auch Produkte <strong>aus</strong> anderen<br />
Bundesländern oder Drittstaaten erfasst werden. Die Koordination<br />
des Acrylamid-Monitorings und die Auswertung der Daten erfolgen<br />
beim Lebensmittelkontrolldienst des LAVES.<br />
Alle Betriebe, bei deren Produkten bislang Signalwertüberschreitungen<br />
erkannt wurden, haben sich über die Acrylamidproblematik<br />
zwischenzeitlich gut informiert. Eigenkontrollmaßnahmen zur<br />
Reduktion der Acrylamidgehalte wurden eingeleitet. In der Regel<br />
wurde die Hilfestellung der Verbände in Anspruch genommen.<br />
Einzelne Betriebe wollten zunächst die weitere Entwicklung<br />
abwarten und hatten noch keine Untersuchungen der eigenen<br />
Produkte vorgenommen. Durch die Tätigkeit der Überwachung<br />
wurden sie angeregt, eine Risikoanalyse ihrer Produkte und Herstellungsprozesse<br />
durchzuführen, um gegebenenfalls Minimierungsmaßnahmen<br />
einleiten zu können.<br />
Erste Erfolge bei der Minimierung<br />
In insgesamt 49 Fällen lagen die Acrylamidgehalte in niedersächsischen<br />
Produkten oberhalb der Signalwerte. Einige Betriebe haben<br />
inzwischen große Anstrengungen unternommen, die Gründe für<br />
die Acrylamidbildung im Herstellungsprozess zu ermitteln. Die<br />
Erfolge, die bei den Minimierungsbemühungen erzielt wurden,<br />
sind bereits sehr vielversprechend. Sie werden weiterhin von<br />
amtlicher Seite begleitet.<br />
Amtliche Untersuchungsergebnisse<br />
In <strong>Niedersachsen</strong> wurden im Jahr <strong>2002</strong> in den Instituten des LAVES<br />
183 amtliche Lebensmittelproben auf Acrylamid untersucht.<br />
Tabelle 3.6 gibt eine Übersicht über die Ergebnisse. Besonders hohe<br />
Gehalte wurden bei Knäckebrot, Kartoffelknabbererzeugnissen<br />
und Keksen gefunden, wobei die Acrylamidgehalte in Keksen in<br />
der Regel unter 1.000 µg/kg lagen. Bei Braunkuchen (Weihnachts-<br />
Tabelle 3.6: Amtliche Untersuchungsergebnisse<br />
Produktgruppe Anzahl Proben Gehalte in (µg/kg) In <strong>2002</strong> geltender Signalwert Signalwertüberschreitungen<br />
Cerealien 11 20 - 420 260 3<br />
Kekse, davon 36 n.n. - 980 800 5<br />
Diätprodukte 5<br />
Weihnachtsgebäck 6 300 - 3.250 4<br />
(z. B. Lebkuchen)<br />
Spekulatius, davon 14 20 - 814 1<br />
Diätprodukte 2<br />
Fettgebäck 18 n.n. - 50 0<br />
(z. B. Berliner)<br />
Brot, Brötchen 22 n.n. - 100 0<br />
Pommes Frites 5 n.n. - 710 770 0<br />
Kartoffelpuffer 6 240 - 910 0<br />
Knabbererzeugnisse, 23 60 - 2.586 1.510 2<br />
davon Chips 15 (1.000) (5)<br />
Knäckebrot 29 20 - 2.840 610 9<br />
Kaffee 8 120 - 460 370 2<br />
Säuglingsnahrung 1 70<br />
Andere 4 40 - 380<br />
Summe 183 29<br />
43
3. »<strong>Aktuelles</strong> <strong>aus</strong> <strong>2002</strong>«<br />
gebäck) wurden jedoch in zwei Fällen höhere Gehalte gefunden.<br />
Brot und Fettgebäcke wie Berliner haben sich als unproblematisch<br />
erwiesen, bei Pommes Frites sind die Untersuchungen angelaufen.<br />
In den Abbildungen 3.13 und 3.14 sind die Ergebnisse bei Getreideund<br />
Kartoffelprodukten graphisch dargestellt.<br />
Bei 29 der amtlich untersuchten Proben (16 %) lagen die Acrylamidgehalte<br />
über den Signalwerten. 14 Proben davon stammten<br />
<strong>aus</strong> Betrieben mit überregionaler Bedeutung, bei neun der 17 im<br />
Acrylamidmonitoring erfassten Betriebe wurde eine Überschreitung<br />
der Signalwerte in mindestens einem ihrer Produkte festgestellt.<br />
An diesen Stellen müssen weitere Minimierungsbemühungen der<br />
Hersteller ansetzen.<br />
Die Bereitschaft der niedersächsischen Betriebe, an dem Minimierungskonzept<br />
mitzuwirken, und die Erfolge, die bereits erzielt<br />
wurden, lassen hoffen, dass die Acrylamidgehalte in Fertigprodukten<br />
weiter gesenkt werden können. Als nächster Schritt wird es<br />
wichtig sein, die privaten H<strong>aus</strong>halte zu erreichen, um die Acrylamidbildung<br />
bei der h<strong>aus</strong>haltsmäßigen Zubereitung zu senken. Bei<br />
der Bewertung der Befunde ist zu beachten, dass zu der gesundheitlichen<br />
Relevanz von Acrylamidgehalten noch keine abschließende<br />
Aussage gemacht werden kann und dass insbesondere<br />
Getreideprodukte auch protektive Inhaltsstoffe, wie z. B. Ballaststoffe,<br />
enthalten.<br />
••• Neue Analysetechnik – E-Screen<br />
Der Estrogen-Screen, kurz E-Screen, dient dem Nachweis von estrogen<br />
wirksamen Substanzen.<br />
Hormone besitzen allgemein eine zentrale Bedeutung im Körper<br />
von Mensch und Tier. Als Botenstoffe steuern sie die Entwicklung<br />
und Funktion der Fortpflanzungsorgane, des Gehirns und des<br />
Immunsystems. Seit Jahren ist bekannt, dass eine Vielzahl von<br />
Substanzen hormonartige Wirkung besitzen. Das Umweltbundesamt<br />
hat darauf hingewiesen, dass bestimmte Indikatoren wie<br />
Spermienqualität, vermehrtes Auftreten bestimmter Krebsformen,<br />
Geschlechtsverteilung bei Neugeborenen sowie Beeinflussung<br />
kognitiver Fähigkeiten von Kindern in Deutschland darauf hinweisen,<br />
dass Einflüsse auf die Gesundheit und Entwicklung des<br />
Menschen durch hormonell wirksame Stoffe vorhanden sind.<br />
3500<br />
3000<br />
2500<br />
2000<br />
1500<br />
3000<br />
1000<br />
2500<br />
500<br />
2000<br />
0<br />
Cerialien<br />
Brot<br />
Knäckebrot<br />
Mürbegebäck<br />
Spekulazius<br />
Weihnachtsgebäck<br />
Fettgebäck<br />
1500<br />
1000<br />
500<br />
Abbildung 3.13: Acrylamidgehalte (µg/kg) in Getreideerzeugnissen<br />
(breite Striche: Signalwerte, Ende Januar<br />
zum Teil abgesenkt)<br />
0<br />
Kartoffelpuffer Pommes Frites Chips & Co.<br />
Abbildung 3.14: Acrylamidgehalte (µg/kg) in<br />
Kartoffelprodukten (breite Striche: Signalwerte,<br />
Ende Januar zum Teil abgesenkt)<br />
44
3. »<strong>Aktuelles</strong> <strong>aus</strong> <strong>2002</strong>«<br />
Hormone in Lebensmitteln ermitteln<br />
Das Thema »hormonell wirksame Stoffe« besitzt auch Bedeutung<br />
in der amtlichen Lebensmittelüberwachung, da eine große Anzahl<br />
von Substanzen, die nachweislich hormonell wirksam sind, in<br />
Lebensmitteln nachgewiesen wurden. Im LI Braunschweig wurde<br />
ein E-Screen für die Anwendung in der Lebensmitteluntersuchung<br />
entwickelt, um zu prüfen, ob die in geringen Konzentrationen<br />
vorkommenden estrogen wirksamen Substanzen im Gesamtlebensmittel<br />
eine hormonelle Wirkung <strong>aus</strong>üben. Die relevanten Stoffe<br />
unterschiedlichster chemischer Struktur können bisher nur mit<br />
aufwändigen Einzelmethoden nachgewiesen werden. Die chemische<br />
Bestimmung eines Stoffes lässt keine Aussage über die<br />
estrogene Aktivität dieser Substanz im Lebensmittel zu. Mit Hilfe<br />
des E-Screen werden Lebensmittel im ersten Schritt auf estrogene<br />
Aktivität untersucht. Für den Fall eines positiven Befundes würden<br />
die chemischen Untersuchungen zum Nachweis der die Aktivität<br />
<strong>aus</strong>lösenden Substanz im zweiten Schritt zielgerichtet durchgeführt.<br />
Der neue E-Screen wird zur Zeit in Untersuchungen in Mineralwasser<br />
erprobt und soll für den Einsatz in allen Lebensmittelgruppen<br />
weiterentwickelt werden, um ein mögliches Gefährdungspotential<br />
für den Menschen hinsichtlich der Aufnahme estrogen wirksamer<br />
Substanzen über die Nahrung zu ermitteln zu können.<br />
••• Rohkostsalate hergestellt in Supermärkten<br />
Theken mit frischen und knackigen Salaten sind <strong>aus</strong> Supermärkten<br />
inzwischen nicht mehr wegzudenken. Deshalb wurden im Jahr<br />
<strong>2002</strong> vermehrt frische verpackte Salate zur Untersuchung eingeliefert,<br />
die im Einzelhandel selbst hergestellt wurden. Dies betrifft<br />
Supermärkte großer Handelsketten, die vielfach eigene Bereiche<br />
eingerichtet haben, in denen Salat- und Gemüsezutaten gewaschen,<br />
zerkleinert und abgepackt werden. Dem Bedürfnis der<br />
Verbraucher nach frischen, gesunden Lebensmitteln bei geringem<br />
Arbeitsaufwand, wird damit Rechnung getragen. So müssen die<br />
Zutaten nicht mühsam und zeitraubend im eigenen H<strong>aus</strong>halt<br />
vorbereitet werden. Es fallen keine großen Mengen an, die vor<br />
allem in kleinen H<strong>aus</strong>halten kaum zu bewältigen sind, wie z. B.<br />
ein ganzer Kohlkopf oder Chinakohl. Die Rohkostmischungen<br />
können meistens ohne weitere Zusätze gegessen werden, allenfalls<br />
wird noch ein Dressing dafür gebraucht.<br />
Zutaten werden Käse – sowohl Fetakäse als auch geriebener<br />
Schnittkäse wie z. B. Gouda –, Schinken, Thunfisch und Oliven<br />
verwendet. Gelegentlich sind die Salate auch mit Kräutern<br />
bestreut.<br />
Anforderung an die Herstellung/Hygiene/Wiegen<br />
Bei der Herstellung der Salate sind die Grundsätze der Lebensmittelhygieneverordnung<br />
zu beachten. Die Lebensmittel müssen unter<br />
einwandfreien Bedingungen hergestellt und behandelt werden.<br />
Speziellere Anforderungen an die Ausstattung der Betriebsstätten,<br />
an Gegenstände und Ausrüstungen, die mit den Lebensmitteln in<br />
Berührung kommen, sowie an das Personal sind zu beachten und<br />
werden vor Ort durch die jeweils zuständige Lebensmittelüberwachungsbehörde<br />
überprüft. Bei der Gewichtsbestimmung der<br />
hergestellten Verpackungen sind ferner die eichrechtlichen Bestimmungen<br />
einzuhalten, insbesondere die Toleranzen bei den<br />
Füllmengen.<br />
Anforderungen an die Kennzeichnung<br />
Die Salate werden in Fertigpackungen zur Selbstbedienung abgegeben.<br />
Auf den Packungen müssen die nach der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung<br />
geforderten Angaben vorhanden sein.<br />
Das sind: Verkehrsbezeichnung, Hersteller mit Name und Anschrift,<br />
Zutatenverzeichnis, Mindesthaltbarkeitsdatum sowie in bestimmten<br />
Fällen auch eine Mengenangabe bestimmter Zutaten.<br />
Das Mindesthaltbarkeitsdatum muss so festgelegt werden,<br />
dass das Lebensmittel während der gesamten Lagerdauer seine<br />
charakteristischen Eigenschaften behält. Grundsätzlich beträgt<br />
das Mindesthaltbarkeitsdatum nur wenige Tage, da die Salate<br />
leicht unansehnlich werden und verderben. Zerkleinerte Salate<br />
bekommen schnell rötliche oder braune Verfärbungen an den<br />
Schnittstellen und werden welk. Gurken- und Tomatenscheiben<br />
werden glasig. An diesen Merkmalen kann der Verbraucher selbst<br />
die Frische der angebotenen Ware erkennen.<br />
Wie sehen die Proben/Verpackungen/Zutaten <strong>aus</strong>?<br />
Die Salate werden meist in durchsichtigen Kunststoffboxen mit<br />
Deckel oder in Styroporschalen, die mit Kunststofffolie umwickelt<br />
sind, abgefüllt. Sie werden als »Salatmix«, »Salatcup«, »Salatschale«,<br />
»gemischter Salat«, »Rohkostmischung«, »Gemüsesalat«<br />
und ähnlich bezeichnet. Häufig werden Eisberg-, Endivien-, Friseesalat,<br />
Chinakohl, Radicchio und Feldsalat verarbeitet sowie<br />
Weißkohl, Gurken, Tomaten, Paprika und Maiskörner. Als weitere<br />
Verdorbener Salat<br />
45
3. »<strong>Aktuelles</strong> <strong>aus</strong> <strong>2002</strong>«<br />
Im Zutatenverzeichnis müssen alle Zutaten aufgeführt werden,<br />
die bei der Herstellung der Salate verwendet werden, also z. B.<br />
auch die aufgestreute Petersilie. Dabei müssen die Zutaten in absteigender<br />
Reihenfolge ihres Gewichtsanteils angegeben werden.<br />
Liegen Gemüse- oder Salatzutaten in annähernd gleichen Gewichtsanteilen<br />
vor, z. B. 34% Eisbergsalat, 33% Frisee und 33%<br />
Feldsalat, kann auch ein Hinweis wie »in veränderlichen Gewichtsanteilen«<br />
erfolgen, der den Zutaten vor- oder nachgestellt wird.<br />
In diesem Fall muss die Reihenfolge der Zutaten nicht streng eingehalten<br />
werden.<br />
Eine Mengenangabe bestimmter Zutaten kann erforderlich<br />
werden, wenn eine Zutat in der Verkehrsbezeichnung <strong>aus</strong>drücklich<br />
genannt wird, wie z. B. »Salatcup Käse« oder »Rohkostsalat mit<br />
Schinken«. Hier ist entweder in Verbindung mit der Verkehrsbezeichnung<br />
oder im Zutatenverzeichnis die Menge des Käses bzw.<br />
des Schinkens anzugeben. Zusätzlich zu den nach der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung<br />
geforderten Angaben muss auf<br />
den Packungen außerdem das Nettogewicht angegeben werden.<br />
Beschreibung der Untersuchungen<br />
Bei den Proben wird der Hygienestatus erfasst, d. h. die Proben<br />
werden mikrobiologisch untersucht, in der Regel auf die Gesamtkeimzahl.<br />
Außerdem wird das Gewicht ermittelt und Aussehen,<br />
Geruch und Geschmack beschrieben. Bei gemischten Salaten<br />
werden die einzelnen Bestandteile separat <strong>aus</strong>gewogen, um die<br />
Reihenfolge der Zutaten zu überprüfen, ebenso bei Zutaten, die<br />
mengenmäßig extra gekennzeichnet sind. Spezielle weitere Untersuchungen<br />
erfolgen im Einzelfall je nach Zusammensetzung<br />
und Kennzeichnung der Lebensmittel. Als Beispiel sei eine Proteindifferenzierung<br />
bei Schafskäse genannt, um festzustellen, ob es<br />
sich wirklich um Schafskäse und nicht um Käse <strong>aus</strong> Kuhmilch<br />
handelt.<br />
Ergebnisse der Untersuchungen<br />
Bei den Proben wurden kaum Hygienemängel festgestellt.<br />
Dagegen war die Kennzeichnung häufig zu beanstanden. Oft<br />
stimmte die Reihenfolge der Zutaten nicht, bzw. es wurden<br />
Zutaten angegeben, die nicht vorhanden waren und umgekehrt.<br />
In manchen Fällen fehlte die erforderliche Mengenkennzeichnung<br />
von Zutaten. Gelegentlich war der Hersteller nicht angegeben.<br />
In einigen Märkten scheint es zudem Probleme bei der Gewichtsermittlung<br />
zu geben. Offenbar wird teilweise die Verpackung<br />
mit gewogen und dem Nettogewicht zugeschlagen, so dass der<br />
Verbraucher weniger Inhalt bekommt als angegeben. Die Toleranzen,<br />
die für eine Abweichung des Nettogewichtes nach unten<br />
zugrunde gelegt werden, sind bei den selbst hergestellten<br />
Packungen, die alle unterschiedliche Füllmengen aufweisen, recht<br />
gering. Bei einer Einwaage zwischen 100 und 500 g beträgt<br />
die zulässige Minusabweichung nur 2 g. Hier ist eine entsprechende<br />
Schulung des Personals erforderlich.<br />
Fazit<br />
Vorverpackte frische Salate bereichern das Angebot und helfen<br />
auch dem eiligen Verbraucher, sich gesund zu ernähren. Wem<br />
Zeit und Lust zum Waschen, Putzen und Zerkleinern fehlt, der<br />
wird durch diese fertigen Mischungen trotzdem der goldenen<br />
Regel »Fünf am Tag« (d. h. 5 mal Obst oder Gemüse pro Tag) näherkommen.<br />
Insofern sind diese »Convenience-Produkte« durch<strong>aus</strong><br />
zu begrüßen. Der Hygienezustand der untersuchten Proben war<br />
unproblematisch. Lediglich die Kennzeichnung und die Deklaration<br />
des Gewichtes ist bei manchen Erzeugnissen noch verbesserungsfähig.<br />
Ausblick<br />
Neben Gemüse- und Salatmischungen wird zunehmend auch<br />
Obst in Supermärkten als Salat zubereitet und vorverpackt angeboten.<br />
Untersuchungen zu diesen Lebensmitteln sind im kommenden<br />
Jahr geplant.<br />
••• <strong>Aktuelles</strong> zu Backwaren<br />
Immer häufiger sind in den Städten – insbesondere in Supermärkten,<br />
in Fußgängerzonen sowie in Großtankstellen – so genannte<br />
Bake-off oder Aufback-Stationen zu finden. Der Preisdruck auf<br />
dem Backwarensektor ist schon lange sehr groß, Discounter<br />
verzeichnen Zuwachsraten, kleinere Geschäfte verlieren Marktanteile<br />
und so hat sich diese neue Form im Backwarenverkauf<br />
entwickelt.<br />
Bake-off Stationen gab es zunächst in großen Supermärkten.<br />
Seit <strong>2002</strong> sind sie aber auch als Bäckereigeschäfte in Fußgängerzonen<br />
immer häufiger anzutreffen. Hier wird kein Teig hergestellt<br />
46
3. »<strong>Aktuelles</strong> <strong>aus</strong> <strong>2002</strong>«<br />
und verarbeitet, sondern tiefgekühlt angelieferte Teiglinge (Tk-<br />
Ware), seltener Teiglinge <strong>aus</strong> Gärunterbrechern, werden aufgebacken.<br />
Die Stationen sind häufig so aufgebaut, dass eine Regalfläche<br />
einen Raum teilt. Auf der einen Seite entnimmt der Kunde<br />
die lose Backware mit bereitliegender Zange oder auch mit Einmal-<br />
Handschuhen. Dabei muss es sich nicht nur um Brot und Brötchen<br />
handeln. Auch zur Selbstbedienung geeignete – also nicht<br />
schmierende oder fettende - Feine Backwaren werden angeboten.<br />
Die Regale sind nicht offen, sondern haben Fächer mit Klappen<br />
oder Öffnungen zur Entnahme der Produkte. Sofern die Entnahmehilfen<br />
verwendet werden, ist <strong>aus</strong> hygienischer Sicht gegen<br />
die Art des Verkaufs nichts einzuwenden. Die Ware wird dann<br />
auf einem Tablett zur Kasse getragen, bezahlt und anschließend<br />
selber eingepackt.<br />
Hinter dem Regal mit der Ware befindet sich der Backraum.<br />
Von hier <strong>aus</strong> wird die Regalfläche bestückt. Die Trennung wird<br />
häufig bewusst transparent gehalten. Die Kundschaft kann sehen,<br />
wie am Backofen gearbeitet wird. Das vermittelt einen handwerklichen<br />
Eindruck. Außerdem strömt der Duft frisch gebackener<br />
Backwaren in den Verkaufsraum. Das Appetit anregende Aroma<br />
wirkt verkaufsfördernd.<br />
Diese Aufback-Stationen kommen mit wenig angelerntem<br />
Personal <strong>aus</strong>. Das Preisniveau liegt weit unter dem einer herkömmlichen<br />
Bäckerei. Der Gewinn muss daher über den Umsatz<br />
erzielt werden, so dass in der Regel nur 1a-Lagen mit einem<br />
hohen Anteil an Laufkundschaft für eine Aufback-Station in Frage<br />
kommen. Betrieben werden sie von großen Handelsketten und<br />
Brotfabriken, seltener aber auch von ortsansässigen Bäckereien.<br />
Qualitativ müssen die dort angebotenen Backwaren keineswegs<br />
schlechter als diejenigen <strong>aus</strong> Bäckerei-Fachgeschäften sein.<br />
Häufig ist aber die Produktvielfalt stark eingeschränkt. Der Verbraucher<br />
muss selbst entscheiden, wie viel ihm der Service und<br />
das große Produktspektrum eines Fachgeschäftes wert ist. Das<br />
Lebensmittelinstitut hat sich im Rahmen von Betriebskontrollen<br />
dieser neuen Verkaufsform angenommen und gemeinsam mit<br />
den örtlich zuständigen Behörden die hygienischen Gegebenheiten<br />
überprüft und wenn nötig, auch Änderungen veranlasst. Schwerwiegende<br />
Mängel wurden bei den Kontrollen nicht festgestellt.<br />
••• Eine Rechtslücke: Aktuelle Entwicklungen bei<br />
Zusatzstoffen<br />
Zusatzstoffe werden nach derzeit geltendem deutschen Recht<br />
sowohl zu technologischen als auch zu ernährungsphysiologischen<br />
Zwecken eingesetzt. Dieser Grundsatz ist im § 2 des Lebensmittelund<br />
Bedarfsgegenständegesetzes verankert. Hier wird definiert,<br />
welche Stoffe den Zusatzstoffen zuzuordnen sind bzw. welche<br />
Stoffe den Zusatzstoffen gleichgestellt werden. Zu welchen Zwecken<br />
die Stoffe eingesetzt werden, ist dabei unerheblich. Diese Vorgehensweise<br />
ist insbesondere in der früheren – nicht mehr gültigen<br />
– Diätverordnung angewendet worden. Dort gab es zwei<br />
Zusatzstofflisten. Die eine Liste enthielt die Zusatzstoffe, die zu<br />
technologischen Zwecken verwendet werden dürfen und die<br />
zweite Liste die Zusatzstoffe, die zu ernährungsphysiologischen<br />
Zwecken eingesetzt werden dürfen.<br />
Ungeklärte Situation für ernährungsphysiologische Zwecke<br />
Mit der Neufassung des Zusatzstoffrechts in der EU werden <strong>aus</strong>schließlich<br />
Zusatzstoffe geregelt, die zu technologischen Zwecken<br />
verwendet werden dürfen. Der Aspekt, dass Zusatzstoffe auch zu<br />
ernährungsphysiologischen Zwecken verwendet werden können,<br />
bleibt unberücksichtigt. Nach EU-Definition handelt es sich bei<br />
diesen Stoffen um keine Zusatzstoffe. Diese Rechtsauffassung<br />
steht im Widerspruch zu der deutschen Zusatzstoffdefinition.<br />
Während auf der einen Seite für die Zusatzstoffe zu technologischen<br />
Zwecken einheitliche Regelungen geschaffen worden sind,<br />
entstand also auf der anderen Seite für die Zusatzstoffe zu ernährungsphysiologischen<br />
Zwecken eine rechtlich ungeklärte Situation.<br />
Aus diesem Grund gilt bei der Umsetzung der EG-Zusatzstoff-<br />
Richtlinien in das deutsches Recht: die alten Rechtsvorschriften für<br />
Zusatzstoffe, die zu anderen als zu technologischen Zwecken<br />
verwendet werden, bleiben weiterhin solange gültig, wie keine<br />
neuen Vorschriften erlassen worden sind. In der Folge wurde<br />
eine Vielzahl von Anträgen auf Erteilung von Ausnahmegenehmigungen<br />
nach § 37 LMBG bzw. Allgemeinverfügungen nach § 47a<br />
LMBG gestellt.<br />
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3. »<strong>Aktuelles</strong> <strong>aus</strong> <strong>2002</strong>«<br />
Die EU-Kommission erkannte recht bald, dass auch diese Gruppe<br />
von Stoffen einheitlich geregelt werden muss. Die Kommission<br />
setzte sich zum Ziel, für drei Gruppen von Lebensmitteln einheitliche<br />
Regelungen zu erarbeiten, denen Zusatzstoffe zu ernährungsphysiologischen<br />
Zwecken zugesetzt werden dürfen: Erstens diätetische<br />
Lebensmittel (Lebensmittel, die zu besonderen ernährungsphysiologischen<br />
Zwecken verwendet werden), zweitens Nahrungsergänzungsmittel<br />
und Nährstoffkonzentrate sowie drittens angereicherte<br />
Lebensmittel, auch bezeichnet als funktionelle Lebensmittel. Bei<br />
dieser letzten Gruppe von Lebensmitteln handelt es sich um keine<br />
diätetischen Lebensmittel.<br />
Mit In-Kraft-Treten der Richtlinie 2001/15 EG vom 15.02.2001<br />
hat die Kommission die Gruppe der diätetischen Lebensmittel<br />
bereits geregelt. Die Umsetzung in nationales Recht ist im März<br />
2003 erfolgt. Gleiches gilt für die Gruppe der Nahrungsergänzungsmittel<br />
und Nährstoffkonzentrate. Auch hierzu ist bereits die<br />
Richtlinie <strong>2002</strong>/46 EG vom 10.06.<strong>2002</strong> in Kraft getreten, die<br />
ebenfalls noch in nationales Recht umgesetzt werden muss. Zu<br />
der dritten Gruppe der angereicherten Lebensmittel liegt derzeit<br />
ein Vorentwurf einer EG-Verordnung über mit Nährstoffen angereicherten<br />
Lebensmittel vor. Mit dem zu erwartenden In-Kraft-<br />
Treten der EG-Verordnung sowie in der Erwartung des angekündigten<br />
Lebensmittelrecht-Buches wird die durch die Neuregelung<br />
des EU-Zusatzstoffrechts entstandene Rechtslücke wieder geschlossen<br />
werden.<br />
Redaktionsteam:<br />
Dr. Täubert, T.; Dr. Keck, S.; Dr. Böhmler, G.; Dr. Kohnen, R.;<br />
Dr. Wald, B. (LI BS); Dr. v. Grabowski, H.-U. (LI OL); Dr. Runge, M.; Dr. Kruse, P.;<br />
Dr. Dolzinski, B.; Dr. Braune, S.; Dr. Glende, W.; Dr. Nagel-Kohl, U. (VI H);<br />
Dr. Klarmann, D.; Dr. Fiedler, H.-H. (VI OL); Dr. Ballin, U.; Dr. Kruse, R.;<br />
Dr. Effkemann, S. (VI CUX); Dr. Mellenthin, A. (LKD); Dr. Petermann, S. (TSD);<br />
Könneke, K. (TS); Kleingeld, D.-W. (TF/FSB); Kay, C.; Böming, J.;<br />
Feldh<strong>aus</strong>, K. (FRKD); Schrandt, H. (DZ ÖA)<br />
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