25 Jahre Freiwilligendienst in Monte Azul

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25 Jahre Freiwillige in Monte Azul 10 gener an und merkte immer mehr wie oft doch die Fröhlichkeit der Menschen hier oberflächlich war. Mir wurde bewusster, wie sehr jeder einzelne hier zu kämpfen hat. Soziale Strukturen, wie Sozialhilfe und Arbeitslosengeld, die uns in Deutschland das Leben viel leichter machen sind hier ein sehr stark bemerkbares Defizit. Zwar sind sehr viele Menschen aus ganz Brasilien nach São Paulo gezogen um ihre Lebenssituation durch das größere Arbeitsangebot hier zu verbessern, doch nun leben sie in Favelas zwischen Hochhäusern und sechsspurigen Straßen und müssen noch immer hart dafür arbeiten und kämpfen um zu überleben. Einige Menschen sind jetzt viel unglücklicher als zuvor. Im August wechselte ich in die Kindergruppe von Cida, von der ich sehr viel lernte. Mit viel Ruhe, Liebe und auch Strenge arbeitete sie im regelmäßigen Rhythmus mit den Kindern. Die Kinder hatten trotz anfänglichen Schwierigkeiten beeindruckende Ergebnisse, z. B. bei Formenzeichnen, Aquarellmalerei, Handarbeit und Tonarbeit. Da Cida durch ihr Studium an zwei Tagen verhindert war, sollte ich die Gruppe einmal alleine übernehmen. Nach nur zweiwöchigem Kennen lernen der Kinder, stand ich also plötzlich, mit etwas Zweifel, aber trotzdem viel Optimismus, alleine mit ca. 20 Kindern da. Natürlich waren die Kinder sehr chaotisch, und testeten erstmal aus wie weit sie bei mir gehen konnten. Dadurch lernte ich, in den extremsten Situationen ruhig und überlegt zu sein, ohne in Panik zu geraten. Für mich habe ich sehr schöne und aufbauende Situationen erlebt, aber auch viele schmerzhafte. Von Zeit zu Zeit, wurde meine Arbeit mit den Kindern besser, jedoch noch sehr weit von Cidas Arbeitsweise entfernt. Trotzdem habe ich es geschafft einen Weg zu finden, die Kinder zu beschäftigen und ihnen Aktivitäten nahezubringen, die sie noch nicht kannten. Nun bin ich fast ein Jahr in Brasilien und fühle mich hier sehr wohl und Zuhause. In der ganzen Zeit hier, habe ich mich nicht ein einziges Mal nach Deutschland gesehnt. Ich habe hier viele Menschen kennengelernt, die mir unheimlich viel bedeuten. Dieses Jahr in Monte Azul werde ich niemals vergessen und all die Menschen in meinem Herzen bewahren. Für die Zukunft versuche ich, all die positiven Dinge die ich hier erlebt und gelernt habe in mir weiter leben zu lassen. Es fällt mir sehr schwer, wieder nach Deutschland zu gehen, denn Monte Azul ist für mich meine Familie geworden. Monte Azul, ist für mich der richtige Weg und eine Chance für alle Favelabewohner von Monte Azul, Peinha und Chacara um Licht in das graue Leben von São Paulo zu bringen. Monte Azul ist für mich eine Pflanze die dem Licht entgegenstrebt und jedem Keim die Chance gibt zu gedeihen. Com muito carinho, Claudia.* *Name von der Redaktion geändert.
11 25 Jahre Freiwillige in Monte Azul Lilian und Carol: zwei “ganz normale” Favelakiner Wer als Freiwilliger längere Zeit in Monte Azul mitgearbeitet hat, bekommt oft am Ende des Aufenthalts die Aufgabe, eines der betreuten Kinder näher zu beschreiben. Von den vielen lebendigen und eindrücklichen Berichten über Begegnungen mit den Kindern möchten wir hier zwei abdrucken. Lilian: das pfiffige dunkle Mädchen mit den schwarzen Kruselhaaren, hatte es mir zwar von Anfang an angetan, aber letztendlich habe eigentlich nicht ich sie ausgesucht, sondern vielmehr sie mich. Immer hat sie meine Nähe gesucht, wollte beim Morgenkreis und auf Ausflügen an meiner Hand sein und erzählte mir alle Neuigkeiten aus der Familie. So war es also nahe liegend, gerade dieses Kind für eine Beschreibung auszusuchen. Und das ist ganz gut so, denn Lilian ist kein herausragendes Kind, weder besonders begabt, noch hat sie übermäßige Schwierigkeiten. Sie ist einfach ein „ganz normales“ Kind aus der Favela Peinha. Lilian geht wohl oft erst spät zu Bett – wahrscheinlich schaut sie so lange fern, denn morgens ist sie oft furchtbar müde. Mit halboffenen Augen und den schräg hängenden Kopf in die Arme gestützt, hängt sie dann in ihrer Bank. Manchmal schläft sie sogar ganz ein und wird dann unter lautem Gelächter der anderen Kinder geweckt. Diese Müdigkeit und Energielosigkeit machen es ihr schwer im Unterricht. Mit dem Lernen der Buchstaben hat sie Schwierigkeiten. Fast immer, wenn die meisten Kinder schon mit der Lektion fertig sind und draußen spielen, sitzt sie noch da und versucht mit kritzliger Schrift die Worte von der Tafel ins Heft zu übertragen. Wenn der „intervalo“ beginnt, wacht sie dann aber plötzlich auf und die Müdigkeit ist wie weggeblasen! Lilian hat keine speziellen Freunde. Sie rennt immer dort hin, wo gerade das Geschehen ist. Bei Streitereien, z.B. um die Schaukel, kann sie recht jähzornig werden und vertritt ihre Ziele auch gerne mal mit den Fäusten. Dabei kann man die drohende Stimme ihrer Mutter aus ihrem Mund hören: „você vai ver, menina!“ (Du wirst schon sehen, Mädchen!) Wie ich erst später nach und nach gemerkt hate, kommt Lilian aus einer selbst für hiesige Verhältnisse armen und vor allem verwahrlosten Familie. Man merkt dies schon an der Kleidung: oft kommt sie im Winter, wenn es so kalt ist, dass ich mit Wollpullover und zwei Paar Socken noch friere, mit kurzem Kleidchen und nur mit Schlappen an den nackten Füßen in der pré-escola an. Wenn Mercedes sie dann heimschickt, sich umzuziehen, steht sie kurze Zeit später wieder in der Türe, mal mit den viel zu großen Socken vom Vater, mal mit der viel zu engen Trainingshose vom kleinen Bruder, die ihr dann gerade mal übers Knie reicht. Aber gerade weil sie nicht das Modezeug trägt (das ihr ihre Mutter vielleicht sogar gerne kaufen würde) sieht Lilian oft so nett aus mit ihrem zu großen violetten Samtjäckchen oder dem uralten Spitzenkleidchen, das wohl mal weiß gewesen war. Die Kleidung könnte aber einer der Gründe sein, warum ihr der Weg in die tonangebende Mädchen- Clique versperrt bleibt, denn bei dieser spielt die Kleidung leider eine große Rolle. Lilian selbst scheint diesen Unterschied glücklicherweise noch nicht zu bemerken. Oft schon wollte ich Lilian zuhause besuchen, doch wie das so ist wenn zwei organisatorisch völlig untalentierte Menschen (sie und ich) einen Termin ausmachen, hat er irgendwie nie klappen wollen. Schließlich hat mich der Krankenpfleger Andreas eines nachmittags einfach bei ihrem Haus abgestellt, und ich bin auch prompt herzlich empfangen worden. Die Mutter, die ich nur vom Sehen kenne, war leider noch nicht von der Arbeit zurück, denn sie arbeitet am fernen Flughafen. Der Vater ist ein ganz schmales, weißhaariges Männchen mit gutmütigem, faltenreichen Gesicht und wirkt für so junge Kinder sehr alt.
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