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St. Thomas von Aquin: Über das Böse (Sth I, qu. 48f - deutsch)

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spricht, die glaubten, <strong>das</strong> Übel sei eine bestimmte Natur und deshalb Gut und <strong>Böse</strong> als Gattungen<br />

ansetzten. Aristoteles pflegte nämlich, und zwar vor allem in den Logikbüchern, Beispiele<br />

zu wählen, die zu seiner Zeit gemäß der Meinung gewisser Philosophen als wahrscheinlich<br />

galten. – Oder man muss sagen, wie der Philosoph im Buch X der Metaphysik sagt<br />

der Philosoph, <strong>das</strong>s die erste Kontrarietät diejenige ist, die zwischen Haben und Beeinträchtigung<br />

besteht, weil diese in allen Fällen <strong>von</strong> Konträrsein mit eingeschlossen ist, da immer<br />

eines der Konträren dem anderen gegenüber unvollkommen ist, wie <strong>das</strong> Schwarze angesichts<br />

des Weißen und <strong>das</strong> Bittere angesichts des Süßen. Und insofern werden Gut und Übel Gattungen<br />

nicht schlechthin, sondern <strong>von</strong> Konträren genannt. Denn so, wie jede Form gut ist, so<br />

ist jeder Mangel als solcher schlecht.<br />

Zum Zweiten ist zu sagen, <strong>das</strong>s Gut und Übel keine spezifischen Differenzen sind außer im<br />

Sittlichen, <strong>das</strong> seine Art aus dem Handlungsziel gewinnt, <strong>das</strong> Gegenstand des Willens ist, <strong>von</strong><br />

dem <strong>das</strong> Sittliche abhängt. Weil <strong>das</strong> Gute <strong>von</strong> der Art eines Zieles ist [es ist <strong>das</strong> Ziel eines<br />

<strong>St</strong>rebens], deshalb sind Gut und Übel spezifische Differenzen im Sittlichen; <strong>das</strong> Gute an sich<br />

selbst, <strong>das</strong> Übel aber insoweit es <strong>das</strong> Verfehlen des gesollten Zieles ist. Aber auch <strong>das</strong> Verfehlen<br />

des gesollten Zieles konstituiert keinen Artunterschied im Sittlichen, außer in Verbindung<br />

mit einem nichtgesollten Ziel: Wie auch bei den Naturwesen keine Verfehlung [privatio]<br />

der Wesensform stattfindet, außer in Verbindung mit einer anderen Form. Deshalb ist <strong>das</strong><br />

Übel, <strong>das</strong> im Sittlichen die spezifische Differenz ausmacht, ein bestimmtes Gutes, <strong>das</strong> mit der<br />

Beeinträchtigung [privatio] eines anderen Gutes verbunden ist: wie <strong>das</strong> Ziel des<br />

Unbeherrschten nicht etwa <strong>das</strong> Entbehren des vernünftigen Guten ist, sondern <strong>das</strong><br />

Sinnenvergnügen unabhängig <strong>von</strong> der Vernunftordnung. Von daher ist <strong>das</strong> Übel als solches<br />

keine spezifische Differenz [es eröffnet keine eigene Gattung], sondern bleibt an den<br />

Gesichtspunkt des Guten gebunden [es ist eine defiziente, verfälschte Form des Guten].<br />

Dadurch ist auch die Antwort auf <strong>das</strong> Dritte klar. Denn dort spricht der Philosoph vom Guten<br />

und vom Übel im Bereich des Sittlichen. So wird nämlich zwischen Gut und Übel ein Mittleres<br />

gefunden: insoweit gut genannt wird, was der Ordnung entspricht; übel aber <strong>das</strong>, was<br />

nicht nur ohne Ordnung ist, sondern auch dem Anderen [aktiv] schadend. Deshalb sagt der<br />

Philosoph im Buch IV der Ethik, <strong>das</strong>s der Verschwender zwar töricht [vanus: eitel, d. h. einer<br />

eingebildeten, unrichtigen Ordnung folgend], aber nicht böse ist. – Vom sittlichen Übel aus<br />

geschieht es, <strong>das</strong>s man zum Guten zurückkehrt; nicht aber <strong>von</strong> jedem Übel aus. Aus der<br />

Blindheit nämlich geschieht keine Rückkehr zum Sehvermögen, obgleich die Blindheit ein<br />

Übel ist.<br />

Zum Vierten ist zu sagen, <strong>das</strong>s man „etwas wirken“ auf dreifache Weise sagt. [a] Auf eine<br />

formale Weise, wie wenn man sagt, die Weiße mache weiß. In diesem Sinn wird gesagt, <strong>das</strong>s<br />

<strong>das</strong> Übel, auch in seiner Eigenschaft als Mangel, <strong>das</strong> Gute verderbe: denn es ist selbst ja die<br />

Verderbnis oder Beeinträchtigung des Guten. [b] Auf eine andere Weise wird „etwas wirken“<br />

im Sinne des tatsächlichen Bewirkens [effective] ausgesagt: so wie man sagt, der Maler mache<br />

die Wand weiß. [c] Drittens auf die Weise der Zweckursache: wie man sagt, der Zweck<br />

wirke, indem er den, der wirkt, bewegt. Auf die beiden letzteren Weisen wirkt <strong>das</strong> <strong>Böse</strong> nicht<br />

durch sich selbst, d. h. insofern es ein gewisser Mangel ist, sondern nur sofern es mit einem<br />

Guten verbunden ist: Denn alles Wirken stammt <strong>von</strong> einer Form, und alles, was als Ziel ersehnt<br />

wird, ist irgendeine Vollkommenheit. Und so, wie Dionysius im vierten Kapitel der<br />

Schrift „<strong>Über</strong> die Göttlichen Namen“ sagt, wirkt <strong>das</strong> Übel weder, noch wird es erstrebt, außer<br />

in Verbindung vermittelst der Kraft eines verbundenen Guten; für sich selbst ist es ohne Ziel<br />

[in-finitum], und außerhalb <strong>von</strong> Wille und Absicht.<br />

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